Die Reise durch die Nacht ist die ebenso zauberische wie erbarmungslose Geschichte der Reise in eine vergehende Zeit.
»Friederike Mayröcker, diese Lyrikerin von Rang, (hat) eine zwischen traditionellen und experimentellen Schreibweisen angesiedelte Erzählform gefunden, die weder artifiziell noch paradigmahaft wirkt, sondern sich überzeugend an den Bewußtseinsstrom angleicht: eine Sprache, die unangreifbar poetisch ist und zugleich doch sichtbar dem Prozeß ständiger intellektueller Überprüfung ausgesetzt bleibt. Friederike Mayröcker stellt ihren Leser vor allerhand Rätsel, aber aus den geläufigen Gegenständen derzeit inflationärer autobiographischer Prosa wie Krankheit, Altern und Kindheitserinnerungen, denen auch sie sich ausliefert, schält sich in ihren Aufzeichnungen deren Hauptthema, die Einheit von Leben und Schreiben, immer wieder heraus. »Lebensnotizen«, wie sie ihre Prosa nennt, bilden das Konzentrat von Befindlichkeiten, die von Niederlagen, Wankelmut und fehlenden Orientierungen geprägt sind. »Alles in meinem Leben«, schreibt sie, war immer verzwickt und unscharf und abgestumpft, weil da immer ein Makel ist im schönsten Himmelsvergnügen, mitunter Teufel.« Hans Christian Kosler, FAZ
Friederike Mayröcker
Reise durch die Nacht
Suhrkamp Verlag
eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2021
Der vorliegende Text folgt der 1. Auflage der Ausgabe der Bibliothek Suhrkamp 923.
© Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1984
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Umschlag: Willy Fleckhaus
eISBN 978-3-518-77099-3
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Reise durch die Nacht
Reise durch die Nacht
Wir sind jetzt aus Frankreich zurück mein VORSAGER und ich und eben noch in dem Schlafabteil habe ich die kalthängenden Wiesengründe an mir vorüberwischen sehen, mit getrübtem Auge weil mir zum Tränenvergießen die Stunden der Nacht waren auch Verteufelung undsoweiter.
Das war überhaupt keine gute Zeit da und wir kamen überhaupt nicht zurecht mit irgendwas am wenigsten miteinander, also unsere Beziehung hatte sich da erschöpft; überhaupt nicht mit dem Ablauf der Dinge, was dem Umstand zuzuschreiben sein mochte wir beherrschten die Sprache nicht, immer noch nicht trotz zahlreicher Ansätze sie zu erlernen die längste Zeit trotz meiner Verliebtheit in sie, und immerzu fluchen also fluchend durch diese drei Wochen und nichts verstehen von allem was ringsumher geschieht und alles sehr fremd und einengend und bedrohlich finden und sich jederzeit unerwünscht fühlen, ja, ein Gespenst inmitten dieser so herrschaftlichen Stadt inmitten dieser ihrer direkten selbstherrlichen lauten Bewohner, alles bis an den Rand oder sonstwie. Während einem die Tränen kommen.
Ein oder zwei Daunenkissen führe ich immer mit auf Reisen, weil ich sonst in fremden Betten überhaupt nicht schlafen kann, und das einzige was ich auf dieser Reise gelernt habe, war, jederzeit an jedem Ort Schlaf zu finden, das hat mein Körper gelernt noch vor meinem Verstand, das hat mein Körper begriffen auf dieser Reise in dieser fremden Umgebung, etwas das ich mir früher nie hätte aneignen können, eine plötzliche Neigung Eingebung Gabe vielleicht, weil ich dermaßen geschunden war, so wiegte es mich in den Schlaf heute nacht in diesem Reisebett, ich schlief oberdeck während JULIAN unten zur Ruhe zu kommen suchte, das Erklimmen des oberen Lagers machte mir keine Schwierigkeiten, früher hätte ich da nicht einschlafen noch weniger durchschlafen können ich meine in einem solchen Nachtzug, der durch eine unbeleuchtete Gegend rast : aus Angst, es würde einen Zusammenstoß geben vorn in der Lokomotive und alle Wagen würden, aus den Schienen springend, sogleich umstürzen und ihre dürftig bekleideten Passagiere unter sich begraben, und ich habe bis ins hohe Alter geweint, meinen nachwachsenden Kindern nachgeweint die auf solche Art umgekommen sind, sage ich, James und Susanna. So tastete ich in der Dunkelheit zum messinggerahmten Stahleinsatz meines Bettes, der Schädel zumindest würde draufgehen dabei, und fern jedem Unterschlupf all meine verwahrlosten Sachen, mein ganzer verwahrloster Leib, an dem kaum mehr irgend etwas in Ordnung zu sein scheint, also fast nichts mehr funktioniert wie es funktionieren sollte, sage ich, und worüber ich mich ständig hinwegsetze es sei denn die Schmerzen hinderten mich daran, einen Gedanken zu fassen oder Ruhe zu finden. Ich hatte große Hemmungen, das Nachtgeschirr welches neben dem unteren Lager in einem Kästchen mit Kippvorrichtung nach außen untergebracht war, während der nächtlichen Fahrt zu benutzen, der bloße Gedanke daran ließ den Drang nach Entleerung in weiteste Fernen rücken, das sind jedoch alles nur Vermutungen .. und während mein VORSAGER mich zurechtwies daß ich über das Wetter nämlich die herrschende Wetterlage zu reden begonnen hatte und ich ihn fragte ob er dank seiner Wetterfühligkeit voraussagen könne daß es so bleiben würde, setzte er seinerseits an, die allgemeine Weltlage zu beklagen, später sagte er dann, wenn alle zugrunde gehen, läßt es sich leichter ertragen, ich wollte noch dieses und jenes zur augenblicklichen Weltlage erfragen aber das hätte zu weit geführt : das merkte ich an den Bleigewichten, den Ausläufern meiner Fragen, in den Falten meines Gewandes, so hielt ich damit zurück, behielt lieber alles für mich, die Rotblindheit holt mich ein, sage ich, fraglich welche Erfahrungen ich daraus hätte gewinnen können, hätte ich mir die Linse des Auges eines Hundes aufpropfen lassen wollen ..
Steigerungen ins Rote, eine erregte erregende Farbe, ein Spanischrot oder Goyarot, eine Farbe die mir nicht sonderlich bekommt weil sie leicht ins Grün überspringt, mir ein Grün vorgaukelt, die Blumendolden am Fensterbrett, ich schlüpfe in die leuchtend rote Samthose (Goyahose) am Morgen, schon stürzen die Tränen, dabei habe ich so wenig Rot in meiner Wohnung und auch nie rote Kleider, einmal als ich sehr jung war, trug ich ein enges rotes Wams, vermutlich um meinen hohen Wuchs hervorzuheben, während die Fliegenvolants mir zusetzten, sage ich. Heute früh rief mich LERCH an und sagte mir, Maja sei Burschin, Majo Bursche, meine jüngsten Anfragen betreffend. Verzweigte Ressourcen! verzwergte, meine ich, so auf den bloßen Knien die Weihnachtswäsche. Diese wunderbare Farbe dieses Rot überschwemmt mich, diese wunderbaren goyaroten Pantalons, ich brenne ja nur so darauf einen halluzinatorischen Stil zu schreiben, ich meine ich brauche mich ja nur führen zu lassen, ich brauche nur die Augen zu schließen und mich führen zu lassen ach, wie das Blut wallt die Adern .. und bin ich nicht vielmehr ein Mann Goya ist zum Beispiel mein Vater, bin ich vielleicht mein Vater mein eigener Vater, mein Vatervergolder, oder meine Mutter, oder bin ich vielleicht mein VORSAGER auch JULIAN genannt und jeder hellen überbordenden Farbe (Seife) entwöhnt, oder bin ich vielleicht jener rotblonde Schlafwagenschaffner, der uns auf dieser unserer nicht endenwollenden Reise für ein ihm unmittelbar nach der Abfahrt in Paris zugestecktes übermäßig großes Trinkgeld in jeder Hinsicht vorzüglich betreute ..
dank unserem nervlichen Kontrollsystem überlagern sich diese beiden Wissen (Wiesen) nämlich Myriaden, man fingert ich meine fingiert eine Geschichte, also fabriziert man sie, sage ich. Und obwohl ich beispielsweise manchmal selbst mein VORSAGER geworden bin, bleibt er mir stets geheimnisvoll, kaum je habe ich jemand getroffen, der mir in all den Jahren so sehr ein Geheimnis geblieben ist, er ist mir genaugenommen ein unfaßbares Geheimnis geblieben, das Bild mit der Kapuzinerkresse (Manet) hat mich sehr gefangengenommen, die Materie bedeutet keine Grenze, die unendliche Malerei ist eine Fortpflanzung des Lebens, ein ununterbrochenes Zerstören und neues Beginnen, wir drücken die himmlische Liebe als Ypsilon in den Abgrund hinunter, aber jede Bewegung ist wichtig wie der Wind, altmodisch inkliniere ich zu Verbrühung, Vertaubung, Verblutung, obgleich ich mich immer eines besonders guten Gehörs erfreuen durfte, sage ich, meine Gehörgänge sind empfindlich wie die eines jungen Kindes, ich sehe oft Kinder bei großem Lärm beide Hände gegen die Ohren pressen, Nachtschmetterlinge kommen wie Tiger in mein Zimmer, da ist im Mann der Flammenengel offen .. und nur eine halbe Stunde später, sagt JULIAN, findest du dich bei deinen Papageien / Papieren, unsere liebe Frau von der Reise, sage ich, die Müdigkeit saß mir im Kopf und in den Gliedern und ich schüttelte sie heraus indem ich mich immer von einer Seite zur anderen drehte auf meinem Kopfpolster, die Gardine gehoben, im Morgengrauen Strasbourg, ein verlassenes Sportfeld, von weiß leuchtenden Holunderbüschen umrahmt, alles in meinem Leben war immer verzwickt und unscharf und abgestumpft weil da immer ein Makel ist im schönsten Himmelsvergnügen mitunter Teufel, so neigte ich immer dazu, eine Frage-, eine Abhängigkeitsstellung einzunehmen, und ich holte mir gerne von jedermann Auskunft und genoß es, von jedermann unterwiesen zu werden, damit mein Blick sich schärfe, meine Stimmung sich straffe, und mitten in dieser Nachtbefragung als plötzlich das Licht ausging und meine Augen zu nichts mehr taugten so weit ich sie auch aufsperren wollte, blieb mir immer noch mein Körperbewußtsein, mein Leib, meine Schenkel fühlten sich an wie sonst, meine schmerzenden Füße, wie tröstlich!, vermochten noch meinen Körper zu tragen, da ließe sich allerlei ablesen, sage ich, aus dieser Erfahrung ließe sich allerlei ableiten für das eigene Heil, sage ich, draußen hat es geblitzt – – was ist draußen?
Auch das Schwätzen mit sich selbst ist das gleiche geblieben, dieses vertraute Gezwitscher, auch was innerhalb der eigenen Hirnschale abläuft, etcetera, das eigene Seufzen ..
ausgeschwitzt, jetzt habe ich mein Leben bald ausgeschwitzt, sage ich, tappe zum Abort, erblicke mein graues verzerrtes Gesicht im trüben Toilettenspiegel, ein verschlissenes Grau im Spiegel, meine Herzschläge dröhnen, widerhallen in mir wie Donnerschläge, die nachwachsenden Kinder, ich hätte ihnen alles vermacht, wären sie am Leben geblieben, ein Garten dessen Vernachlässigung mich des öfteren hart trifft, du vernachlässigst dich, du gibst zu sehr nach, ruft mein VORSAGER doch das verfängt nicht bei mir, die Szene ist immer die gleiche, die Seele, am Schreibtisch, am Sommerort, in der Nacht, hier bei Nacht auf dieser nicht endenwollenden Reise. Welch ein Glück, man weiß daß am Morgen die Sonne aufgehen wird, rot ganz rot in Hochroterd habe ich öfter Briefe gewechselt mit LERCH, und Blumensträuße gepflückt violett und weiß heute ist Sonntag, manchmal weiß man nicht was für ein Tag ist, es geht um die Farbe es geht um die Zunge, der Ara / Papagei in der Tierhandlung, mit Zebrazeichnung auf seiner Brust, mit wissendem Blick, sein Blick ruhte lange auf mir, es geht um die neue Farbe, es geht um die neue Zunge, den neuen Blick daß / damit ich irgendwo aufruhen kann, irgendwo Halt gewinne, daß / damit mein Fuß irgendwo Tritt fassen kann, ich meine ich streune ich strome ja nur so herum, mein Kontrollsystem ist voll vibrierender Spannung, ein gutes Dutzend Dinge will ich gleichzeitig tun, ein gutes Dutzend Dinge kann ich gleichzeitig denken, erfühlen, verstehen, mir ins Gedächtnis rufen. Wenn mich die Menschen verletzen, bin ich selbst schuld, ich meine ich nehme es auf mich weil ich schuldig bin. Nachtschmetterlinge wie Tiger in meinem Zimmer, in der Zimmermitte der Dattelkern, auf Storchenbeinen, der liebe Tag, mein Uhrglasauge ist aufgewacht, auf die schöne Sonne fallen die kühnen Berge, mein Arbeitstisch steht nahe am offenen Fenster, vermutlich zu nahe als daß nicht alles Papier mit dem geringsten Hauch weggeweht würde, so bin ich lange genug in diesem Zimmer gewesen, so bin ich lange genug in dieser Zeit geblieben, ich bin auch weltscheu geworden, vermeide Begegnungen und Kontakte, mein Verlangen nach Stille und Ausschaltung jeglicher Störungen wird immer größer, ist beinahe größer geworden als jenes nach Nahrungsaufnahme und Schlaf, aber ich weiß nicht welches Ziel ich damit verfolgen möchte, es ist daß ich mich auf etwas besinnen will von dem ich nicht, oder noch nicht, weiß was es ist, ich habe zwar alles mögliche unternommen, ich habe mit unzähligen Menschen Berührungen ausgetauscht, habe die Orte und Jahreszeiten gewechselt, aber tatsächlich habe ich mich von meinem Schreibplatz nicht wegbegeben, von meiner Schreibarbeit, naturgemäß hier ist mein Platz und Zuhause, aber vielleicht spielt sich alles nur in meinem Kopf ab, vielleicht ist es so daß wir nur noch in der Vorstellung leben, dieses und jenes zu tun, vielleicht vollziehen wir alles nur noch in unserem Kopf, sage ich, wir leben womöglich nur noch dank unserer Vorstellungskraft die wir jahrzehntelang gepflegt und betätigt haben, das sind jedoch alles nur Vermutungen, sage ich, draußen blitzt es, es ist zwei Uhr vierunddreißig, der Zug ist in eine Station eingefahren. Bin ich zu Hause bin ich nicht unterwegs und auf Reisen, kann ich zwischen einem halbleichten, leichten, halbschweren, schweren Hut (Hund) wählen, habe ich die Wahl zwischen den dunklen und helleren Kleidern; bin ich jedoch unterwegs und auf Reisen, gestaltet sich begreiflicherweise alles viel schwieriger, ich bin jeder hellen überbordenden Farbe (Seife) entwöhnt, ich meine ich bin seit Tagen jeder Seife entwöhnt, jedem Gebrauch von Seife, seit Tagen keine Waschungen mehr, was noch keine spezifischen Auswirkungen gezeitigt hat, sonst, zu Hause, während des Reinigungsprozesses die besten Einfälle, mehrmals am Tag, alles zu seiner Zeit, daß die Schreibheftchen übergehen davon, aber hier, sage ich, während dieser bedrückenden ja glücklosen Reise sind meine Körpersäfte zum Stillstand gekommen ich meine ich könnte wahrscheinlich noch tagelang so bleiben ohne daß meine Umgebung oder ich selbst darunter zu leiden hätten. Altmodisch inkliniere ich zu Verblutung, Verbrühung, Vertaubung, obwohl ich mich immer eines besonders feinen Gehörs erfreuen durfte, ja, manchmal war es mir schon vergönnt, einen Echoeffekt zu erzeugen vermittels ich weiß nicht was, ebenso ist es meinem Vater ergangen, das ist ein starker Standpunkt, alles zu seiner Zeit, einmal nahm mich mein Vater (als Kind) in einen Kirchturm mit, während er läutete lief ich unter der Glocke durch, der Schwengel streifte mich am Kopf, ich wäre beinah erschlagen worden, als ich mit fünf Jahren eine Bergtour unternahm, wendete mir der grenzenlose Sturm den Schirm und trug ihn weit fort, rechts und links in meiner Figur sah man die Hörner, als ich einmal das Vieh weidete, griff mich ein böser Stier an, wenn nicht ein Knecht herbeigekommen wäre, hätte mich das Tier übel zugerichtet, aber meine Mutter rief meinen Vater als Fürbitter an, sie stammelte Dankgebete zu meinem Vater daß er mich noch einmal errettet hatte, wie so viele Male vorher, mein Pfeifenvater, armer Pfeifenvater, Vatervergolder (Goya), NADA. NICHTS. Auf dem Rücken des Hundes lag Schnee ..
Wie war das mit der Zitrone, sage ich, mit der Farbe gelb, wie war das mit der Zeit, sage ich, wo ist sie immerzu hingekommen, wie ging das eigentlich zu, sage ich, wie sollte wie konnte man da noch aufruhen, auch zur Besinnung kommen, mein Wort in der Blutrinne, etwas schnellte plötzlich vom Tisch : Dinge machen sich selbständig! zwei Brotschnitten kamen auf den Fußboden zu liegen, vermutlich während des Frühstücks vom Tisch gefallen, eingekerkert zwischen den Fenstern brummt eine Fliege----ich würde sie wohl zu befreien haben, ein Mobile aus Kleiderhaken, ein ungefähres Danebenstehen, eine Zitrone liegt auf dem Tisch : eine Schönheit! sie liegt da, sage ich, als wollte sie sich auf das Gemaltwerden vorbereiten, und während meine Finger sie umklammern, erinnere ich mich an etwas, es hängt mit meinem Vater zusammen, alles hängt im Grunde mit meinem Vater zusammen, ich hatte lange nicht mehr daran gedacht, sage ich, alles zu seiner Zeit zuerst das mit der Zitrone, er ließ manchmal, wenn ich auf Besuch kam, zum Scherz kleine Dinge in meinen Manteltaschen verschwinden, Apfel, Orangen, zusammengeknülltes Papier oder kleine Gegenstände des Hausrats, es beulte die Taschen aus, und ich sollte es erst bemerken, wenn ich ihn verließ, während ich meinen Mantel überzog. Verböschung und Ufer, da liegt die blanke Zitrone herum, daneben eine rote Serviette, sage ich, er kippte in seinem Stuhl hintenüber, einmal lag er mit dem Gesicht nach unten auf dem Sofa und schien zu schlafen, und ich erschrak, das Ausblasen von Türen und Fenstern (Herz), so bin ich lange in diesem Zimmer gewesen so bin ich lange in meiner Zeit geblieben so höre ich lange die Schritte der Zeit über die Menschen hin ..
zur Steuer der Wahrheit, die Filzstifte liefen aus, in der Nacht blau und grün, große an den Rändern gezackte Kleckse haben mir alles überschwemmt, alle Notizen verdorben, als ich gestern nach Muscheln suchte, dachte ich über Wert und Unwert, Schönheit und Häßlichkeit, Täuschung und Verführung dieser Welt nach, dabei fiel es mir schwer die Orientierung zu halten, die Materie ist immer irreal wie die Wellen des Meeres, sage ich, bei nachträglicher Betrachtung bin ich von Unheil zu Unheil getaumelt, verkohlt und verbrannt, riß mir das Auge fast aus, schnitt mir die Hand, spießte die Farben oft auf, hektische Zuckersachen ..
Tisch und Pult, die kleinen Bleistifte, der Alarm .. warum, so frage ich mich, bekomme ich manchmal die quälende Vorstellung nicht los, ich müßte mir einen spitzen Gegenstand durchs Trommelfell jagen, ich sperre den Mund weit auf und ein riesiger sonnenverfinsternder zürnender Engel in schwarzem Klauenhabit stößt mit scharfer Fittichklinge die beiden weißen Schlangeneier in meinem roten Gaumengebirge auf, worauf sich mein Rachen augenblicklich mit einem mich zu ersticken drohenden gierig verknäulten Natterngezücht füllt so daß ich mich blutig erbrechen muß .. die vielen Tugenden ich habe es selbst gesehen, das weiße Flockengewölk, ich möge mich wegscheren .. weil ich sie liebe, spieße ich die Farben oft auf, aber ich habe mich allen hellen überbordenden Farben entwöhnt, aber ich gerate in große Erregung, wenn ich dunkelrote, dunkelviolette Bäume sehe, Blumen in meiner Zimmerumgebung, der schöne Brief mit dem Papageienverschluß, im Schaufenster der Tierhandlung der gemusterte Ara zum Beispiel, das sind Sittiche / Papageien auf der Wäscheleine im Hof gelbe blaue und grüne Wäscheklammern im Wind, ein Spanischrot, Goyarot, wieselt zu grün hinüber, auf emotionale Anregungen hin versuche ich diese Papageiensprache durchzuhalten, im Norden der Stadt sah ich ein Straßenschild RUE OBERKAMPF, daneben in Sprayschrift HILFE ICH LEBE, Zettelchen gegen den Hagel, auch andere Hagel- und Blitzableitungen, das Herz soll Feuer fangen im Taubenblut, nach dem Blitzunglück habe ich immer wieder Blitze vor meinen Augen gesehen, ich habe es selbst gesehen wie das fahrerlose Auto sich ruckweise weiter bewegte, die Fliegermütze der Fliegermai, die Motorradkappe, die Kappe des Motoristen, ich habe da mehrere Hypothesen, schreien und schreiben, in ein Notizbuch, vielleicht auch chauffieren, hatte ich nachts notiert, er hatte ja leidenschaftlich chauffiert, war immer ein rasanter leidenschaftlicher Fahrer gewesen, meine Mutter in der Beiwagenmaschine, neben ihm, verging fast vor Angst, ich habe auch eine Fotografie, wo sie mit flatternden Haaren, eigentlich flatterndem KopfS IST SO GAR KEINETTER HEUTES IST SO EINBERGANGSWETTER VON KALT ZU HEISS, ODER UMGEKEHRT