Prolog
Leben auf dem Berg
Nicht nur romantisch
Die ersten Ski
Doppeltes Training
Jetzt wirds ernst
Internatsleben
Panik im Steilhang
Eine neue Heimat
Die große Bühne
Schlüsselerlebnis
Zum Glück gezwungen
Ansage in Åre
Von der Schulbank in den Kampfanzug
Schmerzen in Chile
Allrounderin
Tragödie in Garmisch
Die ersten Spiele
Olympiadebüt: Lillehammer 94
Die »Wilde Hilde«
Was lange währt …
Verbotene Liebe
Ein ewiges Versteckspiel
Zurück in der Erfolgsspur
Frei im Kopf
Neu gemischt
Als Favoritin zu den Spielen
Dreierreihe
Big in Japan
Empfang in der Heimat
Neue Hierarchie
Eingeholt
Fahrfehler mit Folgen
Der Bruch
Nägel mit Köpfen
Der lange Weg zurück
Neue Höhenflüge
Die richtigen Entschlüsse
Eine Ehre: Salt Lake City 2002
Blech und Spiele
Hinfallen, aufstehen, Krone richten
Wo eine Wille, da ein Weg
Das Fernziel
Finale
Vorbereitung für den großen Abgang
Der letzte Sommer
Testfehler
Schluss machen
Seitenwechsel
Neue Perspektive
Vier gewinnt
Ohne Vorbereitung
12. April 2010
»Funktioniere, Hilde!«
Parallelen
Freundinnen und Freunde
Neuanfang
Zurück auf den Schirm
Studentenleben
Zulassen
Glücksregen
Keine Eile
Ehrlichkeit
Komplett
Berufe und Berufungen
Neuorientierung
Pandemie: Strategien in der Krise
Epilog
Kaiserschmarrn à la Hilde senior
Dass ich das Studium nicht mehr aufnehmen würde, stand spätestens mit der Geburt vom Benedict fest. Was mit zwei Kindern schon schwierig war, schien mit dreien unmöglich. Während der Kleine schlief, habe ich von zu Hause das Büro für Marcus gemacht. Er hatte mich angestellt und ich habe mich um die Lastschriftverfahren für die Trainingsverträge und lauter Verwaltungskram gekümmert, den er bis dahin selbst erledigt hatte. Das war ein Haufen Arbeit, weil sein Studio über die Jahre gewaltig gewachsen war. Als der Benedict fast zwei Jahre alt war, habe ich gesagt, dass ich das nicht mehr schaffe. Kind, Büro, Haushalt und die Ferienwohnungen zusammen wurden mir zu viel.
Zu dem Zeitpunkt stand auch für Marcus eine Veränderung an. Er wollte aus seiner riesigen Praxis in einem Einkaufszentrum raus und suchte nach einer Alternative. Nach anfänglichen Schwierigkeiten hatte er schließlich eine leer stehende Immobilie in der Schönau gefunden. Das war ein altes Kurmittelhaus. Da waren sogar noch riesige Wannen für die Wassertherapie drin. Im Erdgeschoss befanden sich eine Bank und eine Bäckerei. Mir war gleich klar, dass das eine gute Investition wäre. So habe ich diese Immobilie dann 2015 gekauft. Er hat dann bei mir die Räume für seine Praxis angemietet und selbstständig umgebaut. Die Eröffnung seiner neuen Praxis war im Juli 2016.
Als der »Beni« mit drei Jahren größer und selbstständiger wurde, kam mir der Gedanke, dass ich auch wieder etwas in die therapeutische Richtung machen könnte. Das hatte mich schon immer interessiert. Sicher hatte das auch damit zu tun, dass ich wegen meinen Verletzungen selbst viele Therapien durchlaufen hatte. Ich sah die Gelegenheit, etwas von meinen eigenen Erfahrungen weiterzugeben.
Mein Ziel war, mir etwas zu suchen, das ich bei Marcus in der Praxis anbieten konnte. Mir war dabei natürlich klar, dass ich nicht so schnell auf seinen Stand komme, denn er hatte jahrelange Berufserfahrung und war noch dazu ein hervorragender Ausbilder. Bevor ich richtig anfangen konnte, brauchte ich außerdem noch einen Trainerschein. Das war allein schon deshalb wichtig, weil ich wegen der Erziehung vom Beni schon länger aus dem Trainingsgeschäft raus war.
Ich entschied mich für einen Onlinekurs, in dem Theorie und Praxis kombiniert wurden. Der praktische Teil sollte eigentlich in München absolviert werden, fand dann aber über sechs Wochenenden in Wien statt. Die Theorie inklusive der theoretischen Prüfung lief digital. Das war alles nicht so umfangreich wie für das Gesundheitsmanagementstudium, dafür aber von Training und Theorie mehr an Reha oder Physiotherapie angelehnt. Letztendlich genau das, was ich für die Arbeit in der Praxis gebraucht habe! Nach dem Ablegen aller Prüfungen hatte ich im Frühjahr 2019 meinen Abschluss als Functional Trainerin.
Mittlerweile bin ich in meinem neuen Berufsleben als Personal und Kleingruppentrainerin voll angekommen. Für viele, die zu mir kommen, ist es einfach interessant, sich mal von jemandem trainieren zu lassen, der es in seiner Sportart bis an die Weltspitze gebracht hat. Viele glauben, dass ein Olympiasieg allein schon dafür qualifiziert, anderen etwas beizubringen. Ganz so einfach ist es natürlich nicht – sonst hätte ich mir die Ausbildung ja sparen können.
Ganz anders schaut es beim Skilaufen aus. Da weiß ich intuitiv, was ich tun muss. Das habe ich schließlich von klein auf gelernt. Der Skisport ist deshalb weiterhin ein wichtiger Bestandteil in meinem Leben. Zum einen gehe ich mit meiner Familie auf die Piste, wann immer es möglich ist. Das macht mir viel Spaß. Das muss dann auch nicht schnell oder ewig lang sein. Das ist für mich ein Stück Freiheit im Alltäglichen.
Zum anderen werde ich regelmäßig von Firmen gebucht. Bei diesen Incentives treffen wir uns meistens am Abend vor dem eigentlichen Ski-Event und lernen uns an der Bar oder bei Kamingesprächen kennen. Am nächsten Morgen gehen wir nach dem Frühsport gemeinsam auf die Piste. Das ist immer total spannend. Gerade die Fahrten im Sessellift sind sehr interessant. Das ist ein bisschen wie beim Friseur. Da bekommt man wirklich einen Einblick in die unterschiedlichen Firmen. Das sind meistens sehr gut gehende Unternehmen, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit solchen Incentives, bei denen sie sich mit bekannten Persönlichkeiten austauschen können, belohnen. Ich bin da immer ganz erstaunt, was die alles erzählen und wie es bei denen in der Firma abgeht. Die wissen in ihrem Job ganz genau, was sie tun müssen. Auf der Piste schaut das aber oftmals ganz anders aus. Da sieht man sofort, wer den ganzen Tag nur im Büro sitzt. Das sind zwei völlig unterschiedliche Welten. Das sind Führungskräfte, die im Job 30 Leute unter sich haben und sich mit Marketing und Immobilien bestens auskennen, aber auf Ski völlig ängstlich und verunsichert wirken. Da lernst du die Leute noch mal von einer anderen Seite kennen.
Die haben meistens einen Riesenrespekt vor mir, sobald wir auf der Piste sind. Das ist schön, denn die akzeptieren mich in diesem Moment sozusagen als ihre Führungskraft. Mir ist es bei diesen Programmen aber nur wichtig, Spaß an der Bewegung im Freien zu vermitteln. Dazu kommen ein paar Tipps, wie sie sich auf den Ski sicherer bewegen können. Da geht es meistens um Basics, wie den Umgang mit schlechtem Wetter oder sicheres Verhalten in besonders steilen Hängen.
Mir liegt am Herzen, dass diese Tage nachhaltig sind. Mein Ziel ist, dass der eine oder die andere beim nächsten Mal, wenn er oder sie auf die Piste geht, daran denkt, was die Profisportlerin gesagt hat. Natürlich gibt es auch immer wieder mal welche, deren Ehrgeiz besonders geweckt wird, wenn sie mit mir unterwegs sind. Die wollen sich dann einfach mal mit einer Olympiasiegerin messen und zeigen, was sie draufhaben. Das sind die, die am liebsten in einen Tiefschneehang reinfahren würden, um zu sehen, wer da schneller runterkommt.
Aber wenn ich mit Gruppen unterwegs bin, mache ich das bewusst nicht. Ich habe dann gegebenenfalls die Verantwortung für 20 Leute. Auf so was lasse ich mich gar nicht ein, weil ich niemanden herausfordern oder eine Situation entstehen lassen möchte, in der sich am Ende noch jemand von uns verletzt. An diesen Tagen liegt der Fokus nicht darauf, ans Limit zu gehen, sondern es geht um das Gesamterlebnis.
Vor allem im Bereich Teambuilding sind die Erfahrungen aus meiner eigenen aktiven Zeit sehr hilfreich. So wie das bei uns in der Skinationalmannschaft war, gibt es in diesen Firmen Gruppen, die zueinander in Konkurrenz stehen. Wir waren damals als Team miteinander 260 Tage im Jahr unterwegs und haben die Welt entdeckt, während wir uns auf der Piste bekämpft haben und unbedingt schneller sein wollten als die anderen. Das war eine Mischung, die funktionieren musste. Wenn die Arbeit erledigt war, mussten wir nicht mehr miteinander konkurrieren. Da gehörte es zum Teamgeist dazu, zusammen etwas zu unternehmen und auch mal Kompromisse einzugehen. Das sind genau diese Dinge, die mir an solchen Skitagen mit den Unternehmen viel wichtiger sind, als wenn da jemand einen perfekten Schwung fährt.
Außerdem halte ich regelmäßig Vorträge, in die ich viel aus meinem eigenen Leben als Sportlerin mit allen Höhen und Tiefen, aber auch aus der Verarbeitung meiner persönlichen Schicksalsschläge einfließen lasse. Gerade beim Thema Krisenmanagement kann ich viel aus meinen Erfahrungen, die ich bei Verletzungen, aber auch bei der Bewältigung schwieriger Lebenssituationen gesammelt habe, weitergeben.
Das ist einfach eine Herzensangelegenheit. Weil ich die Dinge, über die ich spreche, selbst durchlebt habe, kann ich die Menschen in diesem Bereich sehr gut erreichen und abholen. Es ist nicht so, dass ich nur über etwas rede, das ich mir angelesen habe. Letztendlich geht es um mein Leben. Natürlich habe ich vieles erlebt, was ich mir lieber erspart hätte, aber am Ende bin ich durch jede Krise stärker geworden. Für mich war immer entscheidend, dass ich mich der jeweiligen Situation gestellt habe. Das gilt umso mehr, wenn man die Katastrophe nicht kommen sieht, wie im Januar 2020.
Wir hatten immer wieder Kontakt nach Meran, zu Marcus’ Trauzeugen. In Italien ist die Pandemie bekanntlich ja schon früher mit einer großen Wucht angekommen. Ich war durch die Bilder und die persönlichen Worte und Gespräche gewarnt und hatte bei uns mit konsequenten Handlungen aus der Politik gerechnet. Ich hatte keine Ahnung, was dieses Virus kann. Was es tut. Was es verursacht. Andere zu schützen und durch vorsichtiges Handeln eine Ansteckung zu vermeiden, war mir, war uns als Familie wichtig. In meinem Umfeld lebten eine Menge Leute, die wegen ihres Alters stärker gefährdet waren als die Jungen. Oftmals wollte die ältere Generation diesen Schutz aber nicht, zum Teil wurde man für ein vorsichtiges Verhalten sogar schräg angesehen.
Gesellschaftlich hat die Pandemie uns vieles abverlangt, Werte wurden geprüft und getestet. Alle haben eine andere Lebenssituation und wurden von dieser Pandemie auf eine andere Art und Weise getroffen. Es wird in einigen Jahren noch diskutiert werden, ob die Maßnahmen in Ordnung waren und ab wann man den Schutz und die Verantwortung für die eigene Gesundheit wieder eigenständig übernehmen sollte.
Es wurden viele politische Entscheidungen getroffen in der Phase der Pandemie – ich hätte nicht in der Haut derer stecken wollen, die das zu übernehmen hatten. Ich habe dann für mich entschlossen, ganz konkret darauf zu schauen, wie ich mit der Situation umgehe und was ich daraus machen kann.
Unsere Ferienwohnungen waren zuerst ab März 2020 geschlossen, und meinen Beruf als Personal Trainerin in Marcus’ Praxis, den ich erst im Januar begonnen hatte, konnte ich plötzlich auch nicht mehr ausüben. Dazu kam das Thema Homeschooling. Mir war wichtig, den Kindern in dieser Phase einen Rahmen zu geben, damit die aufgefangen werden, wenn alle Kontakte auf einmal wegbrechen. Eine weitere Herausforderung war, dass die Situation bei uns im Berchtesgadener Land durch die Grenznähe zu Österreich besonders dramatisch war. Wir hatten sehr lange sehr hohe Inzidenzzahlen. Als Familie war uns wichtig, aus unserer Überzeugung heraus »Regeln« aufzustellen und uns an diese zu halten.
Als im Sommer 2020 plötzlich wieder vieles erlaubt war, sind wir trotzdem daheimgeblieben. Zum einen waren unsere Ferienwohnungen voll ausgebucht und zum anderen wollten wir Massenansammlungen vermeiden, in die wir zwangsläufig geraten wären, wenn wir in den Urlaub geflogen wären. Als das im Oktober 2020 dann wieder schlimmer wurde und die zweite Welle kam, war das für mich keine Überraschung. Ich hatte mich mit dem Thema beschäftigt und wusste schon im Frühjahr, dass die nächste Welle schlimmer wird als die davor. Das konnte man alles nachlesen. Das war vor hundert Jahren schon genauso. Das Virus ist das Virus und viel schlauer als der Mensch. Natürlich sollte man da nicht mit vielen Leuten eng zusammensitzen, aber ob man dennoch alles verhindern kann, war eine andere Frage, die ich für mich mit Nein beantwortet hatte.
Trotzdem hatte ich keinen Sinn darin gesehen zu jammern, als alles wieder geschlossen wurde. Ich hatte mein ganzes Sportlerleben gelernt, Lösungen zu suchen. Diese Pandemiesituation war für mich ein bisschen wie ein Rennen, bei dem sich ständig die Bedingungen ändern. Dann musstest du deine Taktik anpassen und schauen, wie du jetzt runterkommst. Wenn ich in einer langen Rechtskurve Zeit verloren hatte, weil ich zu eng ans Tor gefahren war, dann musste ich daraus meine Schlüsse ziehen und das beim nächsten Mal besser machen. Und wenn die Therapie nach einer Verletzung nicht funktioniert hat, dann musste ich halt einen anderen Ansatz wählen. So war das für mich auch mit dieser Pandemie.
Was? Onlinetraining? Wie soll das gehen?, waren meine ersten Gedanken, als ich das erste Mal davon gehört habe. Doch als ich die Angst davor, etwas Neues auszuprobieren, verloren hatte, war ich begeistert. Als das Training wieder untersagt wurde, habe ich alles auf Onlinekurse umgestellt. Das war mir wichtig, damit ich das Gefühl hatte, ich tue was. Mir erschien es sinnvoller, alle Kanäle anzuzapfen, als abzuwarten, bis alles vorbei ist. Ich musste mir neue Vertriebswege suchen, um mein Produkt, also mich als Trainerin, an die Leute zu bringen. Und das klappte super. Ich hatte dann sogar eine Trainingsgruppe in Trier, die ich niemals im Studio trainiert hätte, wenn ich meine Kurse wie gehabt nur dort angeboten hätte. Da hatte einer von der dortigen Handwerkskammer im Stern gelesen, dass ich Onlinekurse anbiete, und mich einfach kontaktiert. Plötzlich saß ich da vorm Computer und habe mit lauter Handwerkern in Trier unter dem Titel »Talk und Train« gearbeitet. Erst mal haben wir uns unterhalten und dann gemeinsam Übungen gemacht. Zum Beispiel habe ich ihnen gezeigt, wie man Gegenstände richtig hebt. Das ging durchaus ein bisschen ins betriebliche Gesundheitsmanagement rein. Da hat mir mein Studium, auch wenn ich es nicht beendet hatte, sicherlich geholfen.
Ich habe immer versucht, meine Augen und Ohren offen zu halten. Natürlich muss man auch Glück im Leben haben und die richtigen Leute treffen. Durch meinen engen Kontakt zu Hockeyolympiasieger Moritz Fürste hatte ich mitbekommen, dass er in Norddeutschland Testcenter für Coronaschnelltests betreibt. Die Ideengebung und die wichtigsten Inputs vor der Gründung meines eigenen Schnelltestservices kamen von ihm. Das aus dem Leistungssport übernommene Konzept, dass man sich als negativ getestete Person wieder mit mehreren getesteten Menschen treffen und somit auch wirtschaftliche Faktoren am Laufen halten kann, war der Antrieb. Der Gedanke war, die Infektionsketten frühzeitig zu unterbrechen, um die Pandemie abzuflachen. Dazu wollte ich beitragen.
Der medizinische Ansatz war mir durch das, was ich im Training und in der Physiotherapie gelernt hatte, nicht völlig fremd. Und auch durch meine vielen Verletzungen war ich immer sehr nah an der Medizin dran gewesen. Dazu kam natürlich, dass ich durch die Arbeit in der Praxis von Marcus sehr viel über das Umsetzen von Hygienemaßnahmen wusste.
So startete ich mit der Eröffnung eines Testcenters bei uns in Berchtesgaden. Zusammen mit Frau Fellner, Apothekerin der Bahnhof-Apotheke Berchtesgaden, führten meine fünf Mitarbeiterinnen und ich am 22. März 2021 die ersten PoC-Antigen-Schnelltests in der Apotheke durch.
Ich hatte zu diesem Zeitpunkt gerade (pandemiebedingt) nicht viel zu tun und war mutig genug, mal was völlig Neues zu probieren. Das war ein Sprung ins kühle Nass. Eine Firma mit eigenen Angestellten hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Die Selbstständigkeit und die damit verbundene Verantwortung scheute ich nicht, das kannte ich ja schon von meinen Eltern und meiner Zeit als Rennläuferin. In einem völlig neuen »Berufsfeld« eine Firma zu gründen, war nun eine sehr spannende Sache. Wie die Arbeitsabläufe auszusehen hatten, habe ich mir aus der Testverordnung und den Verordnungen des Arbeitsschutzes herausgezogen und mit meinen »Mädels«, zu Beginn alle aus dem medizinischen Bereich, unser Hygiene- und Testkonzept entwickelt. Jede durfte ihre Stärken einbringen und so entwickelte sich sehr schnell ein hochwertiger Arbeitsablauf im Schnelltest-Service Berchtesgaden.
Auch da sind mir meine Erfahrungen sehr entgegengekommen.
Ich war im Sport über viele Jahre gezwungen gewesen, mich mit neuen Dingen zu beschäftigen, mich schnell anzupassen und auf neue Gegebenheiten einzustellen. Schnelltest-Service war quasi nicht nur der Name der Tests, die durchgeführt wurden, sondern auch »Programm« bei der Umsetzung neuer Ideen und auch Verordnungen aus der Politik. Die neuen Aufgaben als Unternehmerin und Arbeitgeberin haben mich sehr gefordert in dieser Zeit, waren es doch einige neue Aufgabenfelder für mich, in denen ich völlige Amateurin war. Ich hatte am Ende ein Team von 33 Mitarbeiterinnen, die mich im Büro, in der Logistik und natürlich an den Teststationen tatkräftig unterstützt haben. Wenn in einem Team alle an einem Strang ziehen und Spaß an der Arbeit haben, wird viel positive Energie freigesetzt, und diesen »Workflow« haben wir wirklich alle sehr genossen.
Aber egal ob im Sport oder im Geschäft: Es war für mich immer essenziell, eine Struktur in das zu bringen, was ich gerade tue. Wenn ich es geschafft habe, einen geregelten Ablauf zu entwickeln, war ich erfolgreich. Das ist etwas, das mir und meiner Familie letztendlich hilft, durch jede Krise im Leben zu kommen.
◊ 150 g Mehl
◊ 1 Prise Salz
◊ 2–3 Eier
◊ Sonnenblumen- oder Rapsöl
◊ Sonnenblumen- oder Rapsöl nach Bedarf
1.150 g Mehl und eine Prise Salz mit der Milch glattrühren, bis keine Klumpen mehr vorhanden sind.
2.2–3 Eier (M) als Ganzes zufügen, eher unterheben und nicht zu fest verrühren. Somit kann der Teig in der Pfanne gut aufgehen. Je glatter und geschmeidiger der Teig, desto besser das Endergebnis.
3.In einer Pfanne (gelingt am besten am Gasherd mit einer Edelstahlpfanne) Öl erhitzen, Teig circa 2 Zentimeter dick in die Pfanne geben und auf mittlerer Hitze den Teig »backen« lassen (man kann auch einen Deckel auf die Pfanne legen), er wird dabei von unten nach oben fester. Wenn sich unten schon ein fester Bestandteil gebildet hat, kann man den Teig vierteilen und die Viertel einzeln wenden. Nochmals »backen« lassen, sodass der noch flüssige Teil auch noch fest wird.
4.Teig nun in kleinere Teile zerstechen, anschließend Butter in die Pfanne geben, damit man eine schöne Farbe und guten Geschmack an den »Schmarrn« bekommt.
5.Zum Schluss 3–4 Esslöffel Zimt-und-Zucker-Mischung drüberstreuen, nochmals wenden, gegebenenfalls nochmals etwas Butter zufügen, damit Zimt und Zucker gut karamellisieren und sich an den Schmarrn heften.
6.Mit Apfelmus oder Preiselbeeren genießen.
Edel Sports
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Dieses Buchprojekt vermittelte Sascha Fabian, Agentur Sportsfreude | www.sportsfreude.com
Projektkoordination: Svetlana Romantschuk
Lektorat: Julia Becker
Coverfoto: Michael Philipp Bader
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eISBN 978-3-98588-001-0
Für Anna, Wofal und Benedict
the power of love
Es gibt Momente, die ein Leben in ein Davor und ein Danach teilen. Im Sport ist das meist ein außergewöhnlicher Erfolg. Etwas, auf das du dein ganzes Sportlerleben hingearbeitet hast.
Für mich ist dieser Moment der, der aus der Skirennläuferin Hilde Gerg die Olympiasiegerin Hilde Gerg machte: dieser eine Augenblick am 19. Februar 1998.
Die Sonne scheint aus einem tiefblauen Himmel auf den riesigen Zielraum des olympischen Slalomhangs im japanischen Nagano. Zigtausend Zuschauerinnen und Zuschauer machen einen Höllenlärm. Es ist ungewöhnlich warm und der Schnee deshalb sehr schwer und tief. Ich bin einen letzten Schritt von der Vollendung meines sportlichen Traums entfernt. Einer Sache, die ich mir zehn Jahre zuvor selbst versprochen hatte. Damals, als ich im Februar 1988 als zwölfjährige Nachwuchsrennläuferin vor dem Fernseher gesessen und zugesehen habe, wie die deutsche Abfahrerin Marina Kiehl die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen im kanadischen Calgary gewann. Als sie kurz darauf ihr Karriereende verkündete, beindruckte mich das sehr. Gold gewinnen und aufhören. Genauso wollte ich das eines Tages auch machen. In diesem Moment damals, vor dem Fernseher, war ich mir absolut sicher gewesen, dass ich das auch schaffen werde. Zumindest das mit der Goldmedaille.
Eine Bronzemedaille habe ich an diesem 19. Februar 1998 bereits: Zwei Tage zuvor bin ich, hinter meinen Teamkameradinnen Katja Seizinger und Martina Ertl, Dritte in der Kombination geworden. Doch Olympiagold ist noch mal eine andere Dimension.
Nach dem ersten Durchgang im Slalom bin ich nun Zweite. So wie 1994 in Lillehammer. Damals hatte es am Ende nicht zu einer Medaille gereicht – aber das ist eine andere Geschichte.
Jetzt hier in Nagano ist die führende Italienerin Deborah Compagnoni mit mehr als einer halben Sekunde Vorsprung relativ weit weg. Außerdem ist sie die amtierende Slalomweltmeisterin und die beste Technikerin zu dieser Zeit. Die hinter mir platzierte Australierin Zali Steggall ist nach dem ersten Lauf nur einen Wimpernschlag entfernt und fährt im zweiten Durchgang erwartungsgemäß in Führung.
Mein zweiter Lauf ist ein Drahtseilakt. In so einer Situation riskierst du als Athletin alles. Du willst, dass im Ziel die Eins oder mindestens die Zwei aufleuchtet, denn dann hast du eine Medaille sicher.
Im ersten Teil läuft es perfekt und ich baue meinen Vorsprung schnell aus. Doch dann rutsche ich bei einem Rechtsschwung leicht weg und verliere für einen kurzen Moment die Linie. Das kostet Zeit, aber immerhin bleibe ich im Rennen. Jetzt hilft in den letzten 20 Toren nur noch volle Attacke: raus oder rauf aufs Podest. Ich erwische die letzten Tore perfekt und schmeiße mich förmlich ins Ziel.
Auf der gewaltigen Anzeigetafel leuchtet es hinter meinem Namen groß und deutlich: 1!
Ich bin Erste.
Silber ist mir nun absolut sicher! In meinem Kopf explodiert ein Feuerwerk, während ich ausgelaugt in den Schnee falle und um Luft ringe. Silber bei Olympia, das ist der Oberhammer.
Bis ich meine Ski ausgezogen habe, ist Deborah Compagnoni schon unterwegs. Irgendwie ist das total an mir vorbeigegangen. Ich bin einfach nur happy und mit mir selbst beschäftigt. Als ich dann endlich wieder stehe und hochschaue, ist die Zwischenzeit schon durch, doch ich verstehe überhaupt noch nicht, was gerade passiert.
»Du musst hinschauen!«, ruft mir die drittplatzierte Martina Ertl zu, die selbst gerade um ihre Bronzemedaille bangt. »Die Compagnoni ist nur noch 35 Hundertstel vor dir, die hat schon fast die Hälfte ihres Vorsprungs verloren!«
Im ersten Moment denke ich: 35 Hundertstel – ja – mir ist das jetzt wurscht, ich habe ja eine Medaille. Nach Bronze diesmal sogar Silber.
Als ich bewusster hinschaue und die letzten 15 Tore genau verfolge, immer mit einem Blick auf meine eigene Zeit, realisiere ich, dass die Compagnoni langsam ist. Außerdem weiß ich, dass ich den unteren Teil nach meinem Patzer extrem gut erwischt und bis zur Ziellinie gefightet habe.
Dann bleibt die Uhr stehen: +0,06.
Leck mich am Arsch. Ich glaube, ich spinne. Gold. Ich habe die Goldmedaille!
Meine Knie werden wieder weich. Diesmal vor Schreck.
Jeder umarmt mich. Deborah Compagnoni als Erste, dann Martina. Während das Rennen mit den schlechter Platzierten aus dem ersten Lauf weitergeht, schaue ich immer wieder ungläubig auf die riesige Anzeigetafel.
Da steht es: Hilde Gerg. GER!!! 1. Olympiasiegerin.
Als ich im Oktober 1975 in Bad Tölz zur Welt kam, war mir meine Skikarriere quasi schon in die Wiege gelegt. Auch wenn mein Papa allen Leuten erst mal erzählt hat, dass er jetzt eine neue Bedienung habe. Die waren alle erstaunt, dass er sich im Herbst, zum Ende des Sommers, noch eine neue Servicekraft holte. Es war seine Art, den Leuten zu sagen, dass er jetzt eine Tochter hat.
Meine Eltern bewirtschafteten zu diesem Zeitpunkt bereits seit einem Jahr die Tölzer Hütte im Brauneck-Skigebiet bei Lenggries. Diese Hütte liegt auf einer Ebene unterhalb der Brauneckbahn. Das Skigebiet ist im Winter sehr beliebt und gilt als Münchner »Hausberg«. Mit dem Auto fährt man kaum mehr als eine Stunde von dort. Mit ihrer Lage auf einer Höhe von 1495 Metern war die Hütte jeden Winter komplett eingeschneit. Und das ist wörtlich gemeint, denn in den 70er-Jahren hatte es noch viel mehr Schnee als heute.
Das klingt jetzt erst mal sehr romantisch. So einige Herausforderungen hat das allerdings schon mit sich gebracht. Im Winter konnte man sich da oben zum Beispiel nur mit dem Ski-Doo, also dem Motorschlitten, bewegen. Oder eben auf Ski. Im Sommer gab es Wirtschaftswege, die mein Papa mit dem Geländewagen befahren konnte.
Um uns herum waren damals noch mehrere andere bewirtschaftete Hütten. Die Stie-Alm, die Quengeralm und ein bisschen weiter unten die Bayernhütte. Mein Papa Stefan hatte dort schon während seiner Jugend oft ausgeholfen. Später war er dann erst mal Fern- und Busfahrer. Meine Mama Hilde hatte am Tegernsee gearbeitet und wollte was anderes machen. Über das Arbeitsamt ist sie dann als Bedienung auf die Bayernhütte gekommen. Viele wollten nicht auf den Berg, doch ihr hat das nichts ausgemacht. Dabei kommt sie eigentlich aus Landau an der Isar, wo es eher flach ist.
Das mit der Bayernhütte war tatsächlich eine auch für mich wichtige Entscheidung – denn dort hat sie dann meinen Papa getroffen. Der war damals der Hausmeister.
Die beiden sind dann wenig später an den Tegernsee gezogen, wo mein Papa für ein Busunternehmen Reisen gefahren hat, während die Mama als Haushälterin tätig war. Als die Tölzer Hütte 1974 dann zur Pacht ausgeschrieben wurde, bekamen meine Eltern den Zuschlag: Im November 1974 ging es los.
Man darf sich die Tölzer Hütte jetzt nicht als kleine Skihütte vorstellen, in der vier oder sechs Leute drinsitzen und verträumt in den Schnee schauen. Unter dem Begriff Berggasthaus hat man da schon eher das Richtige vor Augen.
Es war ein relativ großes Gebäude mit einer Küche. Der Hauptbereich mit der Gaststube war unten, im hinteren Teil ging es zu den Toiletten. Das war unten alles eher massiv. Der obere Teil war komplett aus Holz. Da ist man über eine Holzstiege rauf zu den Schlafräumen. Dort war auch Platz für ein paar Übernachtungsgäste. Hinter einer Tür waren dann unsere Privaträume. Im vorderen Bereich waren das Wohnzimmer und das Schlafzimmer unserer Eltern. Dahinter habe ich mir mit meinem zwei Jahre jüngeren Bruder Stefan ein Zimmer geteilt. Der heißt übrigens nach dem Papa, während ich wie meine Mama, eben Hilde, heiße. So macht man das halt oft in den Bergen.
Das Leben auf dem Berg war eigentlich immer gleich. Wenn die Bergbahnen um acht aufgemacht haben, kamen unsere Aushilfen rauf. Meine Mama stand dann den ganzen Tag in der Küche und hat gekocht. Das war Wahnsinn. Die konnte weder Ski noch Ski-Doo fahren und ist im Winter oft vier Monate nicht vom Berg gekommen. Der Papa stand hinterm Tresen, hat das Bier ausgeschenkt, die Bestellungen aufgenommen und nach hinten geschrien. Schweinsbraten, Schnitzel und Kaiserschmarrn waren besonders beliebt. Und bis die Mama und die Küchenhilfen das Essen hergerichtet hatten, hat der Papa abkassiert. Wir Kinder haben Getränke nachgereicht. Apfelschorle und Wasser durften wir übernehmen und den Leuten hinstellen. Und wenn das Essen mal länger gedauert hat, dann haben wir uns sagen lassen, wo die Gäste sitzen, und haben es ihnen gebracht. Das war jeden Tag der gleiche Ablauf. Im Sommer waren das die Leute, die wandern, im Winter halt die, die Ski fahren.
Der Betrieb ging um elf los und bis dahin musste auf jeden Fall das Essen fertig sein. So ein Schweinsbraten, der braucht ja ein paar Stunden im Rohr. Das ging dann bis gegen 15 Uhr und dann begann das Geschäft mit Kaffee und Kuchen. Und um kurz nach vier war Schluss, denn um 16:30 Uhr fuhr die letzte Bergbahn, im Sommer erst um 17 Uhr.
Wenn die Gäste weg waren, war man froh, dass der Trubel rum war. Aber die Arbeit war noch lange nicht fertig. Dann begann das Zusammenräumen und Putzen. Das Problem war, dass unsere Aushilfen halt auch mit der letzten Bergbahn runtermussten. Da blieb dann viel Arbeit für uns liegen. Die Toiletten und die Gaststube mussten geputzt werden. Da war die Mama oft noch bis um halb acht abends beschäftigt. Später, als wir größer waren, haben wir dann geholfen, wo wir konnten, damit die Mama auch mal eine Pause bekommt und mit uns in Ruhe essen kann. Das war dann unsere Familienzeit am Abend. Ein gemeinsames Mittagessen haben wir nie gehabt. Da war immer Vollbetrieb.
Überhaupt ist so ein Leben auf einer Hütte am Berg nicht so idyllisch, wie man sich das vielleicht vorstellt. Warmes Wasser war für uns keine Selbstverständlichkeit. Das kam von einer Quelle in die Hütte rein. Wenn jetzt unterm Tag schon so viel Wasser für die Gäste oder beim Kochen verbraucht worden war, dann haben wir erst mal für unser Essen keins mehr gehabt, geschweige denn zum Duschen.
Dann hat man gewartet, bis etwas nachgelaufen ist, und dann hieß es: »Ihr habt fünf Minuten Zeit zum Duschen.«
Es war halt einfach anders. Nicht so wie unten im Tal, wo man unermesslich viel Wasser zur Verfügung hat. Außerdem haben wir unseren Wohnbereich oben gehabt und die Dusche war unten im Toilettenbereich. Da musste man immer über die kalte Stiege. Das war grauslich. Wenn wir ins Bad wollten, mussten wir zudem noch durch das Schlafzimmer meiner Eltern.
Aber irgendwie war das kein Problem. Es war klein, wir waren auf sehr engem Raum, aber wir hatten immer uns.
Wenn du auf einer Hütte im Skigebiet aufwächst, dann wird der Schnee irgendwann zu deinem Freund. Vor allem im Winter gibt es da oben weit und breit nichts anderes als Weiß.
Selbst wenn es wie verrückt geschneit hatte, musste mein Vater raus und die Terrassen freiräumen und sich um die Tische und Außenanlagen kümmern. Ich bin dadurch relativ früh immer mit ihm in den Schnee. Wenn noch ein kleineres Geschwisterchen da ist, geht das halt eher mit der Mama und als Ältere geht man selbst mehr mit dem Papa. Ich bin immer hinter ihm her. Er hatte eine Schneefräse, mit der er ohne Ende Schnee geräumt hat, und ich immer mit meiner Schaufel hintennach. Das hat mir unheimlich Spaß gemacht. Ich war als Kind wahnsinnig viel draußen. Mal mit dem Bob, mal mit dem Schlitten.
Meine ersten Ski waren dann so kleine Rutscher. Die hatten Plastikschnallen, die man um die Winterstiefel gemacht hat. Damit bin ich mit nicht mal zwei Jahren umeinandermarschiert und habe mich draußen mehr oder weniger allein beschäftigt. Mit richtigem Skifahren hatte das aber nichts zu tun.
Das erste Mal so richtig auf der Piste war ich auf den Schultern meines Papas. Der konnte richtig gut Ski fahren und hat das oft noch in der Früh gemacht, bevor die Gäste kamen. Erst hat er sein Zeug erledigt und mich dann hochgenommen. Anfangs habe ich ganz schön Angst gehabt. Du sitzt da oben und bist komplett abhängig von dem, was der unter dir macht. Das hat oft wie wild geschaukelt und war wirklich hoch.
Mit etwas über zwei Jahren durfte ich es dann selbst probieren. Es gab da einen guten Bekannten, der Skilehrer war. Wenn der keine Gruppe dabeigehabt hat, dann hat er uns Kinder mitgenommen. Mit drei bis fünf Jahren kann man ein Kind ja nicht allein im Skigebiet umeinanderfahren lassen.
Das hat sich dann erst mit meinem letzten Kindergartenjahr, als ich etwa sechs Jahre alt war, geändert. Da hat der Papa dann beim Sessellift angerufen und Bescheid gegeben, dass die Hilde jetzt kommt. Und wenn ich dann da war, hat der vom Sessellift sich wieder beim Papa gemeldet. So konnte ich nie verloren gehen.
Skifahren war einfach wichtig. Auch zur Fortbewegung. Während die anderen Kinder morgens mit dem Bus oder von der Mama in die Schule gefahren wurden, bin ich ab der ersten Klasse mit den Ski gekommen. Das war damals total normal. Man ist halt in der Früh raus mit dem Skianzug. Den Schulranzen hat der Papa auf dem Ski-Doo über den Fahrweg transportiert, während wir über die oft unpräparierten Pisten gefahren sind. Wir waren immer in einer kleinen Gruppe unterwegs. Anfangs mit einer Freundin aus einer benachbarten Hütte, später kam noch mein Bruder dazu. Ich habe mit dem Weg nie ein Problem gehabt, auch wenn es Tage gab, an denen das wirklich keinen Spaß mehr gemacht hat. Denn manchmal hat es so viel geschneit, dass ein kleines Schulkind komplett bis obenhin im Schnee versinken konnte.
Um zur Schule zu kommen, mussten wir erst ein Stück mit dem Lift rauf und dann über einen steilen Hang zu einem Flachstück runter. Da brauchte man relativ viel Schwung, um weiterzukommen. Doch da war eines Tages so viel Schnee, dass nichts mehr ging. Wir haben uns dann entschieden, einen anderen Weg rauszuwandern. Blöd war nur, dass der Papa mit dem Ski-Doo über den anderen Weg gefahren ist. Da bist du dann endlos gestapft, während die anderen alle schon im Warmen saßen. Irgendwann war dir dann auch egal, ob du pünktlich um 8 Uhr in der Schule ankommst. Da hast du wirklich andere Sorgen. Am Ende ist dann aber immer alles gut gegangen und wir sind heil vom Berg runtergekommen.
Dadurch ist man halt sehr schnell selbstständig geworden. Und ich habe Intuition gelernt, die mir später sicher oft bei meinem Sport geholfen hat. Du musstest bei der Abfahrt ja selbst entscheiden, wie du da am besten runterkommst. Da geht es auch um die Wahl der richtigen Linie.
Unten angekommen hat uns der Papa dann mit dem Auto in die Schule gefahren. Wir müssen in der Pause anfangs ziemlich deppert ausgesehen haben, denn wir hatten lange noch keine Ersatzschuhe in der Schule deponiert. Auf dem Pausenhof sind wir dann immer zwischen den anderen Kindern in unseren Skischuhen umeinandergelatscht.
Während der Hinweg über die Piste aber meistens noch lustig war, war der Rückweg oft eine einzige Qual. Weil da kein Bus fuhr und uns der Papa wegen des Hüttenbetriebs nicht holen konnte, mussten wir im Winter oft in den Skischuhen und mit Schulranzen von der Schule zum Lift laufen. Das waren rund zweieinhalb Kilometer über eine lang gezogene Teerstraße. Irgendwann kanntest du jeden Strauch persönlich. Den Lift hast du schon in der Ferne gesehen, aber um da hinzukommen, musstest du gehen und gehen und gehen. Da war man oft mehr als eine halbe Stunde unterwegs. Manchmal verging einem da ganz mächtig die Laune. Aber es gab halt keine Alternative. So was prägt einen auch gewaltig. Und die schlechte Stimmung hielt nie lange an. Im Laufe der Jahre wurden wir immer mehr Kinder, die den gleichen Weg hatten. Und ich hatte meine Gruppe Mädels. Wir haben aufeinander gewartet und uns gegenseitig angespornt. Wenn wir angekommen waren, haben wir die Ski angezogen und das alles hat nichts mehr ausgemacht. Endlich im Lift haben wir wieder geratscht und es wichtig gehabt, wie die kleinen Weiber halt so sind.
Mit dem sportlichen Skifahren hat das, was wir als Kinder so gemacht haben, nicht viel zu tun gehabt. Damit ging es erst los, als ich in den SC Lenggries eingetreten und meine ersten Rennen gefahren bin.