Inhalt

Vorwort

1.Vorgeschichte

Die Kontaktaufnahme

2.Das erste Treffen: Methoden zur Preis- und Kostenreduzierung

Der Einkauf trägt erheblich zum Erfolg bei

Die richtige Einkaufsorganisation – Basis für Verbesserungen

Materialgruppenmanagement – Commodity Management – Lead Buyer

Werden Sie ein Entrepreneur!

Die vier Schritte des Lieferantenmanagements

Global Sourcing – weltweite Lieferantenrecherchen: Mit der ABC-Analyse Prioritäten setzen

Welche Quellenverzeichnisse nutzen Sie?

Die Anfrageaktion/Ausschreibung

Einkaufen im Team – der Global-Sourcing-Prozess

Lieferantenauswahl und Lieferantenbewertung

Checkliste Lieferantenbewertung

Lieferantenwechsel

Mengenkontrakt versus Rahmenvertrag

Zahlungskonditionen

Der Abrufplan

Die Arten der Preisanalyse

Der partielle Preisvergleich

Reduzierung der Lieferantenbasis

Vom Einzelteillieferanten zum Paketlieferanten

Vom Paketlieferanten zum Systemlieferanten

Reduzierung der Teilevielfalt – Standardisierung

C-Teile-Management und E-Procurement

Kanban und Fremdversorgung von produktiven C-Artikeln

Was ist E-Procurement?

Elektronische Ausschreibungen

Die Einkaufsauktion

Gemeinsame Entwicklung, Produktwertanalyse und Prozessoptimierung

Von Anfang an das kostenoptimale Produkt entwickeln

Advanced Purchasing – der vorgezogene Einkauf

Produktwertanalyse

Quality Function Deployment (QFD): Produziere die Qualität, für die der Kunde bereit ist zu zahlen

Prozesswertanalyse – der KVP-Workshop

Die Ideen auf den Punkt gebracht

3.Das zweite Treffen: Verhandlungsführung und Selbstmanagement

Leitfaden für die Vorbereitung auf Verhandlungen

Definieren Sie Ihr Verhandlungsziel!

Leitfaden für die Vorbereitung auf Verhandlungen

Welche Ziele und Einwände hat Ihr Gegenüber?

Mit welchen Argumenten können Sie die andere Partei überzeugen?

Die Kommunikationstypen

Die Machtverhältnisse

Gezielte Fragetechnik

Hinterfragen Sie Pauschalaussagen!

Musterunterbrechung

Wie wichtig ist der Zeitfaktor für Sie und die andere Partei?

Risikomanagement im Einkauf

Das Win-win-Prinzip oder: Welche Kompromisspunkte gibt es?

Legen Sie Ihre Strategie und Taktiken fest!

Salamitaktik

Fait accompli

Standardpraktik

Beschränkte Befugnis und Fristen setzen

Ablenken

Scheinbarer Rückzug

Guter Mensch/böser Mensch

Vom Hard Buyer zum Beziehungsmanager

Prüfen Sie Ihre Einstellung!

Ressourcen ankern

Die Macht der Gedanken

Mentales Umerleben

Die Swish-Technik

Die Ideen auf den Punkt gebracht

4.Finale

Literaturverzeichnis

Stichwortverzeichnis

Über den Autor

Vorwort

Die Bedeutung des Einkaufs wächst und wächst. Eine Erkenntnis, die sich immer stärker in Vorstandsetagen und Geschäftsleitungen breitmacht. Denn häufig schlummern gerade in Einkauf und Beschaffung hohe Kostensenkungspotenziale. Dies gilt nicht nur für die großen Unternehmen, bei denen spätestens seit dem weit über die Einkäuferszene zur Berühmtheit gelangten Ignacio López die »Generalüberholung« des Einkaufs angesagt ist. Der López-Effekt hat inzwischen auch den Mittelstand erreicht. Im Zeichen der Globalisierung und des härteren internationalen Wettbewerbs fokussieren sich die Unternehmen unterschiedlichster Betriebsgröße auf neue Methoden des Einkaufs. Global Sourcing, ABC-Analyse, C-Teile-Management, Simultaneous Engineering sind mittlerweile auch in kleinen Unternehmen oft keine Fremdwörter mehr.

Im Einkauf spielt der Preis eine wesentliche, aber keineswegs die allein entscheidende Rolle. Faktoren wie Qualität, Zuverlässigkeit und langfristige Verlässlichkeit sind ebenso wichtig. Angesichts der zahlreichen Erfolgsfaktoren, angesichts der Komplexität der Vorgänge im Einkauf und deren Bedeutung für das Gesamtunternehmen sind zunehmend Ansätze erforderlich, die theoretischen Kenntnisse aus der Wissenschaft in praktisches Handeln umzusetzen. Das vorliegende Buch Einkauf trägt dazu bei, die Lücke zwischen Theorie und Praxis zu schließen. Mit seinem Ansatz, die Geschichte eines jungen Einkäufers zu erzählen, gelingt es Matthias Grossmann zu lehren, ohne zu belehren.

Der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME), der führende Fachverband für Beschaffung und Logistik in Deutschland, hat es sich zum Ziel gesetzt, gerade auch die mittelständischen Unternehmen bei der Ausnutzung der Potenziale des Einkaufs zu unterstützen. Dass wir mit unseren über 1000 Firmen und 4000 persönlichen Mitgliedern mehr als 80 Prozent des gesamten deutschen Beschaffungsvolumens im produzierenden Gewerbe vertreten, zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Dr. Holger Hildebrandt

Hauptgeschäftsführer des BME

1. Vorgeschichte

Ein junger Mann, beschäftigt in der Einkaufsabteilung eines mittelständischen Industrieunternehmens, verliert langsam die Lust am Beruf des Einkäufers. Zu Beginn seines beruflichen Werdegangs vor einigen Jahren war er noch hoch motiviert, doch irgendwie haben sich seine Erwartungen nicht erfüllt.

Woran liegt es nur?, fragt er sich. Ursprünglich fing alles so interessant an, doch jetzt sehe ich hier keine Perspektive mehr.

Herr Leopold hatte schon während des Studiums der Betriebswirtschaft die Möglichkeit, bei einem großen Unternehmen in der Einkaufsabteilung als Praktikant tätig zu sein. Auch seine Diplomarbeit über die Einkaufspolitik dieses Unternehmens konnte er dort schreiben. Und das, was er dort erlebte, faszinierte ihn: internationale Ausrichtung, klar strukturierte Abläufe, ein Einkaufsleiter, der alle Zügel in der Hand hatte, und nicht zuletzt Mitarbeiter, die wirklich motiviert zu sein schienen.

Leider gab es aufgrund eines Einstellungsstopps keine Möglichkeit, in dieser modernen und dynamischen Einkaufsabteilung nach dem Ende des Studiums zu starten. Doch das Schicksal hatte mit unserem jungen Mann ganz andere Dinge vor.

Die Kontaktaufnahme

Eines Tages stieß Herr Leopold in einer Fachzeitschrift auf einen hochinteressanten Artikel. Der Einkaufsleiter eines großen mittelständischen Unternehmens schrieb dort über seine Erfahrungen mit einer neuen Einkaufsorganisation, die unter anderem eine abteilungsübergreifende Zusammenarbeit der Mitarbeiter sowie regelmäßige Workshops mit Lieferanten enthielt.

»Klasse!«, dachte sich der junge Mann. »Das entspricht genau jener Art von Unternehmen, wie ich es von meinem Praktikum her kennen- und schätzen gelernt habe. Ich sollte mit diesem außergewöhnlichen Menschen Kontakt aufnehmen.«

Unser junger Mann setzte daraufhin am Abend ein Schreiben auf und sandte es sofort am nächsten Tag zu diesem außergewöhnlichen Einkaufsleiter, Herrn Konrad. Inhalte seines Briefes waren:

der Bezug auf den Artikel in der Fachzeitschrift,

seine Begeisterung für diese Art von Organisation,

dass allerdings viele Einkaufsabteilungen ganz anders arbeiten und

sein Interesse, den Einkaufsleiter und sein Konzept einmal persönlich kennenzulernen.

Es vergingen keine drei Tage, da war die Antwort von Herrn Konrad da. Und unser junger Mann staunte, denn er erhielt sofort eine Einladung zu einem persönlichen Gespräch!

2. Das erste Treffen: Methoden zur Preis- und Kostenreduzierung

Der Einkauf trägt erheblich zum Erfolg bei

»Guten Tag, junger Mann, nehmen Sie Platz. Was kann ich für Sie tun?«, waren die Worte, mit denen Herr Leopold von dem Einkaufsleiter begrüßt wurde.

Noch einmal erzählte der junge Mann von seiner Begeisterung über den Artikel in der Fachzeitschrift, dann aber auch ausgiebig über die Probleme in seinem Unternehmen, wo er gerade beschäftigt war: »Meine Kollegen und ich sind mit Arbeit bis obenhin zu. Vor drei Monaten hat ein Mitarbeiter gekündigt, und bis heute ist die Stelle nicht neu besetzt worden. Natürlich müssen wir dessen Arbeit mit machen. Wir sollen dieses Jahr wieder Preisreduzierungen erzielen, sehen jedoch vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr, und ...«

»Mal ganz langsam, junger Mann«, unterbrach ihn der Einkaufsleiter. »Erzählen Sie mir doch erst einmal etwas über die Größe und Organisation Ihrer Abteilung, damit ich mir ein Bild machen kann.« So erklärte Herr Leopold in groben Zügen, um welches Unternehmen es sich handelte und wie der Einkauf dort organisiert war:

Umsatz: 50 Mio. Euro/Jahr

Einkaufsvolumen: 25 Mio. Euro/Jahr

Anzahl der Einkäufer: 5 + Leiter Materialwirtschaft

Auf die Frage von Herrn Konrad, was denn genau das Aufgabengebiet der Einkäufer umfasse, teilte der junge Mann mit: »Alles, was in der Beschaffung anfällt, gehört zu unseren Aufgaben: Angebote einholen, Bestellungen tätigen, Reklamationen bearbeiten, Rechnungsprüfung, natürlich die Verhandlungsführung sowie das Vereinbaren von Mengenkontrakten.«

»Heißt das«, fügte Herr Konrad hinzu, »dass jeder Einkäufer alles macht, lediglich die verschiedenen Materialarten werden auf die Anzahl an Personen aufgeteilt?«

»Ja, genau so ist es. Drei Einkäufer kaufen Produktionsmaterial ein, einer Dienstleistungen sowie Investitionsgüter und ein weiterer Einkäufer Nichtproduktionsmaterial. Nicht zu vergessen die Fachabteilungen, die auch eigenständig beschaffen.«

Daraufhin fragte Herr Konrad, was der junge Mann schätze, wie viel Prozent der Arbeitszeit für die Disposition beziehungsweise Bestellabwicklung und wie viel für Aufgaben zur Kostenoptimierung anfällt. Nach kurzem Überlegen sagte dieser: »Ich gehe davon aus, dass es meinen Kollegen ähnlich geht wie mir. Bestimmt 75 Prozent meiner Zeit brauche ich für die Bestellabwicklung und die Sicherstellung von Terminen.«

»Was glauben Sie«, fuhr der Einkaufsleiter fort, »nach welchen Kriterien wohl Ihre Geschäftsführung die Abteilung Einkauf bewertet?« Herr Leopold überlegte etwas länger und meinte dann: »Ich denke, die Sicherstellung von Qualität, Lieferterminen und ein günstiger Preis sind die entscheidenden Bewertungsfaktoren.«

Herr Konrad stand auf, ging zu einem Flipchart und notierte folgende Formel:

Abbildung 1: Gewinn/Verlust-Formel

»Herr Leopold, stellen Sie sich vor, Sie seien Geschäftsführer in Ihrem Unternehmen. Was wäre Ihnen dann wohl am wichtigsten?« »Einen vernünftigen Gewinn zu erwirtschaften?«, fragte etwas zögerlich der junge Mann.

»Genau das! Machen Sie sich einmal Folgendes bewusst: Die Sicherstellung von Qualität und Pünktlichkeit der Lieferungen erwartet Ihr Geschäftsführer einfach von Ihnen. Das ist selbstverständlich. Doch was Ihr Geschäftsführer noch viel mehr von Ihnen erwartet, ist, dass Sie die geforderte Qualität und den Lieferservice zu optimalen Preisen einkaufen! Denn der Einkauf hat erheblichen Einfluss auf das Betriebsergebnis!«

»Ihr Verkauf«, so der Einkaufsleiter, »ist zuständig für den Umsatz. Er hat eine grundlegende Position im Unternehmen. Ohne Umsatz brauchen wir auch keinen Einkauf. Doch machen Sie sich auch bewusst: Der Einkauf trägt die Verantwortung für den Löwenanteil aller unternehmerischen Kosten. Denn im Durchschnitt fallen 50 Prozent aller Kosten in der Beschaffung an!«

»Was glauben Sie«, fuhr Herr Konrad fort, »trägt mehr zum Unternehmensgewinn bei: eine Erhöhung des Umsatzes um 5 Prozent oder – bei gleichem Umsatz – eine Senkung der Einkaufspreise um 5 Prozent?

Ohne dem jungen Mann die Gelegenheit zu geben, zu antworten, drehte der Einkaufsleiter seinen Laptop in Richtung seines Besuchers und zeigte die folgende Kalkulation:

Abbildung 2: Umsatzsteigerung versus Kostenreduzierung

»Bei diesem einfachen Ansatz«, erklärte der Einkaufsleiter, »haben wir nur 10 Millionen Euro als Jahresumsatz zugrunde gelegt. Alle anfallenden Kosten machen 97 Prozent aus, das heißt, der Gewinn beträgt in der Ausgangssituation 3 Prozent.

Erhöhen wir den Umsatz um 5 Prozent, wachsen natürlich auch die variablen Kosten entsprechend mit: Mehr Material sowie längere Maschinen- und Arbeitszeiten der Mitarbeiter sind notwendig, um den höheren Absatz bewältigen zu können. Lediglich die fixen Kosten bleiben überwiegend unberührt. Typische fixe Kosten sind zum Beispiel Gehälter, Mieten oder Leasinggebühren. Deswegen haben wir zur Vereinfachung in diesem Beispiel 70 Prozent der Kosten für variable und 30 Prozent für fixe Kosten angesetzt. Aus ehemals

9 700 000 Euro Kosten werden durch die Umsatzerhöhung jetzt 10 039 050 Euro Kosten, also 9 700 000 + (9 700 000 Euro x 70 Prozent x 5 Prozent). Der Gewinn steigt immerhin um 1,39 Prozent auf 4,39 Prozent.

Reduzieren wir dagegen – bei gleichem Umsatz – nur das Einkaufsvolumen, das hier 50 Prozent der Gesamtkosten ausmacht, um 5 Prozent, ergibt sich ein sehr interessantes Ergebnis: Aus ursprünglichen 9 700 000 Euro Kosten werden jetzt 9 700 000 – (9 700 000 Euro x 50 Prozent x 5 Prozent) = 9 458 000 Euro. Der Gewinn steigt auf 5,43 Prozent und hat sich damit fast verdoppelt! Ideal ist natürlich die Kombination aus Umsatzsteigerung und Kostenreduzierung.«

Wie gebannt lauschte Herr Leopold den Ausführungen dieses außergewöhnlichen Einkaufsleiters. So hatte er die Bedeutung des Einkaufs noch nie betrachtet: Der Einfluss der Beschaffung auf das Unternehmensergebnis ist höher als eine Umsatzsteigerung!

»Nun, Herr Leopold«, holte ihn der Einkaufsleiter zurück, »ich denke, Sie haben verstanden, um was es geht: Im Einkauf steckt ein großes Potenzial. Und wenn wir dieses Potenzial ausschöpfen, können wir erheblich zum Wohl unseres Unternehmens beitragen. Denn niedrigere Kosten erhöhen nicht nur den Gewinn, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit. Sicherlich tragen alle Abteilungen in einem Unternehmen zum Erfolg bei, doch wenn es um Kostenreduzierung geht, hat der Einkauf höchste Priorität.«

Herr Konrad fuhr fort: »Damit dieses Potenzial ausgeschöpft werden kann, ist es unerlässlich, die Einkaufsorganisation zu optimieren. Deswegen fragte ich Sie vorhin, wie der Einkauf in Ihrem Unternehmen organisiert ist. Es macht keinen Sinn, wenn jeder Mitarbeiter für seine Produktgruppe alle Aufgaben erledigt, also Einkauf und Disposition/Bestellabwicklung. Und wie Sie bereits sagten, investieren Sie drei Viertel Ihrer Zeit nur für den operativen Einkauf. Das verbleibende Viertel reicht unmöglich aus, wettbewerbsfähige Preise zu erzielen.«

»Da haben Sie recht, wir sind wirklich zeitlich total überlastet. Doch wie sieht die Lösung aus?«

Ohne eine Antwort zu geben, warf der Einkaufsleiter den Ball zurück: »Was schlagen Sie vor?«

Nach kurzem Überlegen meinte Herr Leopold: »Man müsste die Aufgaben irgendwie aufteilen, um mehr Zeit zu haben für das Wesentliche.«

»Genau! Sie müssen Prioritäten setzen und sich auf Ihre Kernkompetenz konzentrieren.« Herr Konrad ging wieder zum Flipchart und notierte:

Materialwirtschaft = Strategischer Einkauf + Operativer Einkauf + Logistik

Die richtige Einkaufsorganisation – Basis für Verbesserungen

»Erster Schritt sollte sein, dass der strategische Einkauf und der operative Einkauf getrennt werden. Dies macht Sinn bei wiederkehrenden Artikeln mit einer Preisvereinbarung für einen bestimmten Zeitraum. Prüfen Sie einmal, wer von Ihren Kollegen eher der Disponent ist, dem das Bestellen und die Lieferterminüberwachung Spaß machen. Ihn nennen wir den operativen Einkäufer. Und zum anderen finden Sie heraus, wem es mehr Freude bereitet, neue Lieferanten ausfindig zu machen, Preise zu verhandeln und Rahmenverträge zu vereinbaren. Das sind die Aufgaben des strategischen Einkäufers.«

»Ja, aber verliere ich dann nicht mein Know-how als Einkäufer, wenn ich nur noch einen Teil der Arbeit mache?«, warf Herr Leopold zweifelnd ein.

»Sie haben recht, doch bedenken Sie einmal die Vorteile: Niemand ist auf allen Gebieten perfekt, jeder hat seine Talente, sagen wir Kernkompetenzen. Es hat sich gezeigt, wenn ich meine ganze Energie auf diese Kernkompetenzen richte, dass dann das Ergebnis am Ende besser ist. Das Gegenteil ist die Diversifikation, also das Verteilen der Energie auf mehrere Säulen, mit dem Ziel, überall erfolgreich zu sein. Die Erfahrung hat gezeigt, dass dies jedoch nicht möglich ist, da wir nur 100 Prozent Energie zur Verfügung haben. Wir sollten stattdessen versuchen, die Gesamtenergie auf unsere Kernkompetenzen zu fokussieren, um Außergewöhnliches zu leisten.«

»Ich glaube, Sie haben recht«, gestand der junge Mann, »ein Hochleistungssportler wird auch nur in einer Sportart der Beste sein. Er mag zwar in vielen Disziplinen gut sein, doch Weltmeister wird normalerweise der Sportler, der sich auf diese eine Disziplin konzentriert.«

»Genau!«, bestätigte der Einkaufsleiter. »Probieren Sie es aus, Sie werden feststellen, dass Sie mehr Zeit für das Wesentliche gewinnen und sich Ihre Einkaufsergebnisse verbessern werden. Das eventuell durch die Trennung entstehende Kommunikationsproblem können Sie leicht lösen, indem beide nach wie vor in einem Raum zusammenarbeiten.«

»Im nächsten Schritt könnten Sie einen sogenannten Projekteinkauf ins Leben rufen. Wissen Sie, um was es dabei geht?«, fragte Herr Konrad.

»Ich denke schon. Auch wenn es so etwas noch nicht in unserem Unternehmen gibt, nehme ich an, dass es sich um Einkaufsaufgaben handelt, die übergreifend zum Tagesgeschäft ausgeführt werden.«

»Sehr gut, junger Mann«, rief der Einkaufsleiter beeindruckt und ergänzte:

»Ab einer bestimmten Mitarbeiterzahl im Einkauf kann es Sinn machen, nochmals die Einkaufsorganisation zu verändern. Denn es gibt Aufgaben, die viel Zeit in Anspruch nehmen und somit nicht optimal während des Tagesgeschäftes erledigt werden können. Solche übergreifenden Aufgaben sind:

weltweite Lieferantenrecherchen

Volumenbündelung der Werke/ MGM

Teammitglied bei Entwicklungsgesprächen

Wertanalysen und Prozessoptimierung

Einführung eines E-Procurements

Das sind alles Werkzeuge, die erheblich dazu beitragen, die Beschaffungskosten zu reduzieren. Der Projekteinkäufer hat den Kopf frei vom Tagesgeschäft und kann sich voll und ganz auf diese A-Aufgaben konzentrieren. Wir kommen auf einige Punkte später zurück. Hier noch einmal eine Zusammenfassung der bisherigen Erkenntnisse.« Herr Konrad wechselte zur nächsten Seite in der Präsentation.

Abbildung 3: Die Stufen der Einkaufsorganisation

»Das hört sich wirklich sehr interessant an«, meinte Herr Leopold, »jedoch gibt es bei uns das Problem, dass nicht nur wir im Einkauf beschaffen, sondern auch noch andere Abteilungen damit beschäftigt sind – was uns sehr stört.«

»Fahren Sie fort!«

»Ja, zum Beispiel bestellt unsere Technik, ohne uns zu fragen. Da gab es einen Fall, bei dem in der Produktion fast jede Woche ein Ersatzteil für eine Anlage im Wert von 1200 Euro beschafft wurde, ohne den Einkauf zu informieren. Nachdem wir das Projekt an uns gezogen hatten, stellte sich heraus, dass ein Konstruktionsfehler an der Anlage vorlag, also die Ursache beim Lieferanten lag. Der Lieferant musste daraufhin den Fehler an der Anlage beheben und uns einen Betrag für unberechtigt erhaltene Zahlungen für dieses Ersatzteil zurückerstatten.

Jetzt könnte man meinen, der Einkauf hätte hierfür ein Lob erhalten sollen, doch weit gefehlt! Stattdessen gab es hintenherum Druck, nach dem Motto ›Einkauf, lass deine Finger von Dingen, die dich nichts angehen!‹. Es ist leider so. Unsere Technik hat eine sehr starke Lobby im Unternehmen.«

»Da müssen Sie etwas verändern!«, unterbrach ihn Herr Konrad energisch. »Damit die Beschaffungskosten auf ein Optimum reduziert werden können, muss dieses sogenannte Maverick-Buying (Anmerkung: Einkauf am Einkauf vorbei) der Fachabteilungen unterbunden werden.

Damit meine ich nicht die Disposition. Natürlich können Produkte oder Dienstleistungen, die immer wieder benötigt werden, direkt vom Verbraucher, zum Beispiel von Ihrer Technik, bestellt werden. Die Preishoheit sollte allerdings in der Hand des Einkaufs liegen, denn dieser hat die Aufgabe, Rahmenverträge mit optimalen Preisen und Konditionen zu schließen. Sind die Preise zwischen Einkauf und Lieferant vereinbart, kann und soll zu diesen Konditionen auch durch die verbrauchenden Abteilungen bestellt werden. Dazu eignet sich sehr gut ein E-Procurement, auf das wir später zu sprechen kommen. Ausnahme von dieser Regelung können Kleinstbeträge von zum Beispiel bis 200 Euro sein. Auch wenn die Fachabteilung Produkte bis zu diesem Betrag meist nicht optimal einkaufen wird, hat dies Vorteile: Der Einkauf wird entlastet und kann sich mehr um die großen Projekte kümmern.«

»Das tut richtig gut, so etwas aus Ihrem Munde zu hören«, freute sich Herr Leopold. »Doch da haben Sie in Ihrem Unternehmen Glück gehabt, dass hier der Einkauf mehr zu sagen hat.«

»Moment mal!«, widersprach der Manager mit Nachdruck. »Glauben Sie, dass es bei uns früher anders war? Wir hatten genau das gleiche Problem wie Sie heute, doch wir haben nicht nur gejammert, sondern etwas verändert! Was sind Sie bereit zu tun, um etwas an Ihrer Situation zu verändern?«

Der junge Mann war für einen Moment wie gelähmt. »Ich soll etwas tun? Das ist doch Sache der Bereichsleitung oder der Geschäftsführung!« Als könnte er dessen Gedanken lesen, holte der Einkaufsleiter den jungen Mann sanft zurück: »Es freut mich, dass Sie zu mir gekommen sind. Es zeigt Ihre Offenheit für Neues und Ihre Bereitschaft, an der aktuellen Situation in Ihrem Unternehmen etwas zu verbessern. Es gibt nur wenige, die so denken und handeln wie Sie.«

Materialgruppenmanagement – Commodity Management – Lead Buyer

Herr Konrad setzte sich wieder auf seinen Stuhl und fuhr fort: »Es gibt noch etwas zu ergänzen bezüglich der Einkaufsorganisation. Und zwar wenn es um die Frage geht, ob zentral oder dezentral eingekauft werden soll. Handelt es sich um ein Unternehmen mit einem Standort, gilt die bereits genannte Regel: Die Einkaufsmacht gehört in der Regel zentral in den Einkauf.

In größeren Unternehmen mit mehreren Werken kann es allerdings durchaus Sinn machen, die Standorte dezentral selbst einkaufen zu lassen. Nämlich dann, wenn es sich um Produkte handelt, die nur für das jeweilige Zweigwerk bestimmt sind.

Die Beschaffung von Gleichteilen, also Produkten oder Dienstleistungen, die in mehreren Werken benötigt werden, sollte jedoch über einen zentralen Einkauf organisiert werden. Ziel ist es, Volumeneffekte zu nutzen. Für allgemeine Dinge wie Fuhrpark oder Büromaterial kann dies in der Hauptverwaltung erfolgen. Für Produktionsteile ist es jedoch sinnvoller, sogenannte Materialgruppenmanager einzusetzen. Diese strategischen Einkäufer sitzen in den Werken und übernehmen – neben ihrem Tagesgeschäft – die Aufgabe, für eine bestimmte Materialgruppe, auch Commodity genannt, die Bedarfsmengen der verschiedenen Werke zu bündeln und zentrale Rahmenverträge mit den Lieferanten zu schließen. Der Vorteil ist, dass diese Mitarbeiter dezentral in den Werken sitzen und trotzdem zentrale Aufgaben übernehmen. Sie kennen das operative Geschäft besser als ein Zentraleinkäufer in einer Hauptverwaltung und können bei Problemen schneller reagieren. Diese Lösung ist die Symbiose aus zentralem und dezentralem Einkauf und wurde von vielen Großunternehmen erfolgreich umgesetzt. Die Disposition und der Abruf beziehungsweise die Bestellung zum Rahmenvertrag erfolgen durch die operativen Einkäufer in den Werken.«

Nach einer kurzen Pause fragte der Einkaufsleiter: »Nun, Herr Leopold, wie fühlen Sie sich im Moment?«

»Einfach gut! Ich bin so froh, dass es Unternehmen wie Sie gibt, die bestätigen, dass es auch anders gehen kann. Das gibt mir Antrieb, es trotzdem zu versuchen, obwohl unser Einkaufsleiter bisher damit wenig Erfolg hatte.«

»Erzählen Sie, junger Mann, was passierte.«

Werden Sie ein Entrepreneur!

»Unser Einkaufsleiter erzählte mir, dass er selbst bereits die Idee hatte, die Einkaufsorganisation zu ändern. Diese Idee scheiterte allerdings, weil die Geschäftsführung dagegen war.«

»Woran lag es, dass Ihre Geschäftsführung die Änderung ablehnte?«, wollte Herr Konrad wissen.

»Wenn ich das nur wüsste. Mein Chef wollte mir hierzu keine weiteren Erläuterungen geben.«

»Wenn Sie etwas in Ihrem Unternehmen verändern wollen, müssen Sie handeln wie ein Entrepreneur«, meinte der Einkaufsleiter und fragte: »Wissen Sie, was ein Entrepreneur ist?«

»Nein.«

»Das Wort kommt aus dem Französischen und bedeutet ›Unternehmer zu sein im Unternehmen‹, also: Obwohl ich nur Angestellter bin, denke ich so, als wäre ich der Geschäftsführer in dieser Firma. Und wenn ich denke, ich sei der Chef, dann handle ich auch wie ein Chef.«

»Ich kann Ihnen nicht so ganz folgen«, sagte Herr Leopold vorsichtig.

»Ganz einfach, junger Mann. Tun Sie einfach das, was Sie für das Gesamtunternehmen als wertvoll und richtig erachten. Fragen Sie nicht erst Ihren Vorgesetzten, sondern kommen Sie ins Handeln! Entscheidend dabei ist, dass Sie nicht nur an Ihren eigenen Vorteil oder den Vorteil für Ihre Abteilung denken, sondern das Unternehmen ganzheitlich betrachten. Die Entscheidung, etwas zu verändern, soll zum Wohle des Gesamtunternehmens und nicht aufgrund von Abteilungsegoismus getroffen werden.«

»Sie meinen, unser Einkaufsleiter hätte die Einkaufsorganisation ändern sollen, ohne die Geschäftsführung zu fragen?«, fragte Herr Leopold.

»Manchmal ist das notwendig, um wichtige Schritte einzuleiten. Ein Entrepreneur ist bereit, ein gewisses Risiko zum Wohle des Unternehmens einzugehen. Und wenn sich später der Vorgesetzte beschwert, dann kann er sich für sein vermeintliches Fehlverhalten immer noch entschuldigen. Was meinen Sie, Herr Leopold?« Etwas verdutzt und gleichzeitig begeistert antwortete der junge Mann: »Ich möchte wetten, Sie sind ein Entrepreneur.« Beide lachten herzlich.

Die vier Schritte des Lieferantenmanagements

»Als Einstieg möchte ich Ihnen einen Überblick über das Lieferantenmanagement geben. Darin sind viele Praxisthemen enthalten, die ich mit Ihnen heute besprechen möchte.« Herr Konrad übergab dem jungen Mann folgende Übersicht:

Lieferantenmanagement

  1. Lieferantenbasis: Segmentierung, um Handlungsstrategien zu ermitteln, zum Beispiel ABC-Analyse, Lieferantenstrukturanalyse
  2. Lieferantenbewertung: Messung der Leistungsfähigkeit des Lieferanten (QSP)
  3. Lieferantenentwicklung: Hinsichtlich Qualität und Kosten, zum Beispiel Preisanalyse, Wertanalyse, KVP
  4. Lieferantenintegration: Stärkung der Kunden-Lieferanten-Beziehung, zum Beispiel Entwicklungslieferant, System-/Modullieferant

Global Sourcing – weltweite Lieferantenrecherchen: Mit der ABC-Analyse Prioritäten setzen