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Table of Contents

Titel

Impressum

Vorwort

Erhabene Meisterin

Vorgeschichte

1.Tag

2. Tag

3. Tag

4. Tag

5. Tag

6. Tag

7. Tag

8. Tag

9. Tag

10. Tag

11. Tag

12. Tag

13. Tag

14. Tag

15. Tag

16. Tag

17. Tag

18. Tag

19. Tag

Der 20. Tag

21. Tag

Abschied

ÜBER DEN AUTOR

MEHR SPANNUNG UND LESESPASS VON JOHN BARNS BEI DEBEHR

 

 

 

 

John Barns

 

 

 

 

In den Armen der Geisha

Erlebnisse in Taipeh

NACH EINEM BERICHT

ÜBER DIE GROßE DAME TO JANG

 

 

 

DeBehr

 

Copyright by: John Barns

Herausgeber: Verlag DeBehr, Radeberg

Erstauflage: 2019

ISBN: 9783957536266

Grafiken Copyright by Fotolia by: Chorazin

 

VORWORT

Die asiatische Lebensweise, die Mentalität und ihr so unvergleichliches Können auf dem Gebiet der mentalen und geistigen Ebene sind in Europa fremd, unverständlich und so einmalig. Sie näher zu verstehen und einzutauchen in die fremde Welt, das war mein Ziel.

   Nun, Jahre später habe ich dank eines Menschen vieles begriffen. Dieser Mensch ist To Jang, eine Meisterin vom hohen Stand der Geishas. Was sie mir berichtete und vermittelte, ist so einzigartig, so wundervoll, dass ich es ihr nicht genügend danken kann. Sie ist der Inbegriff der Vollkommenheit und Perfektion.

 

Erhabene Meisterin,

diese Erzählung ist Euch gewidmet. Ich verfasste sie aus der Erinnerung an jene Tage, da Ihr mir von Eurem Leben berichtetet. Werde ich die richtigen Worte finden, um zu erzählen, was ich erlebte? Werde ich jemals ausdrücken können, was meine Seele berührte, als ich Euch gegenüberstand?

   Ich danke dem Schicksal für diese Begegnung und dass Ihr mir erlaubt habt, aus Eurem Leben zu erfahren. Nie werde ich jene Tage in Taipeh vergessen. Vor Euch beuge ich mein Haupt ‒ ich habe dieses Buch in Erinnerung an all die Begebenheiten verfasst.

Habt Dank, werte Meisterin To Jang!

 

VORGESCHICHTE

In einer Zeit, da ich in einer Lebenskrise steckte, die mich fast an den Rand des Ruins brachte, fand ich beruflich eine neue Herausforderung. Zu jener Zeit bot mir, nach einem beruflichen Desaster, eine Firma für Produkte aus Taiwan den beruflichen Neuanfang. Der Chef des Hauses hatte entschieden, Mitarbeiter zu beschäftigen, die im Vertrieb bewandert und bereit waren, ihr ganzes Können zum Wohle des Unternehmens einzusetzen. Nach kurzer Vorstellung fand er wohl, ich sei für eine solche Position geeignet. Wir kamen somit überein, dass ich zumindest eine erste Probezeit absolvieren könnte, um in dieser Zeit mein fachliches Wissen unter Beweis zu stellen.

   Mit innerer Zufriedenheit trat ich im Herbst des Jahres neunzehnhundertvierundneunzig recht zuversichtlich meine neue Arbeitsstelle an. Obwohl im Vertrieb bewandert und durchaus in der Lage, Menschen vom Produkt zu überzeugen, machte ich mich in den ersten Tagen daran, mich mit den Gepflogenheiten der Firma, den Produkten, aber auch den Zahlungsmodalitäten vertraut zu machen. Immer wieder beobachtete ich während dieser Zeit meine Mitstreiter, wie sie bedeutend am täglichen Erfolg beteiligt waren. Nachdem ich zu der Überzeugung gelangt war, es selbst zu versuchen, übernahm ich die Initiative. Da mein Name in der Branche positiv bekannt war, konnte auch ich die ersten, wenn auch noch zögerlich, Geschäftsabschlüsse tätigen.

   Dank dieser positiven Erlebnisse wurde ich immer sicherer im Umgang mit meinen Kontakten. Langsam baute ich einen festen Kundenstamm auf, der ausschließlich von mir bedient wurde. Immer wieder hörte ich nun von der Telefonzentrale, dass nach mir gefragt wurde, eine Tatsache, die auch meinem Arbeitgeber zu Ohren kam. Er merkte, wie ich mich nach kurzer Zeit lückenlos in sein Erfolgsteam eingefügt hatte. So verging der erste Monat, zufrieden mit mir, meines neuen Berufslebens.

   Während im Betrieb alles bestens lief, lebte ich privat sehr zurückgezogen. Ich hatte keine Affären oder sonstige Außenkontakte, da ich fremd in der Stadt war. Meine kleine Wohnung bestand mehr oder weniger aus zwei möblierten Räumen nebst einer Küche und einem winzigen Bad. Nach der Arbeit zog ich mich in meine vier Wände zurück, um etwas zu kochen und zu schreiben, denn schon zu jener Zeit fand ich Gefallen an dieser wunderschönen Freizeitbeschäftigung. So verfasste ich mein erstes Buch und einen Band mit Kurzgeschichten. Obwohl beide niemals verlegt wurden, erlaubte ich dem einen oder anderen Mitarbeiter Einblicke in meine Arbeiten, da ich ihnen verschiedentliche Auszüge zur Beurteilung mitbrachte. Insbesondere die Kurzgeschichten fanden ihren Anklang, da ich recht freizügig mit meinen Phantasien umging und gefühlsbetont, aber auch plastisch die Geschichten schrieb. Nun kam es immer häufiger vor, dass ich nach neuen Werken zu der Reihe gefragt wurde, was meinen Ehrgeiz erheblich förderte. So kam Geschichte zu Geschichte, Idee zu Idee. Obwohl alle zum Thema „Zwischenmenschliche Gefühle“ geschrieben, war eine jede von ihnen von besonderer Art.

   Da ich nun auch auf diesem Sektor zeigte, wozu ich in der Lage war, sprach mein Chef mich an einem Tage, an dem es etwas ruhiger lief im Vertrieb, an, für das Unternehmen selbst zu schreiben. Er bat mich in sein Büro, und gemeinsam erarbeiteten wir eine Werbebroschüre für das Unternehmen. Er sagte mir, welchen Stil er sich vorstellte, und ich steuerte meinen Beitrag bei. 

   Mehrere Tage vergingen, und am Ende unserer kreativen Phase hielten wir ein Werk in unseren Händen, das durchaus zum Spiegelbild der Produkte und der Philosophie der Firma passte. Mein Chef honorierte mir diese Arbeit mit einem Zusatzobolus, da ich hierfür einen Teil meiner Freizeit geopfert hatte. Da auch meine Mitstreiter durchaus wohlwollend unserem Ergebnis gegenüberstanden, hatte ich es wohl geschafft, mein Ansehen innerhalb des Teams zu steigern und zu festigen.

   Eigentlich erwähne ich diese Sache nur aus dem Grunde, da kurz vor Weihnachten mein Chef uns allen ein besonderes Angebot machte: Er versprach jenen drei Mitarbeitern, die im Dezember das beste Vertriebsergebnis vorweisen konnten, eine Schulung beim Hersteller der Produkte. Drei Wochen lang sollten wir dort in der Zentrale die Möglichkeit bekommen, unser Wissen zu vertiefen, eine Option, die uns in unserem Umfeld unschätzbare Vorteile einbringen konnte. Dies war Ansporn genug, und so setzte ein jeder von uns alles daran, unter den Auserwählten zu sein.

   Ich sah mich zunächst nicht in der Lage, bei diesen Profis mitzuhalten, und machte mir keinerlei Illusion, auch nur annähernd die geforderten Umsatzzahlen zu erfüllen. Während meine Kollegen mit aller Macht versuchten, ihre Umsatzzahlen in die Höhe zu treiben, hielt ich mich lieber daran, meine Aufträge mit möglichst hohem Gewinn abzuschließen, da ich hieran prozentual beteiligt war. Anders gesagt, ich hielt mich aus dem Wettstreit heraus und kümmerte mich nicht darum. Auch beachtete ich nicht die täglich am Abend vorliegenden Ergebnisse, sondern begab mich, zufrieden mit meinen persönlichen Leistungen, in meine kleine Wohnung.

   Im Unternehmen war es Sitte, nicht über die eigenen Verkaufsstrategien zu reden, da jeder seine eigene Methode hatte, seine Kunden zu bedienen. Durch diese vielschichtige Art des Verkaufs wurde sichergestellt, dass unzufriedene Kunden an einen anderen Mitarbeiter abgetreten werden konnten, ohne diesen Kunden zu verlieren. Auch aus meinem Kundenstamm waren so einige abgewandert, andere wiederum zu mir gekommen.

   Kurz vor Weihnachten und anlässlich der Weihnachtsfeier, die traditionell in einem guten Restaurant von der Firma ausgerichtet wurde, sollte das Ergebnis verkündet werden.

   Unser Dienstherr erhob sich, schlug mit einem Löffel gegen sein Glas, um so um Gehör zu bitten. Die Gespräche verstummten, und alle Augen ruhten auf ihm. Er nannte den ersten Namen, den erzielten Umsatz und die erzielten Gewinne für das Unternehmen. Mein Name war nicht darunter. Wieder wurde ich nachdenklich, da ich davon ausging, dass nur die ersten drei genannt würden. Unser Chef begann jedoch mit der umgekehrten Reihenfolge der Namen. So gelang es ihm, die Spannung weiter zu steigern.

   Es folgten weitere Namen und Ergebnisse, bis nur noch fünf übrig waren. Erneut war meiner nicht unter den genannten. Hier machte unser Chef eine Pause, um anschließend das äußerst positive Jahresergebnis zu verkünden, über die zukünftige Ausrichtung zu reden und für die allgemeine gute Stimmung im Unternehmen zu danken.

   Abermals machte er eine bedeutungsvolle Pause, um nun die hervorragendsten fünf Mitarbeiter zu nennen. Bei den ersten beiden war ich abermals nicht dabei, und somit stand fest, dass ich, der nie darauf zu hoffen gewagt hatte, ich, der Neuling war unter den Auserwählten! Am Ende der Namensnennungen wurde festgestellt, dass ich zwar nicht den größten Umsatz, dafür aber außerordentliche Gewinne eingefahren hatte, was mir in der Endabrechnung den zweiten Platz einbrachte.

   Jetzt erst begriff ich, warum ich für dieses Unternehmen tätig war. Mein Chef hatte den Spürsinn für gute Mitarbeiter, was das Jahresergebnis deutlich zeigte, da es das beste war, welches seit Bestehen des Unternehmens erreicht wurde. Mit dem Wunsch auf ein weiteres glückliches Jahr und einen Toast auf die Auserwählten stießen wir nun an, nichts ahnend, dass diese Auszeichnung, nach Taiwan zu reisen, zu den außergewöhnlichsten meines Lebens werden sollten. Tage, die mich prägten und veränderten, Tage, die mich beeinflussen würden. Ich war ein wenig verblüfft an diesem Abend, dass es mir gelungen war, in die Phalanx der besten Vertriebsmitarbeiter einzudringen. Meine Gefühle gerieten in Unordnung, und wie immer, wenn sich solch ein Gefühl meiner bemächtigte, zog ich mich ganz in mich zurück. Ich jubelte nicht, ich feierte nicht, sondern blieb still an jenem Abend.

   So wendete sich das Jahr, und als die Betriebsferien in der ersten Woche des Januars endeten, wurden wir drei Auserwählten persönlich von unserem Chef am Morgen zum Flughafen gebracht. Hier wünschte er uns viel Erfolg für unsere Tätigkeit in Taiwan. Mit einem Grinsen auf dem Gesicht bat er uns darum, die zehn Stunden Zeitunterschied zu beachten, nur für den Fall, da wir aus irgendeinem Grunde in der Heimat anrufen sollten.

   Als wir in die Maschine nach Taipeh einstiegen, war wohl jeder für sich in Gedanken, was uns in Fernost erwarten und wie er die Zeit sinnvoll nutzen würde. Auch ich hatte mir meine Gedanken gemacht, denn obwohl ich fremden Kulturen und insbesondere deren Essgewohnheiten offen gegenüberstand, war mir die fernöstliche Küche nicht gerade sympathisch. Ich hoffte, wenigstens im Hotel eine einigermaßen verträgliche Küche vorzufinden. Was ich nicht ahnen konnte, war, dass ich nur sehr selten im Hotel weilen würde …

   Zunächst mussten wir erst in Taipeh ankommen. So machte ich es mir für den langen Flug in meinem Sitz gemütlich, um so die lange Reise anzutreten. Als die Maschine pünktlich um zehn Uhr mit brüllenden Triebwerken die Rollbahn in Fuhlsbüttel entlangschoss, um sich in den wolkenverhangenen Himmel zu schwingen, saß ich bereits in den Sessel gepresst, um an jenen Ort zu denken, den ich knapp vierzehn Stunden später erreichen würde.

 

1.TAG

Der Flug war lang, und da wir in die Nacht flogen, sah ich nicht viel von den Ländern die zwölftausend Meter unter uns lagen. Stattdessen verschlief ich mehr oder weniger den Flug nach Taipeh. Da wir in der Zeit zurückflogen, kamen neben den vierzehn Flugstunden die zehn Stunden Zeitunterschied hinzu, so dass es acht Uhr morgens war, als der Kapitän die Landung auf dem Kaohsiung International Airport ankündigte.

   Zehn Minuten später setzte der schwere Jumbo-Jet butterweich auf, um seinen Platz an einem der zahlreichen Terminals anzusteuern. Gemeinsam mit meinen beiden Arbeitskollegen stand ich auf und machte mich durch den langen Tunnel auf den Weg zur Ankunftshalle. Bereits von weitem sahen wir auf Tafeln Schriftzüge in deutscher Sprache, die von mehreren Personen hochgehalten wurden. Wir winkten ihnen zu. 

   Zunächst aber hieß es, durch den Zoll und die Einreisekontrolle zu kommen. In der Befürchtung, kaum ein Wort verstehen zu können, kramte einer meiner Mitstreiter nach einem Reiseführer, doch zu unserer Überraschung brauchten wir ihn nicht, denn die Beamten am Flughafen sprachen fließend Deutsch, wenn auch mit einem sehr interessanten taiwanesischen Akzent. Wir wurden äußerst höflich befragt, was wir in Taiwan zu tun hätten, und da es keine Probleme gab, wünschte man uns einen angenehmen Aufenthalt.

   Wir begaben uns zur Gepäckannahme, um unsere Koffer in Empfang zu nehmen, um dann endlich zur Ankunftshalle zu gelangen, wo wir erwartet wurden. „Kangei, willkommen in Taiwan“, wurden wir begrüßt, wobei der Sprechende eine tiefe Verbeugung machte. Wir taten ihm gleich und bedankten uns. Dann stellte er die anderen vor. „Das ist Herr Yokawe, Frau Huan, und ich selbst heiße Sakawe. Ich hoffe, Sie hatten einen angenehmen Flug.“ Wir gaben den anderen die Hand, wobei mir der äußerst warme Händedruck von Huan auffiel. Für einen Moment trafen sich unsere Blicke. Ich muss gestehen, sie sah umwerfend aus, für eine Chinesin, oder, besser gesagt, Taiwanesin. Sie war sehr schlank und wunderbar anzusehen. Ihre Augen fast schwarz, so wie ihr langes Haar. Diesen Eindruck hatte ich binnen weniger Bruchteile von Sekunden gewonnen. Ich wurde in meinen Gedanken unterbrochen, denn Herr Sakawe bot uns an, uns drei ins Hotel zu fahren, damit wir uns frisch machen konnten. Anschließend lud er uns zu einem Stadtbummel an.

   „Sie werden sehen, Taipeh ist eine außergewöhnliche Stadt, und seine Bewohner sind Europäern gegenüber sehr gastfreundlich“, warb er für die Stadt, kaum dass wir unser Hotel wieder verlassen hatten. Wie Recht er hatte, konnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen.

   Unser Weg führte zunächst in einen Bereich, der wie eine riesige Einkaufsmeile aussah und sich mit jeder Großstadt messen konnte. Unter den riesigen chinesischen Schriftzeichen wurde auch in Englisch der Name des Geschäfts genannt. „Taipeh ist zweisprachig“, erklärte uns Herr Sakawe. „Wir sind stolz, nicht direkt zu China zu gehören, auch wenn es gerne von dort gesehen würde. Schließlich ist unsere Stadt ein Zentrum der internationalen Wirtschaft. Bei uns wird Geld, Geld und nochmals Geld verdient, oder anders gesagt, hier rollt der Rubel!“ Dass diese Aussage nicht einfach so in den Raum gestellt war, konnten wir an den Namen der vielen bekannten Firmen sehen.

   Hier in Taipeh schienen sich alle großen und bekannten Firmen der Computertechnologie zu vereinen. So bummelten wir, begleitet von unermüdlichen Erklärungen unserer Gastgeber, durch die Stadt.

   Dann kam jener Moment, der sich bis heute tief in mir eingebrannt ist, es war der Moment, da ich sie sah! Wir waren etwas abseits in einen Park gelangt. „Hier ruhen sich die Menschen von ihrem anstrengenden Job, wann immer es möglich ist, aus“, erklärte uns Huan. Tatsächlich sahen wir selbst um diese Uhrzeit sehr viele Männer und Frauen, die in eigenartigen Stellungen mir unbekannte Übungen machten. Ich sah erstaunt zu, denn so etwas hatte ich noch nie gesehen. „Sie öffnen ihren Geist“, erklärte mir Huan. „Ihren Geist?“, fragte ich ungläubig. Ich verstand nicht, was sie meinte. „Ja, hier und überall, in dem, was Sie Fernost nennen, gehört es zur täglichen Vorbereitung auf die Arbeit. Wir versinken in uns, um uns bewusst zu machen, wer wir sind. Es ist eine Art mentale Übung, ähnlich dem autogenen Training. Nur so können wir leben, denn wir bestehen nicht nur aus dem Körper, sondern auch aus unserer Seele. Wir nennen diese beiden Dinge das Jing und das Jang. Nur wenn beides im Gleichgewicht ist, können wir leben.“

   Huans Stimme hatte sich verändert. Sie schien im Geiste wohl bereits tief in sich versunken zu sein, obwohl sie mit mir sprach. Ihre Augen sahen anders aus. Ihre Stimme hatte etwas Leises, Zärtliches, wie ich es so nicht kannte. Ich war verblüfft, dass ein Mensch sich binnen Sekunden verwandeln konnte. Zugleich aber war ich fasziniert von ihrer Fähigkeit, die mir so unverständlich war. Ich wurde in meiner Betrachtung unterbrochen, denn Sakawe und die anderen waren plötzlich stehen geblieben. Sie sahen in Richtung eines kleinen Sees, vor dem auf einer Bank eine Frau mittleren Alters saß. „Dort vorn sitzt die große Meisterin To Jang“, erklärte man uns. Ich verstand nichts, aber so wie sich die Männer aufführten, musste diese Frau etwas ganz Besonderes sein. „Wer ist To Jang?“ fragte ich, unwissend, nach.

   Die Männer sahen mich bestürzt an. Ich fühlte, dass ich eine Art Verstoß gegen ihre Lebensauffassung begangen hatte. „To Jang ist eine der Persönlichkeiten hier in Taipeh. Sie ist die Herrin eines Maika-Hauses.“ Wieder verstand ich überhaupt nichts. Ich sah nur die Ehrfurcht der Herren und von Huan. „Vielleicht sollten wir Sie vorstellen, sofern die Meisterin nichts dagegen hat“, schlug uns Sakawe vor. Meine Mitstreiter und ich hatten nichts dagegen, Sicherlich wäre es interessant, mit Persönlichkeiten der Stadt in Kontakt zu kommen. So willigten wir ein.

   Bedächtig, ja fast andächtig, näherten wir uns der Bank, wo die Dame vertieft in einem Buch las. Bis auf drei, vier Meter näherten wir uns ihr, als uns Sakawe andeutete stehen zu bleiben. Er räusperte sich leise und verbeugte sich zugleich sehr tief. „Verehrte Meisterin, entschuldigt, wenn wir Euch ansprechen ...“ Er unterbrach sich in seinen Worten, denn diese unbekannte Dame sah plötzlich auf. Sie blickte zu uns ‒ und nie würde ich jene Augen vergessen, die uns ansahen, einen nach dem anderen. Ich spürte es, dass ihre Augen bis zum Grunde meiner Seele sahen. So einen Blick hatte ich noch nie erlebt. „Ja bitte, verehrter Herr, womit verdiene ich, dass Ihr mich ansprecht?“, entgegnete sie.

   Sie sah Sakawe direkt und mit festem Blick an. Allein diese Art ließ mich erkennen, dass sie wirklich etwas Besonderes sein musste, denn er hatte sich ganz tief verbeugt, so wie die anderen auch. Nur wir Europäer standen noch relativ gerade. Selbst Huan verbeugte sich. Da wir nicht gegen landesübliche Gepflogenheiten verstoßen wollten, neigten auch wir uns, wenn auch nicht so formvollendet. „Erlaubt, verehrte Meisterin, dass wir Euch drei Besucher aus Deutschland vorstellen möchten“, sprach nun Huan. „Gerne erlaube ich es, Gäste aus dem Ausland hier zu sehen und zu begrüßen. Wer sind sie?“, erwiderte To Jang und erhob sich. Huan übersetzte.

   Wir wurden der Reihe nach namentlich vorgestellt, und jedes Mal sah diese Frau den genannten genau an. So auch mich. Da ich am rechten Arm eine kleine Auffälligkeit hatte, verharrte ihr Blick länger darauf. Als sie mich so betrachtete, wechselte sie ganz plötzlich ins Deutsche, was mich sehr erstaunte. „Verzeiht, wenn ich Euch länger anschaute, als mir gebührt“, entschuldigte sie sich. „Ich bin es gewohnt, dass die Menschen mich wegen der Sache anstarren“, entgegnete ich, „es ist nichts Schlimmes und nichts Ansteckendes“, versuchte ich zu scherzen. „Dessen bin ich mir bewusst. Ich kenne solche Dinge durchaus und sehe es nicht als Makel eines Menschen. Im Gegenteil, ich hoffe, Ihr kommt damit zurecht“, sprach To Jang. „Ich schon, aber es gibt Menschen, die damit Probleme haben“, bestätigte ich ihre Vermutung. „Verzeiht, wenn wir Euch in Eurer Lektüre gestört haben verehrte Meisterin. Wir werden nun weitergehen, um unseren Freunden noch ein wenig die Stadt zu zeigen“, übernahm Herr Sakawe wieder die Gesprächsführung. To Jang nickte verständnisvoll.

   To Jang sah mich erneut fest an. „Möchtet Ihr mich heute Abend besuchen, damit wir unser kurzes Gespräch vertiefen können?“, sprach sie mich direkt an. Meine Kollegen als auch unsere taiwanesischen Begleiter sahen erstaunt zu mir. Ich spürte ihre Blicke fast körperlich. Ich selbst war mir nicht bewusst, was dieses Angebot bedeutete, denn weder ihr Rang noch ihre Funktion waren mir bekannt. Ich kannte diese Frau nicht, hatte sie nie zuvor gesehen.

   Ich zögerte daher eine ganze Weile, während weiterhin alle zu mir sahen. Was sollte ich tun? Einerseits war ich ein neugieriger Mensch, der gerne Neuland betrat, andererseits kannte ich die Gepflogenheiten des Landes nicht und wusste weder um Verhaltensregeln noch um Umgangsformen. In mir kämpften zwei Seelen. Eine innere Stimme sagte mir „Sag ja“. So sah ich mir To Jang näher an, und da sie mir sympathisch war, antwortete ich: „Verehrte Meisterin, oder wie immer Euer Titel auch sei, sollte es Euer Wunsch sein, eine längere Konversation mit mir zu führen, so muss ich gestehen, dass ich nicht weiß, worüber. Falls Ihr mein Handicap als Grund seht, können wir gerne darüber sprechen, doch ansonsten bin ich recht unerfahren, was Gespräche mit hochgestellten Persönlichkeiten, zu denen Ihr augenscheinlich gehört, betrifft. Wenn Ihr mir meine Fehler verzeiht, die ich sicherlich machen werde, dann bin ich gerne bereit, Euch aufzusuchen.“

   To Jang sah mich nur noch an. Sie sagte nichts, und dennoch spürte ich ihre Gedanken in mir. Ihr Blick wurde durchdringend, und ein leichtes Lächeln umfuhr ihren Mund. Eine Geste, die vielleicht nur mir auffiel. Es war erstaunlich, aber die Zeit schien stillzustehen. Ich hatte das Gefühl, als versuchte sie, in meinen Gedanken zu lesen. Das alles dauerte abermals nur wenige Sekunden, doch schien es mir eine Ewigkeit.

   Dann wandte sie sich Herrn Sakawe zu. „Verehrter Herr, darf ich Euch bitten, den jungen Herrn heute Abend zu mir zu bringen?“ Sakawe beugte sich sehr tief hinab, wobei sein Blick zwischen To Jang und mir hin und her wanderte. Er schien vollkommen überrascht zu sein. „Verehrte Meisterin To Jang, wenn es Euer Wunsch ist, den Herrn näher kennen zu lernen, so werde ich ihn pünktlich zu Euch geleiten. Wann darf ich ihn zu Eurem Hause bringen?“ To Jang sah ihn an. „Wenn es genehm ist, möge er gegen Sonnenuntergang bei mir erscheinen. Ich werde in meiner bescheidenen Bleibe alles vorbereiten, so wie ich glaube, dass es ihm genehm sei. Um Eure Frage zu beantworten, verehrter Herr, ja, ich wünsche mir, mich näher mit ihm zu befassen. Da Ihr mich kennt, erlaube ich Euch, die Bitte anzutragen, ihn über meine Funktion ein wenig zu unterrichten.“ Abermals nickte Sakawe ergeben. „Er wird pünktlich zur Stelle sein. Darf ich erfahren, inwieweit ich ihn über Euren Stand unterrichten darf?“

   „Es sollte reichen, wenn er meine Position kennt. Die Einzelheiten werde ich ihm selbst mitteilen, wenn es erlaubt ist. Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, als würde ich öfters fremde Herren in mein Haus bitten. Einzig allein, ihn näher kennen zu lernen, ist der Grund meines Antrages“, sprach To Jang. Sie wandte sich noch einmal mir zu. Dabei beugte sie sich ehrerbietig tief hinab und sprach mit veränderter, weicher Stimme: „Verehrter Herr, es wäre mir eine außerordentliche Ehre, Euch in meinem Hause empfangen zu dürfen. Bitte betreibt keinen Aufwand wegen Äußerlichkeiten, denn das ist von geringem Belang. Vielmehr wäre mir herzlich an Eurer Gesellschaft gelegen. Seid Gast meines Hauses.“

   Sie schwieg, und ich wusste, dass sie auf eine Antwort wartete. So beugte ich mich ihr entgegen und antwortete: „Verehrte Meisterin To Jang, obwohl ich Euch nicht kenne, komme ich Eurem Wunsch nach. Gerne werde ich Herrn Sakawe bitten, mich zu Eurem mir unbekannten Refugium zu geleiten. Erlaubt mir die Frage, wie viel Zeit Ihr auf meine Gesellschaft verwenden wollt? Entschuldigt, wenn ich so unhöflich frage, aber da ich neu in der Stadt bin, müsste ich für eine entsprechende Rückkehr in meine Unterkunft Vorkehrungen treffen, da ich mich in Taipeh nicht auskenne.“ To Jang sah mir abermals tief in die Augen, bevor sie antwortete. „Vergesst die Zeit, verehrter Herr. Macht Euch keine Sorge wegen der Rückkehr, es sei denn, meine Gesellschaft ist Euch unangenehm. Den Weg zurück in Euer Hotel werde ich schon organisieren. Herr Sakawe wird Euch versichern, dass ich eine vertrauenswürdige Person bin und es stets so handhabe, dass auch Ihr unbesorgt sein könnt. Doch nun möchte ich Eure Gesellschaft zunächst nicht weiter beanspruchen, denn der Abend wird uns genügend Gelegenheiten bieten, unsere gegenseitigen Vorbehalte und Fremdartigkeiten abzulegen. Bis dahin genießt das Leben bei uns. Willkommen in Taipeh!“ Mit diesen Worten verbeugte sie sich nochmals und wendete sich ab.

   In mir spürte ich plötzlich eine unglaubliche Leere, so als ob sie mir ein Stück meiner selbst genommen hätte, denn ich stand wie erstarrt. Erst als Huan mich ansprach, wich die Starre von mir und holte mich zurück in die Realität. Ihre Augen funkelten, so als ob sie etwas wüsste, von dem ich nichts ahnte. Auch die anderen Taiwanesen sahen mich an, als hätte ich ein Wunder vollbracht. Ich hingegen verstand nicht, und auch meine beiden Arbeitskollegen wussten nicht, was diese Einladung bedeutete.

   Herr Sakawe lächelte mich wissend an. Es schien mir, als wäre ich urplötzlich in eine besondere Stellung erhoben worden. „Wissen Sie, was das überhaupt bedeutet?“, fragte er mit einem Glanz in den Augen, der mir völlig unverständlich war. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, verehrter Herr Sakawe, ich habe keine Ahnung. Wer ist diese Meisterin To Jang, vor der Sie solche Hochachtung bezeugen? Ist sie eine Art Königin, eine prominente Dame hier in Taipeh? Und was meinte sie mit angenehmer Gesellschaft? Gibt es heute Abend ein Fest, aus welchem Grunde auch immer? Warum sollen Sie mich nur bis zu ihrem Hause begleiten? Entschuldigen Sie meine vielen Fragen, aber wieso lädt sie nicht uns alle ein, die wir hier heute erst aus Deutschland eingetroffen sind? Ich verstehe nicht und spüre unglaubliche Unsicherheit. Ich weiß, dass es wider Ihre Mentalität ist, solche Gefühle zuzugeben, aber ich komme von weither und habe es dort nicht anders gelernt.“

   Sakawe lachte nun voller Anerkennung. Er legte wie ein Vater seine Hand auf meine Schulter, eine Geste, die mir bei diesem Menschenschlage fremd war und als unschicklich galt. „Ich verstehe Ihre Verwirrung bestens, glauben Sie mir. Ich selbst kann es noch nicht fassen, dass ausgerechnet Sie so etwas erleben dürfen. Nun, da mir die verehrte Meisterin To Jang aufgetragen hat, Ihnen einiges über sie zu berichten, will ich ihren Auftrag erfüllen und Sie in ihr Geheimnis einweihen, soweit sie es mir erlaubt.“

  Erst jetzt bemerkte er wohl, dass seine Hand immer noch auf meiner Schulter lag. So als ob er sich verbrannt hätte, zog er sie zurück. Er verbeugte sich vor mir. „Entschuldigen Sie meine ungeschickte Geste, es war nicht schicklich, Sie, wie ein Vater den Sohn, zu berühren.“

   „Kein Problem“, antwortete ich salopp und war mir, noch während ich die Worte sprach, klar darüber, dass ich in den ersten Fettnapf getreten war. Sofort korrigierte ich meine Worte. „Verehrter Herr Sakawe, ich entschuldige Ihre Geste. Es zeigt mir, dass Sie diese Art von Achtung in unserem Lande gelernt haben. Daher sehe ich darin keine Verletzung meiner Persönlichkeit, sondern empfinde es als Anerkennung.“ Sakawe sah mich erstaunt an. „Sie wissen sich zu artikulieren, mein Herr. Tatsächlich lernte ich diese Art der Berührung bei Ihrem Dienstherrn, der sie mir einst erklärte. Dennoch ist es unschicklich, sich so in unserem Lande zu verhalten, ich tat es aus Hochachtung.“

   „Hochachtung wovor?“, fragte ich. „Ich habe nichts getan, wofür ich es verdiene.“ Herr Sakawe sah mich an. Sein Blick schien mehr zu wissen, und daher war ich nun neugierig zu erfahren, was es mit To Jang auf sich hatte. Es schien, als könnte er in meinen Gedanken lesen.

   „Nun denn, es ist an der Zeit, Sie in das Geheimnis von Meisterin To Jang einzuweihen. Sie ist eine Geisha, im Range einer Okiya, also einer Herrin. Sie hat ein eigenes Haus von höchstem Range, ein sogenanntes Maika-Haus. Normalerweise würde sie nie einen Mann bitten, sie zu besuchen, und ich gebe zu, ein wenig neidisch auf Sie zu sein, denn solange ich To Jang kenne, habe ich noch nicht erlebt, dass sie einen Mann zu sich eingeladen hätte. Das gilt sicherlich nicht nur für mich, sondern auch für alle anderen meiner Mitarbeiter hier. Warum To Jang ausgerechnet Ihnen den Antrag gemacht hat, werde ich wohl nie erfahren, denn darüber wird sie schweigen.“

   Während Sakawe so erzählte, waren wir noch tiefer in den Park geschlendert, von dessen Schönheit ich jedoch nichts mehr mitbekam. Zu sehr waren meine Gedanken bei dem bevorstehenden Abend. So bemerkte ich nicht die Blicke der anderen. Je mehr mir Sakawe über To Jang berichtete, umso unwohler fühlte ich mich. Immer wieder fragte ich mich nach dem Warum. Warum ausgerechnet ich? Was wollte To Jang von mir? Wollte sie mir, wie so oft erlebt, demonstrieren, wie unvollkommen ich war? Wollte sie mir zeigen, dass sie einzigartig war? Hätte ich zu diesem Zeitpunkt geahnt, was sich in den nächsten einundzwanzig Tagen abspielen sollte, ich wäre ungläubig nach Deutschland zurückgekehrt, doch wie gesagt, ich ahnte es zu meinem Glück nicht.

   Ich erfuhr nur so viel, wie nötig war, über diese Frau, und dennoch verstand ich noch nichts, ahnte nichts von den Fähigkeiten To Jangs und ihren Absichten, denn egal was sich in meinem Geiste auch für Bilder zeigten, sie waren vollkommen falsch.

   Herr Sakawe berichtete mir in den nächsten Stunden alles Wichtige von dem, was ich wissen musste, wenn ich To Jang besuchte. Es herrschte so vieles an Regeln und Gesten, an Kleinigkeiten und Geboten, dass mir bereits jetzt der Kopf brummte.

   Als wir endlich gegen Mittag in einem Restaurant eine Kleinigkeit zu uns nahmen, war ich geistig vollkommen erschöpft. Hätte es hier und jetzt auch noch landesübliche Küche gegeben, ich hätte es nicht durchgehalten. Gott sei Dank aber kannte man den europäischen Geschmack, und so aß ich erstmals Wiener Schnitzel nach Art des Hauses. Es schmeckte recht ungewöhnlich, etwas süßsauer, aber wahrscheinlich besser als das, was die anderen zu sich nahmen. Ich mochte kein Sushi, das würde ich auch nie mögen.

   Während des Essens war ich sehr in meinen Gedanken auf den kommenden Abend versunken. Ich fühlte mich unsicher wie nur selten im Leben. Das bemerkte auch Huan, die mich immer wieder ansah. Sie schien es zu spüren. Daher nahm sie mich, nachdem wir unser Mahl beendet hatten, zur Seite. Die anderen willigten ein, und so führte sie mich erneut in den Park.

   Auf einer freien Bank bat sie mich, Platz zu nehmen, was ich gerne tat. Sie setzte sich zu mir, und zwar so, dass sie mir direkt in die Augen sehen konnte. „Mein lieber Freund, ich verstehe, was in Ihnen vorgeht. Sie haben die seltene Gabe, dass man in Ihren Augen lesen kann wie in einem Buch. Ich spüre Ihre Unsicherheit, doch haben Sie keine Angst. To Jang wird es berücksichtigen. Wissen Sie überhaupt, warum Sakawe so erstaunt ist?“ Ich schüttelte den Kopf. „Bitte erklären Sie es mir, verehrte Huan“, bat ich sie.

   Huan lächelte mich wissend an und begann mit ihren Erläuterungen. „Nun, da Sie mich darum bitten, will ich Sie aufklären, was es mit To Jang auf sich hat. Sie gilt als Meisterin der wahren Kunst. Normalerweise bezahlen die Männer ein kleines Vermögen, um ihre Gesellschaft zu genießen, denn wenn jemand wirklich von sich sagen darf, er habe gefühlt, dann war er bei ihr.

   Es ist bei uns zu Lande die höchste Auszeichnung, die Gunst einer Geisha gewonnen zu haben, da diese Frauen als sehr anspruchsvoll gelten. Oft müssen die Günstlinge alle Register der Verführung ziehen, um einer Geisha nur ein wenig näher zu kommen. Sie aber, mein lieber Freund, haben es geschafft, dass sie Sie einlud, eine Tatsache, die aufs Höchste bewundernswert ist. Ich verstehe To Jang sehr gut und kenne den Grund. Es sind Ihre Augen, mein Freund, die die Meisterin zu diesem ungewöhnlichen Schritt bewogen hat. Sie strahlen etwas Magisches aus, etwas, was so unglaublich stark ist, dass selbst ich Ihnen nicht widerstehen könnte. Diese Gabe hat sie erkannt, es ist nicht wegen Ihres Armes, wovon Sie sicherlich ausgegangen sind. Entschuldigen Sie, wenn ich es so offen sage, aber Sie können in meine Seele sehen ‒ pardon, wenn ich Ihnen zu nahe getreten bin. Verstehen Sie nun, was ich sagen will?

   Sie sind, entgegen ihrer Meinung, kein Mensch, der nicht besonders aussieht. Ihre wahre Schönheit liegt in Ihren Augen. Sie mögen sich dessen nicht bewusst sein, aber es ist so. Ich weiß, was To Jang möchte, oder kann es zumindest ahnen. Sie möchte wissen, ob es wahr ist, was Sie ausstrahlen. Das ist der Grund. Und nun freuen Sie sich. Seien Sie ganz Sie selbst, und es wird alles gut werden.“ Mit diesen Worten endete sie und hauchte mir einen ganz zarten Kuss auf die Wange. „Wenn Sie erlauben, möchte ich Ihnen nur eines wünschen: Genießen Sie den Abend mit To Jang. Genießen Sie ihn wie ein edles Essen, denn wenn Sie es wirklich schaffen, ihre Gunst zu erhalten, warten Genüsse auf Sie, die so wunderbar sind, dass Sie diese Ihr Leben lang nicht mehr vergessen werden.“

   Ich bedankte mich bei Huan überschwänglich. Ich musste zugeben, diese wunderbare Frau hätte mir bereits vieles geben können. So aber verwarf ich den Gedanken, um sie zu werben. Stattdessen begann ich, mich innerlich auf den Abend vorzubereiten.

   Die letzten Stunden verbrachten wir nun damit, in der Zentrale des Hauses noch andere Mitarbeiter kennen zu lernen. Ich musste mich sehr zusammenreißen, um mitzubekommen, was dort besprochen wurde. Zu sehr dachte ich über das Kommende nach.

   Dann kam der Moment. Sakawe sah auf die Uhr und dann zu mir. „Es wird Zeit, dass ich Sie zu To Jang bringe“, stellte er fest. Wir nahmen eins der vielen Dienstfahrzeuge und fuhren in einen der Außenbezirke von Taipeh. Hier im grünen Bereich vor der Stadt standen einige recht eigenwillig gebaute Häuser. An einem von ihnen hielt Sakawe an. Die rote Mauer um das Gebäude herum schirmte den Blick ab. Sakawe bat mich auszusteigen. Auch er verließ kurz den Wagen und zog an einem fast unsichtbaren Seil an der Eingangstüre. Man hörte nichts, doch war er sich sicher, dass angeläutet war. Wir warteten. Während dieser Zeit spürte ich meine Nervosität drastisch steigen. Wie so oft an diesem Tage fragte ich mich, was mich bei der Meisterin erwartete …

   Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, denn die Türe wurde geöffnet, und eine junge Frau trat zu uns heraus. Bereits ihr Anblick überraschte mich, denn To Jang hatte im Park ganz normale Straßenkleidung getragen. Diese Frau hingegen, deren Alter ich sehr schwer schätzen konnte, trug einen himmelblauen Kimono, der mit einer rosafarbenen Schärpe gebunden war. Sie sah Herrn Sakawe an und sprach zu ihm etwas, was ich nicht verstand. Er nickte nur und zeigte dann auf mich.

   Die junge Dame machte eine ganz tiefe Verbeugung, die ich ebenso übernahm, weil ich inzwischen von dieser Sitte reichlich mitbekommen hatte. Nun nahm sie meine Hand und wollte mich gerade ins Innere führen, als Herr Sakawe mir noch alles Gute wünschte. „Wir erwarten Sie morgen pünktlich um neun Uhr zur Weiterbildung“, erinnerte er mich noch. Seine Augen lachten dabei, denn er schien ganz genau zu wissen, was mich erwartete. Das war das Letzte, was ich von ihm an diesem Tage hören sollte, denn die Türe hinter mir wurde verschlossen.

   Mit einer einladenden Geste bat mich die Frau, ihr zu folgen. Sie sagte kein Wort, sondern führte mich bis zu einer weiteren Türe, die sie nun öffnete. Was sich hier vor meinen Augen offenbarte, war mehr als überraschend.

   Mein Blick streifte über einen kleinen Hof. Der Weg vor mir war mit groben Steinen ausgelegt, an dessen Rändern zahlreiche große Lampions leuchteten. Rechts und links des Weges befanden sich sauber angelegte Pflanzungen, zwischen die weitere kleine Wege führten. Ich sollte jedoch nicht dazu kommen, sie länger zu betrachten, denn die Dame gab mir klar zu verstehen, dass ich ihr folgen sollte. Nach ungefähr zwanzig Metern erreichten wir eine kleine steinerne Treppe, die zu einer weiteren Türe führte. An dieser Stelle zog die junge Frau ihre Sandalen aus und bedeutete mir, es ihr gleichzutun. Ich zögerte, denn ich hatte meine Schuhe seit dem Abflug von Hamburg an. Sicherlich würden meine Füße einen Geruch verströmen, der nicht gerade angenehm war. Da ich nicht wusste, ob sie mein Zögern verstand, versuchte ich, es ihr mit Gesten klarzumachen, was ich meinte. Sie nickte verstehend und bat mich ihrerseits mit einer Geste, hier an der Türe zu warten. Sie selbst entschwand im Haus.

   Ich hoffte nur, dass ich sie nicht zu sehr getroffen hatte, denn ich befürchtete, dass gerade hier in diesem Haus bestimmte Gesten rasch als Verletzung der geltenden Gesetze verstanden wurden. Mir war schon klargeworden, dass niemals das Innere des Hauses in Straßenschuhen betreten wurde, so viel wusste ich aus Filmen wie „Shogun“.

   Meine Sorge sollte sich als unnötig herausstellen, denn die junge Frau kehrte zusammen mit einer weiteren Dame zurück. In ihren Händen trugen sie eine Schüssel mit dampfendem Wasser, eine Art Hocker und einige andere Utensilien. Beide verbeugten sich tief und geboten mir, auf dem Hocker Platz zu nehmen, was ich auch tat. Ich wollte gerade meine Schnürsenkel öffnen, als die Frau, welche geholt worden war, mir zuvorkam. Sie zog mir die Schuhe und Strümpfe aus, wobei ich vor Verlegenheit errötete. Sie ließ es sich jedoch nicht anmerken, sondern krempelte meine Hosenbeine hoch, um meinen Fuß in das Wasser zu stellen.

   Ich erschrak augenblicklich, denn das Wasser war sehr warm, um nicht zu sagen kochend heiß. Ich zuckte instinktiv zurück, was sie erstaunte. Sie sah mich fragend an. Erneut versuchte ich, mich mit Gesten verständlich zu machen. Sie begriff es wohl, denn anstatt meinen Fuß erneut zu ergreifen, um ihn ins Wasser zu stellen, nahm sie ein weißes Tuch, tauchte dies ins Wasser und wusch mir so den Fuß. In der Art, wie sie es tat, glich es eher einer ‒ sehr angenehmen ‒ Fußmassage statt einer Reinigung. Die Frau ließ sich sehr viel Zeit, während sie nicht ein Wort sprach. In mir machte sich eine gewisse Ruhe breit, denn ich genoss die Zeremonie sehr.

   Nachdem sie die Reinigung des erstens Fußes beendet hatte, setzte sie ihn auf ihren Kimono, um ihn abzutrocknen und mit einer angenehm duftenden Creme einzureiben. Ich hatte keine Ahnung, aus welchen Essenzen diese Salbe bestand, ich nahm nur diesen Duft wahr und spürte die angenehme Wirkung. Anders gesagt, machte sich eine angenehme Wärme in mir breit, die vom Fuß ausgehend durch meinen ganzen Körper strömte. In gleicher Weise behandelte sie nun auch den anderen Fuß.

   Als sie ihre Pflege beendet hatte, stand sie wortlos auf, verbeugte sich abermals, nahm die Utensilien, um sich abzuwenden und uns zu verlassen. Jene Frau, die mich am Tor abgeholt hatte, blieb. Auch sie verbeugte sich erneut und holte ein paar Sandalen herbei und gebot mir, sie anzulegen. Ich versuchte es, jedoch gelang es mir nicht, da sie zu klein waren. Die Frau zögerte kurz. Dann verließ sie mich erneut, um wenig später mit größeren Holzsandalen zurückzukehren, die ich leicht anziehen konnte. Jetzt war ich bereit, ihr folgen.

   Sie schob die dunkle Türe zur Seite, und gemeinsam betraten wir einen Raum. In dessen Mitte saß eine weitere Dame. Sie schien tief in ihren Gedanken versunken. Als wir jedoch näher traten, wandte sie sich uns zu. Irgendwie schien sie mir vertraut zu sein. Im Gegensatz zu meiner Begleiterin, die mit einem hellblauen Kimono bekleidet war, trug diese hier einen weißen, der mit zahllosen großflächigen roten Blumen bestickt war. Auch sie trug eine rote, gebundene Schärpe um die Hüften. Ihr Gesicht war weiß geschminkt, und nur die roten Lippen als auch die Augen traten deutlich hervor.

   Meine Begleiterin begab sich in gebührendem Abstand auf die Knie, während ich noch stand. „Ich freue mich, dass Ihr meiner Einladung gefolgt seid“, hörte ich die Stimme und wusste sofort, warum mir die Frau bekannt vorkam. Es war die Meisterin To Jang. „Nehmt bitte Platz“, gebot sie mir. Ich versuchte, mich ebenso wie die Dame neben mir zu positionieren, was mir jedoch gründlich misslang, da mir diese Art ungewohnt war. So kauerte ich mich mehr hin. „Warum wollt Ihr Euch so weit von mir entfernt setzen?“, erkundigte sich To Jang. „Weil Ihr die Meisterin seid und ich nur ein Besucher Eures Hauses bin, dachte ich, zolle ich den gebührenden Respekt. Wie Ihr seht, versuche ich mich zumindest ein wenig an Eure Regeln zu halten.“ 

   Die Geisha lächelte mich an. „Dieses Verhalten zeugt von großem Verständnis für unsere Kultur, aber Mariko ist eine Maika, eine Bedienstete. Ihr aber seid mein Gast. So kommt bitte näher zu mir, damit wir uns leichter verständigen können.“

   So stand ich auf und setzte mich neben sie auf einen Platz, welcher durch ein Kissen gekennzeichnet war. Abermals versuchte ich mich in der unbequemen Haltung aufrecht zu halten, was To Jang mit einem sanften Lächeln honorierte.

   „Lasst uns Tee genießen, um so ein wenig ins Gespräch zu kommen. Ihr trinkt doch Tee, oder etwa nicht?“ Ich nickte. Ihr Blick fiel auf Mariko, die sofort aufstand. „Ich muss mich zunächst für meine Idee entschuldigen, Euch einzuladen, denn es entspricht nicht meiner Gepflogenheit, einen Mann in mein Haus zu bitten. Ich hoffe, Ihr verzeiht mir. Meine Beweggründe kann ich Euch schwer vermitteln, es sei denn, Ihr akzeptiert den Blick in Euren Augen.“

   „Verehrte Meisterin To Jang, Eure Einladung ehrt mich aufs Höchste. Frau Huan als auch Herr Sakawe deuteten schon so etwas in der Richtung an. Daher weiß ich nicht, womit ich diese Ehre verdient habe. Ich bin ein ganz normaler Mensch, der per Zufall und etwas Glück nach Taipeh kam. Ich kenne weder Land noch Leute noch Sprache oder Bräuche, aber das sagte ich Euch bereits. Ich weiß weder, womit ich Euch eine Freude bereiten kann, noch warum ihr ausgerechnet mich eingeladen habt. Ich muss Euch gestehen, dass ich vollkommen verwirrt bin.“ Tatsächlich war dem so, und To Jang bemerkte es sehr wohl, denn ihr Blick drang derartig tief in meine Augen, dass ich es mit der Angst bekam. Was wollte diese Frau von mir?

   Es sollte Minuten dauern, bevor sich ihr Blick von mir löste, genauso lange, bis Mariko mit einem zierlichen Tablett wiederkam, auf dem zwei Tassen aus dünnstem Porzellan, ein Becher mit Kräutern und eine kleine Kanne heißen Wassers standen. Geschickt stellte sie es ab und begab sich wieder an ihren Platz, wo sie sich regungslos in ihre Haltung begab.

   „Kennt Ihr die Teezeremonie?“, fragte To Jang. „Nur vom Hörensagen her, Meisterin To Jang“, antwortete ich wahrheitsgemäß, denn tatsächlich hatte ich bisher nur davon gehört.

   To Jang nahm einen zierlichen Löffel und füllte in jede Tasse einige wenige Blätter. Nun prüfte sie mit einem zierlichen Bambushölzchen die Wassertemperatur und begoss die Blätter. Die Menge war nicht mehr als ein winziger Schluck, aber er sollte reichen, um das Aroma des Tees aufsteigen zu lassen. Als Nächstes legte sie ihre Hand um meine Tasse, um so die Wärme zu fühlen. Das alles geschah mit einer unglaublichen Ruhe und Stille. Eine neue Stimmung, mehr andächtig als anspannend, machte sich im Raum breit. Nachdem die Wärme der Tasse wohl ihrer Zufriedenheit entsprach, goss sie weiteres Wasser in die Tassen. Wieder verging einige Zeit. Erst danach füllte sie den letzten Rest ein und stellte die Kanne beiseite.

   Sie nahm nun ihre zierliche Hand und fächelte mir den aufsteigenden Dampf zu. Ich sog diesen herben Duft ein und spürte, wie sich in mir eine gewisse Gelassenheit einstellte. Es war seltsam, denn ich spürte, wie ich an einem Ort zur Ruhe kam, den ich nicht kannte.

    To Jang beobachtete mich genau. Sie schien um die Wirkung zu wissen. Erst nachdem sie sich sicher war, dass ich mich wirklich wohl fühlte, ließ sie von ihrem Tun ab und nahm ihre eigene Tasse. „Seid willkommen in meinem Hause“, sagte sie, bevor sie einen winzigen Tropfen des Tees zu sich nahm. Unvoreingenommen tat ich es ihr nach. Tatsächlich bedurfte es nur eines winzigen Schluckes, um die Wirkung des Tees zu spüren. Trotz seines herben, trockenen Geschmacks durchflutete mich ein unbeschreibliches Gefühl der Leichtigkeit. Zugleich aber meldete sich warnend mein Verstand. Wollte man mir hier Opium oder eine andere Droge verabreichen? Tatsächlich spürte ich die sofortige Wirkung, denn der Aufguss schien sehr stark zu sein.

   „Wisst Ihr um Eure mentale Stärke, verehrter Herr?“, nahm To Jang wieder das Gespräch auf, wobei sie mir erneut in die Augen sah. „Mentale Stärke, verehrte Meisterin? Wie soll ich das verstehen?“, fragte ich nach. „Eure Augen verraten Euer Schakra, eure geistige Größe. Mit Euren Augen seid ihr in der Lage, Mentales auszurichten und die Menschen in den Bann zu ziehen“, erläuterte sie. „Es gibt nur wenige Menschen, die das können, und es ist sehr selten. Selbst ich, die Ihr als Meisterin bezeichnet, habe es gespürt.“ Ich lächelte sie an. „Verehrte Meisterin, ich weiß weder, was Schakra bedeutet, noch bin ich mit mentalen Kräften vertraut. Ich weiß, dass es Menschen geben soll, die andere mit ihren Augen in ihrem Bewusstsein beeinflussen können. Mit größtem Respekt und mit Verlaub, ich gehöre nicht dazu.“

   Nun wurde ihr Blick sehr eindringlich, ja fast schon streng. „Doch, Ihr habt diese Begabung, mein Herr. Ihr seid Euch dessen nur nicht bewusst. Ich spüre es sehr deutlich. Nun aber, und das ist der Grund für meine Einladung an Euch, möchte ich feststellen, ob Ihr diese Gabe auch auf andere Menschen ausübt. Seid Ihr in der Lage, mit diesen Augen Menschen zu beeinflussen? Seid Ihr mit den Künsten der Zwischenmenschlichkeit vertraut, so wie es Eure Augen sagen?“ Ich sah sie erstaunt an. „Wenn das der Grund Eurer Einladung ist, verehrte Meisterin, dann muss ich leider verneinen. Ich kann es nicht, denn ich habe es nie gelernt. Auch verstehe ich nicht, was Ihr unter Zwischenmenschlichkeit versteht? Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll. Pardon, wenn ich Euch diesbezüglich enttäusche. Auch wenn ich einen schrecklichen Fehler mache, so wäre es sinnvoller, unter diesen Umständen zu gehen.“

   Ich wollte mich bereits erheben, doch To Jangs Blick gebot mir regelrecht sitzen zu bleiben. „Ich verstehe Eure Bedenken, denn Eure Sinne sind noch nicht geschult. Darf ich mich trotzdem erkundigen, inwieweit Ihr mit körperlicher Beziehung zwischen Mann und Frau vertraut seid? Es mag sein, dass Ihr diese Frage als unhöflich empfindet, doch wäre es mir wichtig, darüber zu erfahren.“

   Ich sah To Jang an. Mein Blick musste recht hart gewesen sein, denn normalerweise ging es eine Fremde wenig an, wie ich mit einer Frau umging, wenn ich mit ihr intim wurde. To Jang senkte ihren Blick, und ich spürte trotzdem ihre Neugier. Daher überlegte ich meine Worte recht lange, denn schließlich sollten sie weder zu offen noch zu frivol klingen. „Verehrte Meisterin, ich habe von der Kunst der asiatischen Liebe gehört, wenn auch noch nie erfahren. Soweit ich es beurteilen kann, war bisher jede Frau mit meiner Art zu lieben zufrieden, auch wenn dies nicht Eurem so angeblich hohen Ansprüchen genügen wird.“

    „Ihr habt gut gesprochen, mein Freund, doch Worte überzeugen mich nicht. Beweist mir Eurer Können!“, sprach sie in klarer Absicht. Doch wie sollte ich es beweisen? To Jang sah mich sehr eindringlich und fragend an. „Nun, wie sieht es aus? Könnt Ihr belegen, was Ihr von Euch behauptet?“, fragte sie in einem recht deutlichen Ton, wobei sich ihr Blick erneut in meine Augen bohrten. „Wie soll ich es Euch denn beweisen? Wünscht Ihr etwa, mit mir zu schlafen?“, fragte ich leicht verärgert nach. 

   To Jangs Blick veränderte sich abrupt. Er wurde kalt und doch fordernd. „Bevor ich es je erlauben würde, dass Ihr mir so nahe kommt, müsst ihr wahrhaft meinen hohen Ansprüchen genügen. Niemals werdet Ihr mir bis dahin näher kommen als an dem Ort, wo Ihr jetzt seid. Um an die Stätte der gemeinsamen Vergnügungen zu gelangen, müsst Ihr Eure Manieren als auch Euer Können vollkommen verändern. Ich bin eine Okiya, die Herrin dieses Hauses, in dem Ihr Euch befindet. Ich gebiete über alle, die sich hier aufhalten. Daher zügelt Eure Ausdrucksweise. Wäret Ihr ein Mann, der mit den Gepflogenheiten des Hauses vertraut ist, so hätte ich Euch an dieser Stelle gebeten, unverzüglich zu gehen. Da Ihr aber mein Gast seid und zudem in diesen Dingen, wie ich inzwischen bemerke, unerfahren seid, vergebe ich Euch und bitte Euch zu bleiben. Was meinen Wunsch betrifft, bitte ich Euch, es mit einer meiner Geikos zu versuchen. Sie sind erfahren genug, um es beurteilen zu können.“ 

   Bei dieser Aussage traf mich fast der Schlag. Ich sollte mich also von einer Frau in Sachen Liebesangelegenheiten testen lassen? Das war mir bis zu diesem Tage noch nie abverlangt worden. Wenn ich mich zu diesem Schritt durchringen sollte, würde diese Geiko erleben, wie das Schlafen miteinander bei uns Sitte ist. Ich würde sie mir nehmen und sicherlich mein Vergnügen an ihr haben. Zumindest hatte ich diese Absicht.