Saga
Berliner Kriminalpolizei von 1945 bis zur Gegenwart
Coverbild / Illustration: Shutterstock
Copyright © 2005, 2019 Förderkreis der Polizeihistorischen Sammlung und SAGA Egmont
All rights reserved
ISBN: 9788726410488
1. Ebook-Auflage, 2019
Format: EPUB 2.0
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Mit Beiträgen des Polizeipräsidenten in Berlin Dieter Glietsch und des Landeskriminalpolizeidirektors Peter-Michael Haeberer
Herausgegeben vom Förderkreis Polizeihistorische Sammlung Berlin e.V.
Lange schon hat die Kriminalpolizei auf nahezu allen Ebenen darüber gesprochen, dass endlich einmal ihre Geschichte „aufgeschrieben“ werden müsste. Nachdem 1998 das Buch über die Schutzpolizei „Berliner Polizei von 1945 bis zur Gegenwart“ erschien, wurde der Druck noch größer. Doch wer sollte ein solches Nachfolgebuch auf den Weg bringen?
Nach dem viel gebrauchten Motto „Die Kriminalpolizei bittet um Ihre Mithilfe“ wurden Autoren gesucht, Überlegungen angestellt, lockere Planungen gemacht, mögliche Inhalte erörtert und ein Finanzrahmen erarbeitet.
Der damalige Leitende Kriminaldirektor Gert Wildenhein konnte 1999 den Pensionär Friedrich Sander für das Projekt gewinnen. Diesen beiden Pensionären gilt ein besonderer Dank, denn die Aufgabe war nicht leicht. Da die Kriminalpolizei leider über keinerlei Archive verfügt, waren sie angewiesen auf die Erinnerungen der Kollegen, um die Entwicklung der Kriminalpolizei von der Nachkriegszeit bis heute darzustellen. Aber die noch aktiven Kollegen, die sich erinnern konnten, waren mit dem Tagesgeschäft ausgelastet, und die Pensionierten hatten vielfach mit dem Beruf vollständig abgeschlossen.
So zog Friedrich Sander durch die Archive und Bibliotheken und fand vieles, was bei der Polizei nicht mehr vorhanden war, kopierte, sortierte, schrieb, sprach mit Kollegen und begeisterte Autoren.
Besonders schwierig war es, Autoren für Texte über das Thema „Polizeipräsidium der Volkspolizei“ zu finden, aber mit Beharrlichkeit, Durchhaltevermögen und Überredungskunst gelang auch dies.
Auf zahlreiche Themen musste wegen des vorgegebenen Buchumfangs verzichtet werden, sodass eine lückenlose Dokumentation von 1945 bis heute nicht möglich war. Daraus ergibt sich die Option der Fortsetzung. Ob durch uns oder andere, wird sich zeigen.
Titel und Untertitel verweisen auf den Schwerpunkt des Buches. Natürlich berichten einige Autoren dort, wo es sinnvoll ist, auch von Geschehnissen, die sich vor dem Jahr 1945 ereignet haben.
Wie alles im Leben verändert sich auch die Kriminalpolizei ständig. Als Konsequenzen sind einige Dienststellenkennzeichnungen und Organisationsstrukturen sicher überholt, wenn dieses Buch erscheint. Die Fakten müssen im Kontext des Entstehungsvorgangs der Artikel und des Buches gesehen werden.
Allen Autoren und Helfern, allen Sponsoren inner- und außerhalb der Polizei sei an dieser Stelle ausdrücklich gedankt für ihre lohnenswerte Unterstützung. Denn das vorliegende Buch ist eine wichtige Bestandsaufnahme der kriminalpolizeilichen Arbeit in dieser Stadt seit dem Zweiten Weltkrieg geworden. Die Sammlung von historischen Betrachtungen, wissenschaftlichen Darstellungen und informativen Berichten aus der Praxis legt einen Grundstein für die Aufarbeitung von sechs Jahrzehnten Kriminalpolizeigeschichte.
Ich wünsche allen Interessierten eine kurzweilige Lektüre!
Gerhard Simke,
Vorsitzender des Förderkreises
Polizeihistorische Sammlung Berlin e.V.
von Dieter Glietsch Polizeipräsident in Berlin
Die Geschichte der Berliner Kriminalpolizei seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges ist – wie die keiner anderen Polizeiorganisation in Deutschland – von den historischen Rahmenbedingungen dieser Zeit geprägt.
Hier in Berlin untersteht die Polizei bis zur Wiedervereinigung faktisch alliierter Oberhoheit, wenn diese auch in den beiden Teilen der Stadt unterschiedlich ausgestaltet war, hier gilt bis zur Herstellung der staatlichen Einheit teilweise eine andere Rechtslage als in der übrigen Bundesrepublik Deutschland, und hier findet im Oktober 1990 eine besondere Art von Vereinigung statt, weil die beiden Hälften einer Stadt wieder zusammengeführt werden.
Während sich die Polizei in den neuen Bundesländern im Wesentlichen aus altem Personal organisiert und die Polizei in den bisherigen Bundesländern dadurch allenfalls „neue Nachbarn“ bekommt, müssen in der deutschen Hauptstadt die Personalkörper zweier ganz gegensätzlicher Polizeisysteme zusammengeführt werden.
Die Berliner Polizei (und in ihr die Kriminalpolizei) hat diese einzigartigen Aufgaben bravourös gelöst. Berlin wurde und ist – allen Unkenrufen zum Trotz – auch nach der Wiedervereinigung nicht „die deutsche Hauptstadt des Verbrechens“; die Geschichte der Berliner Kriminalpolizei nach 1945 bleibt trotz aller Schwierigkeiten und Probleme eine Erfolgsgeschichte. Dabei knüpft die Berliner Kriminalpolizei durchaus an ihr Ansehen aus der Zeit vor dem Dritten Reich an, wobei sich Erfolge der Nachkriegszeit allerdings kaum noch an der Leistung Einzelner festmachen lassen. So populäre und charismatische Kriminalisten wie den legendären Chef der Mordkommissionen der zwanziger und frühen dreißiger Jahre, Ernst Gennat, der damals eine Institution und jedem Berliner bekannt war, findet man hier nach dem Krieg kaum noch.
Natürlich gibt es auch in der Nachkriegsgeschichte der Berliner Kriminalpolizei Namen, die bis zum heutigen Tag hervorragenden Klang haben. Aber einerseits sind Kriminalisten wie Sangmeister, „der dicke“ Deter, Schmadlowski („Schmadde“) oder Schwichtenberg („Schwichte“) eben nur altgedienten oder schon pensionierten Kriminalbeamten, nicht jedoch der breiten Bevölkerung ein Begriff. Andererseits erfordern die komplexen Aufgaben der Kriminalitätsbekämpfung heute auch in weitaus stärkerem Maße das zielgerichtete und gekonnte Zusammenwirken vieler in einer leistungsfähigen Organisation.
Der Blick zurück in die Geschichte, die dieses Buch schlaglichtartig beleuchtet, muss aber auch den Blick nach vorn öffnen: Die Ereignisse des 11. September 2001 haben im ersten Jahr des 21. Jahrhunderts die weltweite Sicherheitslage neu definiert. Der weltweite islamistische Terrorismus stellt spätestens seit diesem Tag keine bloß abstrakte Gefahr, sondern eine ernsthafte Bedrohung und eine enorme Herausforderung für alle Sicherheitskräfte dar – auch und gerade für die Kriminalpolizei der deutschen Hauptstadt als Sitz von Bundesregierung und Parlament, Standort aller bedeutenden diplomatischen Vertretungen sowie nicht zuletzt Ort der größten islamischen und der größten jüdischen Gemeinde in Deutschland.
Es wird in den kommenden Jahren eine zentrale Aufgabe auch der kriminalpolizeilichen Arbeit sein, die Sicherheit dieser Stadt vor terroristischen Anschlägen in Zusammenarbeit mit nationalen und ausländischen Sicherheitsbehörden zu gewährleisten. Die bisherigen Erfolge der LKA-Abteilung Polizeilicher Staatsschutz (LKA 5), ihre zukunftsorientierte neue Organisation und die effizienten Strukturen des Zentralen Objektschutzes lassen mich trotz der schwierigen Lage mit Vertrauen und Zuversicht in die Zukunft blicken.
Daneben bildet die internationale Organisierte Kriminalität für die Kriminalpolizeien aller westlichen Industrienationen und insbesondere für die Kriminalpolizei in Berlin eine weitere große Herausforderung. Nach dem Fall des Eisernen Vorhanges konnten international agierende Straftäter aus den Ländern Osteuropas ihre Aktivitäten nach Westen ausdehnen. Davon war und ist die grenznahe Metropole Berlins stärker betroffen als andere Regionen.
Im Gefolge der Osterweiterung der Europäischen Union wird Berlin als Drehscheibe des Ost-West-Verkehrs noch stärker Durchgangs- und Zielgebiet der internationalen Kriminalität werden. Rauschgiftund Menschenhandel, Kraftfahrzeugverschiebung und der Absatz von Falschgeld – um nur einige Felder des internationalen Verbrechens zu nennen – sind Delikte, die in einer grenznahen Millionenstadt Schwerpunktsetzungen in der kriminalpolizeilichen Aufgabenwahrnehmung erfordern. Das Landeskriminalamt wird in seinen neuen Strukturen mit den Abteilungen für grenzüberschreitende Kriminalität (LKA 2), für organisierte Wirtschafts- (LKA 3) und für organisierte Bandenkriminalität (LKA 4) auch diese Herausforderungen meistern.
Als weiteres, zunehmend bedeutsames Aufgabengebiet zeichnen sich Straftaten im Zusammenhang mit dem Internet ab, dessen scheinbare Anonymität immer neue Formen der Kriminalität entstehen lässt. In der Anfangszeit wurde es hauptsächlich zur Verbreitung illegaler Pornographie missbraucht; die ersten, noch vergleichsweise harmlosen wirtschaftskriminellen Formen des Missbrauchs folgten mit den 0190-Dialern, die sich heimlich selbst installierten. Inzwischen ist das Internet auch Tatmittel bei der Verbreitung von extremistischem und terroristischem Gedankengut bis hin zu Bastelanleitungen für Bomben, bei der Wirtschaftskriminalität mit Millionenschäden durch Betrug im elektronischen Handel oder bei Versteigerungen und schließlich auch bei Angriffen mit Computerviren oder „denialof-service“-Attacken auf das weltweite Netz, bei denen binnen Stunden Milliardenschäden drohen. Die Berliner Kriminalpolizei muss sich auch auf diese neuen, in ihren Dimensionen zum Teil schwer vorstellbaren Formen der Kriminalität vorbereiten. Das erfordert viel spezialisiertes, entsprechend aus- und fortgebildetes Personal sowie erhebliche Investitionen in Sachmittel.
Während sich einerseits in den letzten Jahren die organisierte Kriminalität und die Internetkriminalität rasant entwickelten, so gab es andererseits aber auch bei der forensischen Technik der Kriminalitätsbekämpfung gewaltige Fortschritte. Von Verfahren wie der elektronischen Mikroskopie, der automatischen Erkennung von Fingerabdrücken und der Täteridentifizierung anhand genetischer Informationen aus winzigsten Täterspuren, die heute zum kriminalistischen Alltag gehören, wagten Kriminalisten früherer Generationen allenfalls zu träumen – und ein Ende dieser Entwicklung ist noch lange nicht absehbar:
Während der Mulitifunktionelle Arbeitsplatz (MAP), das „Netzwerk Intelligence“ oder das polizeiliche Extranet in vielen Bereichen der Berliner Kriminalpolizei schon realisiert sind, steht der nächste große Schritt in die Zukunft einer modernen, ITgestützten Kriminalitätsbekämpfung unmittelbar bevor – die Einführung von „POLIKS“ (Polizeiliches Landessystem zur Information, Kommunikation und Sachbearbeitung), das unser an den Grenzen seiner Leistungsfähigkeit angekommenes altehrwürdiges „ISVB“ (Vorgangsverwaltungs- und Informationssystem) ablöst. Der Vorbereitungs- und Einführungsaufwand, der mit einer so grundlegenden Systemumstellung verbunden ist, stellt kurzfristig an die Berliner Polizei sehr hohe Anforderungen, denen sie sich aber dank engagierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohne Zweifel gewachsen zeigen wird.
Nun besteht die Kriminalpolizei in Berlin aber nicht nur aus dem Landeskriminalamt, in dessen Zuständigkeit die bisher erörterten Kriminalitätsformen fallen: Ein erheblicher Teil der Kriminalpolizei arbeitet in den Referaten Verbrechensbekämpfung (VB) der örtlichen Direktionen, die für die sogenannte mittlere und kleine Kriminalität zuständig sind, wobei Delikte der Massen- und Bagatellkriminalität durch die Schutzpolizei auf den Abschnitten bearbeitet werden. Dieser dreistufige Aufbau der Kriminalitätsbekämpfung, bei dem örtliche und „kiezbezogene“ Kriminalität dezentral auf dem Abschnitt oder in der Direktion, überörtliche und schwere Kriminalität zentral im Landeskriminalamt bearbeitet wird, hat sich in den vergangenen Jahren bewährt.
Gerade jene Straftaten, die den Bürger in seiner Privatsphäre oder als Gewerbetreibenden betreffen, so etwa Wohnraum- oder Laubeneinbruch, Diebstahl im Kfz-Bereich, Fahrraddiebstahl, Geschäfts- oder Lokaleinbruch, gehen seit Jahren zurück und weisen nun sogar niedrigere Häufigkeiten auf als in Westberlin vor 20, 25 Jahren.
Rückgänge verzeichnet erfreulicherweise auch die Jugendkriminalität insgesamt, die nach der Zahl der ermittelten unter 21-jährigen Tatverdächtigen seit sieben Jahren rückläufig ist. Dabei handelt es sich überwiegend, wie die entsprechenden Tatverdächtigenbelastungszahlen belegen, um echte Rückgänge und nicht nur um Auswirkungen der Bevölkerungsentwicklung.
Allerdings ist die Freude über diese Entwicklung nicht ungetrübt; denn während es unter Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden immer weniger Diebe und Einbrecher gibt, bleiben die Zahlen und Anteile der Rohheitstäter unter ihnen leider unverändert hoch.
Ein besonderes Augenmerk verdienen dabei die jungen Menschen nichtdeutscher Staatsangehörigkeit oder mit Migrationshintergrund, die im Vergleich zu ihren eingesessenen deutschen Altersgenossen zweibis dreimal häufiger in Erscheinung treten.
Demnach wird die Bekämpfung der Jugend- und speziell der Jugendgewaltkriminalität weiterhin eine der Herausforderungen an die Kriminalpolizei dieser Stadt bleiben. Erfolge auf diesem Gebiet sind bekanntlich nicht allein mit Mitteln der Strafverfolgung zu erreichen; vielmehr müssen hier auch Maßnahmen der Prävention ansetzen, für die sich die Polizei der Mitwirkung vieler im Sinne eines gesamtgesellschaftlichen Präventionsansatzes versichert. Hier sind wir mit den Vereinbarungen zwischen den Senatsverwaltungen für Inneres, für Justiz sowie für Bildung, Jugend und Sport zur gemeinsamen Bekämpfung junger Intensivtäter oder zur vermehrten Anwendung der Diversion im Jugendstrafverfahren auf einem guten, erfolgversprechenden Weg.
Darüber hinaus hat die Berliner Polizei in diesem Jahr mit der Einsetzung hauptamtlicher Präventionsbeauftragter in allen Direktionen und auf allen Abschnitten einen ganz entscheidenden Schritt zur weiteren Intensivierung der Vorbeugung getan; die hauptamtlichen Kräfte der Abschnitte werden vornehmlich an den Schulen ihres Bereichs mit Unterrichtsveranstaltungen zur Gewaltprävention tätig sein.
Damit setzt die Berliner Polizei ihre gute Tradition der verbeugenden Kriminalitätsbekämpfung eindrucksvoll fort; denn die Berliner Kriminalpolizei errichtete schon 1921 die erste Kriminalpolizeiliche Beratungsstelle weltweit und war auch 1977 deutschlandweit die erste, die Beamte der Schutzpolizei – damals Kontaktbereichsbeamte – zur vorbeugenden Bürgerberatung unmittelbar nach einer Straftat einsetzte. Der Gedanke dieses seinerzeit auch schon „Berliner Modell“ genannten Verfahrens der aktiven, am polizeilich erkannten Bedarf ausgerichteten vorbeugenden Beratung liegt auch dem neuen „Handbuch zur Kriminalprävention für Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte“ zugrunde, das vom Landeskriminalamt Berlin für das bundesweite Programm Polizeiliche Kriminalprävention (ProPK) verfasst und im Jahr 2004 an alle Polizeidienststellen in Deutschland ausgegeben wurde.
Der Blick in eine Zukunft der Berliner Kriminalpolizei wäre unvollständig, würde er bei den denkbaren regionalen Kriminalitätsproblemen oder bei den Beiträgen zur nationalen Kriminalitätsbekämpfung verharren. Europa ist im Jahr 2004 durch den Beitritt von zehn neuen Mitgliedsstaaten zur Europäischen Union enger zusammengerückt, weitere europäische Staaten streben ihren Beitritt mittelfristig an. Viele dieser Länder suchen auf ihrem Weg in die Gemeinschaft Anleitung und Unterstützung, unter anderem auch bei der Umgestaltung ihrer Strafverfolgungsorgane. Die Europäische Union hat dazu Partnerschaftsprogramme aufgelegt, an denen sich die Berliner Kriminalpolizei nach besten Kräften beteiligt.
Dabei sehen viele neue Mitgliedsstaaten oder Beitrittskandidaten die Kriminalpolizei von Berlin in einer ganz anderen Rolle, als sie uns in unserem föderalistischen System zukommt: Für sie ist die Polizei der deutschen Hauptstadt ganz selbstverständlich das Modell und Spiegelbild der deutschen Polizei schlechthin, so wie sie es vielfach von ihrer jeweiligen eigenen Hauptstadtpolizei kennen und gewohnt sind.
Die Rückmeldungen unserer Kooperationspartner zeigen, dass die Repräsentanten der Berliner Kriminalpolizei in den neuen Partnerländern das Bild einer kompetenten und qualifizierten Hauptstadtpolizei vermitteln. Dazu gehören außer hervorragenden polizeifachlichen Kenntnissen auch Kenntnisse über Kultur und Geschichte des Partnerlandes sowie vor allem sprachliche Kompetenz; denn Deutsch ist zwar eine, aber bei weitem nicht die verbreiteteste Amtssprache der Gemeinschaft. Deshalb gibt es auch auf diesem Gebiet noch einiges zu tun.
Insgesamt sehe ich die Berliner Kriminalpolizei im Wesentlichen gut für die Zukunft gerüstet, und zwar gleichermaßen im Hinblick auf neue Kriminalitätsphänomene wie auf neue Verfahren und Techniken. Wie ihre in diesem Buch an Einzelbeispielen beleuchtete Geschichte seit 1945 zeigt, hat sie sich stets jeder neuen Herausforderung gestellt und sie zukunftsorientiert gemeistert. Diesen Erfolg, den auf Dauer nur der Tüchtige hat, wünsche ich uns auch weiterhin.
von Peter-Michael Haeberer Landeskriminalpolizeidirektor
Es war eine hervorragende Idee, dem 1998 erschienenen Buch über die Berliner Polizei ein weiteres über die Kriminalpolizei Berlins nach 1945 folgen zu lassen. Deshalb danke ich an dieser Stelle sowohl dem Herausgeber und den Autoren als auch allen Helfern, die es ermöglicht haben, dieses Werk der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Die vorliegende Ausgabe soll und kann kein geschlossenes Bild der Berliner Kriminalpolizei wiedergeben. Vielmehr legten die Autoren Wert darauf, in Episoden darzustellen, unter welchen teils schwierigen Bedingungen kriminalpolizeiliche Arbeit von 1945 bis heute vollzogen werden musste.
Eine solche Arbeit bedarf des Rahmens, um die Akzente und Leistungen Einzelner vor dem Hintergrund der Verhältnisse in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu erkennen. In dem Bemühen, die unterschiedlichen Artikel des Buches mit einer gemeinsamen Klammer zu verbinden, muss ich aber freimütig bekennen, dass mir dies nur zum Teil gelungen ist. Das lag nicht zuletzt daran, dass ich den 13. August 1961 im Westen der Stadt erlebte und sich mein beruflicher Werdegang aus diesem Grunde auch hier vollzog.
Dadurch wurden mir zwangsläufig Einblicke in die Entwicklung des Ostteiles der Stadt verwehrt und viele derjenigen, die kompetent darüber berichten könnten, standen dem Herausgeber mit eigenen Aufsätzen nicht zur Verfügung.
So wie man Berlin aber nicht ohne seine geschichtlichen Wurzeln verstehen kann, so kann man die Entwicklung der Kriminalpolizei nach 1945 auch nur begreifen, wenn man sie in der Tradition der zwanziger und frühen dreißiger Jahre, aber auch belastet durch die schwere Hypothek des ehemaligen Reichssicherheitshauptamtes, sieht und erkennt, wie sehr sie durch die politischen Verhältnisse unserer zweigeteilten Stadt vor und hinter dem Eisernen Vorhang beeinflusst wurde.
Keine andere Stadt in Deutschland war so mit der Weltpolitik verbunden wie Berlin. Nach der Machtübernahme der Roten Armee herrschte hier zunächst nur das Besatzungsrecht. Doch bereits im Mai 1945 wurde die Einrichtung einer Kripo-Zentrale in der Dircksenstraße in Berlin-Mitte befohlen und darüber hinaus im Oktober 1945 durch den Alliierten Kontrollrat die Organisation der Polizei in die drei Säulen Verwaltung, Schutz- und Kriminalpolizei festgelegt.
Nachdem es aufgrund der eskalierenden politischen Umstände zur Spaltung im Jahre 1948 kam, wurde am 26. Juli 1948 Dr. Johannes Stumm zum Polizeipräsidenten ernannt. Die Alliierten etablierten ihn mit dem gesamten Präsidium in der Friesenstraße in Berlin-Kreuzberg.
Weil der Polizeipräsident aber nach wie vor dem Alliierten Kontrollrat unterstellt war, ging die Befehlsgewalt über die Polizei noch immer von allen Alliierten gemeinsam aus. In der Praxis hatten die einzelnen Sektorkommandanten jedoch die eigentliche Machtbefugnis. Während im Ostteil der Stadt diese Befugnis allein bei den Repräsentanten der Sowjetarmee lagt, gab es in den drei Westsektoren auch drei Zuständigkeiten für die Sicherheit der Stadt. Da es nur einen Polizeipräsidenten gab (mit Dienstsitz im amerikanischen Sektor), erstreckte sich die Befehlsgewalt de jure nur auf die Sektorassistenten – ein Amt, das in der Polizei extra eingeführt wurde. Weisungen an den Polizeipräsidenten wurden von allen (West-)Alliierten über Allied Kommandantura Order oder Letter verfügt. Daneben gab es die direkte Befehlsgewalt alliierter Offiziere gegenüber jedem einzelnen Polizeibeamten, die bis zum Abzug der Alliierten im Jahre 1994 galt.
In den Jahren der Zusammenarbeit entwickelte sich ein durchaus freundschaftliches Verhältnis zwischen den Sicherheitsoffizieren der drei West-Alliierten und ihren schutzpolizeilichen Partnern.
Mit der Kriminalpolizei waren die Verbindungen mit Ausnahme der Abteilung I („Polizeilicher Staatsschutz“) eher lose. Deren Hauptaugenmerk lag – wen wundert’s angesichts der politischen Rahmenbedingungen – auf der Bekämpfung geheimdienstlicher Agententätigkeit und auf der Aufarbeitung nationalsozialistischen Unrechts.
Als eine Arabeske der Geschichte sei angemerkt, dass die Kriminalpolizei des Landes Berlin heute so gut wie keine Spionagefälle mehr bearbeitet, es aber immer noch vereinzelte Ermittlungshandlungen wegen Verbrechen aus der nationalsozialistischen Zeit gibt.
Erst die ab Mitte der siebziger Jahre zu verzeichnende Terrorwelle mit weltweiten Anschlägen auf die zivile Luftfahrt führte zu einer engen Zusammenarbeit zwischen den Alliierten, die die Lufthoheit beanspruchten, und der Kriminalpolizei, die dazu führte, dass in den Maßnahmenkatalogen weniger militärische als vielmehr polizeiliche Taktik in den Vordergrund rückte. Die Alliierten hatten gelernt, dass sie sich auf die Polizeilicher Lagen verlassen konnten und angesichts der damals bereits beginnenden Truppenabzüge auch mussten.
Bei allem gegenseitigen Verständnis war das Rechtsverhältnis zwischen Polizei und Alliierten letztlich aber noch immer durch das Kriegsrecht bestimmt und dieses zugleich auch Ausdruck der durch die unterschiedlichen Machtbefugnisse verursachten Zweiteilung dieser Stadt. Nichts anderes dürfte für den Ostteil der Stadt gegolten haben, wo das Präsidium der Volkspolizei direkt oder indirekt über das Ministerium für Staatssicherheit der russischen Besatzungsmacht zuzuarbeiten hatte.
Mit dem historischen Abstand von 15 Jahren betrachtet, war das Jahr nach dem Fall der Mauer und vor der Wiedervereinigung Deutschlands das wohl interessanteste in Berlin.
Zweistaatlichkeit im unmittelbaren Erleben – so konnte man als Bürger dieser Stadt die „Grenze“ jederzeit überschreiten, als Angehöriger der Organe staatlicher Rechtspflege durfte man es in amtlicher Eigenschaft dagegen nicht.
Nur, wer konnte und wollte sich daran halten? Observationskräfte beider Seiten überschritten die „Grenze“ mit und ohne Erlaubnis, und Ermittler bekamen Hinweise zu Straftaten auf der jeweils anderen Seite.
Die Zusammenarbeit war dabei nicht immer einfach, zumal Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), zunächst aus dem Ministerium ausgeschieden, über die „Runden Tische“ bei dem Präsidium der Berliner Volkspolizei wieder eingestellt wurden.
Verräterische Einträge in Personalakten durften die Probanden, soweit möglich, selbst bereinigen. Schnelles und pragmatisches Handeln wurde deshalb mit der Vereinigung erforderlich, um Unheil zu vermeiden, zugleich aber auch Partnerschaften zu bilden, um die Kollegen aus dem Ostteil der Stadt in die für sie fremde Rechtsmaterie einzuführen, sie auszubilden und ihnen die Grundzüge demokratischer Kontrollinstanzen zu vermitteln.
Dass sich die Eingliederung auf sehr professionelle Weise vollzog, ist letztlich einem Mann zu verdanken, der kein Kriminalbeamter, aber ein überaus engagierter und für die Aufgabe prädestinierter Mann war. Der Leiter der Schulabteilung des Polizeipräsidenten in Berlin, LtdPD Simon. Er entwickelte gemeinsam mit seinen Mitarbeitern ein Konzept zur Aus- und Fortbildung des personellen Zuwachses und setzte es erfolgreich um. Sein Name wird deshalb zu Recht mit diesem über Jahre dauernden Mammutwerk in Beziehung gesetzt werden.
Die Kriminalpolizei hatte von Anfang an darauf verzichtet, reine Ost- oder reine Westdienststellen zu gründen. Eine Entscheidung, die sich schnell bezahlt machen sollte. Allerdings war sie auch mit dem Nachteil behaftet, dass diese Dienststellen, die ihrer neuen Größe von Berlin angepasst und deshalb für die gesamte Stadt zuständig waren, immer wieder reduziert werden mussten, weil viele der neuen Mitarbeiter sehr schnell durch ihre Vergangenheit eingeholt wurden und konsequenterweise entlassen werden mussten.
Mit dem Hauptstadtbeschluss des Deutschen Bundestages vom 20. Juni 1991 wurde klar, dass die „Hauptstadt im Wartestand“ in kürzester Zeit wieder Hauptstadt „in vivo“ werden würde.
Für die Kriminalpolizei aber waren dies zunächst eher Fragen akademischen Charakters, denn die Sicherheitsprobleme, die durch Parlament und Ministerien in die Stadt hineingetragen wurden, waren gering im Gegensatz zu denen, die sich aus der allgemeinen Kriminalitätslageentwicklung ergaben.
Um den Ängsten der Neuberliner mit Bundesaufgaben zu begegnen, wurde recht schnell eine gemeinsame Lagebetrachtung zwischen Berlin und Brandenburg einerseits und Berlin und dem Bund andererseits angestrebt. Das Bundeskriminalamt und die Berliner Kriminalpolizei stellten als Erstes ein gemeinsames Lagebild auf, mussten aber bald erkennen, dass die Deliktsfelder der allgemeinen Kriminalität auf Parlamentarier oder Ministerien keinen Einfluss hatten, noch diese den ihren geltend machten, um der steigenden Kriminalität Einhalt zu gebieten.
Die Sogwirkung der wirtschaftlichen Metropole war nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nicht zu übersehen. Zwar entwickelte sich der gemeinsame Kriminalitätsraum Berlin-Brandenburg erst langsam, dennoch zeigte er bereits erste Konturen, als sich der Speckgürtel nicht nur mit stadtmüden Berlinern, sondern auch mit der dazugewonnenen positiven und negativen Infrastruktur füllte.
Hinzu kam als weiteres Phänomen das der russischen Emigranten. Zu tausenden strömten Russen, Russlanddeutsche und Angehörige der früher zur UdSSR gehörenden und nunmehr selbständigen Völker in die Stadt und brachten nicht nur ihre Sprache und Gebräuche mit.
Zusammen mit den hier verbliebenen Vertragspartnern aus der ehemaligen DDR, die afrikanischen oder südostasiatischen Völkern angehörten, zeigten sie wenig Neigung zur sozialen Integration. Soziale Abschottungstendenzen waren unübersehbar und bezogen sich erst recht auf die Kontakte zu der Berliner Polizei.
Neue Formen der ethnisch abgeschotteten Bandenkriminalität bei den Eigentumsdelikten, der Kraftfahrzeugverschiebung, des Falschgeldabsatzes und des Gewaltinkassos waren die Folge.
Kriminalität im ethnisch-sozialen Umfeld in dieser Schärfe war eine neue Erfahrung für die Berliner Kriminalpolizei, eine Herausforderung, der sie sich im Großen und Ganzen mit gutem Erfolg gestellt hat und auch in Zukunft stellen wird. Doch davon später.
Anfang der siebziger Jahre wurde klar, dass die Polizei sich aus der kleinräumigen Verteilung in der Fläche zurückziehen musste, um ihre Ressourcen zu bündeln und zielgerichteter einzusetzen. Mit der Polizeireform von 1974 ergaben sich auch für die Kriminalpolizei einschneidende Veränderungen.
Ohne ins Detail zu gehen, weil das den Rahmen der einführenden Worte zu diesem Buch bei weitem sprengen würde, sei nur so viel angemerkt:
Die bestehenden 112 Polizeireviere wurden in 31 Abschnitte umgewandelt. Die Revierkriminalbüros wurden aufgelöst. Die bisher auf zwölf Inspektionen verteilten örtlichen Kriminalpolizeien wurden in fünf örtlichen Polizeidirektionen in jeweils zwei Inspektionen zusammengefasst. Der Rückzug der Kriminalpolizei aus der Fläche wurde durch kriminalpolizeiliche Sofortdienste der Polizeidirektionen kompensiert.
Die zentralen Kriminalreferate und Inspektionen der ehemaligen Abteilung K wurden zu einer „Direktion Verbrechensbekämpfung“ zusammengefasst. Die in der Kriminaldirektion der ehemaligen Abteilung K zentral durchgeführten Aufgaben wurden in einem „Dezernat Verbrechensbekämpfung“ in der Landespolizeidirektion zusammengefasst.
Drei Anmerkungen sind zu der „Reform von 1974“, wie sie gemeinhin genannt wird, zu machen.
Der daraus entstandene Dualismus zwischen der „Direktion Verbrechensbekämpfung“ und dem „Dezernat Verbrechensbekämpfung“ prägte die nächsten Jahre deutlich. Abhängig von den jeweiligen Leitern der Dienststellen entwickelte sich daraus entweder ein fruchtbares Miteinander oder aber ein hemmendes Konkurrenzverhältnis.
Erst mit der Entscheidung, am 1. Juni 1994 das LKA-Modell in die Praxis umzusetzen, entspannte sich dieses Verhältnis. Berlin hatte erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik ein verfassungsgemäßes Landeskriminalamt.
Der Rückzug aus der Fläche war für die Kriminalpolizei, die gut 80 bis 90 Prozent ihrer Arbeit bezogen auf den Tatortbezirk verrichtet, ein schwerwiegender Fehler. Erst mit der Umsetzung des Berliner Modells, das heißt mit der Reform der schutzpolizeilichen Aufgaben vor Ort, wurde in den letzten Jahren dem Erfordernis, Kriminalbeamte in der kleinsten örtlichen Gliederungseinheit zu verwenden, erneut Rechnung getragen. Mit dem „Hauptsachbearbeiter K“ ist zwar der alte Revierkriminalbeamte noch nicht zurückgekehrt, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Die Reform von 1974 war keine „Reform“ im Sinne der alten preußischen Heeresreformen mit definiertem Beginn und definiertem Ende. Leider wurde sie so (falsch) verstanden! Mit ihr hätte der Prozess der kontinuierlichen Anpassung und Verbesserung eingeleitet werden müssen. Statt dessen begann mit dem Streit, wer denn nun die Fachaufsicht über „die Kriminalpolizei“ habe, ein schädliches Konkurrenzdenken zwischen örtlicher und zentraler Kripo. Erst 2003 mit der „Neuordnung der Führungsstrukturen“ und der unbestrittenen Verantwortung des Landeskriminalamtes für die Qualitätssicherung der Kriminalitätsbekämpfung in der ganzen Stadt wurde dieser Streit beendet.
Es war aber auch nicht zu übersehen, dass immer neue Ideen innerhalb der Schutz- und Kriminalpolizei eine Reformmüdigkeit mit sich brachten.
Anfang der neunziger Jahre wurde im Zuge einer Organisationsuntersuchung durch „Mummert und Partner“ das „Berliner Modell“ entwickelt. Von der Kriminalpolizei anfänglich eher misstrauisch betrachtet, wurden einfache kriminalpolizeiliche Aufgaben an die Schutzpolizei auf den Abschnitten zur Endbearbeitung abgegeben mit dem Ziel, die Kriminalpolizei spürbar zu entlasten.
Kriminalistik war für die Schutzpolizei im mittleren Dienst seit Anfang der siebziger Jahre nur Hörfach gewesen. Also musste ein neues Ausbildungsvorhaben aufgelegt werden. Die Probleme sind nicht gering, aber der Erfolg wird sichtbar. Kriminalitätsbearbeitung gehört heute bereits in vielen Bereichen der Schutzpolizei zu den ganz normalen Aufgaben.
Die Ende der neunziger Jahre stadtweit eingeführte Verwaltungsreform im Zuge der bundesweit angestrebten neuen Steuerungsmodelle in den Verwaltungen dagegen wurde für die Berliner Polizei um zwei Jahre verschoben.
Eine schicksalhafte Entscheidung. Zunächst schien alles gut zu laufen. Für das Jahr 2001 wurden fünf Pilotdienststellen ausgewählt. Auch das Landeskriminalamt hatte eine Abteilung ausgewählt, die für das gesamte LKA als Pilot-Projekt fungieren sollte, die Abteilung LKA 5, der Polizeiliche Staatsschutz. Der Startschuss dazu fiel am 1. Januar 2001.
Trotz aller Wirren und Widrigkeiten überlebte die Abteilung 5 das erste Jahr fiskalischer Verantwortung und schloss mit einem positiven Ergebnis ab.
Man hatte der Polizei bei der Umsetzung des Reformvorhabens einen Aufschub von zwei Jahren gewährt, nicht aber bei der Fortsetzung der Neugestaltung.
Seit dem 1. Januar 2004 sind alle Organisationseinheiten in den Vollbetrieb als Leistungs- und Verwaltungszentrum oder aber als Serviceeinheit in den Betrieb gegangen. Das insgesamt positive Resultat der Pilotphase konnte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Übergang in die fiskalische Verantwortung in Zeiten des allgemeinen Mangels mit Problemen behaftet ist. Dieses Dilemma besteht in der Haushaltsmisere des Landes Berlin, bei der jährlich drei Milliarden mehr Ausgaben als Einnahmen verzeichnet werden.
Diese Tatsache führte zur Konsequenz: sparen, sparen und nochmals sparen!
Natürlich kann die Polizei nicht von den Sparnotwendigkeiten des Landes ausgenommen werden, andererseits hat sie aber – und hier insbesondere die Kripo – einen gesellschaftlichen Auftrag, der zwar volkswirtschaftlich betrachtet werden muss, aber im Einzelfall nicht einfach betriebswirtschaftlich gegenzurechnen ist.
Wenn kriminalpolizeiliche Arbeit nicht mit dem Rotstift durchgeführt werden soll, bedeutet das für alle, die in der Kripo Verantwortung tragen, dass sie intelligente Alternativen entwickeln und trotz der geringeren personellen Ressourcen sowie der reduzierten finanziellen Mittel ihre Aufgaben so erfüllen, wie es die Allgemeinheit erwarten darf.
In der Konsequenz heißt das, kontinuierlich die Sinnhaftigkeit von Hierarchieebenen zu prüfen, den Einsatz von Personal zu optimieren und die Organisation des LKA als Resultat der inneren Schwerpunktsetzung anzupassen. Dem entspricht die Neuorganisation des LKA in den Jahren 2003 und 2004.
Die Entwicklung der Informationstechnologie hat einen rasanten Aufschwung bewirkt. Zwar gehörte die Berliner Kriminalpolizei zu den Ersten, die Mitte der siebziger Jahre ein voll funktionsfähiges elektronisches Vorgangsverwaltungs- und Informationssystem (ISVB) ihr Eigen nannte.
Mit der Entscheidung für ein zentrales System waren aber auch Weichen gestellt worden, die im Zeitalter der Miniaturisierung der individuellen Nutzung von Informationstechnologien (IT) entgegenstanden. Die Umstellung auf neue technische Möglichkeiten war aber nicht nur ein finanzielles, sondern auch ein Erkenntnis- und Ausbildungsproblem. Erst spät konnte dies mit großem finanziellem Aufwand begonnen werden.
Erste Schwerpunkte wurden daher auf Unterstützungssysteme gelegt: Verbesserung der Mobilität, Digitalisierung von Fingerabdruckblättern, des Täterbildmaterials, das Projekt „POLIKS“ (Polizeiliches Landessystem zur Information, Kommunikation und Sachbearbeitung), um nur einige Projekte zu benennen. Auf all diesen Feldern wurde die Berliner Kriminalpolizei aktiv und hat dort einen Standard erreicht, der bemerkenswert ist.
Erst in zweiter Linie wurden Maßnahmen begonnen, die die IT-Kompetenz der Mitarbeiter steigern sollen. Notwendig war das geworden, weil Informationstechnologien vermehrt zur Bewältigung krimineller Logistik und als aktives Tatmittel zum Einsatz kamen. Eine Neuerung, deren Konsequenz noch nicht abzusehen ist. Aber schon sind neue Entwicklungen sichtbar. Der 11. September 2001 hat auch hier seine Spuren hinterlassen. Veränderte Aufgaben zur Gefährdungsbewertung bedingen einen vernetzten Informationsaustausch.
Die Kriminalpolizei ist eine Organisation zur Informationsverarbeitung. Um den modernen Methoden des Verbrechens Vernünftiges entgegensetzen zu können, muss sich die Kriminalpolizei weiterhin nicht nur um eine technische Ausrüstung bemühen, mit der sie dieser Klientel fach- und sachgerecht, aber auch schnell und präzise begegnen kann, sondern muss dem organisatorischen Netzwerk der Täter vernetztes Denken bei der Auswertung und vernetzten Transfer beim Zugriff auf Informationen gegenüberstellen.
Die Kriminalpolizei ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft und somit auch ein Spiegelbild der Stadt. Sie wird auch in den nächsten Jahren weiteren Veränderungen und einem weiteren Strukturwandel unterliegen.
Immer aber wird die Kriminalpolizei von und mit Menschen leben, die mit Initiative, Engagement, Einfühlungsvermögen und Verantwortungsbewusstsein ihren Dienst in einer Gemeinschaft von Professionellen versehen und alles unternehmen, um sich dem Verbrechen mit all seinen erschreckenden Facetten entgegenzustellen.