Man könnte bitter werden, Wutausbrüche erleiden, sich frustriert aus der Öffentlichkeit zurückziehen, über die Ungerechtigkeit der Welt schimpfen oder sogar toben, aber nichts bewegte sich dadurch. Dummheit regiert die Welt, und die Mächtigen werden immer unverfrorener, so als ob es keine Gesetze, keine Gerichte, keine Polizei, ja keine öffentliche Moral oder Ethik mehr gebe. Na und, sagen sich die Herrschenden, was gehen uns diese kleinen Proteste unter der Masse an? Demokratie klingt ja schön und gut, aber Geld verdient man damit nicht. Eine Hand wäscht immer noch am besten die andere.
Das ist eine Sache, eine andere aber besteht darin, dass die Torheiten der Menschen immer mehr werden, und so sehr man sich auch etwa als Lehrer, Professor oder Journalist bemüht, keiner will mehr auf die Vernunft achten oder sich kritischen Urteilen unterwerfen. Soll man daher darüber verzweifeln? Dies nützt weder mir selbst etwas noch der Gesellschaft. Viel besser scheint es mir, lächerliche Situationen oder Verhalten im Alltag satirisch aufzuspießen und die Leser zu unterhalten. Wenn wir gemeinsam zu lachen vermögen, könnte sich vielleicht doch etwas bewegen.
Weiterhin muss ich gestehen, als Deutsch-Amerikaner (als gebürtiger Deutscher in die USA vor mehr als drei Jahrzehnten eingewandert) ein recht gespaltenes Verhältnis sowohl zur deutschen als auch zur amerikanischen Gesellschaft zu haben. Irgendwie setzt man sich ständig zwischen zwei Stühle und passt nirgends mehr ganz rein. Also bleibt mir nur die satirische Betrachtungsweise übrig, denn ich sehe die Situation in beiden Welten als recht skurril und manchmal geradezu albern an. Das wäre alles ziemlich misslich und für beide Seiten ziemlich irritierend, wenn man nicht daraus literarisches Kapital schlagen könnte. Genau darum geht es mir hier, und mit Verlaub muss ich sagen. dass jede Seite so ihr Fett wegbekommt, und ich selbst nehme mich gewiss nicht davon aus. Kultur ist schon eine komische Angelegenheit, historisch gewachsen, oftmals kurios, hinterwäldlerisch, skurril und eigentümlich. Sowohl als Außenstehender als auch Teilnehmer hat man vielfach Gelegenheit, sich schmunzelnd oder sarkastisch darüber auszulassen, und genau darum geht es nachfolgend.
Liebes Lesepublikum, ich hoffe, es wird sich niemand gar zu sehr auf den Schlipps oder den Rock getreten fühlen, aber es gibt wirklich viele Gelegenheiten, sich etwas skeptisch distanzierend über die Menschen lustig zu machen, so über politische Strukturen, finanzielle Missverhältnisse, private Szenen oder Charakterschwächen. Keiner ist davor gefeit, Fehler zu machen und sich töricht zu verhalten. Genau darauf wartet der Satiriker, aber wirklich böse ist es letztlich niemals gemeint.
Nachdem ich 2018 meine erste Sammlung Satiren beim Engelsdorfer Verlag in Leipzig veröffentlicht hatte (Amerikanische Satiren), wollte ich nicht einfach aufhören, denn das Leben geht ja weiter, die Torheiten wollen einfach nicht zu Ende kommen, und man müsste ständig die Hände über den Kopf zusammenschlagen in Anbetracht der Dummheiten, die einem laufend vor die Augen kommen. Wie kann das nur sein! Was nehmen sich diese Leute bloß heraus? Unglaublich, wie ist dies überhaupt möglich? Lächerlich, will man meinen, aber so sind halt die Menschen, und so sind die kulturellen Unterschiede, und ich bin und bleibe der Außenseiter. Ein Unding, will man hinausschreien, oder vor Wut auf den Tisch trommeln.
Alles nutzlos, kein Mensch kümmert sich darum, also einen anderen Weg einschlagen, und da bietet sich mir die Satire als Gattung an. Es macht doch viel mehr Spaß, die Leserinnen und Leser mit sarkastischen Verrissen zu unterhalten, als lang und breit Jeremiaden anzustimmen oder Moralpredigten zu schwingen.
Und so teile ich halt ein wenig aus, mal die Deutschen, mal die Amerikaner treffend, und wie häufig bin ich wohl selbst das Opfer meines eigenen Spottes. Zugegeben, manchmal werde ich ein wenig bitter, denn das Lachen bleibt mir gelegentlich im Halse stecken, aber dann löst es sich wieder, und ich hoffe, damit insgesamt einen nicht ganz vergeblichen Beitrag zur Welt geleistet zu haben. Viel Vergnügen also bei der Lektüre, bei der man nicht alles so ernst nehmen sollte. Böse habe ich es bestimmt nicht gemeint, auch wenn manchmal kleine Giftpfeile das Opfer treffen, wohl nicht ganz zu Unrecht. Hier werden mal die Mächtigen und mal die kleinen Leute aufgespießt, mal geht es um die große Politik, mal um den Alltag, mal um berufliche Dinge, mal um persönliche Angelegenheiten und mal um Universitätsstrukturen oder die Bürokratie. Jeder könnte sich hier gespiegelt sehen, und ich sage, nur zu! Aber lacht mit mir!
Seit Jahrzehnten schon hat man in Deutschland sein großes Vorbild gefunden und vergöttert es: Amerika. In der Tat, die Deutschen sind in der glücklichen Lage, nach dem Zweiten Weltkrieg genau herausgefunden zu haben, welches das beste Land der Welt ist, welche Gesellschaft als glücklich und ideal zu preisen ist. Amerikanische Musik, amerikanische Mode, das amerikanische Schulsystem, die amerikanische Universität, das amerikanische Krankenhaus, alles vom Allerfeinsten und unbedingt nachahmenswert. Klar, so gerne man in good old Germany über die USA spottet oder sogar einfach daherfegt und alles zerschmettern möchte, was von drüben hierher geschwappt kommt – man denke nur an die vernichtende Verachtung des amerikanischen Essens –, insgeheim aber pocht in fast allen deutschen Herzen die Sehnsucht, in die USA zu reisen, so wie die Amerikaner zu leben, ein so großes Haus und Auto zu besitzen, wie man es in zahllosen Filmen gesehen hat, und irgendwie die amerikanische Freiheit zu genießen, von der man wohl in Europa nur träumen kann
Ich muss ja gestehen, dass ich selbst meinem Traum gefolgt und in die USA eingewandert bin. Hm, ein Traum war es vielleicht nicht, ich musste einfach nach zwei Jahren in Oxford eine neue Heimstatt finden, um meine Studien mit dem Ph.D. abzuschließen, und da meine Frau Amerikanerin ist, bot sich die Möglichkeit fast von selbst an, sich in die USA zu begeben. Schwamm drüber, das war und ist mein Leben, mein Schicksal.
Trotzdem gilt nämlich, ohne jeglichen Zweifel, dass das Vorbild der USA unerschütterlich fast allen in Deutschland vorschwebt. Da kann man noch so über das Hundefutter bei McDonald schimpfen, oder bei Burger King etc., aber wohin strömt die Masse, wo versammeln sich die Jugendlichen, und wo trifft man sich abends, wenn man nur schnell etwas essen möchte? Aber die Preise in Deutschland sind viel höher als in den USA. Wieviele Familien nutzen McDonald aus, um mal nicht kochen zu müssen, und die Kinder sind es vollkommen zufrieden, wenn sie endlich wieder mal amerikanisch essen dürfen. Na, ich weiß nicht so genau, was das bedeuten mag, amerikanisch, aber diese Schnellimbiss-Restaurants sind tatsächlich in den USA sehr weit verbreitet. Sind sie daher ‘das amerikanische Essen’? Wer hier drüben bei uns lebt, kennt tausende von ganz anderen Restaurants, ob thailändisch oder koreanisch, chinesisch oder mexikanisch, und die sind auch alle ‘amerikanisch’.
Wahrscheinlich schimpft man so gerne in Deutschland über McDonald’s, weil man sich schuldig fühlt. Wer will denn schon dort ertappt werden? Aber die Masse wendet sich doch dorthin. Also, amerikanisches Vorbild, die große Essenskultur? Auch nicht, aber angenommen wird sie schon, und dann hagelt es mit der Kritik.
Viel besser ist es mit den amerikanischen Jeans bestellt. Die beweisen eine untrügliche Qualität. Nur werden sie heute immer mehr mit großen Löchern, Rissen und ganzen fehlenden Teilen verkauft. Hätte ich nur meine uralten Jeans aufgehoben, von vor vierzig Jahren, die wären jetzt super-chic und ungemein modern. Amerikanische Kleidung also, aber zur Beruhigung unseres schlechten Gewissens, Levi Strauss hat sie ja entwickelt, also ein eingewanderter Deutscher. So schlimm kann es daher gar nicht um diese Jeans bestellt sein.
Die deutsche Hassliebe auf und mit Amerika ist schon ein vielschillerndes Phänomen, super interessant. Regelmäßig reisen die deutschen Bildungsminister und ihre Bürokraten in die USA, um sich eine Scheibe von dem Modell-Schulwesen in den USA abzuschneiden. Ich finde das recht interessant, vor allem weil ich hier fast keine solchen idealen Schulen kenne. Die meisten leiden erheblich unter größten Geldschwierigkeiten, haben ein minimales Niveau, kämpfen verzweifelt darum, die Integration der verschiedenen Rassen voranzutreiben, können kaum Fremdsprachenunterricht anbieten, haben die am schlechtesten ausgebildeten Lehrer, die daher nur Minimallöhne verdienen (im Sommer arbeiten viele Lehrer anderswo, etwa als Maler, im Hotelgewerbe etc., um sich halbwegs über Wasser zu halten). Zu meiner Zeit führte man dann in Deutschland das Kurssystem ein, so wie in den USA, als dort schon längst völlig klar geworden war, dass ein traditionelles Klassensystem wesentlich mehr Vorteile bieten würde. Aber Amerika weiß es doch immer besser, und wenn man sich mit amerikanischen Federn schmückt, vor allem in der Politik, punktet man ganz leicht unter den Wählern, deren Augen sowieso ganz schnurrig geworden sind von den vielen amerikanischen Filmen. Will man darüber hinaus etwas ganz Großartiges schaffen, besucht man Harvard, Yale, Princeton, evtl. auch noch die UCLA in Los Angeles und postuliert dann zu Hause, genauso müssten die deutschen Unis auch funktionieren. Exzellenzuniversität heißt das heute.
Lieber Herr Minister, liebe Frau Ministerin, kennen Sie sich denn überhaupt in den Niederungen der amerikanischen Universitäten aus? Von Geld will ich mal gar nicht reden, denn diese Unis sind ja weitgehend rein kapitalistisch organisiert, von akademischer Qualität daher mal ganz zu schweigen. Die meisten Studienanfänger haben von Tuten und Blasen keine Ahnung – gut, viele spielen ein Musikinstrument, gelernt auf der High School, wo es sowieso nichts anderes gab als Football und Marching Band. Aber wann lief denn noch mal der Zweite Weltkrieg? Aus welchen Elementen besteht Salz? Schon mal was von Kant oder Rousseau gehört? China ist ganz weit weg, aber auch Lybien, Nigeria, Panama, ach, was rede ich, einfach der Nachbarstaat. Welcher Schüler aus Arizona hat schon mal New Mexico besucht? Vorbild, intellektuelle Schmiede der Nation, geistiges Zentrum? Wovon reden wir hier eigentlich?
Schuster, bleibe lieber mal bei deinen Leisten. Abgucken kann man viel, aber man sollte es erstmal gründlich verstehen, die Probleme damit begreifen und die Hintergründe für eine gewisse Struktur nachvollziehen, bevor man von Vorbild oder Modell spricht.
Und die Musik? Welcher deutsche Radiosender würde sich erblöden, deutsche Musik zu spielen? Amerikanische muss es sein, oder zumindest Songs auf Amerikanisch, daher weht der Wind. Aber ich muss doch mal fragen: wäre denn die deutsche Sprache nationalsozialistisch, einfach braun? Ist die Muttersprache braun? Sind die deutschen Wörter allesamt braun? Na, ich weiß nicht, das klingt alles ziemlich verquer.
Noch eins sollte man ansprechen. Wegen der vielen amerikanischen Filme glaubt jeder, die Amerikaner würden alle ein Luxusleben führen, von Palmen umgeben, mit einem Swimming Pool im Garten, jeder würde wie geschminkt und parfümiert durchs Leben schreiten, mit gestählten Körpern, hoher Intelligenz und unglaublich attraktiv. Amerika, meine lieben Leute, ist ein Land, in dem Menschen aus der ganzen Welt leben und sich als Amerikaner identifizieren. Es gibt hier jede Religion, die auch nur irgendwo praktiziert wird. Es gibt zahllose Probleme, die Armut grassiert, die Heuchelei dominiert, die Korruption ist allenthalben spürbar, von Demokratie, na, von Demokratie können wir kaum noch reden. Liebe Schuster, wie gesagt, bleibt endlich mal bei euren Leisten, macht redlich eure Schuhe und lasst euch nicht immer etwas von der schönen neuen Welt jenseits des Atlantiks vorgaukeln.
Wer hätte je gedacht, dass das alte Gerümpel, bisher einfach zum Sperrmüll gestellt, unter dem Ansturm amerikanischer Touristen so viel Wert gewinnen würde! Das alte Telefon, bei dem man noch die einzelnen Nummern mittels einer Drehscheibe wählen musste, oder die alten Schallplatten, alles was irgendwie aus Großmutters Tagen stammt, hat auf einmal großen Wert, je mehr wir in die Postmoderne einsteigen. Ich bin ja so dankbar für einige meiner Studenten, die ich jedes Jahr mit mir von den USA nach Europa bringe, um ihnen die alte Welt etwas näher zu bringen. Einige von ihnen sind richtig Geschichtsfanatiker. Ist doch schön, da liegt das ganze Zeug auf den Verkaufstischen, und nachdem sich niemand seit vielen Monaten darum gekümmert hat, stürmt auf einmal eine Gruppe von amerikanischen Enthusiasten darauf zu, und im Nu ist selbst der gewöhnlichste Knopf oder Zahnputz-becher verkauft. Alles, was irgendwie nach altem Militärgeklimper aussieht, hat auf einmal höchsten Wert. Schulterklappen, Rangabzeichen, Medaillen, Münzen, alles was aus Blech und sonstigem Metall besteht und irgendwie farblich hervorsticht, besitzt ungeheuren finanziellen Wert.
Trödler und Straßenverkäufer, vereinigt euch, hier kommt der Euro auf euch zugerollt. Bei uns zu Hause, an der Uni, bekommen wir regelmäßig von älteren Leuten, die mit den deutschen Büchern ihrer verstorbenen Familienmitgliedern nichts anzufangen wissen, Kisten davon geliefert, aber meistens können auch wir nicht davon profitieren. Es handelt sich ja normalerweise um geringwertige Bücher, ohne wissenschaftlichen Wert, von denen wir oftmals schon Kopien in den Regalen stehen haben. Oder es sind Drucke nur für Buchclubmitglieder, die heute völlig wertlos geworden sind. In unserer Not stellen wir dann diese gedruckten Gaben kostenlos unseren Studenten zur Verfügung, aber auch die wollen dann nicht unbedingt darauf zurückgreifen. Was sollen sie denn mit Liebesromanen oder Kriegsdarstellungen von den 30er Jahren anfangen? Und wenn die Bücher noch in der alten Sutterlinschrift gedruckt wurden, sind Hopfen und Malz verloren.
Tja, da wandelten wir durch Regensburg, oder Lübeck, und jedesmal, wenn wir auf einen Antiquitätenhändler stießen, jubelte einer meiner Studenten auf, und im Nu hatte er sich mit einem Stapel von Büchern eingedeckt, die er alle für nur 1 Euro erstanden hatte. Nun ja, manche waren im frühen 20. Jahrhundert gedruckt worden, andere noch früher. Besonders wertvoll erschienen ihm Titel aus der DDR. Der Inhalt war ihm völlig gleichgültig, allein das Erscheinungsdatum und der -ort spielten eine Rolle. Wie glücklich fühlte er sich, als er in Nürnberg ein Buch aus einer Kiste fischte, das 1946 unter alliierter Autorität erschienen war. Gut, heute würde ich sagen, schlicht ein Schundroman, aber das Datum allein nobilitierte das Bändchen. Dann erwischte der junge Mann einen Literaturkalender aus den frühen 50er Jahren, heute völlig belanglos, aber aus amerikanischer Sicht höchst wertvoll.
In Travemünde lief direkt am Bahnhof ein Flohmarkt, und meine ganze Gruppe, zu der auch zwei chinesische Studenten gehörten, stürzte sich voll Begeisterung auf die Tische, um die uralten Leica-Kameras, sowjetische Militärabzeichen, DDR-Münzen und Anhänger aus Uromas Zeiten gegen gute Euros einzutauschen. Ach, was freuten sich da die Trödler, und die Kunden waren unglaublich begeistert, sich mit dem alten Klimbimb zuzudecken. Ich wusste zwar nicht, was sie damit wirklich anfangen wollten, aber beide Seiten waren begeistert, einmal die Händler, weil sie den nutzlosen Kram los wurden, dann die jungen Leute, die irgendwie die Vergangenheit materiell sich anzueignen glaubten. Ich war ja glücklich für beide, aber Gott sei Dank hatte ich gar nichts damit zu tun.
Aber wie schafft man es, wenn schon der Koffer komplett voll ist, noch einen ganzen Stapel schwerer, oftmals umfangreich illustrierter Bücher mit schwerem Einband, hineinzustopfen? Nun, mein findiger Student trug am Tag der Abreise ein Teil seiner Kleidung am eigenen Leib, um Platz im Koffer zu schaffen. Er sah zwar dadurch etwas fülliger aus, aber trotz der Hitze fühlte er sich ganz glücklich, all seine Schätze mit in die Heimat zu bringen und mit diesen antiquarischen Büchern zu schwelgen. Nun, jetzt weiß ich zumindest, was ich das nächste Mal machen werde, wenn uns jemand kistenweise eine ganze Bibliothek deutscher Bücher aufhalst.