Im Westen ist die Hölle los Band 4 - 3 Romane in einem Band

Alfred Wallon

Published by Alfred Bekker, 2019.

Inhaltsverzeichnis

Title Page

Im Westen ist die Hölle los | Western-Sonderedition Band 4 | 3 Romane in einem Band

Blizzard-Fährte

Ölkrieg in Oklahoma

Tödliches Spiel in Mexiko

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About the Publisher

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Im Westen ist die Hölle los

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Western-Sonderedition Band 4

3 Romane in einem Band

von Alfred Wallon

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IMPRESSUM

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© Roman by Author

© Cover: Edward Martin mit Kathrin Peschel, 2019

Korrektorat, Zusammenstellung: Kerstin Peschel

© dieser Ausgabe 2019 by Alfred Bekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

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Dieser Band beinhaltet folgende Western:

Blizzard Fährte

Tödliches Spiel in Mexiko

Ölkrieg in Oklahoma

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Blizzard-Fährte

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BRADDOCK – Für Gesetz und Gerechtigkeit

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Klappentext:

Sie sind immer dann zur Stelle, wenn die Gesetzeshüter und kleinen Behörden ihre Grenzen erreicht haben: Special Deputies, die im Auftrag des Justizministeriums handeln und sich erbarmungslos auf die Fährte von Verbrechern setzen. Ihre Befugnisse reichen aus, um rasch und effektiv ein Problem zu lösen. Braddock und sein indianischer Freund Yumah sind zwei dieser Gesetzesmänner. Sie fackeln nicht lange und jagen die Verbrecher auf ihre Weise. Hart und kompromisslos ...

Als in Fort Benton eine Gruppe von Soldaten 10.000 Dollar Sold stiehlt, dabei Kameraden tötet und anschließend desertiert, sind die beiden Special Deputies kurz darauf zur Stelle. Die skrupellosen Mörder glauben sich in Sicherheit, wenn sie die Grenze nach Kanada überschreiten – aber da haben sie nicht mit Braddock und Yumah und deren Entschlossenheit gerechnet!

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1. Kapitel

Nacht über Fort Benton ...

Die kleine Soldatengarnison am Missouri River in Montana dämmert still und friedlich dahin. Irgendwo in der Ferne, in den dunklen Baumwipfeln, erklingt der klagende Ruf eines Käuzchens. Der Wachposten auf dem östlichen Turm späht hinaus in die Dunkelheit.

Er ist müde und muss die Augen weit aufreißen.

Aber alles ist ruhig, und er kann nichts Auffälliges bemerken.

Und doch geschehen in dieser Nacht Dinge, die der Soldat auf dem Wachturm nicht sieht. Sonst hätte er schon längst Alarm geblasen! Aber es geschieht überhaupt nichts.

Vier Männer ducken sich eng an die Wand des Vorratslagers, damit sie der Wachposten nicht entdeckt. Es sind Uniformierte, genau wie der Soldat, der oben auf dem Turm Wache hält. Und doch scheinen sie irgendetwas im Schilde zu führen, denn sie schauen die ganze Zeit hinauf zum Turm.

Ein heiseres Krächzen ist in der Stille zu vernehmen. Der vorderste der vier Männer wendet sich plötzlich und abrupt um. Funkelnde Augen richten sich auf einen klapperdürren Infanteristen, durch dessen Körper ein Zucken geht und der verzweifelt versucht, den auf-kommenden Hustenreiz zu unterdrücken.

»Halt’ doch die Schnauze, Bowie!«, zischt einer von ihnen wütend. »Willst du uns etwa alle an den Galgen bringen, du verdammter Idiot?«

Der Hagere, dessen Name Bowie ist, hat seinen Anfall jetzt überwunden. Schweißtropfen der Anstrengung zeichnen sich in seinem hohlwangigen Gesicht ab, während er heftig atmet, was in der Kälte der Nacht an der kleinen weißen Wolke zu sehen ist.

»Tut mir leid, Gilmore«, stottert Bowie, dem die Schwindsucht im Gesicht geschrieben steht, »Mann, ich konnte es nicht mehr zurückhalten und ...«

»Du sollst den Mund halten, hab’ ich dir gesagt!«, zischt jetzt Gilmore erneut. »Pass lieber auf, dass nichts schiefgeht, verstanden?«

Bowie nickt stumm und späht hinaus in die nächtliche Dunkelheit. Jetzt ist es endlich so weit. Was sie schon wochenlang durchgesprochen haben, findet nun statt. Gilmore, er selbst, sowie die Soldaten Hunter und Jones haben sich hier verschanzt. Drüben beim Stall warten noch Mulford und Cannon mit den Pferden. Sie können sofort verschwinden, wenn es soweit ist. Jetzt liegt alles nur noch an Lieutenant Mike Travers!

Travers, dieser gerissene Hundesohn!, schießt es mit einem Mal Gilmore durch den Kopf. Dieser aalglatte Bursche hatte die Idee gehabt, die Armeekasse zu klauen. Deswegen stehen sie jetzt hier draußen in der Kälte. Sie frieren und warten ab. Der Winter wird bald kommen, und es ist empfindlich kühl. Aber keiner der Soldaten beschwert sich, wissen sie doch, dass es jetzt kein Zurück mehr für sie gibt. Sie alle sind davon überzeugt, dass Travers Plan klappt. Sergeant Gilmore hat noch die anderen Männer eingeweiht, und nun geht es los.

»Wenn jetzt nur keiner kommt«, räuspert sich der blonde Jones verängstigt. »Mann, mir ist alles andere als wohl in der Haut!« Und dabei blickt er mit zusammengekniffenen Augen auf das Gebäude der Zahlmeisterei, in dem sich Travers befindet.

»Fängst du Angsthase jetzt auch noch an?«, schimpft der bullige Sergeant. »Ihr wolltet alle mitmachen, und jetzt seid ihr mit dabei, ihr Schlappschwänze. Also Maul halten und abwarten, kapiert?«

Keiner will widersprechen, denn sie alle locken die Dollars aus der Armeekasse, Zehntausend Dollars sind es, die Anfang letzter Woche in Fort Benton eingetroffen sind. Sold für die US-Cavalry und Gelder für Proviant und Waffen. Und diese Greenbacks wollen sie sich unter den Nagel reißen.

Es ist ein einsames Leben, das sie hier draußen in der Wildnis führen. Eintönig und langweilig. Die Indianer sind ruhig und rühren sich nicht, ein Tag ist wie jeder andere. Und diese Männer wollen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen, deswegen stehen sie hier!

Schritte erklingen in der Dunkelheit ...

Sergeant Gilmore versucht, irgendetwas zu erkennen, als er um die Ecke späht. Sein Herz droht stillzustehen, als er Clyde Willis, den Zahlmeister, erkennt.

»Das gibt’s doch nicht«, flüstert er vor sich hin. »Was will der Bursche denn ausgerechnet jetzt hier, verdammt noch mal? Warum liegt der nicht in seiner Pritsche und schläft wie alle anderen?«

Es ist wirklich Clyde Willis, der sich der Baracke nähert, in der das Office untergebracht ist. Mensch, wenn der jetzt Lieutenant Travers entdeckt! Dann ist doch alles beim Teufel, oder?

Gilmore weiß nicht, dass der Zahlmeister einen guten Grund hat, die Baracke aufzusuchen. Er will noch einmal die Listen überprüfen, denn er hat einen Fehler gefunden, der beseitigt werden muss. Und dieser Fehler lässt ihm keine Ruhe.

Der rothaarige Hunter sieht den Zahlmeister jetzt auch.

»Gilmore!«, ruft er aufgeregt. »Mensch, der geht ja in die Baracke!«

Der bullige Sergeant beißt die Zähne zusammen. Was wird geschehen? Mike Travers ist doch in der Baracke, der Mann, dem die Dollars mehr wert sind als sein Offizierspatent. Clyde Willis kann doch zwei und zwei zusammenzählen. Wenn er Lieutenant Travers da drin erwischt, dann wird er ihm bestimmt einige unangenehme Fragen stellen!

»Herr im Himmel!«, schnauft Sergeant Gilmore erregt. »Die ganzen Tage haben wir darüber gesprochen, und ausgerechnet jetzt kommt dieser dämliche Zahlmeister.«

Gespannt folgt er den Schritten von Clyde Willis, der den dunklen Armeemantel wegen der Kälte fest um sich gehüllt hat. Mensch, wenn es so kalt ist, warum bleibt dieser Hundesohn dann nicht in seinem warmen Stübchen? Wenn er was in der Zahlmeisterei zu erledigen hat, dann kann er das doch auch noch am nächsten Morgen erledigen, dann, wenn Travers und die anderen schon über alle Berge sind!

Ganz hinten in der dunklen Ecke steht der Tresor. Mike Travers hat nicht lange gebraucht, um ihn zu finden, denn er kennt sich in der Baracke des Zahlmeisters recht gut aus. Schon oft war er hier drin, um die Auszahlungen des Soldes mit zu überwachen.

Aber darum geht es nicht. Das einzig Wichtige und Ausschlaggebende, was in seinem Gehirn herumspukt, ist die Zahlenkombination. Vier – eins – sieben – zehn, und dann zweimal die Eins noch. Travers ist dabei gewesen, als Clyde Willis das letzte Mal den Tresor geöffnet hat, und seit diesem Tag hat sich die Zahlenkombination unauslöschlich in sein Gehirn eingebrannt.

Mike Travers’ Augen leuchten gierig auf, als er sich dem Tresor nähert. In diesem alten Ding stecken zehntausend Dollar, die sein Leben von Grund auf verändern werden. Dann ist endlich Schluss mit diesem langweiligen Patrouillendienst, zu dem er immer wieder abkommandiert wird. Das hängt ihm sowieso schon zum Hals heraus, denn seine Laufbahn in der Armee hat er sich ganz anders vorgestellt. Aber jetzt ist ja Schluss damit. Schon bald werden er und die anderen Kumpane Fort Benton verlassen haben.

Am Stiefelabsatz reißt er ein Streichholz an. Die Flamme beleuchtet den Kombinationsschalter des Tresors, an dem Travers jetzt herumfingert. In seinem Gehirn erscheinen jetzt wieder die Zahlen, die ihn noch von den zehntausend Dollars trennen.

Er dreht am Rad, bis es einrastet, und jedes Mal wird er aufgeregter. Nur noch zweimal einstellen, dann hat er es geschafft. Travers merkt nicht, wie feine Schweißperlen auf seiner Stirn entstehen, so sehr hat ihn die Aufregung im Griff. Und dann hat er es auch schon geschafft! Er achtet nicht darauf, dass das Streichholz seine Fingerkuppen schmerzlich verbrennt. Achtlos lässt er es fallen, denn jetzt ist die Tür des Tresors zurückgeschwungen, und nichts mehr trennt ihn von dem Reichtum und der schönen Zukunft.

Seine Finger tasten in den Tresor, fühlen das Papier der aufeinandergestapelten Dollarnoten. Viele Bündel sind es, fast zu viele für einen, aber daran verschwendet Lieutenant Travers jetzt keinen einzigen Gedanken. Er zerrt einen Jutesack unter dem Armeemantel hervor und beginnt hastig, die Dollarbündel an sich zu raffen und sie im Sack zu verstauen.

Er ist so emsig in seine Arbeit vertieft, dass er das Knarren der Tür beim ersten Mal überhaupt nicht hört. Viel zu sehr faszinieren ihn die herrlichen Greenbacks. Doch plötzlich hört er das Poltern von Stiefeln und fährt hastig herum.

Kreidebleich ist sein Gesicht, als er sich Clyde Willis, dem Zahlmeister der Kompanie, gegenübersieht, der gerade eine Lampe anzünden will.

Erstaunt hält er inne, als er bemerkt, dass er nicht allein im dunklen Raum ist. Irgendwo dahinten beim Tresor kauert eine Gestalt, die irgendetwas dort macht.

»He, das ist doch ...«, entfährt es dem verdutzten Zahlmeister, als er den offenen Tresor sieht. »Verdammt noch mal, ein Dieb!«

Im gleichen Augenblick, als ihm bewusst wird, dass sich da jemand im dunklen Raum befindet, der in aller Seelenruhe den Tresor ausgeplündert hat, zuckt seine rechte Hand sofort hinunter zum verschlossenen Holster. Die Waffe herausreißen und den Unbekannten stellen – das ist es, was Clyde Willis vorhat!

»Du Schweinehund!«, keucht Willis aufgeregt. »Wolltest wohl die Armeekasse klauen, wie? Na, dir werde ich helfen!«

Doch er kommt nicht mehr dazu, seine Absicht in die Tat umzusetzen, denn Mike Tavers hat sofort gehandelt. Er weiß, dass er jetzt nicht mehr zurück kann, denn Willis ist ein genauer Mensch, der ihn sicherlich verpfeifen wird, deshalb gibt es nur noch eine einzige, Lösung. Blitzschnell greift Mike Travers nach seinem scharfen Messer, das er unter dem Mantel verborgen hält und für alle Fälle mit eingesteckt hat. Jetzt wird es ihm helfen, diesen lästigen Zahlmeister mundtot zu machen.

Aus der Hocke stürzt er sich auf den älteren Mann, der immer noch dabei ist, seine Waffe aus dem Holster zu reißen.

Aber Mike Travers ist schneller, und das ist Willis Untergang. Er reißt die scharfe Klinge hoch und stößt sie ohne zu zögern dem Mann in die Brust. Clyde Willis stöhnt tief auf, als sich der heiße Stahl in seinen Körper frisst, und eine ungeheure Schmerzwelle überkommt ihn.

»Travers«, ächzt er erstaunt, als er den unbekannten Gegner erkennt. »Wie können Sie ...?«

Dann bringt er keine Worte mehr hinaus. Sein Bewusstsein schwindet, als er zurücktaumelt, und er spürt nicht mehr, wie er mit einem dumpfen Laut auf dem Holzboden der Baracke aufschlägt. Clyde Willis spürt überhaupt nichts mehr, denn er ist schon tot, Von einem Augenblick zum anderen.

»Elender Mist!«, keucht Lieutenant Travers und wischt das blutige Messer an der Kleidung des Toten ab. Erst ging alles so gut, und nun ist dieser blöde Zahlmeister dazwischengekommen. Alles sollte gewaltlos ablaufen, aber nun gibt es schon den ersten Toten, obwohl sie noch nicht einmal Fort Benton verlassen haben!

Keine Panik, durchfährt es jetzt den großen Travers. Wenn du dich jetzt verrückt machst, dann kommst du nie mehr von hier weg! Ganz ruhig, Mann. Noch haben sie nichts bemerkt, und sie werden es auch gar nicht, wenn du alles richtig machst.

Er verschwendet an den toten Willis keinen einzigen Blick mehr, als er den Sack mit den Dollarbündeln an sich nimmt und dann zur Tür geht. Er öffnet sie einen Spalt weit und blickt vorsichtig ins Freie. Obwohl er weiß, dass ihn der Wachposten oben auf dem Turm jetzt nicht sehen kann, späht er doch unwillkürlich dorthin. Aber der Soldat beobachtet das Gelände außerhalb der Garnison, denn welche Gefahr sollte es auch schon im Fort geben, oder?

Mit zwei, drei Schritten hastet Travers über den Platz und hat schon Augenblicke später die Deckung der Vorratsbaracke erreicht, wo seine Gefährten auf ihn warten.

»Mensch, Lieutenant!«, keucht Sergeant Gilmore mit hochrotem Kopf, und das kommt ganz gewiss nicht von der Kälte. »Wir dachten schon, dass alles aus und vorbei ist und ...«

»Du redest zu viel, Gilmore«, unterbricht ihn Travers rau. »Ich hab’ schon alles gut gemacht. Willis wird uns nicht mehr stören. Er schläft den ewigen Schlaf.«

Seine Worte werden von einem trockenen Lachen untermalt, das den schwindsüchtigen Bowie blass werden lässt.

»Ist Willis tot?«, fragt der Soldat. »Um Himmels willen, Sie haben den Zahlmeister auf dem Gewissen, Lieutenant!«

»Willst du die Dollars oder nicht?«, zischt Travers und blickt den hageren Soldaten voller Verachtung an. »Dass nicht alles reibungslos verlaufen kann, das hast du doch gewusst, oder? Und jetzt will ich kein Wort mehr über die Sache hören, verstanden? Wir gehen jetzt rüber zum Stall und machen, dass wir davonkommen.«

Und dann marschiert er auch schon los, immer darauf bedacht, in der Deckung der Gebäude zu bleiben. Es dauert eine qualvolle Ewigkeit, bis die fünf Männer den Stall erreicht haben, wo Mulford und Gannon die Pferde schon gesattelt haben.

»Alles klar, Sergeant?«, fragt ihn der glatzköpfige Mulford, aber Gilmore schüttelt den Kopf,

»Der Zahlmeister hat den Lieutenant erwischt, Mann!«, sagt der bullige Sergeant mit knappen Worten. »Ging nicht anders. Und jetzt aufgesessen, Leute! Dass mir keiner die Nerven verliert, verstanden? Denkt alle daran, dass die zehntausend Bucks jetzt uns gehören und dass sie uns keiner mehr wegnehmen wird, okay?«

Gilmore ist ein befehlsgewohnter Bursche, der seine Männer gut im Griff hat. Hier stimmt der Spruch, dass die Soldaten immer so gut sind wie ihr Sergeant, und Gilmore ist ein guter Mann.

Die Deserteure sitzen auf und warten auf ein Zeichen von Travers, der noch ein letztes Mal hinaus ins Freie späht. Dann sitzt auch er auf.

»Reiten wir, Männer!«, sagt er kurz darauf.

Die Männer gehorchen. Sie verlassen mit ihren Pferden den Stall und reiten gemächlich in Richtung des Tores. In der Tat ist Mike Travers Plan tollkühn. Er muss praktisch mit dem Teufel pokern, aber die zehntausend Dollars sind es ihm wert.

Der Wachposten oben auf dem Turm hat die heran reitende Patrouille natürlich jetzt sofort bemerkt: Er schaut hinunter in den Hof des Forts und sieht Lieutenant Travers an der Spitze des kleinen Trupps. Bevor er dazu kommt, eine Frage zu stellen, hat ihm Travers schon vorgegriffen.

»Wieder mal einer von den nächtlichen Erkundungsritten, Reiter Boyle!«, ruft er zum Wachposten hinauf. »Befehl von Colonel Ranaham. Stehen Sie bequem, Mann!«

Es ist tollkühn, was er macht, aber er riskiert alles und kümmert sich überhaupt nicht mehr um den Soldaten auf dem Turm. Er nickt den Soldaten Bowie und Cannon kurz zu, die daraufhin absteigen und mit flinken Bewegungen das Tor öffnen. Augenblicke später sind sie wieder aufgesessen und reiten hinaus in die nächtliche Landschaft. Der Wachposten auf dem Turm salutiert sogar noch zackig, weiß er doch nicht, dass Lieutenant Travers ein Deserteur ist, der das Leben von Zahlmeister Clyde Willis auf dem Gewissen hat.

Aber all das wird man erst am nächsten Morgen entdecken, wenn der Adjutant des Colonels den toten Willis in der Baracke findet. Bis dahin sind Travers und seine Gefährten schon längst über alle Berge. Ihr Ziel ist der hohe Norden. Sie wollen nach Kanada.

Erste Schneeflocken fallen vom nächtlichen Himmel und verwehen die Spuren der Soldaten, die im Dunkel der Nacht verschwinden. Sie sind auf dem Trail, von dem es kein Zurück mehr gibt, und das wissen sie alle.

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2. Kapitel

Zuerst fallen nur vereinzelt Schneeflocken vom Himmel, aber allmählich wird der Schneefall immer dichter, und die Deserteure haben alle Mühe, den Weg zu erkennen, den sie eingeschlagen haben. Die ganze Nacht sind sie durchgeritten, immer weiter in Richtung Norden, wo irgendwo die Grenze nach Kanada verläuft.

Lieutenant Travers flucht leise und zieht den Kragen seines Armeemantels höher. Er friert genau wie die anderen, und auch der dicke Mantel kann die beißende Kälte nicht vollständig zurückhalten. Sein Atem gleicht einer weißen Dampfwolke, und er hat sich den Armeehut tief in die Stirn gezogen, damit ihm der peitschende Wind die Schneeflocken nicht ins Gesicht treibt

Plötzlich wird seine Aufmerksamkeit erregt. Er hebt den Kopf und schaut nach vorn. In der weißen Landschaft taucht Soldat Mulford auf, den Travers auf Erkundungsritt geschickt hat. Auch wenn die Männer sich jetzt nicht mehr zur US-Kavallerie zählen, so hat Travers dennoch das Kommando übernommen, denn die anderen wissen, dass er die besten Ideen hat.

Mulford zügelt sein Pferd so hart, dass unter den Hufen eine Schneewolke hoch stiebt. Er scheint aufgeregt zu sein.

»Eine Farm!«, ruft er mit lauter Stimme, sodass es alle hören können. »Vielleicht eine halbe Meile entfernt vor uns. Was sollen wir tun, Travers?«

Schon längst gibt es unter ihnen keine Offiziersränge mehr. Sie sind eine verschworene Gemeinschaft geworden, in der jeder gleichgestellt ist. Travers ist es, der den Haufen zusammenhält, aber auch er wird nur geduzt. Der ehemalige Lieutenant macht sich aber nichts daraus. Für ihn zählen nur die zehntausend Greenbacks!

»Wir brauchen Proviant!«, entscheidet der hagere Travers. »Holen wir ihn uns auf der Farm. Wie viele Leute hast du da unten gesehen, Mulford?«

Mulford scheint einen Augenblick zu überlegen.

»Ich habe zwei Pferde im Stall gesehen. Drei, vier Personen höchstens, denke ich. Frauen und Kinder mitgerechnet. Das werden wir ja wohl noch schaffen, oder?«

»Gilmore, wir werden jetzt da hinunterreiten!«, befiehlt der ehemalige Lieutenant. »Wir stürmen die Farm. Jeder der Männer hat eine Aufgabe zu übernehmen, du weißt ja, was das heißt.«

Der bullige Gilmore nickt nur stumm. Sie reiten weiter, durch eine Landschaft, in der der Winter über Nacht Einzug gehalten hat. Die Bäume ächzen unter der Last der weißen Pracht, Und die Hufe der Pferde graben sich tief in den Schnee.

Es dauert nicht lange, bis sie die Farm erblickt haben. Sie liegt tief unten in der Senke. Ein Farmhaus und ein kleiner Stall, daneben ein Corral, das ist alles. Wahrscheinlich irgendein Squatter, der hier draußen sich eine neue Zukunft aufbauen will, aber das interessiert Travers und seine Männer nicht. Für sie zählt nur die Tatsache, dass sie sich da unten mit frischem Proviant und vielleicht noch mehr eindecken können.

»Bowie, Cannon und Gilmore, ihr reitet um den Hügel herum und nähert euch der Farm von der anderen Seite!«, sagt Travers mit verhaltener Stimme. »Ich selbst reite mit Mulford, Hunter und Jones hinunter. Wir werden uns ganz harmlos geben. Im richtigen Moment seid ihr zur Stelle, verstanden?«

Der bullige Gilmore grinst bis über beide Ohren. Er weiß genau, was Travers im Schilde führt. In der Tat, der Plan ist gar nicht so schlecht. Und dazu noch ohne jegliches Risiko.

»Also dann los!«, sagt Travers und treibt sein Pferd an.

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3. Kapitel

»Vater, da kommen Reiter!«, ruft der junge Bob Darrel mit erschrockener Stimme, als er aus dem Fenster späht. »Es sind vier Mann, und sie halten genau auf unser Haus zu.«

Der grauhaarige Slim Darrel springt sofort vom Tisch auf. Vergessen ist die warme Mahlzeit, die noch dampfend vor ihm steht. Er sieht das aufgeregte Gesicht seines Sohnes und die ängstlichen Augen seiner Frau Sarah.

Er schiebt seinen zwanzigjährigen Sohn beiseite und schaut jetzt selbst durch die vereiste Scheibe. Tatsächlich sind es vier Männer, die sich der kleinen, abgelegenen Farm nähern. Als sie nahe genug heran sind, blickt Darrel in harte entschlossene Gesichter. Darrel bemerkt auch, dass die Männer lange Armeemäntel tragen, aber da ist irgendetwas, was ihn misstrauisch macht, er kann es sich nur nicht erklären.

»Gib mir meine Büchse, Frau!«, ruft er zu Sarah hinüber, und die Frau hastet zum Kaminsims, über dem die alte Sharps Big Fifty hängt. Schon lange hat er sie nicht mehr gebraucht, denn die Farm liegt so weit draußen, dass hier einfach keine Menschenseele vorbeikommt, um sie zu stören. Aber diese vier Reiter, die jetzt näherkommen, die haben ein bestimmtes Ziel vor Augen, und Slim Darrel spürt irgendwie, dass es mit seiner Farm zusammenhängen muss.

»Ich geh’ jetzt raus, Sarah«, sagt er dann und lädt die große Waffe. »Bob, du bleibst hier drin und passt auf deine Mutter auf, verstanden? Nimm dir die Schrotflinte, wenn’s brenzlig wird. Hast du das kapiert, Junge?«

Der blonde Bob kann nicht antworten. Ihm sitzt ein dicker Kloß im Hals. So hat er seinen Vater noch nie erlebt, und auch er spürt, dass von den Reitern da draußen eine unsichtbare Bedrohung ausgehen muss, sonst würde sich sein Vater nicht so verhalten. Hoffentlich passiert nichts Schlimmes, durchfährt es ihn plötzlich!

»Schließe die Tür hinter mir zu und mache sie nicht auf, egal was geschieht, klar?«

Der junge Bob verspricht es. Slim Darrel spürt mit großer Erleichterung, dass er sich in einer solchen Situation vollkommen auf seinen Sohn verlassen kann, und das macht es ihm leichter, jetzt da hinauszugehen und die Fremden zu fragen, was sie auf seiner Farm wollen.

Er hört, wie sich die Tür hinter ihm schließt und starrt dann mit der Waffe in der Hand den vier Reitern entgegen, die sich der Farm nähern. Es ist noch früh am Morgen, und der Nebel hängt noch zwischen den Bäumen. Leichter Schnee fällt.

Slim Darrel hebt jetzt die Sharps.

»Das ist weit genug!«, ruft er den fremden Reitern zu. »Wer seid ihr, und was wollt ihr hier?« Seine Hand zittert leicht, aber er verdrängt die Aufregung und starrt den Reitern entgegen.

Einer von den Fremden hebt jetzt die Rechte und lässt anhalten. Seine stechenden Augen richten sich auf den grauhaarigen Farmer und die Waffe, die auf ihn und seine Freunde gerichtet ist.

»Keine Sorge, Mister!«, sagt er dann mit einer Stimme, in der ein Tonfall ist, der Darrel überhaupt nicht gefällt. »Meine Freunde und ich sind auf dem Weg nach Norden und sind wegen diesem verdammten Schnee ein bisschen vom Weg abgekommen. Vielleicht können Sie uns sagen, wie wir am schnellsten zur Grenze kommen. Unter Umständen können Sie uns auch ein bisschen Proviant verkaufen, oder?«

»Reitet immer weiter über die Hügel nach Norden«, erwidert der Farmer knapp und lässt seine Waffe keinen Zoll weit sinken. »Proviant kann ich euch nicht geben. Ich bin selber knapp dran. Und jetzt verschwindet von hier, ist das klar?«

»Sie sind aber gar nicht freundlich, Mister!«, stößt jetzt der Vorderste der Reiter mit einer Stimme hervor, die den Zorn nur mühsam zurückhält. »Ich habe Sie nur was fragen wollen ...«

»Ihr Gesicht und die Ihrer Kumpane gefallen mir ganz und gar nicht, Mann«, antwortet Slim Darrell. »Verschwindet von hier, und zwar alle! Ist das jetzt klar, oder soll ich erst mal abdrücken? Die Kugeln aus meiner Sharps reißen faustgroße Löcher!«

Im gleichen Augenblick geschieht es dann. Slim Darrell hört hinter sich das Splittern einer Scheibe und den entsetzten Schrei seiner Frau. Noch in der gleichen Sekunde fällt ein Schuss, und er hört seinen Sohn nach ihm rufen.

Der grauhaarige Farmer will herumwirbeln und auf die Fremden schießen, aber die anderen sind schneller. Travers hat unterdessen seine Waffe aus dem Holster gezogen und ihm eine Kugel in die Brust gejagt. Slim Darrell taumelt zurück, schafft es aber noch, den Stecher seiner Sharps durchzuziehen. Der Schuss donnert laut, und die Kugel reißt den glatzköpfigen Mulford aus dem Sattel. Wie von einer unsichtbaren Faust wird er aus dem Sattel gerissen und in den Schnee geworfen, wo er stöhnend liegenbleibt.

Travers und die anderen sind unterdessen abgestiegen und stürmen die Farm. Der ehemalige Lieutenant tritt die Tür ein und dringt dann mit vorgehaltener Waffe in den großen Raum.

Aber er braucht nicht mehr zu schießen, denn der Widerstand ist erlahmt. Gilmore und seine Männer, die sich von hinten herangeschlichen haben, haben unterdessen ganze Arbeit geleistet. Sarah Darrell liegt leblos am Boden, aus ihren grauen Haaren sickert Blut. Bob, der Sohn des Farmers, kauert am Kamin und hält sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den rechten Oberarm, wo ihn die Kugel des bulligen Gilmore getroffen hat. Hasserfüllt starrt er den Männern entgegen, die innerhalb weniger Augenblicke seinen Vater und seine Mutter getötet haben.

»Mulford ist schwer verletzt, Travers!«, ruft jetzt der blonde Jones, der ins Haus gerannt kommt und heftig atmet. »Der verdammte Farmer hat ihn in den Bauch getroffen. Es sieht gar nicht gut aus, Mann!«

Travers nickt. Seine Augen huschen im Raum umher.

»Wir müssen so schnell wie möglich weiter«, sagt er dann. »Sucht an Proviant zusammen, was ihr finden könnt, und die Pferde dieser Squatter nehmen wir natürlich auch mit. Jemand soll Mulford verbinden, und dann ab!«

Seine Augen richten sich auf den jungen Bob, der ihn mit Tränen der ohnmächtigen Wut ansieht. Dann schaut er seinen Sergeant an, der ihm bis jetzt treu gedient hat. Und wieder richtet sich der Blick auf den verletzten Jungen.

»Dein Alter ist selbst schuld an dem ganzen Durcheinander hier!«, schimpft er den blonden Bob. »Jetzt hat er die Quittung dafür bekommen. Junge, ich kann dich nicht am Leben lassen, du hast alles gesehen. Du verstehst, was wir jetzt tun müssen.«

Und Bob Darrell versteht. Er begreift, dass sie auch ihn töten wollen, genauso wie seine Eltern, und der Zorn darüber, dass er an seinem Schicksal überhaupt nichts ändern kann, wird übermächtig.

»Ihr Hundesöhne«, keucht er. »Irgendwann krepiert ihr alle!«

»Ein frommer Wunsch, den du da hast«, erwidert Travers, ohne den Jungen anzusehen. »Gilmore, du erledigst das dann hier, okay?«

Dann geht er hinaus zu den anderen und sieht, wie Hunter und Bowie den verletzten Mulford auf ein Pferd heben. Der glatzköpfige Reiter ist kreidebleich, und sein Hemd ist dunkel vom Blut. Der Farmer hat gut gezielt.

Auch Jones und Cannon kommen jetzt aus dem Farmhaus gelaufen. In beiden Händen halten sie Säcke, in denen sie alles zusammengerafft haben, was sie in der kurzen Zëit auf treiben konnten.

Travers sitzt auf. In diesem Moment fällt im Haus ein Schuss. Gilmore steht wenige Augenblicke später in der Tür, den rauchenden Colt in der Hand.

»Es ist erledigt, Travers!«, sagt er, ohne ihn anzusehen. Dann marschiert auch er durch den Schnee zu seinem Pferd und steigt mit einer geschmeidigen Bewegung auf. Travers selbst gibt das Zeichen zum Weiterreiten.

Schnee wird hochgeschleudert, als die sieben Männer ihre Pferde wenden und den Ort verlassen, an dem sie ein Blutbad angerichtet haben. Vor dem Farmhaus liegt Slim Darrell leblos. Die Sharps ist seinen klammen Fingern entglitten. Leere Augen starren blicklos in den wolkenverhangenen Himmel, von dem immer noch Schneeflocken fallen.

Die Mörder verschwinden im Nebel ...

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4. Kapitel

»Einer von ihnen ist verwundet«, sagt Yumah mit knapper Stimme und erhebt sich vom Boden. »Der Farmer hat doch noch einen erwischt!«

»Ja«, erwidert Braddock, und seinem Gesicht ist nicht anzusehen, welche Gefühle in ihm toben, weil eine Bande von Halunken eiskalt eine ganze Familie ausgerottet hat. Braddock weiß nicht mehr, wie lange sie schon auf der Fährte der Deserteure sind, aber er spürt, dass Yumah die Fährte gewittert hat. Der Indianer mit den langen schwarzen Haaren ist einer der besten Spurenleser, die er kennt und er weiß, dass Yumah die Halunken früher oder später erwischen wird.

»Diese Schweinehunde!«, sagt Braddock, und er schaut hinüber zu dem kleinen Grabhügel, wo der Farmer und seine Familie zur letzten Ruhe gebettet sind. »Das sind doch Tiere, keine Menschen!«

Der Special Deputy mit dem braunen, welligen Haar und dem Schnauzbart hat in all den Jahren schon eine Menge schlimmer Dinge gesehen, aber doch trifft es ihn immer wieder, wenn er mitansehen muss, wie Unschuldige Opfer eines Verbrechens werden. Deshalb sind er und Yumah unter den Männern, die im Auftrag des Justizministeriums heikle Fälle lösen, die härtesten Trümpfe ...

»Was meinst du, wie alt sind die Spuren?«, fragt Braddock den Indianer, der seine Sprache akzentfrei spricht. »Können wir sie noch einholen vor der Grenze?«

Yumah zuckt mit den Achseln.

»Wenn du und ich jetzt normale Sheriffs wären, dann müssten wir reiten wie die Teufel, Amigo«, erwidert er. »Aber wir holen sie uns – wenn nicht hier, dann drüben in Kanada. Sie haben einen Schwerverletzten mit dabei, und mit dem kommen sie nicht so schnell voran.«

»Das ist unser Glück, Mann«, sagt Braddock und stapft durch den tiefen Schnee hinüber zu seinem Pferd. »Komm, machen wir uns weiter auf den Weg nach Norden. Unsere Pflicht haben wir hier getan.«

Auch Yumah blickt noch einmal hinüber zum schlichten Grabhügel, wo die Farmerfamilie begraben liegt. Braddock und Yumah wissen nicht, wer diese Menschen waren und was sie dazu brachte, hier draußen in der Wildnis zu siedeln – er weiß nur, dass sie Opfer eines schrecklichen Verbrechens geworden sind. An diesen verdammten zehntausend Armeedollars klebt bereits das erste Blut!

Braddock drückt seinem Mustang die Hacken in die Weichen, und Yumah schließt sich ihm an. Die beiden Männer verlassen den Ort des Todes und reiten weiter nach Norden. Der dichte Schneefall hat jetzt nachgelassen, aber noch hängen trübe Wolken am Himmel.

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5. Kapitel

Braddock grinst, als er hinunter in die Senke späht. Die Hütte, schießt es ihm durch den Kopf. Alle Spuren führen genau dorthin. Er kneift die Augen zusammen, als er durch das Armeefernglas blickt.

Im Windschatten unter einem Verschlag ist ein Pferd angebunden. Irgendjemand muss also in der Hütte sein. Aber wer? Alles weist darauf hin, dass es der verwundete Bandit sein muss, den seine Kumpane zurückgelassen haben.

»Wir holen ihn uns!«, sagt Yumah neben ihm, der jetzt das Fernglas aus Braddocks Händen entgegennimmt und ebenfalls die einsame Hütte beobachtet. »Ob der Bursche schwer verletzt ist?«

»Kein Risiko«, sagt Braddock und schüttelt den Kopf. »Wir brauchen den Kerl lebend. Vielleicht kann er uns sagen, welches Ziel die anderen haben. Aus der Hütte muss er aber rauskommen, das ist das einzig Wichtige ...«

Gespannt blickt er seinen Partner an, als erwarte er von ihm einen Vorschlag. Yumah spürt, dass Braddock eine Idee hat, und er wartet ab, bis er sie ausspuckt.

»Jetzt kannst du Indianer spielen, Yumah!«, sagt er. »Ich bin sicher, dass das unserem Freund in der Hütte sehr gefallen wird.«

Der Mann mit dem bronzefarbenen Gesicht grinst. Er weiß, was Braddock vorhat. Hastig erhebt er sich aus seiner Deckung und geht hinüber zu seinem Pferd. Für einen Augenblick lang schaut ihm Braddock zu, wie er sich an den Paketen an seinem Sattel zu schaffen macht. Yumah öffnet eines der Pakete und bringt einen prachtvollen Bogen aus Zedernholz ans Tageslicht.

Der Indianer prüft die Sehne, ob sie noch geschmeidig genug ist, und nickt dann zufriedenstellend. Wenig später nimmt er den Köcher mit den Pfeilen an sich und hängt ihn um. Mit der anderen Hand wühlt er in den Satteltaschen herum, bis er das gefunden hat, was er sucht Ein Bündel Dynamitpatronen!

»Ich glaube, du kannst fast meine Gedanken lesen«, sagt Braddock anerkennend, als Yumah sich wieder neben ihm niederlässt »An so was hatte ich auch gedacht.«

»Machen wir ihm mal die Hölle heiß, okay?«, fragt der Indianer, und Braddock nickt. Der Special Deputy hat die Marlin, die treffsichere Präzisionswaffe, griffbereit neben sich liegen, und das Spiel kann somit beginnen. Fehlt nur noch der erste Auftakt!

Yumah nimmt eine Dynamitpatrone und befestigt sie an einem der Pfeile. Diesen Vorgang wiederholt er mehrere Male, bis er seine gefiederten Boten vorbereitet hat. Dann langt er in die Tasche seiner Pelzjacke und holt zwei Zigaretten hervor. Eine davon bietet er Braddock an, der das dankbar entgegennimmt.

»Hast du mal Feuer, Amigo?«, fragt Yumah. »Ich hätte plötzlich solche Lust, eine zu qualmen ...«

Braddock reißt ein Streichholz an und gibt dem Freund Feuer. Tief saugt Yumah den würzigen Tabak in seine Lungen und genießt die ersten Augenblicke. Dann greift er nach dem ersten Dynamitpfeil. Die Lunte ist kurz, und er muss sich beeilen, sonst erwischt es ihn selbst Aber Yumah ist ein Mann, der im Augenblick des Kampfes die Ruhe selbst ist, und dementsprechend handelt er.

Ruhig hält er die Lunte an die glimmende Zigarette und wartet ab, bis die Zündschnur Feuer gefangen hat, Dann legt er den Pfeil mit dem Sprengkörper an und zielt. Spannen, zielen und schießen, das alles geschieht in Sekunden.

Der Pfeil zischt hinunter ins Tal, und Yumah blickt ihm gelassen nach. Gleich ist es so weit. Was wird dieser Hundesohn da unten für Augen machen ...

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6. Kapitel

Die Explosion kommt so plötzlich, dass Clay Mulford zu Tode erschrocken ist. Der Dynamitpfeil landet kurz vor dem Fenster der alten Blockhütte. Die Behausung wird total durchgeschüttelt, und Mulford fliegt fast von der schäbigen Pritsche, so heftig ist die Explosion.

»Verdammt!«, stöhnt er unter Schmerzen und rafft sich auf. »Was zum Teufel ist los? Wer ist ...?«

Weiter kommt er gar nicht, denn schon wieder erfüllt Donnern und Blitzen den Raum. Mulford wendet den Kopf. Diesmal kommt es von der anderen Seite der Hütte, und der Schlag ist heftiger.

Nur raus hier!, schießt es ihm durch den Kopf. Hier will jemand die Hütte in die Luft jagen! Und ihn gleich mit dazu. Panik erfasst den glatzköpfigen Deserteur, als er den Colt an sich reißen will und hinaus ins Freie stürmt. In diesen Sekunden überlegt er nicht. Von einem Augenblick zum anderen aus dem Schlaf gerissen, handelt er im Affekt, und das ist sein Fehler.

Mulford reißt die Tür der Hütte auf und taumelt ins Freie, gerade in dem Moment, wo eine weitere Dynamitladung explodiert und die hintere Seite des Blockhauses schwer in Mitleidenschaft zieht. Nur noch eine Frage von Sekunden, bis das Gebäude in sich zusammenstürzt.

Der Deserteur stolpert durch den Schnee, den Colt in der einen Hand, Und mit der anderen presst er gegen den Bauch. Durch die hastige Bewegung ist die Wunde wieder aufgebrochen, und Mulford spürt, wie sein Hemd feucht wird vom Blut.

Und dann sieht er die beiden Männer oben auf den Felsen. Sie haben Gewehre in den Händen, und sie zielen auf ihn. Mulford überlegt in diesem Augenblick nicht lange. Er weiß, dass sein Trail hier und an diesem Tag zu Ende ist. Aber bevor er zur Hölle fährt, wird er es diesen beiden Hundesöhnen noch einmal zeigen.

Mit diesen Gedanken fährt seine Rechte hinab zur Hüfte, um den Colt aus dem Halfter zu reißen. Die Bewegung ist langsam, denn seine Wunde macht ihm schwer zu schaffen. Aber Verzweiflung über seine Lage hat ihn ergriffen. Zuerst hat ihm der verdammte Farmer eins verpasst, und dann haben ihn seine Freunde auch noch hier zurückgelassen. Er hatte nichts dagegen gesagt, weil er weiß, dass er fertig ist. Wie hatte Mike Travers doch gleich gesagt? Wir heben deinen Anteil für dich auf, Buddy. Mach dir keine Sorgen, drüben in Kanada werden wir auf dich warten ...

Alles blanker Hohn, schießt es Mulford durch den Kopf. Er ist allein in der Schneewildnis, und schwer verwundet. Und jetzt haben die Verfolger seine Fährte gefunden. Nun gut, aber einen von ihnen wird er noch mit in die Hölle nehmen, das hat er sich geschworen!

Er reißt die Waffe heraus, zielt auf die Männer und drückt ab. Aber sein Schuss geht fehl. Mulford ist viel zu schwach, um überhaupt noch einen Treffer landen zu können. Seine Knie werden weich, denn er bemerkt, wie das Blut aus seinem Körper fließt. Er hätte nicht aufstehen dürfen, dann hätte er vielleicht noch ein paar Tage gelebt, aber jetzt wird alles rapide beschleunigt!

Plötzlich klappt er zusammen und fällt in den Schnee. Der Colt entgleitet seinen schwachen Fingern, als sein stoppelbärtiges Gesicht in den kalten Schnee taucht. Rote Wogen des Schmerzes tanzen vor seinen entzündeten Augen auf und ab. Sein Atem kommt stoßweise, und in seinem Bauch tobt die Hölle.

Schritte nähern sich langsam und vorsichtig. Da kommen sie nun, um ihm den Rest zu geben, und er kann sich noch nicht einmal dagegen wehren. Wie ungerecht die Welt doch ist, denkt Mulford mit einem Mal, und seine Linke ist ganz rot vom Blut auf seinem Hemd. Wie viel Liter von dieser kostbaren Flüssigkeit hat überhaupt ein Mensch nötig, um am Leben zu bleiben, schießt es ihm mit einem Mal durch den Kopf? Er jedenfalls hat schon viel zu viel davon verloren.

»Sei vorsichtig, vielleicht kann er noch schießen!«, ruft eine Stimme in seiner Nähe, als er das Knirschen von Stiefelsohlen im Schnee vernimmt. Mulford bemüht sich, die Augen aufzureißen, und sieht eine große Gestalt vor sich. Schwarze Haare und ein bronzenes Gesicht. Einer ist also ein Indianer.

»Er lebt noch, Braddock!«, sagt dieselbe Stimme wieder, und es ist Mulford, als würden die beiden über jemand ganz anderen sprechen, nur nicht über ihn. »Aber er hat eine große Wunde im Bauch.«

»Durst ...«, murmelt Mulford jetzt, denn er hat ein Gefühl in seinem Gaumen, als hätte er wochenlang nichts mehr zu trinken bekommen. Obwohl er weiß, dass dieser Schluck ihm den sofortigen Tod bringen kann, bittet er doch um Wasser.

»Gib ihm was zu trinken, Yumah«, meldet sich nun der andere der beiden Männer zu Wort. »Er soll noch was davon haben, und wir müssen ihn noch ausfragen.«

Ausfragen, wonach denn?, denkt Mulford, schiebt diesen Gedanken aber wieder beiseite, als er spürt, wie ihm jemand die schwere Canteenflasche an die Lippen setzt. Gierig trinkt er in tiefen Zügen, und die Flüssigkeit rinnt ihm die Kehle hinab. Wie lange hat er eigentlich nichts mehr zu trinken bekommen?

Als er jetzt die Augen auf reißt, ist sein Blick klarer. Es sind die Augen eines Mannes, der weiß, dass seine letzte Stunde geschlagen hat. Jetzt sieht er auch seine Gegner genauer. Dass der eine ein Indianer ist, hat er schon bemerkt. Der andere ist groß und hat einen braunen Schnurrbart. In seinen Augen ist etwas Unerbittliches, Gnadenloses, was Mulford sagt, dass er den beiden sowieso nicht hätte entkommen können, und das beruhigt ihn irgendwie, dass es jetzt zu Ende ist.

»Wo sind deine Kumpane?«, fragt ihn jetzt der Freund des Indianers, dessen Name Braddock ist. So hat er es jedenfalls verstanden. »Du bist doch Clay Mulford, oder?«

Woher weiß der das denn?, schießt es Mulford durch den Kopf? Gibt es denn schon Steckbriefe von uns allen? Aber dann nickt er nur kurz.

»Deine sauberen Freunde haben dich hier zurückgelassen, Mulford«, fährt Braddock jetzt fort. »Du solltest hier krepieren wie ein Tier, und was anderes hast du auch nicht verdient, nachdem ihr den Farmer und seine Familie umgebracht habt. Wer war’s? Hast du die Frau und den Jungen auf dem Gewissen?«

»Nicht ich!«, stößt Mulford heraus, bevor ihn ein Hustenanfall schüttelt »Travers hat den Farmer abgeknallt, und Gilmore den Jungen. Was mit der Frau ist, weiß ich nicht. Ich war nicht in der Hütte und ...« Wieder hustet er sich die Seele aus dem Leib.

»Wohin sind deine Kumpane geritten?«, fragt Braddock weiter. »Wenn du es uns sagst, stirbst du wenigstens als ein Mann, der einmal im Leben etwas Gutes getan hat!«

Der redet so, als wäre ich schon im Jenseits, denkt Mulford, und er hat plötzlich Angst vorm Sterben. Er ist doch erst Fünfunddreißig, da kann doch noch nicht alles vorbei sein!

»Beeil dich, Braddock, er macht’s nicht mehr lange!«, sagt jetzt der Indianer. »Wir müssen wissen, wo die anderen sind.«

»Battleford«, keucht Mulford, bevor Braddock die Frage an ihn gerichtet hat »Sie wollen nach Battleford in Kanada. Dort ... bleiben, bis Gras über die Sache gewachsen ist ...« Er hält inne und blickt Braddock in die grauen Augen. »Mister, du musst mir eins versprechen!« Seine Augen sind geradezu bittend.

»Was willst du?«, fragt Braddock knapp, denn für diesen Mörder hat er nichts übrig, aber einem Sterbenden soll man die letzte Bitte nicht abschlagen, und deshalb nickt er.

»Ihr müsst mich anständig begraben, versprecht es mir!«, stößt Mulford heftig atmend aus. »Die Wölfe ... ich will nicht ...« Wieder hustet er laut und bellend, »Tut ihr das?«

Braddock und Yumah sehen sich kurz an, dann nicken beide.

»Wenn deine Seele dadurch Frieden findet, Mulford!«, erwidert Braddock. »Yumah und ich werden dich anständig begraben, das ist schon okay!«

»Dann ... ist es ja gut«, erwidert Mulford mit zusehends schwächer werdender Stimme. Plötzlich bäumt sich sein Körper noch einmal auf und fällt dann zurück, Leere Augen starren blicklos in den verhangenen Himmel.

»Er ist tot«, sagt Yumah knapp. Braddock nickt.

»Wir bringen ihn unter die Erde«, entscheidet er dann. »Und dann reiten wir über die Grenze nach Battleford. Yumah, wenn die Burschen wirklich in dieser Stadt sind, dann kriegen wir sie auch. Und ich sag’ dir eins – für den Mord an der Farmerfamilie und den Zahlmeister in Fort Benton bekommen sie ihre Quittung!«

»Wir holen sie uns, wenn sie sich sicher fühlen«, fügt der Mann mit dem bronzefarbenen Gesicht hinzu. »Diese Deserteure werden nicht lange Spaß an ihrer Freiheit haben ...«

Und dann machen sie sich an die traurige Arbeit, den toten Mulford unter die Erde zu bringen. Es ist anstrengend, denn der Boden ist steinhart gefroren, aber sie wollen den Toten nicht für die Wölfe liegenlassen.

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7. Kapitel

Mike Travers atmet erleichtert auf, als sich der Wald lichtet und in der Ferne die ersten Häuser von Battleford auftauchen. Sofort zügelt er sein Pferd. Sein Gesicht drückt spürbare Erleichterung nach den Anstrengungen der letzten Tage aus.

»Wir sind am Ziel, Männer!«, sagt er kurz und bündig. »Battleford ist erreicht. Wir reiten jetzt langsam in die Stadt und quartieren uns erst einmal im Hotel ein. Alles Weitere entscheiden wir dann dort, okay?«

»Mensch, ich freue mich auf ein warmes Bett«, ächzt Gilmore, der ehemalige Sergeant. »Ich bin durchgefroren bis auf die Knochen. Jetzt kann ich einen warmen Ofen gut gebrauchen.«

»Und ich was ganz anderes, was aber auch ganz schön heiß sein kann, Sarge!«, lacht der blonde Jones. »Die nächsten beiden Tage nehme ich mir ein Mädchen und steig aus dem Bett nicht mehr heraus!« Sein grinsender Blick zu den Gefährten zeigt ihm, dass die anderen ähnlich denken.

»Du wirst gar nichts tun, Jones!«, unterbricht Travers seinen Höhenflug jäh. »Wir werden uns in Battleford ganz unauffällig benehmen, damit das klar ist. Schließlich wollen wir in Kanada eine Zeitlang bleiben, und da müssen wir uns benehmen. Du hast wohl vergessen, dass es hier eine Garnison der Mounties gibt?«

»Was, keine Frauen?«, ächzt Jones. »Sollen wir etwa wie die Einsiedler leben?«

»Das habe ich nicht behauptet, Mann!«, fährt ihn Travers zornig an. »Auf jeden Fall wird kein Geld für Nutten verpulvert. Wir werden für ein Jahr gesetzestreue Bürger bleiben. Wenn wir hinterher in die Staaten zurückkehren, dann kannst du von mir aus tun und lassen, was du willst, Jones, aber jetzt hast du zu tun, was wir alle beschlossen hatten, klar?«

Jones schimpft vor sich hin. Ihm passt das Ganze nicht, aber schließlich fügt er sich dann doch. Er weiß wie alle anderen, was auf dem Spiel steht, und mal sehen, vielleicht gibt es ja doch noch eine Möglichkeit, ein Mädchen in der Stadt kennenzulernen.

»Reiten wir!«, sagt Travers und treibt sein Pferd an. Die ersten Häuser von Battleford kommen in Sicht. Weit drüben, am anderen Ende der Stadt, erhebt sich auf einem Berg die Festung der berittenen kanadischen Polizei. Das ist ein Ort, den sie meiden müssen, aber gerade hier wird niemand mit ihnen rechnen. Sie sind gewissermaßen in der Höhle des Löwen am sichersten, wie ein altes Sprichwort besagt.

Battleford besteht aus Häusern, die zum größten Teil aus Holz gebaut worden sind. Es gibt auch einige Gebäude aus Stein, aber die sind in der Minderzahl. Als sie die Mainstreet entlang reiten, befinden sich zu dieser Stunde nur wenige Menschen auf der Straße. Es ist noch früh am Morgen.

Travers beobachtet die Stadt und ihre Gebäude. Er sieht den General Store und die kleine Baptistenkirche auf dem großen Platz. Weiter drüben schließt sich eine Eisenwarenhandlung und das »Drovers Hotel« an. Das ist ihr Ziel. Dort wollen sie vorläufig bleiben, bis sie sich in der Stadt besser auskennen. Dann wird man weitersehen.

Während die Männer ihre Pferde vor dem Hotel zügeln, entdeckt Mike Travers einige hundert Yards weiter auf der anderen Straßenseite ein Gebäude, das ihm sofort in die Augen sticht. Er liest die Buchstaben »Golden Nuggett«, und er beschließt, sich diesen Saloon irgendwann einmal anzusehen. In dieser Kneipe erfährt man bestimmt am besten, welche Möglichkeiten diese Stadt bietet, und das müssen Travers und seine Leute wissen, denn schließlich wollen sie ja hier eine Zeitlang untertauchen.

Travers steigt ab, und die anderen tun es ihm gleich. Er schnallt die Satteltaschen ab, in denen die zehntausend Dollars versteckt sind, und marschiert dann zum Eingang des Hotels.

Ein weißhaariger Mann mit Brille steht hinter dem Empfangspult und blickt den ankommenden Gästen gespannt entgegen. Sofort bemerkt er, dass diese Männer von weither kommen, womöglich noch aus den Staaten.

»Guten Tag, Gentlemen!«, begrüßt er die fremden Reiter. »Wollen Sie Zimmer haben? Für ein oder zwei Nächte?«

»Erst mal für eine Woche«, erwidert, Travers knapp und trägt sich dann unter falschem Namen in das Gästebuch ein. Dann fragt er den Hotelangestellten unauffällig nach der Stadt aus, und der Mann gibt ihm bereitwillig Auskunft, denn er weiß ja nicht, was der Anführer der Deserteure im Schilde führt.

»Okay, Jungs«, sagt er dann zu seinen Leuten. »Schlafen wir uns erst einmal aus!« Und den Mann mit den weißen Haaren bittet er dann, heiße Bäder anzurichten. Das brauchen sie nach dem langen Ritt.

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8. Kapitel

Das Spiel dauert schon über zwei Stunden an. Der »Golden Nugget« quillt fast über vor Gästen, und die meisten stehen um die Pokertische herum, an denen gerade ein großes Spiel ausgetragen wird. Auch Mike Travers und Gilmore sind unter den Zuschauern, während der Rest seiner Leute sich irgendwo im Saloon verteilt hat und einen zur Brust nimmt.

Das Spiel ist ein Duell zwischen Molly Flanders, der Besitzerin dieses prächtigen Amüsierpalastes, und einem Burschen namens Daniel Shane, der vor zwei Tagen in die Stadt gekommen ist. Travers schaut dem Spiel gespannt zu. Shane, dieser aalglatte Bursche, hat ein verteufelt gutes Blatt, gegen das die rassige Molly Flanders nicht ankommt Überhaupt hat sich Travers darüber gewundert, dass dieses Girl pokert. Frauen gehören nicht hinter den Spieltisch, das ist jedenfalls seine Meinung, aber wer Molly sieht, der bemerkt gleich, dass dies eine außergewöhnliche Frau ist. Groß, schwarzhaarig, und verteufelt lange Beine hat sie. Eine Frau, die mit ihren großen blauen Augen jeden in den Bann schlagen kann.

Aber hier am Spieltisch trifft sie auf einen Gegner, der anscheinend die besseren Karten hat. Nach zwei Stunden hat sie schon etwas mehr als sechstausend Dollar verloren, und man sieht, dass ihr das Wasser bis zum Hals steht. Aber sie gibt nicht auf. Sie will wissen, wer der Bessere von beiden ist, und deshalb spielt sie weiter.

Auf dem Tisch liegen jetzt noch mal zweitausend Dollar, insgesamt achttausend. Travers Hals wird eng, als er die grünen Scheine sieht, und Gier steigt in ihm hoch.

Jetzt deckt Molly die Karten auf. Drei Asse, gar nicht so schlecht, aber Daniel Shane lächelt nur kurz und breitet seine Karten langsam aus. Ein Stöhnen geht durch die Menge, als sich herausstellt, dass Shane einen Royal Flush hat – ein Blatt, das beim besten Willen nicht zu schlagen ist.