Herstellung und Verlag:

BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN 978-3-7431-6093-4

Inhalt

Vorwort

In den Essays zum Budo geht es um Erkenntnisse über das besondere und verschiedene Wesen und Wirken von Kampfsport und Kampfkunst auf die Ausübenden.

Die rechte Theorie und Praxis des Weges (Do) vom „Beenden des Kampfes“ (Bu) wird in das Licht von Wissenschaft und Tradition gerückt.

Vertiefende Einsichten ins Budo sollen dem Interessierten ein „Weg-Weiser“ sein, und den Übenden der reflektierten eigenen Weiterentwicklung dienen.

40 Jahre aktive Lern- und Lehr-Erfahrung und intensive wissenschaftliche Forschungen des Autors bilden die Grundlage für seine Sicht auf die Dinge der erforderlichen äußeren und inneren Haltung im Budo…

Budo – Das Wesen der Kampfkunst und das geheime Wissen der Meister

Fast alle Fachbüchern über asiatischen Kampfsport befassen sich vorwiegend mit den Techniken und bloßen Formen der jeweiligen Systeme (vielleicht mit einem kleinen Exkurs in ihre Geschichte), und allenfalls 1 vom 100 mit dem geistigen Wesen des Weges der Kampf-“Kunst“, Budo.

Ähnlich ist es mit der Praxis: 9 von 10 Aktiven betreiben modernen Kampfsport, vor allem Judo oder Karate, dann Taekwondo, Jujutsu, Kung-Fu, die meisten nur für ein paar Monate oder vielleicht maximal ein paar wenige Jahre. Nur 1 von 100 ist Schüler (man müsste sagen: „Student“) bzw. Ausübender einer traditionellen Kampf-“Kunst“, 1 von 1000 wird Meister darin, 1 von 10.000 ein authentischer Lehrmeister.

So verhält es sich in unserer Zeit, in der Moden Konjunktur, Kurzlebigkeit und Oberflächlichkeit Bestand haben, alles schnell gehen muss und möglichst einfach sein.

Den „Schwarzen Gürtel“ schon in 5 Jahren und sportlichen Erfolg noch viel eher im Verein um die Ecke, der zudem viel billiger ist und mehr Mitglieder hat, als das kleine Dojo in dreiviertelstündiger Autofahrt Entfernung, und wo es heißt, man bekomme den Meistergrad frühestens nach 10 Jahren, regelmäßiges Üben 2 bis 3 Mal in der Woche vorausgesetzt, erscheint Vielen „wirtschaftlicher“.

Der Verein ist Mitglied im Dachverband, und der im Deutschen Olympischen Sport-Bund mit erstklassigen, berühmten Deutschen-, Europa- oder sogar Weltmeistern, mit Bundes- und Landestrainern oder Großmeistern, die Lehrgänge mit jeweils mehreren hundert Teilnehmern in riesigen Hallen gleichzeitig abhalten, der Lokalsender, wenigstens die Zeitung vor Ort ist, und man am Ende eine schmucke Urkunde für's Mitmachen bekommt.

Das traditionelle Dojo hingegen, das von einem Meister einer kleinen, eher unbekannten Stilrichtung geleitet wird und nur einer Schar offensichtlich zusammengeschweißter Schüler besteht, die zudem selber nach Japan reisen müssten, um beim Lehrer ihres Lehrers mitüben zu dürfen, agiert mehr im Hintergrund, macht keine oder wenig Werbung für Anfängerkurse und es gibt dort keine „Beitrittserklärung“, sondern nach einer unbestimmten, sicher aber längeren „Probezeit“ - vielleicht - einen Aufnahme-“Antrag“.

Statt Urkunden für's Mitmachen gibt’s, wenn man gut ist und „dazu gehört“, Arbeitsaufträge, mitzuhelfen, das Dojo zu putzen. Wenig also für's Ego und Image.

Die, die sich für die unkomplizierte, einfache und schnelle Lösung entscheiden, verkennen dabei, dass das Training einer Kampf-“Sport“-Art gar nicht Dasselbe ist, wie die Ausbildung in einer ursprünglichen Budo-Kampfkunst, ja, das beides rein gar nichts mehr miteinander zu tun hat, selbst dann, wenn beides, z.B., sich „Karate-Do“ nennt. Wie soll man da als Laie durchblicken? Oder als jemand, der bereits aktiv trainiert, aber immer mal wieder hört von Budo als die eigentliche Kunst des Kampfes?

Genau für diese Laien, für Interessierte, aber auch für Anfänger und Fortgeschrittene Praktiker, die sich über ihren jeweiligen Sport hinaus offen sind und sich gar als „Suchende“ begreifen, ist dieses Buch gedacht. Es soll ihnen erschließen, was das Wesen des Budo ausmacht, die „Geheimnisse“ der Meister sind, um für sich herausfinden, ob sie diesem Pfad, vom äußeren und inneren Kampf etwas für's eigen Leben zu lernen, den Weg des Budo, „der Kunst des rechten Kampfes und Lebens“ gehen wollen. So öffnet sich ihnen eine Schatzkiste überlieferter Erfahrungen, die bedeutsam sind für das eigene Verständnis des Budo als Weg zur Persönlichkeit und ihrer Weiterentwicklung, einen zutiefst (selbst-)erzieherischen Prozess. Budo erzieht…

Eine Hand voll deutschsprachiger Bücher, die über Budo, den geistigen Weg der Kampfkünste berichten, jedenfalls mehr oder weniger, sind schon geschrieben worden, jedoch keine Systematik, was das Wesen des Budo genau ist, welche Inhalte, Kriterien und Aspekte es konkret ausmachen, erst definieren und warum und wie sie Kampf-“Kunst“ über den Kampf-“Sport“ erheben, über ihn hinaus weisen.

Dieser Versuch wird hier nun unternommen. Das Wesen des Budo wird anhand seiner essentiellen 6 Fundamente: Bu – das Kämpfen, Do – der Weg, Dojo – der Ort, an dem der Weg geübt wird, Reigi – die Etikette, Shitei – die Lehrer-Schüler-Beziehung und Zen – die Spiritualität, erläutert. „Geheimnisse aber, das sei hier vorab schon Mal verraten, werden nicht gelüftet (sonst wären und blieben es ja keine).

Es gibt sie nämlich auch gar nicht – die Geheimnisse sind vielmehr die esoterischen, d.h. hinter der Oberfläche verborgenen und erst auf dem 2. Blick, nein, erst dem intensiven Bemühen, sich ins Budo zu vertiefen und dann der hilfreichen Einweihung durch (s)einen „Meister“ (Sensei) erkennbar.

Aber sie sind in der Lehre als die „inneren“ Aspekte des Weges (Okuden) vorhanden, die, die jenseits der Befassung mit der bloßen äußeren Form (Omote) liegen und sich dem ernsthaften, „inneren“ Schüler (Uchi-Deshi), nicht aber dem äußeren Form-Schüler (Soto-Deshi) erschließen. Insofern mag das Wissen darüber nicht sehr groß und nicht sehr verbreitet sein – im Unterschied zu den Vorurteilen darüber – aber geheim im Sinne des Verbotes der Offenbarung und Weitergabe sind sie nicht.

Zwar gibt es in den Kampfkünsten die Tradition, stil- und schulinternes Wissen um die wahre Bedeutung und auch konkrete Ausführung bestimmter Anwendungen nur wenigen „echten“ Schülern (also Uchi-Deshi) weiterzugeben, es symbolisch in ihre ganz eigenen „Bewegungs“-Sprachen und -Formen, den Kata, extrem verschlüsselt zu integrieren, zu deren Übersetzung nur Eingeweihte in der Lage waren (oder heute noch sind), damit „die Perlen nicht vor die Säue geschmissen“ und Fremde nicht etwa Missbrauch damit treiben könnten, jedoch sind dies nicht die Geheimnisse, von denen hier die Rede sein wird.

Derartiges „Sekten“-Wissen, das befähigt, die Techniken und Bewegungen jenseits des äußeren Anscheins (beispielsweise eines vermeintlichen Blocks oder eines Schlages) in Wahrheit als eine tiefenwirksame Meridian-Stimulation oder Kyusho- oder Atemi-Technik auf zentrale Nervendruckpunkte (Tsubo, jene wichtigen Punkte innerhalb des menschlichen Körpers, die auch in der Traditionellen Chinesischen Medizin, der energetischen Heilgymnastik Qi-Gong und Tai-Chi oder der manuellen Heilkunst wie Akupunktur oder Shiatsu behandelt werden) zu sehen, ist wirklich Eingeweihten und Experten vorbehalten, die auch den historischen wie funktionalen Zusammenhang von Heilkunst und Kampfkunst kennen.

BUDO – Kampf- und Lebenskunst

Der Begriff „Budo“ wird heute häufig im Kontext der fernöstlichen Kampfsportarten, wie Judo, Karate, Kung-Fu, Taekwondo Thaiboxen oder gar den modernen Mixed-Martial-Arts verwendet, allerdings unreflektiert und oft auch leider falsch. Budo hat mit irgendwelchen asiatischen Sport- oder Selbstverteidigungs-Arten gar nichts zu tun, sondern bezeichnet originär nur jene japanischen Systeme, deren inneres Wesen und „geistiges“ Prinzip auf einen „inneren“ Schulungs-Weg (Do) der Selbstentwicklung ausgelegt ist.

Primäres Ziel ist im Budo ist seit jeher die Erlangung von Erleuchtung (Satori), zumindest spiritueller Einsicht und Weisheit und von menschlicher Reife, also die „innere“ Meisterschaft einer durch systematische Übung entwickelten Persönlichkeit – nicht nur die Erlangung von technischer Perfektion als messbaren Erfolg rein äußerer Meisterschaft.

Die traditionelle Unterweisung im rechten Gebrauch der Techniken (Waza), der Energie (Ki) und des Geistes/ Herzens (Shin) durch individuelle Anleitung und unter der Führung seines persönlichen „Weg“-Lehrmeisters (Sensei) hat mit dem modernen Wettkampfsport und seinem Trainingskonzept zur reinen Leistungssteigerung der Athleten nichts mehr gemein; auch nichts mit dem Breitensportgedanken von Freizeitaktiven, die nur einem (ja durchaus attraktiven) Hobby nachgehen, sich mit 2 Mal in der Woche Techniktraining im Sportverein zufrieden geben, oder gar jene, die ihre Einheiten bloß als Fitnessprogramm mit exotischem Asien-Flair für „Bauch, Beine und Po“ absolvieren.

Die olympische Sport-Ideologie des objektiven Leistungsvergleichs nach dem Motto „Höher! Schneller! Weiter!“ hat ebenso wenig was mit der umfassenden, den ganzen Menschen (Körper, Seele und Geist) aus-bildenden Kunst des Budo zu tun, wie die oberflächliche Orientierung auf Sieg und Niederlage, die heute nur noch maßgeblich zu sein scheint.

Weder geht’s um „gewonnene“ Meisterschaften und -Titel – die im Budo nicht gewonnen, sondern nur über intensives Studium zur Erlangung von höchstmöglichem Können, Wissen und tiefem Verständnis vom Wesen des Budo und seiner selbst, durch anhaltende, jahrelange Bewährung und kontinuierlichen Fortschritt in der ganzheitlichen Ausbildung auf dem dreigliedrigen Pfad (Waza, Ki, Shin) entwickelt werden – noch überhaupt um einen kurzfristigen, vorübergehenden Erfolg, der zudem auch noch im Wettbewerb, also in Konkurrenz mit anderen oder gar deren Bezwingung (Niederlage) erzielt wurde.

Umso mehr ist auch der reine Kampf- und Sieg-Aspekt, wie er in ausschließlichen Selbstverteidigungssystemen, etwa Vollkontakt- und K.O.-Stilen, praktiziert wird, nicht Budo. Schon gar nicht ein brutales „Alles-ist-erlaubt“ -Kämpfen, wo ursprüngliche Kampfstile gemixt und einzelne Techniken daraus lediglich für die realistische Anwendung zum effektiven Niederschlagen oder -ringen des Gegners in Käfigen missbraucht werden. Hier mag es äußerst erfolgreiche, exzellente, kaum besiegbare Fighter und Helden geben, aber keine Meister im Sinne der Budo-Kunst.

Denn: Budo lehrt die Kunst, nicht zu kämpfen! Das mag zunächst ein irritierendes Paradoxon sein, denn immerhin befasst sich die ganze Theorie und Praxis dieser Kunst als „Kampf“-Kunst ja gerade explizit mit diesem Thema.

Und doch: Ziel im Budo ist es, Kämpfen zu lernen, um den Kampf zu transzendieren, ihn als geeignetes Mittel der Auseinandersetzung abzulehnen, ihn allenfalls in höchster Not für Leib und Leben, und dann rein defensiv anzuwenden – im Grunde aber, wo es geht, den Nicht-Kampf zu verwirklichen. Man lernt zu kämpfen, um nicht mehr kämpfen zu müssen. (Doch davon später mehr.)

Schon die beiden japanischen Schriftzeichen (wie chinesischen, die die nämlich gleichen sind) für „Bu“-“Do“ (chin.: Wu-Dao) sprechen für sich, weil das Zeichen für „Bu“ aus dem Ideogramm „Schwert“ oder „Hellebarde“ als auch aus „Stopp“ oder „Anhalten“ besteht. Sinngemäß bedeutet das dann etwa „Das Schwert stoppen“ bzw. „Die Hellebarde anhalten“.

Da „Bu“ aber auch im übertragenen Sinne für Militär oder Krieg stehen kann (siehe Bu-Gei als Bezeichnung der alten Kriegskünste (Koryu-Bujutsu), Bu-Shi für Krieger/Samurai und Bu-Shi-Do für deren „Ritterkult“) ist die Interpretation auch für „Den Kampf beenden“ zulässig, wie in der Verwendung des Begriffs Bu-Jutsu für das reine Kampf-Handwerk deutlich wird und ganz anwendungsbezogen meint, den Kampf „erfolgreich“ zu beenden, also durch Sieg – auch Sieg im Kampf.

Während aber diese Lesart ja erst durch den erklärenden Begriff „Jutsu“ für das rein handwerkliche, technische Können, zum Erfolg zu gelangen (das Schwert zu stoppen, den Kampf zu beenden) zum Synonym für siegreiches Kämpfen wird (und folgerichtig für Kampf-Sport-Arten richtig ist), gewinnt nun aber das „Bu“ durch das Suffix „Do“ im vom Buddhismus und Zen geprägten Begriff Bu-Do natürlich eine eigene, ganz andere Bedeutung.

Da „Do“ (wie wir noch genauer sehen werden) für den „Weg“ und damit für eine Lehre, taoistischzenbuddhistische Bewusst-Seins-Schulung und (Lebens-)Ideologie, also für eine philosophische, spirituelle Geisteshaltung steht, muss Bu-Do (Schwert-Anhalten-Weg) sinngemäß definiert werden als der „Weg, den Kampf zu vermeiden“:

Nicht durch Kampf und Sieg (Jutsu) wird der Krieg bzw. die Gewalt (Bu) beendet, sondern durch die rechte innere Haltung und Einstellung (des Friedens) grundsätzlich vermieden, bewusst verhindert, gar nicht erst zugelassen.

Das Motto des Budo ist: “Halte das Schwert kraft Deiner auf der Wegschulung erworbenen geistigen (psycho-emotionalen, intellektuellen) Fähigkeiten an“ – „Kämpfe nicht!“. Oder: “Bekämpfe Deine Wut, Deine Kampfeslust“, (Deine Unbeherrschtheit, Deine Eitelkeit) und “Besiege Dich selbst!“.

Diese Geisteshaltung ist, wie oben erwähnt, im engen Zusammenhang mit dem Zen-Buddhismus in Japan im Kontext arbeitslos gewordener Samura entstanden, die aus den alten Kriegskünsten der Handhabung des Schwertes zum Töten von Feinden (Bu-Gei, Bu-Jutsu) nun jene Höheren Künste des Weges (Do) der Handhabung des Schwertes zum „Töten des Feindes in einem selbst“, des eigenen kleingeistigen „Ich“ (eben Bu-Do) schufen, zu sehen. Aus den Künsten des perfekten Tötens wurden Schulungswege der Perfektionierung des eigenen Geistes, der Disziplinierung und Erziehung des Selbst.

Selbst-Beherrschung, Kontrolle des Körpers und der eigenen Gefühle stand auf dem nunmehr friedlichen Übungsprogramm.

Budo also als, recht verstanden, Weg des Nicht-Kampfes kann, um auf die ursprünglichen Begrifflichkeiten zurückzukommen, schlechterdings also schon sprachlich nicht herhalten zur falschen Etikettierung von Kampf-Sport-Arten und bloßen Selbstverteidigungssystemen, in