„Ein jeglicher will fliegen, ehe dann die Flügel gewachsen sind“

-Paracelsus-

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

© 2016 Maximilian Beck

3. Auflage (Version 2016)

Illustrationen: Maximilian Beck

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 978-3-7412-7853-2

INHALTSVERZEICHNIS

Abkürzungsverzeichnis

AGL above ground limit
de: über Grund
ARF almost ready to fly
de: fast flugfertig(es System)
BMVI Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur
BOS Behörden und Organisationen mit Sicherungsaufgaben
bspw. Beispielsweise
DFS Deutsche Flugsicherung
DMFV Deutscher Modellflugverband
DMO Deutsche Modellflugorganisation
FPV first person view
de: Egoperspektive
ft feet
de: Fuß (Maßeinheit)
GPS Global Position System
de: globales Positionssystem (via Satellit)
gr Gramm
i.d.R. in der Regel
kg Kilogramm
km Kilometer
LuftVO Luftverkehrsordnung
LuftVG Luftverkehrsgesetz
LuftVZO Luftverkehrszulassungsordnung
m Meter
MTOW maximum take-off weight
de: maximales Abfluggewicht
Mhz Megahertz
NFL Nachrichten für Luftfahrer (Verwaltungsvorschrift)
RPV remotely piloted vehicle
de: ferngesteuertes Gerät
RPAS remotely piloted aerial system
de: ferngesteuertes Luftfahrtsystem
UAV unmanned aerial vehicle
de: unbemanntes Luftfahrtgerät
UAS unmanned aerial system
de: unbemanntes Luftfahrtsystem
usw und so weiter
uvm und vieles mehr
VR virtual reality
de: virtuelle Realität
z. B. zum Beispiel

Vorwort

Seitdem es flugfertige Multicopter gibt, ist der Modellflugsport nicht mehr derselbe. Die Hersteller von almost-ready-to-fly-Systemen, bei denen lediglich die Propeller auf die Motoren montiert werden müssen, stecken eine Menge technisches Knowhow in die Geräte. Dies bewirkt, dass die Steuerung von unbemannten Flugsystemen -auch durch Unterstützung via GPS und Höhenmesser und dem Einsatz von Stabilisatorenkinderleicht ist. Kein Wunder also, dass die Umsätze in diesem Bereich steigen und unter dem Weihnachtsbaum oder beim Geburtstag Multicopter angesagt sind.

Was viele Eltern oder Käufer der Multicopter nicht wissen: Es handelt sich um Luftfahrzeuge und bei jedem Aufstieg, der nicht indoor stattfindet, gilt das Luftrecht. Hierbei ist bspw. die Höhe nicht entscheidend; auch 1 Meter ist ein Aufstieg. Während aktuell die Politiker sowohl in Deutschland als auch auf EU-Ebene nach schnellen Lösungen suchen und weitere Gesetze entwerfen, gibt es bereits jetzt viele Regelungen, die auf die Multicopter Anwendung finden.

Mit diesem Buch haben Sie das richtige Handwerkszeug, um im Paragraphendschungel nicht den Überblick zu verlieren und jederzeit zu wissen, was derzeit erlaubt ist und was nicht.

Hierzu werden die betreffenden Regelungen der Luftverkehrsordnung, des Luftverkehrsgesetzes und anderen relevanten Normen genau erklärt und mit Grundsätzen der Aufstiegserlaubnisse so aufgearbeitet, dass Sie das nötige Fachwissen erwerben.

Technische Details werden nur am Rand erwähnt, da es hierzu hinreichend andere Literatur gibt.

Da der Vormarsch der Multicopter erst seit einigen Jahren rechtlich begleitet wird, gilt der erste Rat:

Haben Sie immer ein offenes Auge und schauen auf den einschlägigen Seiten (Voris, Gesetze im Internet) nach Gesetzesänderungen. Auch wenn die Legislative langsam erscheint, sie ist in diesem Bereich sehr aktiv. Meiden Sie das teilweise völlig falsche Halbwissen der Internetforen. Hier haben viele Menschen „die Weisheit mit großen Löffeln gefressen“. Einiges stimmt, aber das Meiste ist leider falsch.

Auch dieses Buch ist keine öffentliche Publikation des BMVI oder einer Luftfahrtbehörde, wodurch es speziell bei den föderalen Unterschieden keine 100%ige Garantie geben kann, aber wir sind nah dran. Fragen Sie im Zweifel immer Ihre örtlich zuständige Luftfahrtbehörde.

Doch bevor wir uns mit den Aufstiegserlaubnissen und den dafür erforderlichen Dokumenten am Beispiel des Bundeslandes Niedersachsen befassen, müssen wir einen Blick auf die Begrifflichkeiten werfen.

Zur Verbesserung des Leseflusses werden Endnoten statt Fußnoten verwendet. Sollten Sie eine Quelle nachschlagen wollen, finden Sie den Verweis am Ende des Buches.

Es werden teilweise Texte dargestellt, wie man sie in einem Forum finden könnte und im Anschluss relativiert bzw. richtiggestellt. So soll aufgezeigt werden, wie weit die rechtliche Realität von der „Internetwahrheit“ entfernt ist.

Abb. 1: Viele Köpfe, noch mehr Meinungen1

Auch werden Fragen gestellt, wie sie wohl täglich in den Behörden gefragt werden. Diese „Zitate“ sind grau hinterlegt und Fett-Kursiv.

In den Kapiteln werden Symbole zur leichteren Orientierung verwendet. Anhand folgender Legende finden Sie sich leicht zurecht:

Hier handelt es sich um einen Tipp oder eine wichtige Information.
An dieser Stelle ist Vorsicht geboten. Lesen Sie diese Stellen sehr genau, damit Sie keine Ordnungswidrigkeit begehen!
Hier erhalten Sie besondere Informationen, die Sie in keinem Internet-Forum finden werden.
Dieses Zeichen macht Sie auf eine Neuregelung in 2016 aufmerksam.

Kapitel 1 – Viele Namen, eine Gemeinsamkeit

Kapitel 1 – Viele Namen, eine Gemeinsamkeit

Multicopter, unbemanntes Luftfahrtsystem, UAS, UAV, RPAS, RPV, Quadro-, Hexa- und Octocopter oder auch Drohne: Die Vielfalt der Begriffe könnte kaum umfangreicher sein- und doch meinen alle im Prinzip das Gleiche. Um mitsprechen zu können, bekommen Sie hier einen kurzen Überblick der Bedeutungen.

Abb. 2 – DJI Phantom im Einsatz2

Im Volksmund werden unbemannte Flugsysteme der Hersteller wie DJI, Yuneec oder Parrot als Drohnen bezeichnet. Dieser Begriff ist nicht unbedingt falsch, aber durch die unbemannten, militärischen Flugsysteme der Vereinigten Staaten von Amerika negativ behaftet3.

Mit Hilfe von Militärdrohnen führt die USA Krieg und tötet viele Soldaten und Zivilisten. Deutschland besitzt militärisch nur Aufklärungsdrohnen, dafür im Privatbereich eine stetig wachsende Zahl von kleinen Geräten zur Freizeitgestaltung oder kommerziellen Nutzung. Sprechen wir also von Drohnen, so weiß wohl ein Großteil unserer Mitmenschen worum es geht.

„Drohne sagt man nicht!“

Benutzt man diesen Begriff aber bei professionellen Anwendern der Szene, erntet man -unbegründet- wenig Zuspruch. Im fachlichen Gespräch sollte man es also vermeiden, von Drohnen zu sprechen, wenn auch im Privatgebrauch der Begriff durchaus legitim ist.

Der korrekte Fachbegriff ist auch zeitgleich ein Oberbegriff: Multicopter. Er leitet sich von der Antriebsart ab. Im Gegensatz zu einem ferngesteuerten Helikopter, hat ein Multicopter mehrere Motoren mit Propellern, die das Gerät in die Luft befördern. Die jeweilige Anzahl der Antriebe bringt neue Namen mit sich, abgeleitet aus dem Lateinischen (Es gibt auch andere Drohnen, die nicht detailliert erklärt werden, weil sie eine absolute Minderheit darstellen).

Bei vier Antrieben handelt es sich bspw. um Quadrocopter (oder auch Quadcopter), bei sechs Antrieben um Hexacopter und bei acht Antrieben um Octocopter. Eine logische Auflistung ergibt sich:

2 Rotoren = Duocopter/ Bicopter
3 Rotoren = Tricopter
4 Rotoren = Quadrocopter
6 Rotoren = Hexacopter
8 Rotoren = Oktocopter

Auf den folgenden Abbildungen ist ersichtlich, wie die jeweiligen Motoren angeordnet sein können und wie diese gegenläufig agieren um für den nötigen Auftrieb zu sorgen.

Duocopter/ Bicopter

Abb. 3: Bicopter4

Zweimotorige Flugsysteme mit einem beispielhaften Aufbau (B1). Diese sind eher eine Seltenheit, auch bedingt durch das instabile Flugverhalten. Die gängigsten Modelle beginnen ab dem Tricopter aufwärts.

Tricopter

Abb. 4: Tricopter5

Dreimotorige Flugsysteme mit beispielhaftem Aufbau (Y3). In der Regel ist der Aufbau in Form eines Y, wobei das Heck nur einen Antrieb hat. Diese Geräte sind auch eher selten gesehen.

Wie die Abbildung zeigt, können auch „unten“ weitere Rotoren verbaut werden, sodass es sich dann um einen Quadro- (Y4) oder Hexacopter handelt (Y6).

Quadrocopter

Abb. 5: Quadrocopter6

Viermotorige Flugsysteme mit beispielhaftem Aufbau (Quad X). Beim Aufbau Quad + ist ein Antrieb vorne und einer im Heck, sowie an den Seiten. Der Aufbau ähnelt einem Pluszeichen.

Dieser Aufbau ist eher selten, denn die meisten Geräte, wie bspw. der DJI Phantom, sind von Aufbau her ein Quad X. Hier sind zwei Antriebe vorne und zwei am Heck, sodass der Aufbau in der Draufsicht einem X ähnelt.

Auch hier können Antriebe ergänzt bzw. verdoppelt werden, sodass man am Ende einen Octocopter hat.

Hexacopter

Abb. 6: Hexacopter7

Sechsmotorige Flugsysteme mit beispielhaftem Aufbau (Hex6). Analog zum Aufbau von Quadrocoptern gibt es auch hier eine Version „+“ und eine Version X. Traditionell ist hier der Aufbau mit einem Antrieb an der Front.

Ein Merkmal eines Hexacopters ist die Redundanz. Bei einem ausfallenden Antrieb kann das Gerät i.d.R. noch sicher gelandet werden. Doch lassen Sie sich nicht einreden, dass eine Notlandung ein Kinderspiel ist.

Fällt ein Motor aus, gerät der Copter ins Trudeln und ist sehr schwer zu steuern. Trotzdem ist ein Hexacopter aufwärts sicherer einzustufen als ein Bi-, Tri- oder Quadcopter.

Octocopter

Abb. 7: Octocopter8

Achtmotorige Flugsysteme mit beispielhaftem Aufbau (Octo+). Analog zum Aufbau von Quadrocoptern gibt es auch hier eine Version „+“ und eine Version „X“. Traditionell ist wie beim Hexacopter der Aufbau mit einem Antrieb an der Front. Ein Merkmal ist ebenfalls wie beim Hexacopter die Redundanz.

Bei einem ausfallenden Antrieb kann das Gerät i.d.R. noch sicher gelandet werden. Durch acht Antriebe ist der Octocopter in Bezug auf die Fluglage und die Ausfallwahrscheinlichkeit am sichersten einzustufen, hat aber beim Ausfall eines Motors die gleichen Probleme des Trudelns wie ein Hexacopter.

Kapitel 2: Luftrecht I: Abgrenzung Modell zu UAS

Kapitel 2 – Luftrecht: Abgrenzung Modell zu UAS

Ein großes- wenn nicht sogar das größte Problem- stellt die Abgrenzung des Verwendungszweckes dar. Denn der jeweilige Zweck entscheidet bereits bei Geräten unter 5 kg9 maximaler Abflugmasse (MTOW) ob eine Aufstiegserlaubnis benötigt wird oder der Betrieb ohne eine Genehmigung erfolgen kann10. Generell gilt vorerst, unabhängig vom Einsatzzweck:

Abb. 8: Erfordernis einer Erlaubnis11

Folglich ist bei UAV und Flugmodellen ab einem Abfluggewicht von 25 kg der Betrieb auf freien Flächen verboten oder nur im Sonderfall genehmigungsfähig. Die Begrenzung ist im Rahmen der Gefahrenabwehr sehr sinnvoll. Wie wir später erfahren werden, können bereits wenige Kilogramm aus geringer Höhe einen immensen Schaden anrichten.

Wer ein Modell über 25 kg betreiben will, sollte einen Modellflugplatz suchen, der für diese Klasse zugelassen ist.

Eine große Zahl an Modellflugplätzen hat eine Zulassung bis zu 150 kg. Ein Anruf beim nächsten Modellflugverein bringt hier Gewissheit. Doch wie kann nun abgegrenzt werden? Welches sind die Kriterien abgesehen von Antrieb und Gewicht?

Sport- und Freizeitzweck: Flugmodelle und Genehmigungspflichten

Ein Multicopter kann rechtlich ein Modellflieger sein oder auch ein unbemanntes Luftfahrtsystem darstellen.

„Ich habe mir so eine Drohne gekauft. Brauch ich eine Genehmigung für private Flüge?“

Entscheidend ist neben den physischen Werten, also bspw. dem Gewicht, besonders der Verwendungszweck.

Handelt es sich um den Sport- und Freizeitzweck12, wird der Multicopter rechtlich als Flugmodell gesehen und unterliegt verhältnismäßig wenig rechtlichen Bestimmungen. Betreibt man seinen Multicopter im Sport- und Freizeitzweck, so dient dieser Betrieb ausschließlich der privaten Freizeitgestaltung oder ist im Bereich des (Modellflug-) Sports angesiedelt.13 Bis auf die folgenden Ausnahmen ist keine Aufstiegserlaubnis erforderlich.

Gemäß § 20 Abs. 1 Nummer 1. a) – e) LuftVO ist lediglich eine Genehmigung erforderlich für Aufstiege von Flugmodellen:

Ergänzend zu der Aufführung muss man die o.g. Punkte kurz erläutern.

Die Abflugmasse (MTOW) ist das tatsächliche Gewicht des Flugmodells (inkl. Akku oder Tankfüllung und sämtlichem verbauten Zubehör beim Start) und darf nicht mit dem zulässigen Startgewicht verwechselt werden. Dieses entspricht nämlich dem Gewicht, mit dem das Gerät vom Hersteller aus maximal starten dürfte, bzw. kann. Das so genannte MTOW14 ist also das Gewicht, mit dem der Multicopter aktuell in der Luft ist und nicht, was theoretisch gemäß der Betriebsanleitung möglich wäre. In der Regel sind die Maximalwerte von Seiten der Hersteller angepasst und belaufen sich z. B. beim DJI Inspire RAW auf 3,5 kg15. Ein Blick in die Gebrauchsanweisung bringt Licht ins Dunkel. Auf den Internetauftritten der Hersteller sind die Payloads (mögliche, zusätzliche Ladung) ebenfalls ersichtlich.

Bestimmen Sie das Gewicht vor jedem Aufstieg mit Extraladung. Sicher ist sicher.

Der Raketenantrieb und der Verbrennungsmotor sind Antriebe, die ein erhöhtes Gefahrenpotential und einen höheren Geräuschpegel mit sich bringen. Daher werden diese Geräte im Bereich des Sicherheits- und Ordnungsgedanken reglementiert. Denn ein brennendes Gerät, welches auf ein Wohnhaus verunglückt, bringt einen schwer kalkulierbaren Schaden mit sich.

„Du musst nur bei großen Flughäfen aufpassen, da darf man nur bis 30m hochfliegen“

Flugplätze und Flughäfen haben im Luftrecht hohe Priorität, da sich hier die bemannte Luftfahrt befindet. Von daher gilt –ohne Sondererlaubnis- für Flugmodelle aller Art, ein Flugverbot innerhalb eines Radius von 1,5km zur Flugplatzbegrenzung16.

Speziell Verkehrsflughäfen und militärische Flugplätze haben eine Kontrollzone, welche den 1,5km Radius deutlich übersteigt. Der Aufstieg ist in diesen Bereichen nur nach Freigabe durch die Flugleitung (Tower) erlaubt17. Hier gibt es eine Sonderregelung (Allgemeinverfügungen der DFS, Austro Control und TTC).