Band 1: Götter und Mythen im Alten Ägypten (432 S.)
Band 2: Die altägyptische Religion – Ursprünge, Kult und Magie (396 S.)
Band 1: Die Struktur des kabbalistischen Lebensbaumes (370 S.)
Band 2: Der kabbalistische Lebensbaum als Forschungshilfsmittel (580 S.)
Band 3: Der kabbalistische Lebensbaum als spirituelle Landkarte (520 S.)
Kontakt: www.HarryEilenstein.de / Harry.Eilenstein@web.de
Impressum: Copyright: 2011 by Harry Eilenstein – Alle Rechte, insbesondere auch das der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Autors und des Verlages (nicht als Fotokopie, Mikrofilm, auf elektronischen Datenträgern oder im Internet) reproduziert, übersetzt, gespeichert oder verbreitet werden.
Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 9783743135406
Die für die Priester, Seher und Zauberer verwendeten Begriffe ermöglichen eine erste Übersicht über die Stellung dieser drei Personengruppen bei den Germanen.
Es gab im Altnordischen und auch in den anderen germanischen Sprachen eine ganze Reihe von verschiedenen Bezeichnungen für die Priester und die Priesterinnen.
Die wichtigste Bezeichnung für die Priester aus der Zeit der schriftlichen Überlieferung ist „gode“ und für die Priesterinnen die entsprechende weibliche Form „gydja“.
Die dem zugrundeliegende germanische Form lautet „gudo, gudjon“. Dies ist eine Bildung zu „guda“ für „Angerufener, Gott“. Ein „gudo“ ist somit ein Anrufungspriester. Mit „gudo“ ist das Adjektiv „gud“, das der Vorläufer des heutigen deutschen „gut“ ist, eng verwandt. Das Wort „Gott“ hat sich nicht aus „gut“ heraus entwickelt, sondern umgekehrt.
Der indogermanische Ursprung dieses Wortes lautete „ghuto“ für „angerufen“, was eine Bildung zu „ghau“ für „rufen“ ist.
Das wesentliche Motiv in den germanischen Bezeichnungen für die Priester und Priesterinnen ist also deren Tätigkeit der Anrufung der Götter.
Das altnordisch Wort „gydja“ für „Priesterin“ findet sich auch in den Zusammensetzungen „hof-gydja“ für „Tempel-Priesterin“ und „blot-gydja“ für „Blutopfer-Priesterin“.
Auch die Bezeichnung für das Priesteramt selber leitete sich von dieser Wortwurzel ab und lautete im Altnordischen „godord“.
Das Substantiv „diar“ („Priester“) ist eng mit dem lateinischen „deus“ („Gott“) und mit dem Namen „Tyr“ des ehemaligen germanischen Göttervaters verwandt (indogermanisch: „dhyaus“, griechisch: „Zeus“, indisch: „deva“ usw.).
Der Begriff „Diar“ bedeutet demnach „der zu Tyr gehörige“ im Sinne von „Tyr-Priester“.
Die dazugehörige weibliche Form lautet „Dise“. Sie wird jedoch nur selten für die Priesterin, sondern fast ausschließlich für eine Göttin verwendet.
Die Bezeichnung „ve“ für „Priester, Priesterin“ bedeutet wörtlich „Geweihte(r)“. Da sich dieser Begriff vor allem in Personen- und Ortsnamen findet und dort „Tempel“ bedeutet, scheint er zur Zeit der schriftlichen Überlieferung der Nordgermanen als Bezeichnung für den Priester und die Priesterin bereits unüblich geworden zu sein.
Dieses Wort findet sich auch schon im Germanischen als „wiho“ für „Geweihte(r), Priester(in)“. Nah damit verwandt ist das Substantiv „weitago(n)“ für „Seher(in)“.
Die Wurzel dieser Priester-Bezeichnungen ist das indogermanische Verb „ueik“ für „aussondern, weihen“.
Diese Priester-Bezeichnung bedeutet „Opfer-Mann“ im Sinne von „Opfer-Priester“. Die weibliche Form dazu lautet „blot-kona“, d.h. „Opfer-Frau“.
Ein „kenni-madr“ ist ein „kundiger Mann“. Dieser Begriff wurde für Priester und Zauberer verwendet. Es wäre denkbar, daß es auch eine weibliche Version dieser Bezeichnung gegeben hat, die dann in etwa „kenni-kona“ hätte lauten müssen.
Die sehr häufige Verwendung des Wortes „gisl“ in den germanischen Personennamen läßt vermuten, daß damit nicht nur „Geisel“ gemeint sein kann. „Gisl“ hatte auch die Bedeutung „Sohn, Sprössling, Nachkomme, Strahl, Pfeilschaft“. Es wäre daher denkbar, daß ein „gisl“ die „Geisel einer Gottheit“, also eine dieser Gottheit geweihte oder versprochene und somit an diese Gottheit gebundene Person gewesen ist.
Diese Deutung der mit „gisl“ gebildeten Personennamen ist jedoch unsicher.
Aus dem Althochdeutschen sind noch einige weitere Bezeichnungen für den Priester und die Priesterin bekannt, die die damaligen Vorstellungen über das Wesen und die Aufgaben der heidnischen Priesterschaft veranschaulichen:
anabetari | = Anbeter, Wahrsager, heidnischer Priester |
barawari | = Opferschauer, Opferpriester |
opfarari | = Opferpriester |
ewahalto | = Gesetzeshalter, Hohepriester |
eowartinna | = Gesetzeshalterin, Hohepriesterin |
wihari | = einer, der Priester weiht |
galstarari | = Zauberer, Gaukler, Astrologe |
harugari | = Wahrsager, heidnischer Priester, Zeichendeuter |
Die wichtigste und vermutlich auch älteste indogermanische Bezeichnung der Priester und Priesterinnen ist „Anrufer(in)“, auf altnordisch „gode/gydja“. Es gab dazu auch die spezielleren Formen „hof-gydja“ für „Tempel-Priesterin“ sowie „blotgydja“ und „blot-kona“ für „Blutopfer-Priesterin“.
Der Tyr-Priester wurde „diar“ genannt. Die weibliche Form dieser Bezeichnung ist unbekannt. Die Feminin-Form „Dise“ wurde für „Göttin“ verwendet.
Priester und Priesterinnen waren „Geweihte“; auf altnordisch „ve“. Dieser Begriff reicht ebenfalls bis zu den Indogermanen zurück, ist aber deutlich unspezifischer, da mit „ve“ alles Geweihte wie z.B. auch der Tempel bezeichnet werden konnte.
Der Priester wurde auch „kenni-madr“, d.h. „kundiger Mann“ genannt. Die nicht überlieferte weibliche Form dazu müßte „kenni-kona“ gelautet haben.
Aus dem Althochdeutschen ist noch bekannt, daß die heidnischen Priester und Priesterinnen für die Opfer, für das Wahrsagen und die Orakeldeutung zuständig waren und daß die Hohepriester und die Hohepriesterinnen die Aufgabe hatten, „das Gesetz zu erhalten“.
1. Der Schamane ruft die Ahnen an ihrem Hügelgrab oder an dem Seelenweg-Tor, das im Tempel bzw. hinter dem Hochsitz in der Halle steht, an und bittet sie um Rat und Hilfe:
utisetu-madr | - „Draußensitzen-Mann“ = Ahnenbeschwörungs-Mann = Zauberer |
vard-loki | - „Wächter des (Jenseits-)Tores“ = Zauberer; ursprünglich: Schamane, Priester (Tor: Seelenweg-Tor im Tempel oder Eingang zum Hügelgrab) |
Das althochdeutsche „helarunari“ und das gotische „haljoruna“, die beide „Hel-Geheimnis“ bedeuten, und das ihnen nah verwandte angelsächsische „hagurun, heagrun“ mit der Bedeutung „Hag-Geheimnis“ sind alle drei als Bezeichnung für Zauberer und Zauberinnen verwendet worden. Das entsprechende altnordische Wort, das „helruna“ heißen müßte, ist nicht bekannt, auch wenn es ein angelsächsisches „helruna“ für „Dämonen“ gibt.
Dieses „Hel-Geheimnis“ bezeichnet offenbar die Kenntnis der Unterwelt und somit einen Mann oder eine Frau, die beim Utiseta die Toten herbeiruft, um von ihnen Rat und Hilfe zu erhalten. Eine „helruna“ wäre somit eine Schamanin und man könnte Odin als „fimbul-helrunr“, also als „gewaltigen Schamanen“ bezeichnen.
Vermutlich ist das Wort „helruna“ im Altnordischen in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten verlorengegangen.
2. Der Priester führt vor allem die Opferungen durch:
godi | - „zu Gott gehörender“ = Priester der Germanen (von „guthan“ für „anrufen, invozieren“) |
hof-godi | - Tempel-Priester |
söfari | - „Töter“ = Opferpriester |
blot-godi | - Opferpriester |
blot-kennimadr | - „Mann, der sich mit Opfern auskennt“ = Opferpriester |
kennimadr | - „Kenntnis-Mann“ = Priester, religiöser Lehrer |
yfir-kennimadr | - „Ober-Kenntnis-Mann“ = Oberpriester, Hohepriester |
blot-biskup | - „Opfer-Bischof“ = germanischer Priester |
blot | - Opfer, Opferplatz, Gottheit |
blota | - opfern, verehren, verfluchen |
blot-klädi | - Kleidung, die beim Opfern getragen wird |
erfa-godord | - erbliche Priester-Würde |
god-malugr | - in den Mythen der Götter kundig |
3. Der Zauberer verfügt über ein großes Wissen und daher auch über große Macht – er weiß, wie Magie funktioniert:
vitki | - „Wissender“ = Zauberer |
fjölkyngis-folk | - „Vielwisser-Volk“ = Zauberer (Plural) |
taufra-madr | - „Zauberei-Mann“ = Zauberer |
görningr-madr | - „(Zauber-)Taten-Mann“ = Zauberer |
fordädu-madr | - „Schreckenstat-Mann“ = Zauberer |
ginnar | - „Täuscher“ = Zauberer |
kukl, kuklari | - Zauberer, Gaukler |
kuklara-skarpr | - „Zauberei-Macher“ = Zauberer, Gaukler |
skratti | - Schrumpeliger, Schrat, Troll, Zauberer |
vita | - „wissen“ = beschwören, bezaubern |
vitka | - „wissen“ = zaubern |
söringr-madr | - „Schwören-Mann“ = Exorzist |
3. Der Sänger ist sowohl ein Priester als auch ein Zauberer:
fimbul-thulr | - „Gewaltiger Sänger“ = großer Zauberer |
galdra-madr | - „Zaubergesangs-Mann“ = Zauberer (althochdeutsch: „galari“; angelsächsisch: „galdere“) |
galdra-raumr | - „Zaubergesangs-Riese“ = Zauberer |
galdra-smidr | - „Zaubergesang-Werker“ = Zauberer |
vard-lokkur | - „die zum Jenseitstor gehörenden“ = Lieder, mit denen die Götter und Ahnen angerufen werden, während die Seherin innerlich mit ihnen Kontakt aufnimmt |
5. Der Seher kann durch Omen, Träume u.ä. die Zukunft erkennen:
spa, spar | - Seher |
drauma-madr | - „Traum-Mann“ = Mann, der oft die Zukunft vorherträumt |
visinda-madr | - „Greisenalter-Mann“ = Weiser, Wahrsager |
vitneskja | - „Erkanntes“ = Zeichen, Omen |
6. Der Astrologe ist kein typisch germanischer „Beruf“. Diese Art des Orakels ist erst zusammen mit dem Christentum zu den Germanen gekommen – was sich schon daran zeigt, daß sie die Astrologie als eine „Buch-Kunst“ angesehen haben und die Germanen bis zur Ankunft des Christentums keine Bücher geschrieben haben:
stjörnu-rim | - „Sternen-Bahnen“ =Astrologie |
stjörnu-bok | - „Sternenbuch“ = Astronomie, Astrologie |
stjörnubolar-madr | - „Sternenbuch-Mann“ = Astronom, Astrologe |
stören-meistari - „ | Sternenmeister“ = Astrologe |
Die Kenningar bestätigen diese Ergebnisse und fügen noch die Wichtigkeit des Ahnenkultes (Hügelgräber) hinzu:
Bei vielen der folgenden Personennamen ist die Deutung des Namens als Priester bzw. Priesterin zwar wahrscheinlich, aber keineswegs sicher, da z.B. „ve“ die Bedeutung „geweiht“ hat und sich sowohl auf einen Priester oder eine Priesterin als auch auf einen Tempel u.ä. beziehen kann. In ähnlicher Weise kann „gisl“ sowohl „Geisel, Versprochener, Verpflichteter, Geweihter, Eid-Gebundener, Sohn, Nachkomme“ und zudem auch noch „Strahl, Pfeil-Schaft“ bedeuten.
In der Liste sind nur die Personennamen aufgeführt, bei denen die Deutung als „Priester“ oder „Priesterin“ am wahrscheinlichsten ist – wobei die Unterscheidung zwischen „Priester“ und „Tempel“ in vielen Fällen kaum möglich ist. Die Betreffende Person ist auf jeden Fall durch ihren Namen mit der Ausübung des Kultes assoziiert worden. Generell wird in Eigennamen jedoch eher „Priester(in)“ als „Tempel“ gemeint sein.
Einige Namen sind auch spätere Kombinationen wie „Fastvi“, was „standfester Priester“ bedeutet und offenbar eine Analogie zu Kriegernamen wie „Fastbjörn“ („standhafter Bär“) ist. Hier wurden einfach zwei beliebte Namensbestandteile miteinander kombiniert.
Priesternamen, die sich auf eine Gottheit o.ä. beziehen (1) | ||
Namen | Bedeutung | |
Mann | Frau | |
Tyrgisl, Tyres | dem Tyr Versprochener | |
Gudver, Gudvi, Gudhvi, Gudir, Gusthir | Gott-Geweihter (Gott = vermutlich Tyr) | |
Arnvid | Ärnvi | Adler-Geweihter (Adler = Seelenvogel des Tyr) |
Arngisl, Ärngisl | dem Adler Versprochener (dem Tyr?) | |
Solver, Sölvi | Sonnen-Priesterin (Sonne = Tyr?) | |
Godthormr, Godormr | Gottes-Schlange/Drache (God = Tyr?) | |
Vethormr | Heilige Schlange/Drache (Tyr?) |
Priesternamen, die sich auf eine Gottheit o.ä. beziehen (2) | ||
Namen | Bedeutung | |
Mann | Frau | |
Vethorn | Heiliger Dorn (Dorn = Schwert) (Tyrs Schwert?) | |
Vibrand | Heilige Flamme = Heiliges Schwert (Tyr?) | |
Vigrimr | Heiliger Maskenhelm (Tyr?) | |
Vifinnr | Heiliger Wanderer (Tyr als Sonnengott?) | |
Äsvi, Asvi | Asen-Geweihte | |
Gottskalk, Gottschalk | Gottes-Diener = Priester | |
Asgisl | den Asen Versprochener | |
Alfgisl | den Alfen Versprochener, Alfen-Strahl (Sonne?) | |
Gandalfr, Gandalf | Zaubergesang-Alf/Priester | |
Thorir, Thorer, Thori, Thurir | Thyrwi, Thyrvi, Thyri | Priester(in) des Donnerers (Thor) |
Thorvifill, Thorifill | Thor-Priester | |
Thorgisl, Thyrgisl, Thorgyls, Torgjuls | dem Thor Versprochener | |
Die Priesternamen, die sich auf eine Gottheit beziehen, stehen entweder mit dem alten Göttervater Tyr oder mit dessen Nachfolger Thor in Verbindung. Da Thor die Rolle des jungen, wiedergeborenen Sonnengott-Göttervaters Tyr übernommen hat, ist vermutlich auch schon vor 500 v.Chr. mit den Tyr-Namen der junge Sonnengott-Göttervater gemeint gewesen. |
allgemeine Priesternamen (1) | ||
Namen | Bedeutung | |
Mann | Frau | |
Visäte, Veseti | Tempel-Vorsitzender | |
Vigisl | dem Tempel Versprochener | |
Athagislar, Adalgisl | Edler Versprochener | |
Aulver, Auver | Edler Priester | |
Vidiarfr, Vediarfr | Geweihter Priester | |
Godafrid, Godfred, Godtfred | Gottes-Freund („Gottfried“) | |
Godwini, Godwine, Godwin, Godwinus, Godvini, Godin, Godvin, Godene, Goden |
Gottes Freund („Gottlieb“) | |
Viläifr, Veleifr | Priester-Erbe | |
Vifuss, Vefuss | Priester-Williger | |
Godgestr | Gottes Gast | |
Vegestr | Gast im Tempel | |
Godmann | Gottes-Mann | |
Godmand | Gottes-Hand oder Gottes-Mann | |
Godmundur | Gottes Hand (Tyr) | |
Vämund, Vemund | Geweihte Hand (Priester, Heiler) oder Heilige Hand (des Tyr) | |
Vikätill, Vekell | Heiliger Kessel | |
Gisilberth, Gisbert, Gisbrekt | Licht des Versprochenen (segnender Priester?) | |
Diurver, Dyrver | Hirsch-Priester (Hirsch = Opfertier des Tyr?) | |
Tjörvi | Zauberer | |
Vedis | Tempel-Göttin/Priesterin | |
Folkvi | Volks-Priesterin |
allgemeine Priesternamen (2) | ||
Namen | Bedeutung | |
Mann | Frau | |
Vebiörg | Tempel-Schützerin | |
Viurdr | Tempel-Wächterin | |
Vifridr, Vefrid | Heilige Freundin | |
Gisli, Gisl, Gisi, Gitlef | Gisela | Kurzform von „Gisel-XXX“ |
Es scheint, daß man bei den Germanen schon als Kind dem Tempel versprochen und später dann zum Priester geweiht wurde und daß man diese Funktion auch ererben konnte. Es hat offenbar einen Oberpriester („Tempel-Vorsitzender“) gegeben. |
||
Die Priesterinnen sind auffällig eng mit dem Schutz verbunden gewesen – so ähnlich wie viele Walküren. | ||
Auch hier finden sich einige Namen, die sich vermutlich auf Tyr beziehen. |
Namen von Priester-Heilern | ||
Namen | Bedeutung | |
Mann | Frau | |
Biärghvidh | Schutz-Priester | |
Bergvidr | Helfender Priester | |
Butvid, Butvi, Botve | Helfender Priester | |
Häilvi | Heil(lungs)-Priesterin (Heilerin?) | |
Liknvi | Heilungs-Priesterin (Heilerin?) | |
Es hat den Anschein, als ob die Priester und Priesterinnen auch Heiler und Heilerinnen gewesen seien. |
mit „Priester“ gebildete Kriegernamen | ||
Namen | Bedeutung | |
Mann | Frau | |
Väbiorn, Vibjörn, Vebjörn | Geweihter Bär (Priester oder Berserker) | |
Biornvidh | Bären-Priester (Berserker?) | |
Viulfr | Geweihter Wolf (Ulfhedinn?) | |
Thunra-Wihar, Thiudvi, Thiudver, Thorver, Thorve | Wut/Ekstase-Priester (Berserker/Ulfhedinn?) | |
Vämodh | Heiliger Mut (Krieger?) | |
Godahard, Godehard, Godard, Godert | durch Gott (Tyr?) Starker | |
Vifast, Vefastr | durch eine Weihung erlangte Standfestigkeit (?) | |
Vigautr | Heiliger Gote/Krieger | |
Slagvi | Schlag/Kampf-Priester (Krieger?) | |
Gervi | Speer-Priester | |
Vigäirr, Vegeir, Wiger | Geweihter Speer | |
Vihialmr | Geweihter Helm | |
Hrodgisl | Ruhm-Versprechen | |
Hrothiwihar, Hrodver, Hrodvi | Ruhm-Priester, Ruhmreicher, Heiliger Kämpfer | |
Bei diesen Namen haben sich die Eltern der Jungen vermutlich an den ehemaligen Kriegsgott Tyr oder an den neuen Kampfgott Thor gewendet. |
sonstige mit „Priester“ gebildete Namen | ||
Namen | Bedeutung | |
Mann | Frau | |
Viälfr | Heiliger Alf/Priester | |
Godric | Gottes-König (Tyr?) | |
Godberg | Godbjörg | Gottes-Hilfe |
Vigisl | Heiliges Versprechen | |
Velaug | Heiliger Eid | |
Vistäinn, Vesteinn, Väste | Heiliger Stein | |
Vigun | Heilige Woge | |
Virun | Geweihte Rune | |
Godgifu, Godiva | Gottes Gabe | |
Vegerdr, Vegard | Geweihter Schutzort (Tempel) | |
Godi, Godhi, Gode | Goda, Godea | Kurzform von „Gott-XXX“ |
Bei den hier aufgeführten Namen läßt sich ein religiöser Bezug noch erkennen, auch wenn die genaue Bedeutung oft unklar ist. |
Namen, in denen das Wort „Priester“ möglicherweise willkürlich mit anderen Namens-Bestandteilen kombiniert worden ist (1) | ||
Namen | Bedeutung | |
Mann | Frau | |
Fastvi | Standfester Priester | |
Näs-Vigäirr | Landzungen-Priesterkönig | |
Gisllaug, Gislaug, Gislög, Gisleyg, Gitlaug | Versprechen-Eid | |
Gismund | Versprechen-Hand |
Namen, in denen das Wort „Priester“ möglicherweise willkürlich mit anderen Namens-Bestandteilen kombiniert worden ist (2) | ||
Namen | Bedeutung | |
Mann | Frau | |
Gisstäinn | Versprechen-Stein | |
Audvidr | Schatz-Geweihter | |
Audgisl, Ödhgisl | Schatz-Versprochener (?) |
Der Priester ruft die Götter an, stellt als Schamane die Verbindung zu den Ahnen an deren Hügelgrab oder am Jenseitsweg-Tor im Tempel her und führt die Opferungen durch. Die alte Bezeichnung „diar“ kennzeichnet ihn noch als den Mann des ehemaligen Göttervaters Tyr.
Der zukünftige Priester wird manchmal schon als Kind einem Gott als Priester versprochen. Als junger Erwachsener wird er dann geweiht und gelehrt. Seine Tätigkeit enthält als wesentliches Element das Singen des Kultgesanges. In größeren Tempeln gab es auch einen Oberpriester.
Der Priester hat oft auch die Rolle eines Anführers und eines Gesetzeskundigen.
Als Seher kann er die Zukunft vorhersehen und wird um Rat gefragt.
Als Zauberer verfügt er über großes Wissen und über große magische Macht.
Bei den „Heiliger Krieger“-Namen haben sich die Eltern der Jungen vermutlich an den ehemaligen Kriegsgott Tyr oder an den neuen Kampfgott Thor gewendet.
Die Schamanen sind die älteste Form des „religiösen Spezialisten“. Ein Schamane zeichnet sich dadurch aus, daß er mit seiner Seele den eigenen Körper verlassen („Astralreise“) und in das Jenseits reisen und dort er den Kontakt mit den Ahnen aufnehmen kann.
Diese Geschichte der norwegischen Könige wurde um 1230 n.Chr. von Snorri Sturluson verfaßt, der auch die Edda geschrieben hat. In ihr findet sich die bekannteste Schilderung eines germanischen Schamanen – die des Schamanengottes Odin.
Odin konnte seine Gestalt verwandeln: Sein Körper lag dann da als wenn er tot wäre oder schlafen würde; aber er hatte dann die Gestalt eines Fisches oder eines Wurmes (Schlange) oder Vogels oder irgendeines anderen Tieres und war in einem Augenblick in fernen Ländern um dort seinen Angelegenheiten oder denen von anderen Leuten nachzugehen.
Diese Stelle beschreibt präzise eine typische Astralreise: Der Astralreisende legt sich zunächst nieder, wird reglos und atmet meist kaum noch. Dann tritt er mit seinem Astralkörper aus seinem materiellen Körper aus und kann dann jede gewünschte Gestalt annehmen.
Auffälligerweise führt Snorri Sturluson hier den Fisch, die Schlange und den Vogel an, also die drei Tiere, die die Symbole für die Jenseitsreise und somit auch die Astralreise sind: der Fisch in der Wasserunterwelt (Andvari als Lachs), die Schlange als Symbol des Jenseitsweges und der Reisenden auf ihm (Odin als Schlange auf dem Weg zu Gunnlöd) und der Seelenvogel, der aus dem Erleben des Fliegens bei der Astralreise entstand (Odin als Adler).
Alleine durch Worte konnte Odin Feuer löschen, den Sturm auf dem Meer beruhigen und den Wind in jede Richtung, die er wünschte, lenken. Odin hatte ein Schiff, das Skidbladnir genannt wurde und in dem er über die weite See fahren konnte. Dies konnte er wie ein Stück Stoff zusammenrollen.
Odin trug den Kopf des Mimir bei sich, der ihm Neuigkeiten aus anderen Ländern berichtete. Manchmal rief er sogar die Toten aus der Erde empor und setzte sich neben die Hügelgräber. Daher wird er der „Herr der Totengeister“ und der „Herr der Hügelgräber“ genannt.
Skidbladnir, das in der Edda Freyr gehört, wird hier deutlich als ein Stoff oder Fell beschrieben. Dieses Schiff ist ursprünglich das „Jenseitsreiseschiff“ gewesen, also das Fell des Opfertieres, in das man den Jenseitsreisenden einhüllte.
Da dieses Fell-Schiff Skidbladnir als „Jenseitsweg-Fahrzeug“ zum einen mit der Schlange und dem Drachen verbunden ist und zum anderen eben ein „Schiff“, also ein Fortbewegungsmittel im Jenseits ist, ist Skidbladnir ein „Drachenschiff“: Skidbladnir ist ein „Schiff“, das auf dem „Drachenweg“ ins Jenseits fährt.
Auf dieses Fell setzte sich auch die germanischen Schamanen, wenn sie selber ins Jenseits reisen wollten. Diese Methode hieß „utiseta“, also „Draußensitzen“.
Dieses „Draußensitzen“ wird durch Snorri noch genauer beschrieben: Odin sitzt bei den Hügelgräbern und ruft die Toten aus der Erde herauf. Dieses Beschwören der Toten wird auch in der Lieder-Edda mehrfach beschrieben. Meist ruft Odin dabei eine verstorbene Seherin ins Diesseits.
Auch der Kopf des Mimir stammt aus diesem Ritual, da man bei den Germanen und auch bei den anderen Indogermanen den Schädel eines Toten als Verbindung zu dem Geist des betreffenden Toten ansah.
Man kann nun diese Beschreibung des Odin, die bei Snorri in ihre Bestandteile zerfallen ist, weil er möglicherweise das „utiseta“ selber nicht besonders gut kannte, wieder zu einer Darstellung des „Utiseta“ zusammenfügen:
Der Jenseitsreisende, dessen Urbild und Vorbild Odin ist, setzt sich an dem Hügelgrab des Toten, mit der Kontakt aufnehmen will, auf seinem Jenseitsreisefell, das symbolisch Skidbladnir entspricht, nieder.
Dann legt er, falls vorhanden, den Totenschädel des betreffenden Toten vor sich auf dieses Skidbladnir-Stierfell.
Nach dieser Vorbereitung sitzt oder liegt der Schamane wie tot oder wie schlafend da und verläßt seinen Körper, d.h. er unternimmt eine Astralreise. Dieser Vorgang entspricht der Verwandlung in eine Schlange oder in einen Drachen in den Mythen. Dieser Vorgang erscheint in den Göttergeschichten und in den Sagas auch als das Aufsetzen des Ögishelmes, der der Kopf des Opfertieres ist, der sich noch an dem Fell befindet. Eigentlich ist dies die Verwandlung in ein Herdentier, aber die Schlangen-Jenseitsweg-Symbolik hat im Laufe der Zeit die Herdentier-Wiederzeugungs-Symbolik in den Hintergrund gedrängt.
Der Astralreisende kann nun jede gewünschte Gestalt annehmen und an jeden gewünschten Ort reisen. Dort kann er die Dinge sehen, die er sehen will. Sich dort bemerkbar zu machen oder dort auch zu handeln ist für einen Jenseitsreisenden jedoch deutlich schwieriger als das Wahrnehmen – solche Astralreisenden sind vor allem Seher.
Einer der bekanntesten Seher, der diese Methode perfekt beherrschte, war Geronimo, der Häuptling und Schamane der Apachen (1829-1909), der sich und seinen Stamm dadurch jahrzehntelang der Verfolgung durch die Kavallerie entziehen konnte, daß er durch seine regelmäßigen Astralreisen in das Lager der Kavallerie stets wußte, wo seine Gegner waren und was sie planten.
Odin hatte zwei Raben, denen er die Sprache der Menschen beigebracht hatte. Sie flogen weit über die Lande und brachten ihm Neuigkeiten. In solchen Dingen besaß er eine unübertroffene Weisheit.
Die beiden Raben sind Seelenvögel, d.h. Odins Astralkörper. Das Verstehen der Vogelsprache bzw. die Vögel, die die Menschensprache beherrschen, sind Motive, die aus der engen Verbindung zwischen dem Menschen und seiner Seele, d.h. seinem Seelenvogel entstanden sind. Ursprünglich ist es Odin bzw. der Schamane selber gewesen, der als Seelenvogel eine Astralreise unternahm und so erfuhr, was in der Welt geschah. Diese Fähigkeit wird von Snorri Sturluson bei dem Schamanen-Seher Odin besonders hervorgehoben.
Er lehrte alle diese Künste in Runen und in Liedern, die Zauberlieder genannt werden. Deshalb werden die Menschen im Land der Asen (d.h. die Asen) „Zauberlied-Schmiede“ genannt.
Odin verstand sich auch auf die Kunst, in der sich die größte Macht befindet – diese wird Magie genannt. Durch sie konnte er das den Menschen vorherbestimmte Schicksal vorhersehen, er konnte den Menschen den Tod bringen oder Unglück oder Krankheit, er konnte die Kraft oder den scharfen Geist eines Menschen nehmen und ihn einem anderen geben.
Hier wird, wieder etwas diffus, die Magie beschrieben, die Odin und vermutlich auch die germanischen Schamanen beherrschten. Diese Fähigkeiten und auch die anfangs aufgeführte Beherrschung des Windes, wird auch von den keltischen Druiden, die die nächsten Verwandten der germanischen Magier waren, berichtet.
Aber das Ausüben solcher Hexenkünste führte immer eine Schwachheit und Unruhe nach sich, weshalb man es nicht für achtbar hielt, wenn Männer diese Künste ausübten. Deshalb lehrte man die Priesterinnen diese Kunst.
Auch bei den anderen indogermanischen Völkern gibt es wie bei den Germanen deutlich mehr Seherinnen als Seher, weshalb Snorris Darstellung zunächst einmal eine Rationalisierung sein dürfte. Die angeführten Formen der Magie führen allerdings tatsächlich zu Erschöpfungs- und Unruhezuständen, wenn man bei ihnen die eigene Lebenskraft benutzt anstatt sich die dafür notwendige Lebenskraft von einer Gottheit zu erbeten. Daher ist die Ausübung dieser Formen von Magie durch Priesterinnen oder Priester, also durch Personen, die durch ihren Beruf bereits diesen Kontakt zu den Göttern haben, durchaus sinnvoll.
Odin wußte genau, wo die verlorenen Rinder unter der Erde verborgen waren und kannte die Lieder genau, durch die sich die Erde, die Hügel, die Steine und die Hügelgräber für ihn öffneten. Und er band die, die in ihnen wohnten (Totengeister) durch die Macht seiner Worte und nahm sich, was er wollte. Für diese Künste wurde er sehr berühmt.
Das Motiv der in der Erde verborgenen Rinder findet sich auch im indischen Rig-Veda und in anderen alten indogermanischen Mythen wie z.B. in denen der Slawen. Die Rinder wurden in diesen Mythen von einer Schlange oder einem Drachen in die Unterwelt entführt.
Vermutlich hat sich in diesem Motiv das Opfertier (Stier, Hirsch, Pferd, Ziege o.ä.) bei der Jenseitsreise mit dem bei den Indogermanen üblichen gegenseitigen Viehraub vermischt. Aufgrund der Identifizierung der Toten mit den für sie geopferten Herdentieren wurden in vielen indogermanischen Jenseitsvorstellungen auch die Toten in der Unterwelt zu Rindern, Pferden u.ä. Daher ist das Zurückholen der Rinder durch Odin eng mit dem Beschwören der Toten verbunden.
Eine zweite Wurzel dieses Motivs ist die Erweiterung des Raubes des Sommer-Regens durch die Riesenschlange durch den Raub der Rinder und der Göttin. Siehe dazu auch den Band 41 über die „Schlangen und Drachen“ und den Band 17 über den „Donnergott Thor“.
In dem Text wird beschrieben, daß Odin die Toten mithilfe von Zauberliedern beschwor. Die Darstellung von Odins Utiseta weiter oben kann somit durch das Singen von Zauberliedern vor der eigentlichen Astralreise ergänzt werden. Es ist auch gut denkbar, daß diese Zauberlieder auch in anderen Ritualen gesungen wurden. Das wichtigste dieser Lieder wird vermutlich das Sonnenaufgangs-Lied gewesen sein, da dies die Wiedergeburt der Sonne am Morgen und somit auch des ehemaligen Göttervaters Tyr darstellt. Inhaltlich ist auch dieses Sonnenlied eine „Totenbeschwörung“, da durch dieses Lied die Sonne aus der Unterwelt in das Diesseits zurückgerufen wird. Dieses Sonnenlied ist zumindestens teilweise in dem „Sonnenlied“ der Edda bewahrt worden. Dieses Sonnenaufgangslied hat sich in vielen indogermanischen Überlieferungen erhalten können.
Seine Feinde fürchteten ihn; seine Freunde vertrauten ihm und bauten auf seine Macht und auf ihn selber. Er lehrte das meiste seiner Künste den Opferpriestern und sie kamen ihm in ihrer Weisheit und ihren Hexen-Weisheit am nächsten.
Hier wird deutlich, wie wichtig das Opfer des Herdentieres zunächst bei der Bestattung, dann bei anderen Jenseitsreisenden (Seher, Krönung u.a.) und schließlich auch bei vielen anderen Ritualen war. Der Opferpriester wird zugleich auch der Schamane und somit der Seher gewesen sein.
Es beschäftigten sich jedoch auch viele andere damit und seit dieser Zeit hat sich die Hexenkunst weit und breit verbreitet und konnte sich lange halten.
Die Menschen opferten dem Odin und den zwölf Häuptlingen des Asenlandes (Asen) und nannten sie Götter und glaubten noch lange Zeit nach deren Tod an sie.
Auf den Bildern auf diesen beiden goldenen Ritual-Trinkhörnern wird die Jenseitsreise, die die Hauptaufgabe eines Schamanen ist, ausführlich geschildert (siehe „Goldhörner von Gallehus“ in Band 57).
Die Germanen setzten sich beim „Utiseta“ („Draußensitzen“) auf einem Hügelgrab auf ein Fell, wenn sie den betreffenden Toten etwas fragen oder um etwas bitten wollten. Auch die keltischen Druiden setzten sich auf ein Stierfell, wenn sie den Kontakt zu den Ahnen und den Göttern suchten. Das Motiv des „Jenseitsreise-Felles“ ist bei fast allen indogermanischen Völkern zu finden.
In dieser Saga wird eine Jenseitsreise in ein Hügelgrab, also der „Arbeitsweg“ eines Schamanen beschrieben.
In jener Zeit, in der Jarl Hakon Sigurdarson Norwegen beherrschte, lebte ein Bauer im Gaulartal, der Brynjolf hieß und „Kamel“ genannt wurde.
Hakon regierte von 971-995 n.Chr.
Er war ein Wikinger und ein großer Krieger gewesen. Sein Frau hieß Dagny; sie war die Tochter von Jarnskeggia von Yrja.
Sie hatten einen Sohn, der Thorsteinn hieß. Er war groß und stark, hartgemut und unnachgiebig gegenüber jedem, mit dem er zu tun bekam. Niemand in Norwegen glich ihm an Größe und es gab kaum eine Tür, durch die er ohne sich zu bücken hindurchgehen konnte. Daher wurde er „Haus-Macht“ genannt, da man fand, daß er zu mächtig für die meisten Häuser war.
Es war unfreundlich, weshalb ihm sein Vater ein Schiff und einige Männer gab, woraufhin er abwechselnd plünderte und handelte und in beidem den gleichen großen Erfolg hatte.
Zu dieser Zeit übernahm Olaf Tryggvason Norwegen, nachdem Jarl Hakons Hals von einem Sklaven, der Thormodr Kark genannt wurde, durchschnitten worden war. Thorstein Haus-Macht wurde einer der Männer des Königs. Der König fand, daß er ein tapferer Mann sei und hielt große Stücke auf ihn, aber die anderen Männer des Königs hielten nicht viel von ihm und fanden ihn mürrisch und unnachgiebig. Der König sandte ihn auf Fahrten, zu denen die anderen nicht bereit waren. Manchmal sandte er ihn auf Handelsfahrten, damit er Schätze für den König holte.
Jarl Hakon war der letzte heidnische Herrscher Norwegens und König Olaf Tryggvason der erste christliche Herrscher. Daher ist dies die Zeit, in der einige Sagas angesiedelt worden sind, die sich mit dem Verhältnis zwischen der germanischen Religion und dem Christentum befassen, zu denen vor allem die drei Sagas über Thorsteinn Haus-Macht, Helgi Thorisson und Halfdan Eysteinson gehören.
Einst zog Thorsteinn nach Osten und als er nach Balagardssidu kam, gab es keinen Wind, um segeln zu können.
Am Morgen ging er an Land und als die Sonne im Südosten stand, kam Thorsteinn zu einer Lichtung, auf der ein schöner Grabhügel stand. Er sah auf dem Hügelgrab einen Jungen mit kahlgeschorenem Kopf, der sprach: „Meine Mutter, gib mir meinen Krummstab heraus und meine Handschuhe, denn ich will auf einen Hexenritt gehen. In der Unterwelt ist gerade ein großes Fest.“
Da wurde ein Krummstab aus dem Hügelgrab herausgeworfen, der wie ein Schüreisen aussah. Der Junge stieg auf seinen Stab, zog seine Handschuhe an und lief los so wie es Kinder tun.
Thorsteinn ging zu dem Hügelgrab und sprach dieselben Worte wie der Junge und wieder wurde ein Stab und Handschuhe herausgeworfen und eine Stimme sprach: „Wer hat diese erhalten?“
„Dein Sohn Bjalfi,“ antwortete Thorsteinn.
Dann stieg er auf den Stab und ritt dem Jungen hinterher das Hügelgrab hinab. Sie kamen zu einem großen Fluß und stürzten sich hinein und es war, als ob sie durch Rauch waten würden. Bald wurde es vor ihren Augen heller und sie kamen zu einem Ort, an dem der Fluß über eine Klippe stürzte. Dort sah Thorstein einen Platz und eine große Stadt, die dort erbaut worden waren. Sie gingen zu der Stadt hinab, in der Menschen an einer Tafel saßen.
Diese Jenseitsreise scheint ursprünglich eine Vision gewesen zu sein – zumindest sind solche Formulierungen wie die, daß es allmählich heller vor ihren Augen wurde oder daß das Wasser des Flusses wie Rauch war, typische Wahrnehmungen bei Visionen, Traumreisen u.ä.
Bei den Indianern wird die hellsichtig wahrgenommene, milchigweiß leuchtende Lebenskraft generell „Rauch“ genannt. So heißt z.B. der Tolteken-Gott des Hellsehens, der wie seine mittelalterlichen europäischen Kollegen zum Hellsehen einen Spiegel benutzte, „Tezcatlipoca“, d.h. „Rauchender Spiegel“.
Auch Thorsteinns Beobachtung, daß ihn niemand bemerkte, ist typisch für den Anfang von Traumreisen und natürlich noch mehr für Astralreisen, bei denen man seinen materiellen Körper verlassen hat und von anderen daher nur hellsichtig wahrgenommen werden kann.
Der Fluß wird der Jenseitsfluß sein und das „verborgene Volk“ in Indien die Verstorbenen im Jenseits. Das ferne Land ist allgemein in Mythen ein beliebtes Symbol für das Jenseits, da beide das Fremde und Unbekannte sind.
Der Hexenstab ist vermutlich der Stab der Seherin und des Zauberers, der als Symbol des Weltenbaumes die Verbindung zwischen Diesseits und Jenseits darstellt. Die beiden anderen Priester-Symbole sind Gürtel und Handschuhe – der Junge und auch Thorsteinn zogen sich vor seinem Ritt auch Handschuhe an.
Sie gingen in die Halle und die Halle war voller Menschen und alle tranken aus silbernen Kelchen. Dort sahen sie eine Tafel auf dem Boden stehen. Alles dort war golden und niemand trank etwas anderes als Wein. Da bemerkte Thorsteinn, daß niemand ihn und den Jungen sah. Sein Begleiter ging zwischen den Tafeln umher und sammelte alles ein, was herabgefallen war. Der König und die Königin saßen auf ihren Thronen. Die Menschen waren glücklich in der Halle.
Als nächstes sah Thorsteinn einen Mann in die Halle kommen, der mit dem König sprach und sagte, daß er von Indien zu ihm gesandt worden war, von dem Berg, der Lukanus genannt wird, von dem Fürsten, der dort herrscht. Er sagte zu dem König, daß er einer von dem „verborgenen Volk“ sei.
Er gab dem König einen goldenen Ring. Niemand konnte sich vorstellen, daß der König jemals einen besseren Ring gesehen haben könnte. Der Ring wurde durch die Halle gereicht, damit ihn alle betrachten konnten, und jeder pries ihn. Der Ring konnte in vier Teile auseinandergenommen werden.