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Herstellung und Verlag:

BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt

Abbildung: José Santiago Garnelo Alda: „De juerga“ In: „Álbum Salón“, Barcelona, Ausgabe vom 26. Dezember 1897, S. → (online verfügbar in der Hemeroteca Digital der Biblioteca Nacional de España)

Fotos: Torge Braemer

Textausschnitte aus dem Buch „Barcelona“ von Torge Braemer

1. Auflage Juli 2016

© Torge Braemer

ISBN 9 783741 264795

José Santiago Garnelo Alda: „De juerga“

Inhalt

Sushi und das Haus der Gitarristen

Vor dem großen Postgebäude im lichtdurchfluteten Carrer Ample, in der Nähe des alten Hafens, haben sich im Laufe der Zeit einige Häuser immer mehr zu einem einzigen Block zusammengeschmiegt. Hier versteckt sich ein kleines Geschäft, das Lebensmittel anbietet. An dessen Seiten öffnen ein japanisches Restaurant und eine Rock Bar allabendlich ihre Türen. Heute ist der Gebäudekomplex mit Verkaufsregalen, Tischen, Stühlen, Küchen und Theken ausgestattet, am Ende des 19. Jahrhunderts beherbergte er Werkzeugschränke und Werkbänke. Dieser historische Winkel der Stadt bot bekannten Luthiers und Gitarristen Platz für ein zentrales Forum, das „Ca'ls Guitarrers“ („Haus der Gitarristen“) genannt wurde. Juan Estruch Rosell, Ribot y Alcañiz, Salvio Morbe und Enrique Sanfeliu hatten hier ihre Arbeitsplätze installiert, um Gitarren herzustellen und zu verkaufen. Aber nicht nur ihre eigenen Modelle, sondern auch Gitarren von den Luthiers Ibáñez, Marín, Julve und Arias wurden hier ausgestellt und verkauft. So wurde der gemeinschaftliche Werkstattladen zum Anziehungspunkt der gesamten Gitarrenlobby des Landes, bestehend aus Domingo Bonet, José Ferrer, Juan Ferrán, Daniel Fortea, Miguel Mas, Severino García und vielen anderen. Hier probierten sie die neu entstandenen Gitarren, gaben spontan Konzerte und tauschten sich über aktuelle Themen aus.

1892 kam es an diesem Ort auch zum Zusammentreffen von Miguel Llobet und Francisco Tárrega. Das war eine sehr fruchtbare Begegnung, die Llobets Lehrer Magín Alegre eingefädelt hatte. Mit Hilfe Tárregas konnte der erst 14-jährige Llobet seine Musikalität und Virtuosität weiter perfektionieren und sie später an seine Schüler weitergeben, darunter María Luisa Anido und Andrés Segovia. Ihre Ton- und Videoaufnahmen spiegeln noch heute das romantischmusikalische Leben wieder, das tagtäglich im „Haus der Gitarristen“ zelebriert wurde.

Bevor sich die Gitarristen und Luthiers hier niedergelassen hatten, belegte Herr Huart mit einem Reinigungsgeschäft die Räumlichkeiten. Das weiß man auch heutzutage noch, weil sich Herr Huart in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts ein Inserat im Geschäftsverzeichnis „El consultor“ geleistet hat.

So alt wie der Putzladen, also älter als das Haus der Gitarristen, war die Instrumentenmacherwerkstatt von Rafael Altimira. Im vorletzten Jahrhundert hatte sich der Luthier in der Stadtmitte im Carrer de Escudellers eingerichtet. Schon 1834 wurden hier Blas- und Saiteninstrumente gebaut. Sein Sohn, der Luthier Augustin Altimira, übernahm den Familienbetrieb und begann Gitarren zu bauen. Eine davon befand sich im Besitz von Miguel Llobet. Heute ist sie Teil der Gitarrensammlung des städtischen Musikmuseums. Augustin Altimira war ebenfalls Gitarrist und gab Konzerte, sogar so gut, dass ihm der Komponist Federico Cano eines seiner Stücke widmete.

In die alte Werkstatt zogen später Prostituierte, um ihre Dienste anzubieten. Dann gab es hier verschiedene Kneipen. Die letzte, die gute alte Rocka Rolla Rock Bar, wurde nun von einer Verleihstation für Fahrräder und Kettcars verdrängt.

Wohl im Jahr 1902 löste sich aus einem unbekanntem Anlass das „Haus der Gitarristen“ auf. Sie verlegten ihren Treffpunkt in den Passeig de Sant Joan in einen Milchladen. Die Gebäude mit den Werkstätten im Carrer Ample änderten nach umfangreichen Umbauarbeiten ihr inneres und äußeres Aussehen. Der Luthier Estruch Rosell zog 1902 ein paar Häuser weiter in das Gebäude, in dem sich der Musikinstrumentenmacher Boisselot y Compañia in der Mitte des 19. Jahrhunderts niedergelassen hatte. Heutzutage werden dort Souvenirs verkauft. Um 1900 expandierte die Firma Boisselot y Compañia und bezog auch ein gegenüberliegendes Gebäude, wo es aktuell eine Autogarage gibt. Dort wurden nicht nur Klaviere hergestellt und verkauft, sondern in einem der Geschäfte auch Gitarren und andere Saiteninstrumente mit Zubehör angeboten. Elfenbein war für die Luthiers damals noch ein wichtiger Rohstoff, nicht nur für die Herstellung der Brücken für die Gitarren, sondern auch für Billardkugeln. Arme Elefanten!