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Herstellung und Verlag:
Books on Demand GmbH, Norderstedt
Fotos: Torge Braemer
Textausschnitte aus dem Buch „Barcelona“ von Torge Braemer
1. Auflage Juli 2016
© Torge Braemer
ISBN 978-3-7412-1381-6
Engelskulptur von Àngel Ferrant Vázquez
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Zwischen den Gebäuden des Mobil World Centers und des Banco de España stand das mittelalterliche Stadttor Portal de l'Àngel. Ähnlich einer kleinen Bastille mit einer Vormauer und zwei Durchgängen hatte es, aus der Luftperspektive betrachtet, ein fast engelhaftes Erscheinen. 1854 wurde die an der Plaça de Catalunya verlaufende Stadtmauer einschließlich der Stadttore geschliffen. Eine kleine Engelsfigur des Künstlers Ángel Ferrant Vázquez hilft, die Namensgebung des verschwundenen Mauerdurchlasses zu ergründen. Sie versteckt sich in mittlerer Höhe am Mauerring des Gebäudes des Banco de España.
Ein Engel soll hier dem Dominikanermönch Vicenç Ferrer gegenüber behauptet haben, auf die Stadt aufzupassen. Im Jahr 2019 ist 600jähriges Jubiläum dieses frommen Zusammentreffens. Vicenç Ferrer war ein einflussreicher Beichtvater spanischer Könige und ist im deutschsprachigen Raum als Vinzenz von Valencia bekannt. Auf seinen Namenstag fallen einige geläufige Bauernregeln. Eine davon lautet: „Ist Sankt Vinzenz Sonnenschein, gibt es vielen guten Wein.“ ein anderer: „Wenn Sankt Vinzent tritt in die Hall', so bringt er uns die Nachtigall“. Der Mönch hatte offensichtlich eine persönliche Ausstrahlung, die Menschen zum fröhlichen Zusammensein animieren konnte. Von den Festen und dem Gesang im Umfeld des Mönches wurde offensichtlich auch der Engel angezogen, der am Portal de l'Àngel Wachestehen wollte. Die Vermutung liegt nahe, dass dieser, trotz militärischer und könig licher Ausstrahlung, auch Gitarrenmusik mochte. Als Vicenç Ferrer Barcelona betrat, traf er wohl auf einen musikalischen Schutzengel. Es gibt unzählige Ikonen von Engeln mit Saiteninstrumenten und nur wenige, wie in diesem Fall, mit Schwert und Krone. Irrte sich Ángel Ferrant Vázquez in der Darstellung des Engels? Wollte der Engel womöglich die Stadt mit seinem Saitenspiel beschützen? Die bekanntesten Engel, wie die von Albrecht Düren und Rosso Fiorentino, schmücken keine Symbole eines Imperators, sondern Leiern und Lauten.
Das Portal de l'Àngel versinnbildlicht mit der Geschichte des Mönchen Vinzent, dem Engel, der Nachtigall und der imaginären Laute Kulturen unterschiedlicher Völker und Religionen, die hier in Barcelona musiziert haben, unter ihnen Iberer, Karthager, Römer, Goten, Araber, Franken, Juden und Christen. Die herausragendsten Saiteninstrumente waren die Barbat und die Ud mit arabischen Wurzeln, die Lyra und die Khitara mit griechischrömischen Wurzeln, die Kinnor mit jüdischen Wurzeln und die Vihuela mit christlichem Bezug. Blasinstrumente treten an dem Portal de l'Àngel aus einem simplen Grund in den Hintergrund: Engel mögen sie nicht so gern. Beim Spielen von Trompeten und Posaunen würden sich ihre Wangen zu sehr aufblähen und sie würden aufgeplustert und unvorteilhaft aussehen. Da sich solch ein Erscheinen mit ihrer Eitelkeit nicht verträgt, spielen sie lieber auf Saiteninstrumenten.
Seit 1871 ist die Plaça de Catalunya alljährlich am 24. September Schauplatz des Stadtfestes La Mercè. Dann treten zu Ehren der Schutzpatronin Mare de Déu de la Mercè Künstler aus allen Teilen der Welt auf. Wenig bekannt ist, dass der Gitarrist Alfredo Romea y Catalina 1902 besonders dazu beigetragen hat, dass sich La Mercè zu einem großen Volksfest entwickeln konnte. Er sorgte damals als Vorsitzender der zuständigen Planungskommission dafür, dass vermehrt Musiker eingeladen wurden. Mit Beginn seiner Amtszeit durften auch das erste Mal coblas auftreten. Die Kapellen aus Streich- und Blasinstrumenten begleiten Tanzgruppen bei der Aufführung des katalanischen Volkstanzes Sardana. La Mercé ist das beliebteste und größte Stadtfest geworden. Im Jahre 2013 gab es 106 Konzerte mit Musikern aus 19 Ländern, die sich auch auf fast allen Plätzen im gesamten Stadtgebiet präsentieren.