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Lisbeth Bischoff

FRAUEN

• • • • für die • • • •

KRONE

Eine neue Generation
auf den Thronen Europas

Mit 52 Abbildungen

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Besuchen Sie uns im Internet unter: amalthea.at

© 2020 by Amalthea Signum Verlag, Wien

Inhalt

Vorwort

Das Ende der Grüßonkel

Monaco

Großbritannien

Luxemburg

Liechtenstein

Dänemark

Alles Schöne sei weiblich

Kaiser, König, Edelmann

Kronprinzessin Elisabeth von Belgien

Taufzeremonie nach ganz genauen Riten

Elisabeths Großvater, der widerwillige Monarch

Thronfolgerin seit Geburt

Lebe, um zu lernen. Lerne, um zu leben

Die Skandale der Vergangenheit werden Elisabeth begleiten

Hineingeboren in das langweiligste Königshaus der Welt

Schritt für Schritt zur Königin

Elisabeth kennt die Geschichte ihres Königshauses

Liebesg’schichten und Heiratssachen, Thronfolger inklusive

Die dunkle Seite der Vorfahren

Stilgerechtes Wohnen in den Palästen

Das Wissen, vermögend zu sein

Kronprinzessin Catharina-Amalia der Niederlande

Wie erklimmt sie den Thron?

Großmutter Beatrix war als Regentin nie Königin

Die Heiratspolitik im Wandel

Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernt auch Amalia

Eine Monarchin sagt danke. Amalia wird Kronprinzessin

Krisenmanagement royal

Auch Amalia wird an Bewährtem festhalten

Willem-Alexander übernimmt das Zepter

Den Umgang mit der Presse lernt Amalia von klein auf

Vermögen in Hülle und Fülle

Der Tradition des Königshauses verpflichtet

Der Ernst der Krone beginnt 2021

Kronprinzessin Ingrid von Norwegen

Großvater Harald und sein Trotzkopf

Großvater Harald – der stille Monarch

Für Kronprinz Haakon galt noch die männliche Thronfolge

Ein freies Leben auch mit der Bürde des Throns

Mit Aufregungen im Königshaus aufgewachsen

Vater Haakon – der gleiche Trotzkopf wie Großvater Harald

Die Aufgaben am Königshof sind klar aufgeteilt

Die königlichen Residenzen sind eher bescheiden

Ingrid – Norwegens erste Königin

Kronprinzessin Leonor von Spanien

Die Regelung der spanischen Thronfolge

Großvater Juan Carlos geht als umtriebiger Monarch in die Geschichte ein

Schul- und Lehrjahre einer Infantin

Die Skandale am Königshof reißen nicht ab

Es ist ein Bub!

Eine Ära geht zu Ende

Felipe tritt ein schweres Erbe an

Spagat zwischen Tradition und Moderne

Standesgemäß wohnen

Der Thron wartet

Kronprinzessin Estelle von Schweden

Schlafend nahm Estelle die ersten Glückwünsche entgegen

Die Änderung des Thronfolgegesetzes und seine Folgen

Die Heiratspolitik der Bernadottes

Estelles aufmüpfiger Großvater, Carl XVI. Gustaf

Der Thron kann warten

Die Belastung durch Skandale der Vergangenheit

Im Fokus der Medien

Wie Vater und Mutter einander gefunden haben

Mutter Victoria ist noch in der Warteschleife

Estelle kennt die Geschichte ihres Königshauses

Hochwohlgeboren, stilvoll residieren

Bildnachweis

Namenregister

Vorwort

»Alles revoltiert«, stöhnte Ägyptens König Faruk 1948, vier Jahre vor seiner erzwungenen Abdankung. »Bald wird es nur noch fünf Könige geben: den Schippenkönig, den Kreuzkönig, den Herzkönig, den Karokönig und den König von England.« Das war etwas zu pessimistisch gedacht, aber bis heute wird diese Prophezeiung in London gerne zitiert, sieht sich das britische Königshaus doch als Leitmonarchie der Welt.

Noch gibt es allerdings zehn Monarchien in Europa. Der Staat Vatikanstadt, eine absolute Wahlmonarchie, und Andorra, das parlamentarische Fürstentum mit zwei ausländischen Amtsträgern, die die Funktion des Staatsoberhaupts ausüben, bleiben hier außer Betracht – auch wenn die Situation Andorras sehr interessant ist, fungiert doch der französische Staatspräsident Emmanuel Macron seit seinem Amtsantritt im Mai 2017 als Kofürst von Andorra. Das Amt beruht auf dem Vertrag zwischen dem spanischen Bischof von Urgell und dem französischen Grafen von Foix aus dem Jahr 1278. Die Besitztümer und Ämter der Grafen von Foix gingen 1479 auf das Hochadelsgeschlecht Navarra über, welches 1589 den französischen König stellte. Als Rechtsnachfolger der Könige Frankreichs ist der französische Staatspräsident daher automatisch Kofürst von Andorra. Doch das ist eine andere Geschichte.

In den zehn europäischen Monarchien wird sich das quantitative Verhältnis von männlichen und weiblichen Nachkommen in der nächsten Generation verschieben. Das ist bemerkenswert. Bis auf Großbritannien, Dänemark, Luxemburg, Liechtenstein und Monaco sind überall Prinzessinnen geboren worden, die dank neuer Thronfolgegesetze Königinnen werden dürfen. Die Königshäuser sind endlich im 21. Jahrhundert angekommen. All den kommenden Regentinnen ist dieses Buch gewidmet.

Das Ende der Grüßonkel

»Die europäischen Monarchien werden nach Adelsprotokoll gereiht. Für die allgemeine Rangordnung von Staatsoberhäuptern gilt das Prinzip der Anciennität* gleichrangiger Funktionsträger«, weiß Karl Urschitz, Protokollchef des Landes Steiermark von 1992 bis 2003. Abweichend davon gilt nach Adelsprotokoll als Rangordnung der Monarchien das Alter der Krone beziehungsweise der zur Krone gelangten Dynastie (unabhängig von Anciennität und Lebensalter des Monarchen). Die Betonung liegt auf Dynastie, nicht auf Haus, denn durch ein neues Haus wird die Dynastie nicht unterbrochen.

Der Begriff »Dynastie« beschreibt ein Herrschergeschlecht, das über einen längeren Zeitraum durch Macht-, Wirtschaftsund Heiratspolitik und eine gelungene Erbfolge eine kontinuierliche Besetzung der höchsten Fürstenwürde seines Landes garantiert. Unter einem »Haus« versteht man lediglich eine Familie des Herrschergeschlechts. Gute Beispiele dafür sind Maria Theresia oder Englands Queen Victoria. Der Tod Victorias beendete die Herrschaft des Hauses Hannover, die mit der Thronübernahme ihres ältesten Sohnes Edward VII. auf das Haus Sachsen-Coburg und Gotha überging, das 1917 in Haus Windsor umbenannt wurde.

Heute spielt die Frage eines neuen Hauses bei der Heirat einer Monarchin durch das offenbare Fallenlassen des Salischen Gesetzes, das Frauen von der Thronfolge ausschloss und durch Jahrhunderte strikt angewendet wurde, keine Rolle mehr. Das zeigt die große Zahl der Kronprinzessinnen in Europa.

Voraussetzung für die Erstellung der Reihenfolge ist erstens das Vorliegen eines souveränen Staates und zweitens der Zeitpunkt des Regierungsbeginns der aktuellen Dynastie. Das zweite Kriterium gilt als Grundlage für den Rang der Monarchie. Königreiche stehen dabei höher als Großherzogtümer und diese wiederum vor Herzogtümern und Fürstentümern.

Königshäuser

Regierungsbeginn der aktuellen Dynastie

Großbritannien

871

(zählte auch zu den Großmächten, siehe unten)

 

Dänemark

1448

Spanien

1700

(mit drei Restaurationen, die letzte 1975, als König Juan Carlos den Thron bestieg)

 

Niederlande

1815

Schweden

1818

Belgien

1831

Norwegen

1905

Großherzogtümer

 

Luxemburg

1890

Fürstentümer

 

Liechtenstein

1719

Monaco

1949/1633

Im Fall von Monaco erhebt sich die Frage, ob der Sohn aus der geschiedenen Ehe einer legitimierten unehelichen Tochter eines Monarchen nicht nur ein neues Haus, sondern auch eine neue Dynastie begründet. Wird eine neue Dynastie bejaht, gilt das Jahr 1949, wird ein neues Haus bejaht, das Jahr 1633.

Louis II. von Monaco (1870–1949) hatte als einziges Kind seine uneheliche Tochter Charlotte, die er 1919 legitimierte und zur Prinzessin erhob. Sie heiratete 1920 Graf Pierre Xavier de Polignac aus französischem Uradel. Aus dieser 1933 geschiedenen Ehe stammt Fürst Rainier III., der ab 1949 regierte und das Haus Polignac-Grimaldi begründete.

imageGroßmächte

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es über den Königshäusern noch eine weitere Rangkategorie: die Großmächte, zu denen Deutschland, Österreich-Ungarn, Großbritannien, Italien, Frankreich, Russland und die Türkei zählten. Für sie galt bei protokollarischen Anlässen nicht das Alter der Dynastie, sondern das Alternat*. Eine protokollarische Besserstellung von Kaisern gegenüber Königen gab es nicht.

Die Königinnen von morgen haben die besseren Voraussetzungen, ihr Königreich zu repräsentieren, »die Königinnen der Zukunft haben es echt gut«, meint Motivforscherin Helene Karmasin. »Sie können ihre Rolle viel besser ausführen, als es ein König könnte. Sie sind genau für dieses Gebiet da – für das Schöne. Sie müssen charmant auftreten, stilvoll eröffnen können, grüßen, Gastgeberinnen sein und dürfen karitativ wirken. Sie haben einfach lieb und schön zu sein und vielleicht etwas majestätisch. Da tut sich ein König mit seiner Uniform und den Orden, mit der dahinterstehenden militärischen Macht, die es ja nicht mehr gibt, als Grüßonkel gewissermaßen, schwerer.«

Monaco

Noch sind nicht überall an den Königs- und Fürstenhäusern weibliche Thronerben erwünscht. Monaco verfährt in puncto Thronfolge nach der patrilinearen Primogenitur. So ist es in Artikel 10 der monegassischen Verfassung geregelt. Thronfolger ist demnach der erste direkte und legitime Nachkomme des Fürsten mit Priorisierung der männlichen Sprösslinge im gleichen Verwandtschaftsverhältnis. In Monaco wurde das Thronfolgeproblem im Jahr 2002 mit einer Verfassungsänderung gelöst. Seit diesem Zeitpunkt darf auch ein Sohn der Schwestern von Albert II. von Monaco den Thron besteigen. Das war notwendig, denn würde ein Thronfolger fehlen, fiele Monaco an Frankreich zurück.

Die beiden unehelichen Kinder von Fürst Albert II. sind von der Thronfolge ausgeschlossen: Die 1992 geborene Tochter Jazmin Grace Rotolo ebenso wie der 2003 geborene Sohn Alexandre Coste. Thronerben müssen in einer aufrechten Ehe gezeugt werden und katholisch sein.

Der Druck, der auf Fürstin Charlène lastete, endlich ein Kind bekommen zu müssen, hatte sich mit der Verfassungsänderung aufgelöst. Diese musste allerdings doch nicht in Anspruch genommen werden, denn am 10. Dezember 2014 brachte die Fürstin auf der Entbindungsstation des Princess Grace Hospital in Monaco Zwillinge zur Welt: Gabriella Theresa Marie, geboren um 17.04 Uhr, und Jacques Honoré Rainier um 17.06 Uhr. Das änderte die Thronfolge im Fürstenhaus. Prinz Jacques wurde der neue Erbprinz von Monaco. Laut Palast erhielt er nach dem Vertrag von Péronne von 1641 den Titel Marquis von Baux. Prinzessin Gabriella wurde als Nummer zwei der Thronfolge Herzogin von Carladès.

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Fürst Albert II. und Fürstin Charlène von Monaco: Sie möchten das Märchen auf dem Grimaldifelsen fortsetzen.

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Der Fortbestand des Fürstentums ist mit den Zwillingen, Prinz Jacques und Prinzessin Gabriella, gesichert.

Das Fürstenhaus ist sehr traditionsbewusst und daher darauf bedacht, die Herrschaft der männlichen Grimaldis zu sichern. Für Prinzessin Gabriella stand also bereits vor der Geburt fest, dass sie ein Leben lang die Nummer zwei sein würde. Zeugt ihr Bruder Jacques eines Tages Kinder, verliert sie im Fürstentum weiter an Bedeutung. Da ereilt sie das gleiche Schicksal wie ihre Tante Caroline, die durch die Zwillingsgeburt in der dynastischen Hierarchie erneut zurückgefallen ist und ab da nur mehr an vierter Stelle der Erbfolge stand. Bei ihrer Geburt 1957 war sie als erstes Kind von Fürst Rainier III. und Fürstin Gracia Patricia noch Thronfolgerin. Doch das Prinzip der patrilinearen Primogenitur brachte ihren 1958 geborenen Bruder Albert an die Macht. Da spielte es auch keine Rolle, dass sie durch die Ehe mit Ernst August von Hannover zur Königlichen Hoheit avancierte, während ihr Bruder, der Fürst, nur Durchlaucht ist.

Großbritannien

Thronfolger der Monarchien Europas warten unterschiedlich lange auf die Krone. Während die einen noch die Schulbank drücken, ist einer schon im Rentenalter: Englands ewiger Thronfolger Charles (72). Kein royaler Azubi war jemals besser auf seine künftige Rolle als König vorbereitet.

Charles trägt Maßhemden zum Stückpreis von 350 Pfund, ist ein Vorreiter der Ökolandwirtschaft, Schirmherr von 425 Wohltätigkeitsorganisationen und hat zudem 20 eigene gegründet. Er hasst moderne Architektur, spricht mit seinen Pflanzen und glaubt an Homöopathie. Er besitzt kein Mobiltelefon, stattdessen wird er auf Reisen von einer Telefonistin begleitet. Ebenfalls immer dabei: Trauerkleidung für den Fall des plötzlichen Ablebens eines königlichen Verwandten. Wenn die Stunde kommt, wird Charles übernehmen, doch ein Mitarbeiter des Prinzen wurde jüngst im Magazin Time mit den Worten zitiert, Charles wolle noch »so viel Gutes tun wie möglich, ehe sich die Gefängnistore schließen«.

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Die Queen: Kein Windstoß der Geschichte konnte Ihrer Majestät innerliche Festigkeit je erschüttern.

Überspringen kommt nicht infrage, die Erbfolge unterliegt keinem Schönheitswettbewerb. So gern immer wieder Umfragen zur Nachfolge der Queen angestellt werden – sie sind irrelevant. Die Linie der Thronfolge zu unterbrechen, ist genauso abwegig wie die Vorstellung, die Queen könnte abtreten. Ohnehin müssten darüber das Parlament sowie 15 Commonwealth-Staaten, in denen die Königin neben dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland ebenfalls Staatsoberhaupt ist, entscheiden. Die Frage bleibt freilich rein theoretisch: Das Parlament würde nie den Inhaber des Throns frühzeitig in den Ruhestand schicken, es hat noch nie zwei lebende Herrscher Seite an Seite gegeben. Sollte die Queen durch Krankheit nicht mehr in der Lage sein, ihre Pflichten zu erfüllen, würde Charles kraft des Regency Act zwar Regent werden, aber nicht König, solange seine Mutter noch lebt.

Festgelegt sind die Regeln der britischen Thronfolge in der Bill of Rights von 1689, im Act of Settlement von 1701 und in der Royal Marriages and Succession to the Crown Bill von 2009. Nur das Parlament kann die Thronfolge ändern. Thronfolgeberechtigt sind alle noch lebenden, legitimen (nicht ausgeschlossenen) Nachkommen von Sophie von Hannover, jener Herzogin zu Braunschweig und Lüneburg und Kurfürstin von Braunschweig-Lüneburg, die durch den Act of Settlement ab 1701 die designierte Thronfolgerin der britischen Monarchie war.

Im Oktober 2011 beschlossen die Commonwealth-Staaten im Perth Agreement, die rund 300 Jahre alte Thronfolgeregelung zu ändern. Entscheidend wurde damit die Reihenfolge der Geburt, weibliche Nachkommen werden nicht mehr nach den männlichen Nachkommen gereiht. Diese gleichberechtigte Thronfolge gilt für Geborene seit dem 28. Oktober 2011, bei früher Geborenen bleibt alles beim Alten. Von der Thronfolge ausgeschlossen sind die Kinder unverheirateter Paare. Auch eine nachträgliche Hochzeit der Eltern ändert daran nichts.

Thronfolger dürfen eine Ehe mit einem katholischen Partner schließen, ohne, wie das früher der Fall war, von der Thronfolge ausgeschlossen zu werden. Allerdings muss der Regent als Vorsteher der englischen Staatskirche anglikanischen Bekenntnisses sein. Dieser Beschluss gilt seit dem 26. März 2015, nachdem er von allen Staaten des Commonwealth ratifiziert wurde. Durch die enge Verwandtschaft des europäischen Hochadels findet man auch regierende Monarchen anderer Staaten wie König Harald V. von Norwegen, König Carl XVI. Gustaf von Schweden und Königin Margrethe II. von Dänemark in der britischen Thronfolge.

imagePrinz Charles

Charles Philip Arthur George, Fürst von Wales, Herzog von Cornwall, wurde am 6. Februar 1952, im Alter von drei Jahren, Thronfolger. Seit dem 20. April 2011 ist er der am längsten amtierende Thronfolger. An diesem Tag stand er 59 Jahre, zwei Monate und 14 Tage bereit, um die Regentschaft anzutreten. Rekordhalter bis dahin war sein Ururgroßvater Edward VII. Er folgte nach 59 Jahren, zwei Monaten und 13 Tagen seiner Mutter, Königin Victoria, auf den Thron nach. Mittlerweile wartet Charles schon länger als 68 Jahre darauf, die Regentschaft anzutreten (Stand: August 2020).

Charles erblickte am 14. November 1948 das Licht der Welt. Ausgerechnet er, der Schüchterne, musste im Blitzlicht der Fotografen heranwachsen. Auf keinen Fall sollte er verweichlicht werden, also durfte es zu keiner Operation wegen abstehender Ohren kommen.

In seiner Biografie klagt der Thronfolger über seine »elende Kindheit«. »Ich kann mich an keine einzige Geste der Zuneigung erinnern.« Im Kindergartenalter wurde er nur zwei Mal am Tag zu einer kurzen Audienz bei seiner Mutter vorgelassen. Ein einziges Mal, erinnert sich Charles, blieb seine Mutter etwas länger bei ihm, während er von seinem Kindermädchen Helen Light-body gebadet wurde: »Sie tauchte ihre Hände nicht in das Badewasser, aber zumindest schaute sie zu.«

Weil die Nanny eine von der Queen georderte Nachspeise für Charles vom Speiseplan einfach gestrichen hatte, wurde sie von der Queen höchstpersönlich entlassen. Diese Strenge war selbst der Queen zu viel.

Auch Charles’ Vater war dem Kind keine Stütze. Bis heute hält Charles ihm vor, dass er ihn nach Schottland in ein Internat geschickt hat, wo er doch so an Heimweh gelitten habe. Queen Mum setzte sich für Charles ein, sodass er anschließend eine Schule in der Nähe von Schloss Windsor besuchen durfte. Doch Charles’ Vater sprach schließlich ein Machtwort und schickte ihn in die internationale schottische Privatschule Gordonstoun. Jene Schule, die dereinst auch Philip besucht hatte.

In seinem Abschlussjahr hatte Charles einen Zweier in Geschichte und einen Dreier in Französisch. Mit 13 Mitschülern teilte er sich ein Zimmer. Um sieben Uhr begann der Tag mit einem Morgenlauf. Morgens und abends wurde kalt geduscht, und während der 20-minütigen Mittagspause mussten die Schüler still auf dem Rücken liegen, während ein Lehrer ihnen vorlas oder Musik gespielt wurde.

Der 13-jährige Charles schrieb in einem Brief nach Hause: »Ich schlafe kaum. Weil ich schnarche, schlägt man mir ständig auf den Kopf. Es ist die absolute Hölle.«

Wahre Schreckensmeldungen in Sachen Erziehung im britischen Königshaus sind aus der Vergangenheit bekannt. Die beiden englischen Könige Edward VIII. und sein Bruder und Nachfolger George VI. wurden in ihrer Kindheit psychisch fast kaputtgemacht. Queen Elizabeth erlebte ihre Kinderjahre im Buckingham-Palast wie eine Gefangene, beinahe ohne Kontakt zur Außenwelt, mit wenigen Ausnahmen. So fuhr sie im Mai 1939 als 13-Jährige zum ersten Mal mit der Londoner U-Bahn und absolvierte einen sechswöchigen Arbeitsdienst. »Die einzige Gelegenheit, bei der ich meine Fähigkeiten mit Gleichaltrigen messen konnte«, erzählte sie Jahrzehnte später, sei die Führerscheinprüfung gewesen, die sie 1945 ablegte.

Bei Lilibeth, wie Elizabeth als Kind vom größten Teil ihrer Familie genannt wurde, wandte man jene Erziehungsmethoden an, die bei künftigen Regenten an der Tagesordnung standen. So brachte ihr zum Beispiel ihre Nanny Clara Knight von klein auf bei, den Besuch des stillen Örtchens in den Griff zu bekommen. Wenn Lilibeth dem Drang stundenlang widerstehen konnte, gab’s zur Belohnung Kekse.

Juni 1970: Ein Poloplatz nahe Schloss Windsor. Eine Ex-Freundin von Charles flüstert in dessen verschwitztes Ohr: »Ich hab die Richtige für dich gefunden. Camilla Shand, seit sechs Jahren liiert mit dem Kavallerie-Offizier Andrew Parker Bowles.« Doch Charles weiß, dass Camilla als seine Ehefrau nicht in Betracht kommt, da er nicht der erste Mann für sie ist. Sie heiratet Andrew Parker Bowles und wird zweifache Mutter.

Charles’ Wahl fiel auf die 19-jährige Kindergärtnerin Diana Spencer. Als der Kronprinz 1981 seine Verlobung mit ihr verkündete, soll ein Arzt zuvor noch Dianas Jungfräulichkeit bestätigt haben. Historisch gesehen diente dies dazu, sicherzustellen, dass die Braut nicht mit dem Kind eines anderen Mannes in die Ehe kam. So sollte das Fortleben des Adelsgeschlechts gesichert werden. In Zeiten von Vaterschaftstests und DNA-Analysen ist die Jungfräulichkeit der Braut heutzutage keine Bedingung mehr für ein Fortbestehen der Thronfolge.

Die Welt feierte das Brautpaar und schloss Diana ins Herz, als sie zwei Söhne zur Welt brachte: William und Henry, genannt Harry.

Majestäten werden nicht gewählt, das Königtum verdankt seine Macht einzig dem Erbprinzip. Daher kann ein regierendes Herrscherhaus nicht erwarten, dass das Privatleben seiner Mitglieder respektiert wird. Und so waren auch die Geburten der Kinder von Charles und Diana öffentliche Ereignisse. Direkt nach der Niederkunft wurden Queen Elizabeth II. und der jeweils amtierende Premierminister informiert. Erst im Anschluss daran durfte die Nachricht veröffentlicht werden. Eines steht fest: Schläft die Queen, gibt’s keine Bekanntgabe der Geburt.

Diana brachte ihre Kinder im Londoner St. Mary’s Hospital zur Welt. Damals war es eine radikale Entscheidung, die königliche Residenz für die Geburt zu verlassen. Queen Elizabeth II. wurde im Londoner Haus ihres Großvaters mütterlicherseits geboren. Noch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts musste der britische Innenminister bei einer königlichen Geburt zugegen sein. So auch 1926, als Elizabeth auf die Welt kam. Als ihr Sohn, Prinz Charles, 1948 geboren wurde, war dies nicht mehr der Fall. Prinzessin Diana musste ebenfalls keine königlichen Aufpasser mehr ertragen.

Charles zog sich in den Jahren der Ehe immer mehr von Diana zurück und suchte die Nähe von Camilla. Deren Ehe war zerrüttet, ihr dauergehörnter Ehemann Andrew hatte das Dasein als Alibimann endgültig satt und machte Platz für Charles. Am 9. April 2005 heiratete der Thronfolger seine Camilla. Triumph einer einst verbotenen Liebe …

Windsor war im Ausnahmezustand, alle Fensterplätze mit Blick zum Schloss waren an Fernsehstationen verkauft. Ich berichtete vor Ort für den ORF. Bei den Liveeinstiegen war hinter mir das Schloss prächtig zu sehen. Was unentdeckt blieb: Unser angemieteter Fensterplatz entpuppte sich als kleines Badezimmerfenster knapp unter der Zimmerdecke. Ich musste auf der Toilette stehen. Man hätte die Hochzeitsgesellschaft nicht gesehen, wäre ich auf dem Boden geblieben. So viel zur Bodenständigkeit in der Adelsberichterstattung …

Aus »Prinz Segelohr« ist mittlerweile ein silbermelierter Windsor geworden, der noch immer auf den Thron wartet. Niemand glaubt, wie schon erwähnt, dass die Queen auf leisen Sohlen davongehen und abdanken wird. Und geht das so weiter, wird auch William in betagtem Alter sein, wenn er einst den Thron erklimmt. Auch für George kann die Wartezeit auf den Thron lang werden.

imagePrinz William

William und Catherine versuchen, ihren Erstgeborenen bodenständig zu erziehen. Doch dieses Unterfangen dürfte nicht ganz einfach sein. Im April 2016 meinte Prinz William in einem BBC-Interview: »Ich möchte meine drei Kinder in einer glücklichen, stabilen und sicheren Welt erziehen. Das ist für uns als Eltern wichtig. Ich möchte nicht, dass George hinter Palastmauern aufwächst. Er muss draußen sein.« Und ergänzte: Um seinem Sohn so lange wie möglich ein unbeschwertes Leben zu ermöglichen, habe er ihm noch nicht erklärt, welch herausragende Rolle er eines Tages für sein Land spielen werde.

Eines Tages wird Prinz George den Thron des Vereinigten Königreiches und Nordirland besteigen. Eine Aufgabe, die sein Leben bereits in jungen Jahren prägen wird. Anzunehmen ist, dass er nach der Schulausbildung wie sein Großvater Charles und sein Vater William eine Militärlaufbahn einschlagen und immer mehr Repräsentationspflichten für das Königshaus übernehmen wird. Die beiden werden George in die Amtsgeschäfte eines Königs einarbeiten. So war es bei Großvater Charles und bei Vater William.

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Aus Prinz Charles ist ein silbermelierter Windsor geworden, der noch immer auf den Thron wartet.

Im Jänner 2020 wurden die Schulleistungen der britischen Blaublüter veröffentlicht: Demnach schloss William im Jahr 2000 seine Matura am Eton College mit einem Sehr gut in Erdkunde, einem Gut in Kunst und einem Befriedigend in Biologie ab. Sein daran anschließendes Geografie-Studium an der St.-Andrews-Universität in Schottland schloss er mit der Note 2 ab. Seine Ehefrau Catherine studierte ebenfalls in St. Andrews. Nach einem ausgezeichneten Maturazeugnis mit der Note 1 in Mathematik und Kunst und der Note 2 in Englisch beendete sie ihr Kunstgeschichte-Studium mit der Note 2. William soll ein intensives, zwei Jahre dauerndes Trainingsprogramm absolviert haben. Offenbar bekam er in Sachen britische Verfassungskunde Privatunterricht von Experten.

2019 wurde Prinz George sechs Jahre alt. Zeit, um ihn hinsichtlich seiner Ausbildung mehr zu fordern. Nach Angaben der britischen Nachrichtenagentur The Press Association besuchen er und seine Schwester die St. Thomas’s Battersea School im Süden Londons, eine exklusive Ganztagsschule, die pro Schuljahr circa 20 000 Pfund, also umgerechnet rund 21 000 Euro kostet. Verantwortung und Disziplin werden von den Kindern erwartet. Auf dem Stundenplan stehen abendlich zehn Minuten Lektüre und wöchentlich eine neue Buchstabierregel. Da George optimal auf sein späteres Leben vorbereitet werden soll, wird er auch in dem Fach PSHCE (Personal, Social, Health and Citizenship Education) unterrichtet, das sich auf persönlicher und sozialer Ebene mit den Schülern auseinandersetzt. Die Philosophie der Schule lautet: Jedes Kind hat das Recht, gesund und sicher zu sein, zu genießen und einen positiven Beitrag zu leisten.

Williams Kinder haben das Glück, in einer liebevolleren Umgebung aufzuwachsen als die Kinder der Queen. Prinz Charles’ Welt dominierten Kindermädchen. Als die Queen und ihr Ehemann Philip 1953 auf eine sechsmonatige Auslandsreise gingen, ließen sie den fünfjährigen Charles allein in London zurück.

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Prinz William möchte nicht, dass George hinter Palastmauern aufwächst. Er muss draußen sein.

Ganz anders erlebten die beiden Söhne von Charles und Diana, William und Harry, ihre Kindheit. Diana hatte stets eine sehr enge Beziehung zu ihnen, sie brach mit Konventionen und trachtete, rechtzeitig zu Hause zu sein, um ihre Kinder ins Bett zu bringen. William und Catherine nahmen im April 2014 den damals erst wenige Monate alten George kurzerhand auf eine Reise nach Australien mit. George und seine Schwester wachsen ohne den Drill, die Härte und Disziplin, die ihre Ahnen noch erfuhren, auf.

Traditionell war der Vater eine Respektsperson, dessen bloße Anwesenheit schon Angst einflößte. Die Queen, damals noch Prinzessin Elizabeth, und ihre jüngere Schwester Margaret mussten sich von ihrem Großvater, König George V., jeden Abend rückwärts schreitend und unter ständigem Knicksen mit den Worten »Wir wünschen Eurer Majestät eine friedliche Nachtruhe« verabschieden. Ein Satz von König George V. macht nachdenklich: »Mein Vater, Edward VII., hatte Angst vor seiner Mutter, Queen Victoria. Ich hatte Angst vor meinem Vater, und ich werde verdammt noch mal dafür sorgen, dass meine Kinder Angst vor mir haben.« Welche Folgen dies für seinen Sohn Albert, den späteren König George VI., hatte, wissen wir aus Geschichtsbüchern, aber etwa auch aus dem Film The King’s Speech: George VI., ein gehemmter Mann, stotterte seit seiner Kindheit heftig und versuchte, diesen Sprachfehler mithilfe eines Logopäden loszuwerden.

Queen Mum und König George VI. führten eine wunderbare, liebevolle Ehe. Sie half ihm bei seinen vielen psychischen Problemen, stützte und unterstütze ihn, er war der treueste Ehemann und ein äußerst treu sorgender Vater.

Straffe Erziehungsmethoden kennt man auch aus dem Hause Habsburg. Graf Leopold Gondrecourt war für die Ausbildung von Kronprinz Rudolf verantwortlich. Rudolf war schon bei seiner Geburt zum Oberst ernannt worden und sollte zum Soldaten erzogen werden. Die Abhärtungsmaßnahmen Gondrecourts hinterließen psychische Schäden. Der dreijährige Kronprinz wurde durch Pistolenschüsse und Kaltwassergüsse aus dem Schlaf gerissen und musste stundenlang exerzieren. Mit sechs Jahren sperrte ihn der Erzieher allein in den Lainzer Tiergarten und rief ihm über die Mauer zu: »Gleich kommt ein Wildschwein.« Der kleine Thronfolger schrie und glaubte, um sein Leben laufen zu müssen. Kaiserin Elisabeth drohte, ihren Mann Franz Joseph zu verlassen, wenn diese Erziehungsmaßnahmen nicht geändert würden. Zwar mit Erfolg, aber die seelischen Schäden bei Kronprinz Rudolf waren nicht mehr zu beheben.

Die Kindererziehung am preußischen Hof machte ebenso von sich reden. König Friedrich Wilhelms Sohn, Kronprinz Friedrich, hatte bereits mit 14 Jahren eine eigene Wohnung und einen eigenen Hofstaat. Doch der Drill begann beim Lernen: Mathematik, Kriegswissenschaft, Artillerie, Ökonomie, Geschichte, Völkerrecht, Geografie … Sportliche Aktivitäten waren erlaubt, verboten dagegen Opernbesuche, Kartenspielen oder gar das Schielen zu jungen Damen. Der strenge Vater unterstrich die Verbote mit dem Rohrstock und sagte: »Ich mag keinen effeminirten Kerl leiden, der keine mennliche Inclinationen hat.« Keine Memmen, sondern richtige Kerle sollten herangezogen werden.

imageDer Cleveland-Street-Skandal & Jeffrey Epstein

»Männlichkeit« war auch Thema am britischen Königshof: Der Cleveland-Street-Skandal im viktorianischen England sorgte dafür, dass Homosexualität lange Zeit in Großbritannien als »adeliges« Laster bezeichnet wurde. Als die Polizei 1889 ein Bordell für Männer in der Cleveland Street aushob, stellte sich heraus, dass der englische Hochadel, hohe Hofbeamte sowie höhere Militärs dort ein und aus gingen. Die diesbezüglichen Untersuchungen und in der Folge Gerichtsverfahren wurden von oben vertuscht. Die öffentliche Stimmung richtete sich gegen das Königshaus und den Adel, als bekannt wurde, wie milde die Strafen waren, beziehungsweise dass die Earls straffrei ausgingen.

Prinz Albert Victor, genannt »Eddy«, ein Enkel von Queen Victoria, soll ebenfalls unter den Kunden gewesen sein. Besagter Prinz genießt bis heute einen schrecklichen Ruf: Er wird unter anderem auch mit dem Kriminalfall Jack the Ripper in Verbindung gebracht – eine Fantasie, die heute noch Hollywood beflügelt. Der junge Mann war bisexuell und jedenfalls sehr eigenartig. Als er 27-jährig starb, zeigte sich sogar die Königsfamilie erleichtert, dass Eddy nicht Herrscher werden würde. Bis zu seinem frühen Tod stand er nach seinem Vater, Edward VII., an zweiter Stelle der Thronfolge der britischen Monarchie.

2011 fand sich das britische Königshaus erneut in Zusammenhang mit einem Sexskandal in den Schlagzeilen. Anlass waren die Verbindungen von Prinz Andrew zu dem US-Geschäftsmann Jeffrey Epstein, einem verurteilten Pädophilen. Es tauchten pikante Bilder aus dem Jahr 2001 auf, die Andrew mit einer 17-Jährigen zeigten. Sie hatte ausgesagt, es habe zu ihren »Pflichten gehört, sich von Epsteins erwachsenen Freunden, darunter Mitglieder von Königshäusern, sexuell benutzen zu lassen«. Prinz Andrew geriet unter Beschuss. Aufgrund der Kritik an seinen zweifelhaften Kontakten gab Prinz Andrew am 22. Juli 2011 seine Rolle als Außenhandelsbeauftragter der britischen Regierung auf. Er verzichtete auf die offizielle Bezeichnung, trat aber weiter im Ausland für die Wirtschaftsbeziehungen seines Landes ein.

Acht Jahre danach drohte Prinz Andrew wieder Ungemach in Sachen Epstein. Im Rahmen der Ermittlungen gegen den US-Amerikaner belastete Virginia Roberts Giuffre, eines der Opfer Epsteins, den Prinzen. Sie sagte aus, sie habe auf Druck Epsteins mit dem Prinzen geschlafen. In den USA gilt Sex mit Minderjährigen als Straftat und wird mit bis zu fünf Jahren Gefängnis geahndet.

Der Palast wies alle Vorwürfe zurück. Ein Interview, das Andrew der BBC gab und in dem er alle Schuld von sich wies, wurde zum PR-Desaster. Er fand keine Worte für die Opfer, betonte wiederholt, er kenne Virginia Roberts Giuffre gar nicht, und ein Foto, das Andrew mit dem Opfer angeblich in der Tatnacht zeige, sei fake. Und er verteidigte seine Freundschaft zu Jeffrey Epstein.

In der Folge zog sich der Prinz unter Druck von allen Ämtern zurück. Er war immerhin Schirmherr von rund 230 Wohltätigkeitsorganisationen. Darüber hinaus strich ihm die Queen seine Apanage. Ganz PR-Profi, wusste sie auch, wie man solchen Bad News am besten begegnete: mit Liebesgeflüster. Ihre Enkelin, Prinzessin Beatrice, Tochter von Prinz Andrew, gebe demnächst ihre Verlobung mit Graf Edoardo Mapelli Mozzi bekannt, ließ man die internationale Presse wissen. Und so geschah es.

Das amouröse Manöver konnte allerdings nicht von den aufsehenerregenden Ärgernissen ablenken.

imagePrinz Harry & Meghan