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Originalcopyright © 2013 Südpol Verlag, Grevenbroich

Autorinnen: Andrea Poßberg, Corinna Böckmann

Illustrationen: Corinna Böckmann

E-Book Umsetzung: Leon H. Böckmann, Bergheim

ISBN: 978-3-943086-63-8

Alle Rechte vorbehalten.

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Inhalt

Papagei gefunden

Überraschungspaket

Entdeckung im Zooladen

Einbruch im Tierheim

Beratung auf dem Hausboot

Ein alter Bekannter

Geheimnisvolle Pakete

Voll daneben!

Verfolgung auf der Tierbörse

Fahrt ins Ungewisse

Ein neuer Verdacht

Im Keller der Tierschmuggler

Unter falschem Namen

Eingebuchtet!

Piratenkuchen für alle

»Ein Spix-Ara, das könnte es sein!« Begeistert schlug Jannik mit der Hand auf die Schreibtischplatte. Vor Schreck sprang seine kleine weiße Ratte Fiona, die neben dem Com­pu­terbildschirm an einem Keks geknabbert hatte, auf die Tastatur.

»Das ist ja Wahnsinn!« Aufgeregt beugte sich der Junge wieder vor den Bildschirm, um die Ergebnisse seiner Internet-Suche zu lesen. »Hör dir das mal an, Fiona: Hier steht, dass es weltweit nur noch ganz wenige Exemplare gibt, und in freier Wildbahn sind die Spix-Aras schon ausgestorben!« Er versuchte gerade herauszufinden, zu welcher Art der hübsche blaugefiederte Papagei gehörte, den die Feuerwehr vorhin zu ihnen ins Tierheim gebracht hatte. Spaziergänger hatten den Vogel auf einem Baum im Stadtpark entdeckt.

Plötzlich ließ ein lautes Krachen Jannik und Fiona zusammenzucken. Es schepperte, klirrte und knirschte, als hätte sich gerade ein besonders dicker Elefant mitten auf ein Auto gesetzt.

Frau Engel, die Leiterin des Tierheims, stieß die Tür auf und rannte ans Fenster. »Oh nein!«, rief sie. »Das darf nicht wahr sein!«

Jannik sprang auf und lief zu ihr. Ein Elefant war zwar nicht zu sehen, aber mit dem Auto hatte er gar nicht so falsch gelegen: Der große rote Leiterwagen der Feuerwehr war beim Zurücksetzen auf dem Parkplatz in den weißen Golf der Tierheimleiterin gekracht.

Verena Engel starrte auf den Blechhaufen, der nur noch entfernt an ihr Auto erinnerte. Das Feuerwehrauto war eindeutig stärker gewesen.

»Fahren können Sie damit wohl nicht mehr«, meinte Jannik trocken.

Die Tierheimleiterin schüttelte fassungslos den Kopf. »Ich wollte das Auto doch verkaufen ... Und zwar heute Nach­mit­tag, das ist doch nicht möglich!« Sie ließ sich auf einen Stuhl sinken. »Und ich hab für mein neues Auto schon den Kauf­vertrag unterschrieben, wovon soll ich das denn jetzt bezahlen?!«

»Dann lassen Sie sich doch einfach von der Feuerwehr fahren«, versuchte Jannik einen Witz, aber Frau Engel war über­haupt nicht nach Lachen zu Mute. Sie starrte aus dem Fenster und schwieg.

Aus den Volieren im Nebenraum ertönte lautes Vogel­gezwitscher und von draußen war das Bellen der Hunde in den Zwingern zu hören.

»Frau Engel, ich glaube, dass der Papagei, den die Feuer­wehr uns gebracht hat, ziemlich wertvoll ist!« Jannik war zwar klar, dass der Zeitpunkt für seine sensationelle Ent­hüllung denkbar schlecht war, aber er konnte es einfach nicht mehr für sich behalten. »Das ist ein Spix-Ara, davon gibt es nur noch ganz wenige auf der Welt!«

»Ein Spix-Ara?«, murmelte Frau Engel geistesabwesend. »Das halte ich für unwahrscheinlich.«

»Aber ich habe mir die Bilder im Internet genau angesehen«, beharrte Jannik. »Ein Spix-Ara hat komplett blaue Federn, ist am Kopf ein bisschen graublau und die Jungtiere haben am Schnabel einen weißen Längsstreifen. Genau wie bei unserem!«

Frau Engel schien sich nicht sonderlich für seine begeisterten Ausführungen zu interessieren. Sie beobachtete den Fahrer des Feuerwehrwagens, der jetzt auf das Bürogebäude zugestiefelt kam.

Es klopfte zaghaft an der Tür und ein zerknirscht dreinblickender Feuerwehrmann trat ins Büro des Tierheims. Er räusperte sich. »Wissen Sie zufällig, wem das weiße Auto ...«

»Ja, mir gehört es!«, unterbrach Frau Engel ihn wütend. »Es ist mein Auto! Und ich habe heute Nachmittag einen Termin mit einer Frau, die das Auto kaufen wollte! Das kann ich wohl vergessen!«

»Oh«, sagte der Feuerwehrmann nur und blickte verlegen auf den Boden. »Tut mir wirklich leid.«

»Ja, mir auch!«, entgegnete Frau Engel barsch und wandte sich an Jannik. »Ich glaube, ich habe mit dem Herrn hier einiges zu klären. Kannst du dich bitte schon mal um das Futter für die Hunde kümmern?«

»Klaro!« Jannik nickte und flitzte aus dem Büro.

Seit gut einem Monat arbeitete er ehrenamtlich im Bieber­heimer Tierheim. Der langgestreckte graue Flachbau aus den siebziger Jahren lag etwas außerhalb der Stadt und beherbergte zahlreiche Wellensittiche, Kanarienvögel, Hun­de, Katzen, Hamster, Kaninchen, zwei Wüstenrenn­mäu­se und seit heute auch einen Papagei. Die Feuerwehr brachte oft entflogene Vö­gel oder herumstreunende Hunde und Katzen ins Tierheim, die hier auf eine neues Zuhause warteten. Manchmal kam es auch vor, dass Tiere von ihren Be­sitzern abgegeben wurden, weil sie keine Zeit mehr für sie hatten.

Zweimal in der Woche radelte Jannik nach der Schule hierher, um bei der Fütterung der Tiere und beim Reinigen der Käfige zu helfen, oder er ging er mit einem der Hunde spazieren. Inmitten der vielen Tiere fühlte er sich pudelwohl.

Frau Engel war anfangs nicht gerade begeistert gewesen, dass Jannik seine Ratte Fiona ins Tierheim mitbrachte, aber dann hatte sie sich doch davon überzeugen lassen, dass Fiona gesund und gepflegt war und keinen Unfug anstellte. Die meiste Zeit verbrachte die kleine Ratte sowieso in Janniks Jackentasche.

Es klingelte an der Eingangstür. Eine Frau und zwei kleine Mädchen wollten sich nach einer Katze umschauen. Hinter ihnen versuchte Dirk Wolf sich mit zwei großen Kar­tons auf dem Arm einen Weg zu bahnen. Er war der Inhaber der örtlichen Zoofachhandlung und versorgte das Tierheim mit Futter. Herr Wolf brachte die beiden Kisten in den Vor­ratsraum und eilte dann ins Büro zu Frau Engel.

Jannik zeigte der Frau und den beiden Mädchen die Katzen­zimmer, in denen die Samtpfoten untergebracht waren, und bat sie, einen Moment auf Frau Engel zu warten. Zielsicher steuerten die Mädchen auf eine hübsche, rotgestreifte Katze zu, die vor einigen Tagen Junge bekommen hatte. Die Katzenmutter war mit ihren Kleinen in einem eigenen Raum untergebracht, der durch eine Glasscheibe abgetrennt war.

»Mami, guck mal, sind die süüüß!« Die beiden Mädchen brachen in Entzückungsschreie aus, als sie die fünf kleinen Kätzchen entdeckten, die übereinanderkugelten.

Es klingelte ein zweites Mal und Jannik eilte wieder zurück zur Tür. Ein kleiner, stämmiger Mann war auf der Suche nach einem entflogenen Nymphensittich.

»Tut mir leid«, entgegnete Jannik freundlich. »Einen Nymphensittich haben wir im Moment nicht. Aber dafür einen Papagei«, fügte er stolz hinzu.

»Ich guck mir die Vögel mal an«, sagte der Mann mürrisch und drängte sich an Jannik vorbei. »Wo sind die?«

Jannik wies dem Mann die Richtung, in der die Vogelvolieren standen, und lief dann schnell zum Büro. Um den unfreundlichen Kerl konnte sich Frau Engel selber kümmern. »Frau Engel, da ist eine Familie, die eine Katze haben möchte, und ein Mann schaut sich die Vögel an«, keuchte er und holte erst mal Luft.

»In Ordnung, ich komme«, antwortete Frau Engel und ging zur Tür. Im Gehen wandte sie sich zu Jannik um. »Kannst du mir einen Gefallen tun? Herr Wolf hat das Futter für die Welpen von Bonita vergessen, könntest du das morgen nach der Schule mitbringen? Dann muss Herr Wolf nicht extra noch mal zu uns rausfahren.«

Dirk Wolf klimperte ungeduldig mit seinen Auto­schlüs­seln. »Ich muss weiter. Bis morgen dann.« Er nickte Jannik und Frau Engel zu, eilte aus dem Büro und ließ die Eingangs­tür geräuschvoll hinter sich zufallen.

Das laute Bellen der Hunde erinnerte Jannik wieder an seine Aufgabe, die Vierbeiner zu füttern. Er ging zum Vorratsraum, wuchtete den schweren Sack mit dem Hunde­futter auf eine Schubkarre und schnappte sich die Liste, auf der stand, was und wie viel jeder Hund zu fressen bekam. Dann schob er die Karre schlingernd zu den Hundezwingern, worauf das Gebell ohrenbetäubend laut wurde. Die Hunde standen mit den Vorderpfoten am Gitter, jaulten und ließen Jannik nicht mehr aus den Augen.

Der kleine Dackel Freddie bellte wie immer am lautesten von allen und Nanouk, der Husky, heulte sein wildes Wolfsheulen, als Jannik die quietschende Schubkarre im Gang abstellte.

Dackel Freddie bekam als erster seine Futterration, dann waren der Schäferhund Ronaldo und Poldi, ein kleiner schwarzer Kurzhaarmischling mit braunem Knickohr, an der Reihe. Jannik kannte in kürzester Zeit alle Katzen und Hunde mit Namen, auch wenn Frau Engel ihn davor gewarnt hatte, die Tiere zu sehr ins Herz zu schließen, denn das Tierheim sollte ja nur eine Zwischenstation für sie sein. Alle warteten hier auf einen neuen Besitzer.

Hoffentlich kommst du nicht zu so einem unfreundlichen Kerl, dachte Jannik und tätschelte Ronaldos Kopf. Verstohlen musterte er den Mann, der jetzt vor der großen Außenvoliere stand. Er schien Janniks Blick zu spüren, denn er drehte sich um und starrte den Jungen kurz an. Dann ging er grußlos zum Tor und verschwand.