ROMAN
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe
des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
Originalausgabe
Copyright © 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln
Titelillustration: © Guter Punkt, Anke Koopmann
unter Verwendung von Motiven von
© iStockphoto/Priisk und shutterstock/AlexGreenArt
Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München
eBook-Produktion: Urban SatzKonzept, Düsseldorf
ISBN 978-3-7325-3053-3
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Für Sarah.
Jetzt und immer.
Als Madame Weltfremd die Eingangstür der Chocolaterie Schokoladengold aufschloss, standen die Sterne bereits stechend klar am Nachthimmel. Das Lichtermeer aus tausend Himmelskörpern warf einen unwirklichen Schimmer über die schneebedeckte Talstadt Silberglanz und erhellte dort, wo das silbrige Licht auf das Eis traf, eine kalte Schönheit.
Seit sich die Dunkelheit über die Stadt gesenkt hatte, war es still in den Straßen geworden, so still, dass ein einzelner, falsch gesetzter Schritt durch die ganze Siedlung schallen konnte und jeder Atemzug schwer klang. Schneeberge säumten die Straßen wie Schutzwälle. Sie erschwerten das Vorankommen in den Gassen, auf dem Marktplatz und zu den Eingängen der Häuser. Manchmal wussten die Menschen kaum noch, wohin mit den Schneemassen, die der Himmel mit geduldiger Regelmäßigkeit Tag für Tag von oben auf das Land Glanzvoll hinabwarf, als wolle er es unter einer makellos weißen Decke ersticken. Aus dem einstigen bloßen Naturschauspiel war etwas Bedrohliches geworden, etwas, das man lieber durch die Glasscheiben eines sicheren Zuhauses beobachtete.
Auch vor der Chocolaterie türmten sich Schneehaufen, doch sie waren nicht so hoch wie anderswo. Madame Weltfremd schlüpfte rasch durch die Tür und zog sie fest hinter sich ins Schloss. Schon ein einziger Windhauch konnte die mühsam in den Häusern bewahrte Wärme zerstreuen. Gerade heute war es wichtig, diese Wärme zu halten, daher entsorgte sie die verkohlte Glut und schürte mit frischen Holzscheiten das Feuer im Ofen neu, bis es heiß und hell prasselte. Rings um den Ofen legte sie dicke Teppiche auf dem Boden aus und zündete Wachskerzen an, bis der Raum sanft erleuchtet war. Sie füllte Pralinen und kleine, splittrige Schokoladenstücke in Tonschalen und verteilte sie auf dem Boden, auf dem ihre Gäste bald Platz nehmen würden.
Obwohl die ganze Stadt wusste, dass in ihrem Laden heute eine der seltenen Geschichtennächte stattfinden würde, hängte sie sorgsam das Schild »Geöffnet« an die Tür und trat einen Schritt zurück. Bald würden die ersten Menschen kommen, die meisten davon Kinder und junge Erwachsene, die die Kunst des Geschichtenerzählens kaum noch – wenn überhaupt – kannten. Madame Weltfremd entstammte einer uralten Familie von Geschichtenerzählern, deren Stammbaum im Laufe der Jahrhunderte derart ausgedünnt war, dass kaum noch jemand von ihnen übrig war. Die Fertigkeit des Geschichtenerzählens war mit der Zeit zu etwas geworden, das man besser verbarg, denn in den Geschichten lebten Wissen und Geheimnisse, die manche Menschen am liebsten begraben sehen wollten.
Die letzte Geschichtennacht war daher über drei Jahre her. Obwohl die Menschen sie immer wieder drängten, ihnen mehr von der Welt jenseits des ewigen Winters zu erzählen, hatte die Madame gezögert. Sie wusste, dass sie in diesen Nächten ein gefährliches Wagnis einging, wenn sie den Einwohnern von anderen Ländern und Sitten, von Helden und Tyrannen und verzauberten Sagengestalten erzählte. Der Herrscher von Glanzvoll, der alte König Marcus, sah in diesen Geschichten nichts als falsche Hoffnungen, die sie für sich behalten sollte. Vielleicht sah er in ihnen sogar eine Gefahr, sah Wahrheiten, die unausgesprochen bleiben sollten.
Als Madame Weltfremd das erste Läuten vernahm, mit dem sich die Besucher ihres Ladens beim Öffnen der Tür ankündigten, und ihr die ersten erwartungsvollen Mienen entgegenstrahlten, wusste sie, dass es richtig war, dieses Risiko einzugehen. Die Menschen, die sich in ihren zerlumpten Kleidungsfetzen aus Leinen und Fell nach und nach auf die Teppiche setzten, wirkten verhärmt und ausgezehrt. Die Kinder, die die vorderen Reihen für sich beanspruchten, hatten weniger Fleisch auf den Knochen als so mancher Straßenhund. Es war ein Bildnis von Armut und schlechten Zeiten.
All das nahm Madame Weltfremd wahr, als sie sich auf den gepolsterten Ohrensessel neben dem Ofen setzte und eine kleine Öllampe näher zu sich schob. Öl war in der Stadt Silberglanz ebenso rar wie die meisten Dinge in den Räumen der Chocolaterie. Ihre normale Kundschaft gehörte zur wohlhabenden Oberschicht der Stadt. Der König selbst schickte von Zeit zu Zeit nach ihren Kreationen aus Schokolade.
Aber Geschichten, dachte sie, Geschichten bezahlt man nicht mit Geld. Man bezahlt sie mit Zuhören, mit Staunen, mit Mitfiebern, mit Hoffen und Bangen. Die beste Entlohnung für einen wahrhaften Geschichtenerzähler war die ungeteilte Aufmerksamkeit der Menschen, waren schnell schlagende Herzen und vor Aufregung feuchte Hände, waren Tränen und Lachen.
Viele Wochen hatte sie gegrübelt, welche Geschichte sich für eine Nacht wie diese wohl am besten eignen mochte: eine Geschichte, die den Menschen ein Lachen ins Gesicht zauberte, die ihnen, für eine kurze Zeit wenigstens, Glück schenkte? Oder eine, die voller Dramatik war und sie eine Weile von den eigenen Nöten ablenken würde? Eine voller Liebe und Schmerz? Oder eine voller Sehnsucht nach Orten, die man nicht kannte? Eine, die einen Funken Wahrheit enthielt?
Die Tür öffnete und schloss sich im Minutentakt, und jedes Mal ertönte das Läuten, das neue Gäste ankündigte. Die Anwesenden unterhielten sich leise, auch die Kinder tuschelten hinter vorgehaltenen Händen. Es lag beinahe etwas Feierliches in der Luft. Schließlich war die Chocolaterie gefüllt, und die letzten Ankömmlinge nahmen auf den blanken Holzdielen Platz.
Die Madame ließ den Blick über jedes einzelne Gesicht streifen, und obwohl sie jedes davon kannte oder zumindest schon einmal flüchtig gesehen hatte, blieb ihre Miene ernst. Bald verstummten die Unterhaltungen, und eine greifbare Anspannung legte sich über die Anwesenden.
Madame Weltfremd wusste nun, was für eine Geschichte sie erzählen würde. »Es war einmal ein altes Königreich«, begann sie ohne eine Begrüßung. Ihre Stimme war nicht übermäßig laut, dennoch verstand man sie bis in den letzten Winkel des Zimmers. Ihr Ton war sanft und eindringlich zugleich. Eine gute Geschichte erzählte man nicht nur mit Worten; sie bestand auch aus Botschaften zwischen den Zeilen, aus kurzen Pausen und sorgfältig ausgewählten Betonungen, aus wohl gesetzten Gesten.
»Dieses Land war so alt, dass seine Existenz schon beinahe vergessen war, bevor das erste Geschichtsbuch geschrieben wurde. Es ähnelte unserem Land in vielerlei Hinsicht; die Sitten und Bräuche der Menschen waren wie die unseren. Nur der Winter war nicht beständig, sondern wechselte sich mit dem Sommer in vollendeter Gleichmäßigkeit ab.«
Ein leises Raunen ging durch die Reihen der Zuhörer. Sie alle kannten den Sommer aus Erzählungen, aus den Erinnerungen der Ältesten, aber niemand konnte sich wirklich vorstellen, wie die Sonne hoch am Himmel stand und Pflanzen und Bäume aus dem Boden sprossen. Wie es war, wenn die Welt zum Leben erwachte, wenn sie in Farben getaucht wurde und abertausend Tierarten Wald und Wiesen bevölkerten. Der Sommer war ein Märchen, genauso fantastisch wie die Geschichten von wilden Ungeheuern und tapferen Helden.
»Zu jener Zeit war die Magie noch nicht von dieser Welt verschwunden. Zauberer und Hexen lebten frei und unbescholten in unseren Landen und hielten die Welt im Gleichgewicht. Viele von ihnen schlossen sich großen Adelsfamilien an, berieten sie in politischen, medizinischen und weltlichen Dingen oder dienten einfach zur Unterhaltung am Hofe. Einer dieser Adeligen war Rufus, der als gewaltiger Krieger berühmt geworden war. Er stand im Dienste des Königs und hatte in seinem Namen viele Kriege gegen die Feinde des Königreichs gewonnen. Obwohl ihn der König für seine Taten mit vielen Ehrungen belohnen wollte, lehnte Rufus diese stets ab, denn er war ein Mann von Bescheidenheit und Loyalität. Insgeheim gab es nur eine Sache, die er sich innig wünschte: eines Tages das Herz der klugen und schönen Zauberin Sara zu erobern, in die er vom ersten Blick an unsterblich verliebt gewesen war.
Die Zauberin wurde auf den jungen Krieger aufmerksam, als seine Taten am Hofe bekannt wurden. Auch erkannte sie die Güte und Sanftheit hinter der harten Fassade des Kriegers, und fortan verbrachten sie viel Zeit miteinander. Sie vergaßen das Verrinnen der Stunden, wenn sie zusammen waren. Jedes Mal, wenn Rufus wieder in den Krieg zog, wartete Sara geduldig und betete, dass er gesund und wohlbehalten zu ihr zurückkehrte.
Als er nach seiner schrecklichsten Schlacht schwer verwundet nach Hause kam, bangte Sara viele Tage um sein Leben, denn es stand schlimm um den Krieger. Nur knapp hatte ein Pfeil sein Herz verfehlt. Doch Rufus war stark, und er gewann auch die Schlacht gegen den Tod. Als er die Augen aufschlug und in Saras Gesicht blickte, wusste er, dass er nicht länger warten konnte, sie zu seiner Frau zu nehmen. Das Leben war zu kurz, um einen weiteren Tag im Dienst des Todes zu verbringen. Er wollte fortan mit Sara in Frieden leben. Keine weiteren Kriege mehr, kein Schmerz, kein Mord und Totschlag für den Ruhm anderer Männer.
Doch als er vor seinen König trat und ihm den einzigen Wunsch vortrug, den sein Herz in all den Jahren gehabt hatte, zögerte der König. Der machtgierige Herrscher wollte den Wunsch ablehnen, wagte es aber nicht, seinen Widerwillen offen zu zeigen, um seinen besten Soldaten nicht zu verlieren.
›Mein treuster Krieger‹, begann der König daher, ›zu gern würde ich dir deinen Herzenswunsch gewähren. Ich fürchte jedoch, dass die Zauberin Sara so mächtig und so klug ist, dass ich sie nur dem gütigsten, mutigsten und bescheidensten Mann zur Heirat überlassen kann. Ziehe hinaus in die Welt und beweise mir, dass du diese drei Eigenschaften besitzt. Dann will ich dir die Ehe gewähren, und du sollst dich zur Ruhe setzen dürfen.‹
Rufus brach schon bald in Verzweiflung aus. Er hatte so viele Kriege geführt und Schlachten gewonnen, dass er nicht wusste, welcher Aufgabe er sich noch stellen konnte, um sich zu beweisen. Wie viele Jahre würden ins Land ziehen, bis er die Forderung seines Königs erfüllt hätte? Wäre er dann nicht längst ein alter Greis?
Viele Tage grübelte er. Es gab etliche Ungeheuer im Königreich, die er töten, etliche angrenzende Reiche, die er erobern konnte. Aber bewies er sich damit? Dann überkam ihn eine tiefe Ruhe, und er wusste, wie er dem König die geforderten Eigenschaften zeigen konnte.
Abermals trat er vor den Herrscher, der überrascht war, ihn so rasch wieder zu Füßen seines Thrones zu erblicken. Mit seiner Herausforderung, so hatte er gedacht, wäre Rufus jahrelang beschäftigt.
›Mein treuster Krieger‹, begann der König abermals. ›Hast du die Beweise erbracht, die ich dir als Bedingung für meine Zustimmung genannt habe?‹
›Das habe ich‹, sprach Rufus mit kräftiger Stimme. ›Meinen Mut habe ich all die Jahre in Euren Kriegen bewiesen, in jedem Kampf aufs Neue.‹
Der König wollte ihn erbost zurechtweisen, doch Rufus fuhr rasch fort: ›Und was kann es Gütigeres geben, als sich den Frieden zu wünschen und jeden Krieg abzulehnen? Ist der Frieden nicht die reinste Form von Güte?‹
Rufus sank auf die Knie und senkte den Kopf. ›Ein bescheidener Mann bin ich wahrlich nicht, mein König, denn ich bitte um die Hand der klügsten und schönsten Frau auf Erden. Ich bin es, der um Eure Bescheidenheit, um Euren Mut und um Eure Güte bitten muss.‹
Der König lauschte seinen Worten, aber statt ihm seine Zustimmung zu gewähren, lachte er ihn höhnisch aus. ›Wie kannst du dich anmaßen zu glauben, du könntest ein besseres Urteil als ich fällen. Beweise dich an den Grenzen des Reichs, beweise dich, indem du das Reich schützt. Ich brauche dich, um mein Reich auszudehnen und weitere Länder zu erobern. Dein Lohn sollen nie endender Ruhm und Ehre sein. Man wird eines Tages Lieder über deine Taten singen und dich als Held verehren. Du wirst unsterblich sein. Vergiss die Liebe und nimm deinen Platz wieder dort ein, wo er für dich bestimmt ist.‹
Rufus aber zögerte, den Befehlen seines Herrschers Folge zu leisten. Und weil Rufus zögerte, nahm der König Sara selbst zur Gemahlin, um Rufus’ Herz zu brechen und ihn für seinen fehlenden Gehorsam zu bestrafen.«
Ein unglückliches Seufzen durchströmte die Menge. Im Kerzenschein sah Madame Weltfremd Tränenspuren auf vielen Gesichtern. Sie selbst verspürte Traurigkeit. Geschichten konnten einen direkt ins Herz treffen, selbst wenn man nicht wusste, wie viel Wirklichkeit tatsächlich in ihnen steckte. Menschen waren Geschichten, und Geschichten waren Menschen, deshalb konnte das eine das andere auf eine Weise berühren, die nur das Herz verstand.
»Rufus’ Herz zersprang in abertausend Teile, die der Wind über das ganze Land verteilte. Manchmal finden wir heute hin und wieder ein Stück davon und halten es für eine Spiegelscherbe, in der wir unseren eigenen Schmerz sehen können«, fuhr Madame Weltfremd leise fort. »Rufus, der Glorreiche, der einst solch ein großer Krieger gewesen war, verfiel in seiner Verzweiflung dem Wahnsinn. Er wandte seine ganze Kraft gegen seinen König und zerstörte alles, was diesem lieb und teuer war. Zuerst brannte er Stadt und Schloss nieder und zog eine Spur der Verwüstung durch das Land. Am Ende durchschnitt er Saras Kehle, denn wenn er die Zauberin nicht besitzen konnte, dann sollte es niemand sonst, erst recht der verhasste König nicht. Doch als er sah, wie das Licht, das er über Jahre hinweg so abgöttisch geliebt und gehütet hatte, in Saras Augen erlosch, wurde ihm das Ausmaß seiner Taten gänzlich bewusst. Er fiel neben ihrem toten Körper nieder und weinte, bis keine Tränen mehr übrig waren, die er weinen konnte. Er nahm seine tote Geliebte auf den Arm und trug sie einen Berg hinauf. Dort flehte er die alten Götter reumütig an, ihn von seinen unermesslichen Schmerzen und seiner Schuld zu erlösen, die er keinen Augenblick länger ertragen konnte.
Und die alten Götter erhörten ihn.
Gewaltiger Donner ließ die Erde erbeben und die Menschen voller Furcht aus der zertrümmerten Stadt flüchten. Dann fuhr ein schwarzer Blitz aus dem Himmel auf die Bergspitze herab und hüllte alles für einen Augenblick in völlige Finsternis. Als das Tageslicht zurückkehrte, war Rufus, der tapferste Krieger und Zerstörer, verschwunden. Alles, was von ihm blieb, war …«
Ein kalter Windhauch strich Madame Weltfremd sanft wie die Berührung von zarten Fingerspitzen über den Nacken. Die Berührung fühlte sich so echt, so nah und kalt an, dass sie zusammenzuckte und beinahe mit dem Ellenbogen die Öllampe vom Tisch gestoßen hätte. Das Licht der Kerzen flackerte unruhig und warf seltsam verdrehte Schattengestalten an die Wände, die sich dort im Takt der Geschichte wie Schlangen wanden. Die Glocke läutete, obwohl niemand die Tür geöffnet hatte. Niemand außer ihr schien das zu bemerken. Zu sehr waren die Menschen vom Verlauf der Erzählung gebannt, als dass sie die Bedrohung spürten, die in diesem Moment zu ihnen hineinsah, verborgen in der Dunkelheit vor dem Fenster. Vielleicht waren sie von dem allgegenwärtigen Winter so abgehärtet, dass sie diese besondere Art der Kälte nicht mehr wahrnehmen konnten.
Doch Madame Weltfremd spürte es: Da draußen war etwas, das dunkler als die schwärzeste Tinte war, dunkler als der Grund des fernen Meeres, dunkler als die Nacht, mit der es sich zu tarnen versuchte. Unsichtbar für Menschenaugen, in einen zähen Nebel aus Finsternis gehüllt, den man nicht durchdringen konnte. Diese Dunkelheit war der Grund, warum sie keine Geschichten mehr erzählte.
Und nun war er da, auf ihrer Türschwelle: der Schatten.
Madame Weltfremd spürte die stille Warnung, die von ihm ausging, ohne dass sie laut ausgesprochen werden musste. Er musste keine Worte mit seinem Mund formen, damit sie verstand, was er ihr sagen wollte. Seine bloße Anwesenheit war eine Botschaft, die sie nicht missverstehen konnte.
»Alles, was von Rufus blieb …«, wiederholte sie mit gepresster Stimme, »… war verkohlte Asche.«
Der Schatten entfernte sich vom Fenster, die Kälte wich von den Wänden und aus ihrem wild pulsierenden Herzen.
Was zurückblieb, war die Lüge, mit der die Geschichte an diesem Abend endete.
Als Emma erwachte, fror sie.
Die Welt vor ihrem Fenster war weiß. Schnee fiel vom Himmel, wie an jedem Morgen, wenn die Turmglocke des Schlosses sechs Uhr schlug. Um diese Zeit war die Welt immer weiß und glitzernd. Wenn Emma einen Fuß vor die Tür setzte, um zur Arbeit zu gehen, war sie für gewöhnlich eine der Ersten, die die Reinheit des frisch gefallenen Winterschnees zerstörte.
Fröstelnd zog sie die dicke Daunenbettdecke höher, bis sie ihre Nasenspitze berührte. Der Schnee lag wie eine erstickende Decke auf dem Land, in dem es nur den Winter gab. Die Kälte, die über Silberglanz regierte, existierte schon so lange, dass Emma niemanden kannte, der jemals den Sommer erlebt hatte. Denn den Sommer gab es nur in Geschichten, und die Sonne lächelte meist nur blass hinter einer Wolkenschicht, die immerfort neuen Schnee herbeitrug.
Emma zögerte den Moment des Aufstehens noch einige Augenblicke hinaus. Außerhalb ihres Bettes war es klirrend kalt. Am Fenster hatten sich Eiskristalle gebildet, die das Glas mit einer filigranen Schicht überzogen. Emma hoffte, dass das Glas den Temperaturen standhalten konnte und nicht irgendwann zersprang. Sie war vor drei Jahren in das Holzhäuschen gezogen, nachdem ihre Großeltern nacheinander gestorben waren und es außer Emma niemanden gab, der darin hätte leben wollen. Emma hatte sich alle Mühe gegeben, das kleine Haus zu renovieren, aber ihre Mittel und Kräfte waren beschränkt. Alles, was Emma an Erspartem besessen hatte, war in Reparaturen und Erneuerungen geflossen, und nun besaß sie nichts mehr außer diesem Haus, das dem Wetter nur mit Mühe trotzen konnte, zwei Schmuckstücken, eins von ihrer Mutter und eins von ihrer Großmutter, und drei Schneekugeln. Die Fensterscheibe musste also halten. Glas war so teuer geworden, dass sie sich keine neue Scheibe leisten könnte. Und in einem Haus ohne Fenster zu leben bedeutete den sicheren Tod.
Auf dem grob gezimmerten Fensterbrett standen die Schneekugeln, die Cristan, Emmas Vater, der nebenan wohnte, ihr vor einigen Jahren in einem seiner seltenen Vatermomente aus der Schmiede mitgebracht hatte. Er hatte sie heimlich gebaut, und das Material musste ihn ein Vermögen gekostet haben. Die meisten Rohstoffe konnte man nur über die Kaufmänner beziehen, die auf der großen Handelsstraße ihre Ware ins Land schafften. Diese Route war die einzige, die sich in einer vor Lawinen geschützten Talsenke befand, und alle Bewohner von Glanzvoll waren von ihr abhängig.
Wenn Emma die drei Kugeln kräftig schüttelte, schwebten Schneekristalle, wie vom Winde durcheinandergewirbelt, durch das Glas und senkten sich auf die Häupter der Tiere, die Cristan darin eingesetzt hatte; ein heulender Wolf, der nach seinem Rudel rief, eine zarte Rehfamilie und ein Schwan, der auf einem vereisten See gerade zum Flug ansetzte.
Emma strich einmal zärtlich über die drei Schneekugeln, dann biss sie die Zähne zusammen und schlug die Bettdecke zur Seite. Mit einem leisen Seufzen setzte sie ihre Füße, die sie in selbstgestrickte braune Wollsocken gesteckt hatte, auf den Boden. Die Kälte hatte sich in die Dielen gefressen wie Holzwürmer in einen sterbenden Baumstamm.
In der Ecke des Raumes stand ein Zinntopf, in den sie am Vorabend frisches Wasser aus dem See hinter der Siedlung geschöpft hatte. Dort schnitten die Männer jeden Morgen und jeden Abend ein Loch durch das dicke Eis, um an Wasser zu gelangen, denn die Brunnen im Dorf waren an den meisten Tagen zugefroren. Emma musste die Zähne zusammenbeißen, um sie am Klappern zu hindern, als sie die dünne Eisschicht auf dem Wasser zerbrach. Sie wusch sich und schlüpfte rasch in lange Unterwäsche. Der Stoff legte sich kühl auf ihre Haut und bereitete ihr eine Gänsehaut. Eine Leinenhose und ein Wollpullover kamen darüber und zu guter Letzt eine abgetragene Arbeitsjacke, die an einem Haken neben der Tür hing. Mit einem Besen fegte sie die verkohlte Asche aus dem Ofen auf ein Kehrblech und warf sie in einen Eimer. Dann packte sie einen faustgroßen Apfel und etwas Brot in ihre Tasche, um eine Mahlzeit für die Pause zu haben. Mit Schwung warf Emma sich gegen die Haustür, die sich nur mit etwas Anstrengung öffnen ließ, weil sie schief in den Angeln hing. Sie trat nach draußen auf den knirschenden Schnee.
Das Viertel, in dem sie wohnte, war nicht nur am Rande von Silberglanz angesiedelt, es lag auch leicht erhöht am Fuße des Berges Eisrutsch, sodass ihr Vorgarten einen Ausblick über die noch dunkle Stadt bot. Nachdem die Turmglocken den neuen Tag angekündigt hatten, erwachte die Stadt langsam zum Leben. Hier und da glommen Laternen in den engen Straßen auf und warfen ein Dämmerlicht auf die weiß glitzernden Teerstraßen. In den Fenstern einiger Häuser leuchtete sanftes Kerzenlicht, und über ihren schneeverhangenen Dächern stieg Rauch auf. Am hellsten aber strahlte das Schloss aus Eis, in dem König Casper residierte. Insgeheim fragte sich Emma schon lange, wie das Schloss selbst in der dunkelsten Nacht in diesem kühlen, blauen Licht schimmern konnte. Doch sie hatte schon in frühester Kindheit gelernt, dass man nicht über das Schloss oder seine Bewohner sprach. Als könnte man nur durch das Aussprechen eines Namens das Unheil anziehen.
Nur wenige hatten den König jemals außerhalb des Schlosses gesehen, ebenso wenig wie seinen Vater, der vor kurzem erst verstorben war. Es hatte keine Krönung oder ein Fest zu seinen Ehren gegeben, nichts, das diesen Tag zu einem besonderen gemacht hätte. Nicht, dass die Bewohner des Landes sich so etwas gewünscht hätten. Sie kümmerten sich nicht darum, wer auf dem Thron saß, denn die Könige des Maledic-Geschlechts waren einer wie der andere bösartig. Man flüsterte sich nach ein paar Krügen Met zu viele Geschichten über die Herrscherfamilie zu, über Gräueltaten, die sie begangen hatte, jeder Einzelne dieses seit Jahrhunderten überdauernden Geschlechts. Und man hoffte, dass man nicht eines Tages selbst eine dieser Geschichten wurde. Niemand glaubte daran, dass Casper anders sein würde, nur weil er noch so jung war. Vielleicht machte ihn das nur umso grausamer, da er in die Fußstapfen seiner gefürchteten Vorfahren treten wollte.
Doch ganz gleich, wie sehr die Bewohner von Glanzvoll unter der strengen Regentschaft der Maledics litten, sie lehnten sich niemals auf. Alle Kraft wurde darauf verwendet, den Winter zu bekämpfen, um sich selbst und seine Familie durchzubringen. Für Rebellion und Ideale blieb keine mehr übrig. Diese Art von Mut hatte Glanzvoll verloren, als seine glänzenden Tage unter der immerwährenden Schneedecke und dem Mantel der Resignation begraben wurden. Und jedes Kind wuchs mit dem Wissen auf, dass es sich immer von allem, was mit dem Schloss und seinem König zu tun hatte, fernzuhalten hatte.
Emmas Atem dampfte, als sie auf die unbeleuchtete Straße trat. Weit hinten am Horizont zeigte sich das erste zarte Morgenlicht, so fragil wie ein einzelner Schneekristall. Der Kies, der unter einer dünnen Schneeschicht lag, knirschte unter ihren abgelaufenen Schuhsohlen. Hier, so weit vom schimmernden Stadtkern und seinem Eisschloss entfernt, gab es keinen festen Untergrund. Es wäre zu umständlich gewesen, kostbaren Teerboden zu pflegen, wenn das Eis in den kurzen Tauperioden immer wieder Risse hineinschlug. So hatte der König angeordnet, die Straßen in den äußeren Bereichen mit Geröll aufzuschütten – für ein paar Tage war es fast unmöglich gewesen voranzukommen, aber dann hatte sich der Schnee festgetreten und bildete zusammen mit dem Kies einen Untergrund, auf dem man gut Halt fand. Hier musste nicht einmal so viel Schnee weggeräumt werden, denn solange der Niederschlag nicht zu stark wurde, trat man den Schnee einfach im Kiesboden fest. Nur wenn die Temperaturen stiegen und die hohen Schneehügel, die die Straßenarbeiter vor die Stadt karrten, tauten und die Stadt mit Wasserbrüchen überfluteten, wurden die Kieswege wieder trügerisch. Aber das geschah so selten, dass man damit leben konnte.
Emma schlug den Kragen ihrer Jacke höher, bis er Mund und Nase bedeckte und sie keine eiskalte Luft mehr einatmen musste, die in ihren Lungen stach wie tausend Nadeln.
Sie warf einen verstohlenen Blick auf das Nachbarhaus, das Haus ihres Vaters.
Ihre Mutter Juliana war kurz nach Emmas Geburt an den Folgen der Entbindung gestorben. Sie und Cristan hatten damals in einem abgelegenen Dorf in den Bergen mit nur einer Hand voll Einwohnern gelebt, viele Tagesmärsche von der Hauptstadt Silberglanz entfernt. Dort hatte es keine Heiler oder Hebammen gegeben, die ihre Mutter bei der Geburt hätten unterstützen können, und manchmal glaubte Emma, dass Cristan es sich nicht verzieh, seine Frau in dieser Einöde einer solchen Gefahr ausgesetzt zu haben. Nach Julianas Tod war Cristan mit seiner neugeborenen Tochter und einer Ziege durch den Schnee in die Stadt zu seinen Eltern gereist. So war Emma aufgewachsen, ohne jemals ihre Mutter kennengelernt zu haben. Das Einzige, was sie von ihrer Mutter besaß, das einzig Greifbare, war eine Kette mit einem Anhänger aus Eisen. Im Gegensatz zu dem Schmuckstück von ihrer Großmutter gab es nichts Kostbares daran, keinen Goldeinsatz, keinen Silberbezug, nichts. Der Wert des Anhängers bestand einzig und allein im Andenken an ihre Mutter. Er gehörte zu dem Bild, das Emma sich in all den Jahren aus den bruchstückhaften Erinnerungen anderer über sie zusammengereimt hatte. Und so trug sie den Anhänger immer auf der bloßen Haut, gut verborgen unter Leinen, damit sie ihn niemals verlieren konnte.
Es war nicht nur so, dass sie keine eigenen Erinnerungen an Juliana hatte; abgesehen von kleinen, beiläufig erwähnten Details wusste Emma beinahe nichts von ihr. Sie wusste nicht, ob ihre Mutter gern gelacht oder was sie traurig gemacht hatte. Sie wusste nicht, wie ihre Stimme geklungen, wie sie ihren Vater getroffen oder ob sie Cristan wirklich geliebt hatte.
Emma wusste von alldem nichts, weil es ihrem Vater von diesem Tage an die Sprache verschlagen hatte. Er sprach, wenn er musste, aber seine Worte beinhalteten nichts als Alltäglichkeiten. Zwischen ihnen beiden existierte eine Stille, die auch Emma irgendwann sprachlos gemacht hatte. Cristan und sie hatten sich seit vierundzwanzig Jahren nichts zu sagen. Wann immer sie konnte, selbst als kleines Mädchen schon, war Emma zu ihren Großeltern geflüchtet, die die Schwiegertochter nie kennengelernt hatten, ihre Enkeltochter dafür aber umso mehr umsorgten.
Wehmütig dachte Emma an ihre Großeltern zurück, an ihr immer geschürtes Kaminfeuer, an den Geruch von Tee und Haferplätzchen, an Behaglichkeit, die auch von Armut nie getrübt werden konnte. Die beiden fehlten ihr so sehr, dass es ihr die Kehle zuschnürte. Aber es half nichts, sie musste sich und ihren Vater nun allein über die Runden bringen. Im letzten Jahr hatte sie mehrmals in Erwägung gezogen, das Hochzeitsdiadem, das ihre Großmutter ihr vererbt hatte, zu verkaufen. Aber sie brachte es nicht über sich. Eigentlich sollte sie gleich das Haus ihrer Großeltern verkaufen, um Geld zu sparen und besser für ihren Vater sorgen zu können, aber diesen Gedanken schob sie von sich, solange es möglich war. Das Verhältnis zu Cristan war so unterkühlt, dass sie lieber bis zur Erschöpfung arbeitete und jede Münze zweimal umdrehte, als mit ihm unter einem Dach zu leben. Das würde sie erst dann tun, wenn es nicht mehr anders ging.
Für einen Moment überlegte sie, einfach an Cristans Haus vorbeizugehen und direkt auf das Bergwerk zuzusteuern, in dem sie arbeitete. Es wäre der einfachste Weg gewesen. Doch vor ihrem inneren Auge zogen Bilder von ihrem Vater vorbei, wie er ohnmächtig oder erfroren in einer Ecke lag. Sie wusste, dass es ihr keine Ruhe lassen würde, wenn sie nicht zumindest nachgesehen hatte, ob er in Ordnung und bei Sinnen war.
Emma trat in den unberührten Schnee des Vorgartens. Kleine Äste und Holzstückchen lagen auf dem Weg zur Haustür verteilt. Sie sammelte das verlorene Brennholz auf, denn jedes einzelne Scheit war kostbar und konnte manchmal über Leben und Tod entscheiden. Wie viele Menschen waren schon erfroren, weil ihnen das nötige Geld für Brennholz gefehlt hatte? Wie viele Menschen hatten Finger oder Zehen verloren, weil sie es in ihren Hütten nicht warm genug hatten? Ein Schauer lief Emma über den Rücken.
Vor der Haustür blieb sie stehen und hämmerte mit der Faust dagegen. Sie wartete einen Augenblick ab. Nichts geschah. Stille schlug ihr entgegen, vertraut und doch fähig, ihrem Herz einen winzigen Stich zu versetzen. Wieder klopfte sie kräftig, dann holte sie mit dem rechten Bein aus und trat fest gegen die Tür, bis sie aus dem Rahmen sprang und einen Blick in das Innere des düsteren Hauses erlaubte.
Emmas Augen benötigten zwei, drei Sekunden, bis sie sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, und der Anblick, der sich ihr bot, war derselbe wie beinahe jeden Tag. Der spärliche Rest des Feuers glühte rot im Herd. Cristan lag zusammengerollt davor. Neben ihm lagen zwei leere Tonflaschen, eine davon mit abgesplittertem Hals. Allein aufgrund der Ausdünstungen, die in der Luft hingen, konnte Emma auf deren hochprozentigen Inhalt schließen. Am Anfang hatte Cristan heimlich getrunken, aber mittlerweile gab er sich keine Mühe mehr, vor Emma zu verstecken, auf welche Art er sich von dem immer gegenwärtigen Kummer um den Verlust seiner Frau ablenkte.
Wer auch immer behauptet hat, Zeit heile alle Wunden, hat gelogen, dachte Emma und starrte einen Moment stumm auf die reglose Gestalt am Boden. Manchmal machte die Zeit die Einsamkeit nur noch schlimmer.
Sie warf das wenige Holz, das sie auf dem Arm hatte, auf die Glut, und schürte das Feuer mit einem Haken neu, bis die ersten Flammen in die Höhe schossen. Dann kniete sie sich neben Cristan.
»Vater«, sagte sie kühl und schüttelte ihn an der Schulter. Er bewegte sich kaum. Sie schüttelte ihn fester, bis er die verquollenen Augen aufschlug. Er benötigte Zeit, sich zu orientieren, Zeit, um wieder zu Verstand zu kommen, Zeit, sie zu erkennen. Fast jeden Morgen fand sie ihn so vor, seit er seine Arbeit als Silberschmied vor einigen Monaten verloren hatte.
Emma stand auf und ging nach draußen, um frisches Wasser aus der Tonne zu holen, die sie an ihrem freien Tag für Cristan aus dem See befüllte. Sie wünschte sich, sie könnte ihn damit auch von den Dämonen reinwaschen, die er im Alkohol ertränken wollte. Sie versicherte sich, dass genug Essen vorrätig war: Ein paar Kartoffeln und ein Stück Pökelfleisch hatten drinnen gelegen, und im verwitterten Schuppen neben dem Haus lagerten noch etwas Obst und ein, zwei Fässer mit Met. Lange würden die Vorräte ihres Vaters nicht mehr reichen.
Als sie zurück ins Haus kam, hatte ihr Vater sich aufgerichtet. Sein Gesicht war rot und fleckig, seine Haare klebten ihm schlaff am Kopf. Er sah aus, als hätte er die Nacht mit wirren Fieberträumen verbracht. Beinahe verspürte sie Mitleid, aber sie unterdrückte es sofort. Denn Mitleid, Ohnmacht und langjähriger Zorn waren eine schwierige, kaum zu bändigende Kombination aus Gefühlen.
Emma füllte einen Kessel und stellte ihn auf den Herd. Als der Kessel summte, goss sie das dampfende Wasser in einen Becher mit getrockneten Kräutern, der bereits mehr Dellen aufwies als sie Lebensjahre.
Cristan ließ sich polternd auf einen Stuhl in dem karg eingerichteten Zimmer fallen. »Emma«, sagte er anklagend. »Das Holz ist fast alle.«
»Kein Wunder, wenn du alles im Hof verstreust«, erwiderte sie und hielt ihm eine Decke hin, da er zitterte. Sein Körper konnte nicht gegen den Alkohol und gegen die Kälte zugleich kämpfen. Gegen Letzteres konnte man nichts tun, gegen den Alkohol sehr wohl. Aber er wollte nie hören, wenn sie das anmerkte. Und jedes Mal, wenn sie versuchte, das Teufelszeug aus seinem Haus zu schmuggeln, wurde er so wütend, dass sie es nicht mehr wagte, sich ihm entgegenzustellen.
»Du musst damit aufhören. Diese Trinkerei … Du brauchst eine neue Arbeitsstelle, Vater«, sagte sie betont ruhig. »Sonst gibt es bald gar kein Holz mehr. Und auch kein Essen.«
»Du kannst …«, setzte Cristan an, doch Emma schnitt ihm das Wort ab.
»Ich kann gar nichts«, antwortete sie heftig. »Du hast dich lang genug ausgeruht. Vater, bitte! Ich weiß nicht, wie lange ich uns beide noch über Wasser halten kann. Du weißt, dass ich im Bergwerk nicht genug verdiene, um uns beide zu versorgen.«
Emma legte alle Eindringlichkeit in ihre Stimme, derer sie mächtig war. Sie wollte, dass ihr Vater endlich verstand. Sie wollte, dass er begriff, dass sie das allein nicht mehr stemmen konnte, ganz gleich, wie sehr sie sich auch bemühte.
»Hättest du etwas Vernünftiges gelernt, dann hättest du auch eine richtige Arbeit bekommen«, sagte ihr Vater bitter, und Emma spürte, wie es ihr einen Stich versetzte. »Dann müsstest du jetzt nicht im Bergwerk arbeiten und dir die Lunge verderben und dich für eine Hand voll Münzen zu Tode schuften. Hättest du was Vernünftiges gelernt, dann ginge es uns jetzt besser.«
Emma wusste, dass er sie nur provozieren wollte, dass er in den Stunden, in denen er nicht wie betäubt dalag, ein Ventil für die Wut in seinem Inneren brauchte. Und sie wusste auch, dass das alles an ihr abprallen musste, sonst würde sie irgendwann in demselben Sumpf versinken. Trotzdem lag ihr Vater mit seiner Äußerung nicht ganz falsch.
Ihre Gedanken wanderten unweigerlich zu der Chocolaterie im Stadtkern. Seit sie denken konnte, hatte das Schokoladengold eine besondere Faszination auf sie ausgeübt. Es war der Ort, an dem ihre Träume wohnten, der Ort, der mit seinem Duft von zarter, heißer Schokolade und außergewöhnlichsten Pralinen lockte, für einen kurzen Moment die Kälte und die Wirklichkeit zu vergessen. Die Gerüche kannte sie, weil sie selbst oft genug davorstand; meistens, wenn sie mit dem Korb unterm Arm nach dem Einkauf nach Hause eilte und sich einen kurzen Blick in den Laden der Madame Weltfremd erlauben wollte. Einen einzigen sehnsüchtigen Blick durch die Fensterscheiben nur.
Ihr Vater wusste um ihre Faszination für die Welt, zu der nur den Reichen der Zutritt gewährt war. Vor ein paar Jahren hatte Emma mit dem Gedanken gespielt, sich dort um eine Arbeit zu bewerben, die Idee aber sehr schnell wieder fallengelassen. Sie passte nicht dorthin. Sie kam aus einer armen Familie und hatte dementsprechend nur eine Grundbildung in der Schule genießen dürfen. Sie konnte lesen und schreiben und ein wenig mit Zahlen umgehen, das war alles. Sie konnte sich nicht einmal gute Kleidung leisten, die man dort brauchte, um hinter dem Tresen stehen zu können. Damals hatte sie sich nicht die Blöße geben wollen, von Madame Weltfremd ausgelacht zu werden. Das hätte ihre Tagträume zerstört, und wenigstens die wollte sie für sich behalten.
Emma schüttelte nur stumm den Kopf und ging zur Tür. Sie hatte nach Cristan gesehen, und jetzt würde sie zur Arbeit gehen, ohne sich mit Gedanken zu quälen, wie ihr Leben vielleicht hätte verlaufen können, wenn sie einen anderen Weg eingeschlagen hätte.
Die hellen, in den Ohren schmerzenden Glocken in den Türmen des Schlosses läuteten die Uhrzeit, und sie musste sich beeilen, um nicht zu spät zu kommen.
Das Treiben im Silberbergwerk glich dem eines Ameisenbaus.
Die Menschen waren zu jeder Tag- und Nachtzeit hier. Es wurde ohne Unterbrechung und Pausen gearbeitet, die Berge wurden ausgehöhlt und ihrer Schätze beraubt, und es gab nicht einen einzigen Tag im Jahr, an dem der König den Bergen oder den Arbeitern eine Pause gönnte.
Das Silbererz, das Glanzvoll in Fülle besaß, war der einzige Rohstoff, der das Land vor dem endgültigen Untergang bewahrte. Der ewige Winter machte es unmöglich, Getreide, Obst und Gemüse anzubauen oder Vieh in größerer Zahl zu nähren. Durch das kostbare Silber hatten der König und die wohlhabenden Familien die Möglichkeit, Handel mit anderen Ländern zu treiben und so die Bevölkerung vor dem Hungertod zu bewahren. Der Preis dafür war jedoch hoch. Die Arbeit im Bergwerk war hart und gefährlich. Viele Menschen litten schon nach wenigen Jahren in den Bergen an schwarzer Lunge oder anderen schweren Krankheiten, die es unmöglich machten, ihrer Arbeit weiterhin nachzugehen. Sie waren dann auf die Unterstützung ihrer Familien oder Mildtätigkeiten angewiesen.
Als Emma klein war, hatte sie ihre Großeltern oft gefragt, warum sie nicht einfach fortgingen; in ein Land, in dem es keinen Winter und kein Eis gab, in dem die Menschen immer Essen hatten und in dem jeder eine sichere Arbeit ausüben konnte. Ihr Großvater hatte ihr geduldig zu erklären versucht, dass das nicht ginge. Glanzvoll lag mit seiner Hauptstadt und den weitläufigen Dörfern in einer Talsenke, die von so hohen Gebirgen umgeben war, dass es den Tod bedeuten würde, sie bei den eisigen Temperaturen und der lauernden Lawinengefahr überqueren zu wollen. Sie hatte damals darauf verwiesen, dass es die Handelsstraße gab, die einzige Straße, die man gefahrlos benutzen konnte und die zu einer Hafenstadt führte, von der aus die Kaufleute kamen, um Glanzvoll die lebenswichtigen Waren zu liefern. Aber ihr Großvater hatte bedauernd den Kopf geschüttelt. Der König würde das nicht wollen, hatte er gesagt. Der König würde verhindern, dass sein Volk sich einfach in eine neue Welt auf und davon machte.
Emma hatte das lange nicht verstanden, aber dann war sie herangewachsen, und sie hatte Geschichten über Caspers Vater gehört und später dann Geschichten über Casper selbst. Sie hatte das leise Raunen gehört, das Getuschel und Geflüster in den dunkelsten Ecken der Tavernen und Gasthäuser; dass der König sich in sein Eis vergrub und tatenlos zusah, wie der Winter das Land mit jedem Jahr unerbittlicher verwüstete und wie seine Untertanen mit jedem dieser Jahre mehr an beißendem Hunger, an siechender Krankheit und an Armut litten. Und dass er jeden gnadenlos bestrafte, der zu laut sprach, zu rebellisch, zu aufbegehrend. Heinrich, der Mann der Bäckerin, hatte ihr vor kurzem erst zugeflüstert, dass der Metzgerssohn spurlos verschwunden sei. Der junge Mann hatte davon gesprochen, das Land zu verlassen und den Sommer zu suchen, der irgendwo doch zu finden sein müsse. Aber bevor er sich mit Sack und Pack auf seine Reise begeben konnte, war er verschwunden. Seitdem hatte ihn niemand mehr gesehen.
So arbeiteten die Menschen also weiterhin im Bergwerk und schufteten sich ab, und Emma tat dasselbe, weil sie keine andere Wahl hatte.
Der Weg, der zum Eingang des Berges führte, war eng, und von den vielen Füßen war der Schnee so festgetreten, dass man aufpassen musste, auf dem glatten Untergrund nicht auszurutschen. Da gerade ein Schichtwechsel stattfand, kam Emma ein Menschenstrom entgegen, sodass sie immer wieder ausweichen musste. Die Schichten wechselten sich im Zwölf-Stunden-Rhythmus ab. Die Arbeiter, die nun nach Hause gingen, sahen erschöpft und dreckig aus. Im Inneren des Berges war es stickig und heiß, und die schweiß-feuchte Haut dampfte durch die Kälte. Viele von ihnen waren krank, da der ständige Temperaturwechsel ihnen allen zu schaffen machte. Aber sie gingen trotzdem zur Arbeit. Niemand konnte es sich erlauben, krank zu sein. Sie alle waren ersetzbar, nur ein Zähnchen im Rad, das bei Verschleiß ausgetauscht werden konnte.
Zwei der Männer, die am Eingang und im Inneren des Bergwerks Wache hielten, verfolgten Emma mit den Augen, und sie huschte schnell an ihnen vorbei. Es waren Bedienstete des Königs, die darauf achteten, dass niemand Silbererz stahl. Jeder wurde beim Verlassen des Bergwerks gründlich durchsucht. Die Kerle waren Emma nicht geheuer, und sie fühlte sich unwohl in ihrer Gegenwart. Es gab nichts in den Gesichtern der Wachen, das darauf hindeutete, dass hinter ihren gefühllosen Fassaden Leben war. Sie lächelten nie, sie erhoben nie ihre Stimme, sie zeigten nie auch nur den Hauch von Emotion. Wenn sie es für erforderlich betrachteten, konnten sie grausam sein. Es war, als wären sie innerlich tot, und das Einzige, was sie am Leben erhielt, war ihre Pflicht dem König gegenüber. Emma bekam jedes Mal eine Gänsehaut, wenn ihre Schicht vorüber war und die Finger dieser Männer über ihren Körper tasteten.
Sie betrat das Bergwerk und wurde von einer weiteren Wache in Empfang genommen, die ihren Arbeitstrupp tiefer in den Berg an die Lagerstelle führen würde, an der sie heute das Erz für das spätere Silber freiklopfen mussten. Emma entledigte sich ihrer Jacke, die sie an einen der vielen Haken in der Felswand hängte. Sich der prüfenden Blicke des wartenden Wachmannes bewusst, schloss sie die Augen. Dies war der einzige Moment, in dem sie zulassen konnte, dass Wärme ihren Körper durchströmte, eine wohlige Wärme, die ihre Muskeln entspannte und bis in ihre Knochen vordrang. Es war ein Moment, den man so selten erlebte, dass man ihn selbst in dieser Umgebung für ein Geschenk halten konnte.
Sie war die Erste ihres Arbeitstrupps, aber es dauerte nicht lange, bis auch die anderen eintrafen. Sie kannte die neun Männer und Frauen nicht sonderlich gut, da sie sich außerhalb des Bergwerks kaum über den Weg liefen. Die Wache notierte ihre Ankunft und setzte sich dann in Bewegung. Emma und die anderen folgten dem Mann einen langen Schacht entlang, der tiefer in das Herz des Berges führte. Die Luft wurde mit jedem Schritt dünner und feuchter. Emma konzentrierte sich darauf, ruhig und langsam durch den Mund zu atmen, wie sie es gelernt hatte. Der felsige Boden war gefährlich rutschig unter ihren abgelaufenen Schuhsohlen, und der mit nur wenigen Fackeln gesäumte Weg war trügerisch im flackernden Licht.
Als der Trupp die Lagerstätte erreichte, lösten sie die Arbeiter ab, die für die letzten zwölf Stunden hier Erz aus dem Fels geschlagen hatten. Einer der Männer reichte Emma sein Werkzeug, und sie hockte sich auf den Boden, während der Wächter, der sie hergebracht hatte, hinter ihr stehen blieb, um die Gruppe zu beobachten. Das Metall lag schwer in Emmas Hand, die sich in den letzten Jahren mit einer dicken Hornhautschicht überzogen hatte.
Während der Arbeit war es still. Nur das laute, metallische Schlagen echote durch die Schächte. Es klang wie das Donnern von Pferdehufen in Emmas Ohren. Sie begann bald zu schwitzen. Ihr Rücken schmerzte von der vorgebeugten Haltung, und ihre Knie wurden von der kantigen Steinfläche, auf der sie hockte, taub. Nach einigen Stunden fühlten sich Schlägel und Eisen in ihren Händen bleischwer an. Ihre Schultern schienen das Gewicht kaum noch tragen zu können. Schweiß lief ihren Rücken hinab. Emma legte das Werkzeug auf den Boden, um ihren Armen einen Augenblick Entspannung zu schenken.
Eine der Wachen war sofort zur Stelle. Er musterte sie herausfordernd, so als warte er nur darauf, dass sie ihm eine Gelegenheit bot, den Stock, den er am Gürtel gebunden hatte, zu benutzen.
»Nimm deine Arbeit wieder auf, Frau«, sagte er leise.
Ein Schauer lief über Emmas Rücken, und sie wollte gerade das Werkzeug wieder aufnehmen, als ein unheimliches, tiefes Grollen durch den Berg drang. Emma spürte, wie der Boden unter ihren Knien zitterte.
Dann zersprang die Welt hinter ihr in tausend Teile.
Emma kam zu sich, als fremde Hände sie packten.
Sie wollte sich wehren, um sich schlagen, kratzen und beißen, aber sie konnte sich nicht regen. Ihre rechte Seite schmerzte, als ob etwas Schweres sie getroffen hätte. Ihre Hand fühlte sich geschwollen an, und ein stechender Schmerz begleitete jede Bewegung.
Wie betäubt spürte Emma, dass sie halb getragen, halb über den Boden geschleift wurde. Sie vernahm Schreie, die ihr trotz der Benommenheit durch Mark und Bein gingen, an die sie sich Jahre später noch erinnern sollte, weil sie niemals zuvor Schreie voll von Todesangst und Schmerz gehört hatte.
Eine undurchdringliche Wolke aus Staub und Dreck hing in dem engen Gang – oder das, was von dem Gang noch übrig geblieben war. Der Staub fraß sich in Emmas Atemwege, in ihre Kleidung, in ihre Haut, bis sie kaum noch Luft bekam. Emma atmete kurz und abgehackt. Mit jedem Atemzug nahm sie den Staub tiefer in ihre Lungen auf. Sie hustete so heftig, dass jeder Knochen in ihr vor Schmerz protestierte. Zwei Männer aus ihrem Trupp zerrten hektisch an ihr, und einer befahl ihr immer wieder aufzustehen. Ein weiteres, unheilvolles Grollen vibrierte wie der Vorbote eines stürmischen Gewitters durch den Berg.
Emmas Schreckensstarre löste sich, und mit Hilfe der Männer kam sie auf die Beine. Ihnen blieb keine Zeit, sie mussten sofort aus der Mine heraus. Der Schacht hinter ihnen war vollkommen eingestürzt, und der Rest des Schachtes konnte jederzeit ebenfalls in sich zusammenfallen. Der Schock ließ ihren Körper trotz der Verletzungen funktionieren. Emma warf einen Blick zurück, sah schreiende Menschen, die um ihr Leben rannten, und einige, die es schon verloren hatten und unter Schutthaufen begraben lagen. Emma musste den Blick abwenden.
Ein gewaltiger Knall zog durch den Gang, so laut, dass Emma die Hände auf ihre Ohren presste. Beinahe wäre sie gestürzt, als ein Beben die Erde erschütterte, dann stolperte sie tatsächlich über Geröll und fiel hart auf die Knie. Sie keuchte vor Schmerz, als sie sich mit der verletzen Hand abfing. Aus einem der weiter entfernteren Schächte drangen panische Schreie. Dann war es plötzlich gespenstisch still.
Instinktiv griff sie an ihren Hals. Die Kette aus Eisen mit dem Anhänger ihrer Mutter, der sich verborgen unter dem Hemd weich an ihre Haut schmiegte, war noch da.
Die Erleichterung darüber ließ Emma sich aufrappeln und noch schneller rennen. Die beiden Männer griffen nach ihr, und sie hielten sich den ganzen Weg an den Händen, so fest, dass es schmerzte, und gemeinsam erreichten sie nach wenigen Minuten die Oberfläche. Emma begrüßte die eisige Kälte, als sie draußen im Schnee zu Boden sank. Sie versuchte krampfhaft, frische Luft in ihren Brustkorb zu pressen, aber ihre Kehle war wie zugeschnürt. Keuchend und hustend holte sie Luft, dann krampfte sich ihr Magen zusammen, und sie erbrach sich. Rings um sie herum rannten die Menschen durcheinander, riefen nach ihren Kollegen oder Familienangehörigen, weinten und stießen wüste Flüche aus. Manche mussten festgehalten werden, weil sie auf der Suche nach ihren Freunden zurück in die Grube rennen wollten. Die Wachen, die zuvor den Eingang bewacht hatten, waren fort, ohne sich um die Wachen, die sich im Inneren des Berges befanden, zu scheren.
Allmählich beruhigte sich Emmas Herzschlag, und sie hob ihre verwundete Hand, die bereits anschwoll. Nun, da die Todesangst sie nicht länger im Griff hatte, spürte sie den Schmerz erst richtig. Sie musste die Zähne zusammenbeißen, um nicht laut aufzustöhnen. Mühsam riss sie zwei Streifen ihres Hemds ab und tauchte sowohl ihre Hände als auch den Stoff tief in den kühlenden Schnee. Dann band sie die Streifen vorsichtig um ihre Finger. Danach fuhr sie mit der unversehrten Hand über ihre rechte Seite, tastete Rippen und Knochen ab. Soweit sie erkennen konnte, schien nichts gebrochen zu sein.
Emma rappelte sich auf und sah sich um. Verletzte wurden geborgen und von Frauen, die mit der Heilkunst vertraut waren, versorgt. Das Stöhnen der Leidenden schien aus dem Berg selbst widerzuhallen, und die Tränen derjenigen, die wussten, dass sie umsonst am Eingang standen und warteten, tropften in den Schnee und gefroren.
Emma half bis spät in die Nacht, die Verletzten nach Hause zu transportieren. Wie die anderen stand sie unter einem Schock, der ihre Gliedmaßen von allein funktionieren ließ. Den Verletzten zu helfen lenkte sie von ihren eigenen Gedanken ab, die immer wieder zu dem Zusammenbruch des Schachtes zurückkehren wollten, zu den unnatürlich verrenkten Leichen, zu den leeren Augen. Eine Aufgabe zu haben hielt sie davon ab, in wilde Panik zu verfallen.
Die Stadtbewohner hatten unter so vielen Grubenunglücken gelitten, dass dabei eine seltsame Routine zu Tage kam. Am Abend waren viele Freiwillige gekommen und verteilten lindernde Kräutermedizin, halfen beim Transport, räumten auf oder standen den Verletzten ebenso wie den Trauernden anderweitig bei. Jeder wusste, was zu tun war, jeder Handgriff saß. Und über allem schwebte ein seltsames Schweigen, eine Ruhe, geboren aus Hilflosigkeit, Verzweiflung und Resignation.