Dr. rer. nat. Torsten Pfitzer ist Heilpraktiker, zertifizierter BLACKROLL®-Mastertrainer und Experte für die ganzheitliche Behandlung von Schmerzen am Bewegungsapparat. In seiner Praxis in München kombiniert er verschiedene Ansätze wie Osteopathie, Myofaszial-Kinematik, Ernährungstherapie und psychoemotionale Kinesiologie. Seine Erfahrungen und sein Wissen gibt er auch in Vorträgen, Workshops und Büchern weiter. Als ehemals selbst Betroffener von chronischen Rückenschmerzen blickt er über den Tellerrand hinaus und sieht es als seine Berufung, seine Patienten auch mit Anleitungen zur Selbstbehandlung ursächlich und nachhaltig von ihren Schmerzen zu befreien. Beim riva Verlag ist von ihm 2018 das Buch Kiefer gut, alles gut erschienen, außerdem ist er Mitautor des Ratgebers Funktionelles Faszientraining mit der BLACKROLL®.
Zunächst danke ich von Herzen meinen eifrigen Patienten, Klienten, Lesern sowie den Teilnehmern meiner Workshops und Vorträge. Die spannenden Begegnungen und Inspirationen haben überhaupt erst zu dieser Buchidee geführt sowie diese im Laufe der Zeit immer mehr Form annehmen lassen. Für die Unterstützung der weiteren gesundheitlichen Entwicklung genau solcher Menschen habe ich das Buch geschrieben. Vielen Dank!
Ebenso richtet sich mein besonderer Dank an meine Familie und Freunde, die mich über die Monate des Schreibens begleitet und sich geduldig die Zeit für das Probelesen genommen haben. Vielen Dank für das ehrliche Feedback, die hilfreichen Anregungen und eure Mühe.
Kein geringerer Dank geht an den riva Verlag und die Firma BLACKROLL®, die mir durch ihre Bereitschaft zur Veröffentlichung diesen Ratgeber ermöglicht haben. Danke!
Im gleichen Atemzug möchte ich Birgit Dauenhauer beim riva Verlag für die Projektleitung und Melanie Schölzke für das Lektorat danken. Ohne deren Begleitung, kritische Reflexion und tollen Einsatz wäre das Buch sicherlich nicht so professionell erschienen, wie es nun vor Ihnen liegt.
Zuletzt, jedoch nicht weniger, danke ich meinen Kollegen, die mir die von ihren Kunden an sie herangetragenen Fragen zum Thema SMT-Übungen zur Verfügung gestellt haben.
Herzlichen Dank an alle – ich weiß die Unterstützung sehr zu schätzen!
Körperbewusstsein und Längenkraft-Übungen aus der Myofaszial-Kinematik: Hübner, M.: Die wahren Übungen gegen Bandscheibenvorfälle und andere Muskelschmerzen. Der Weg zu einem schmerzfreien Leben – Myofaszialkinematik. BoD Verlag, 2012
Grundlagen Faszienwissen, BLACKROLL® Stabilitäts-, Kraft- und SMT-Basisübungen: Graumann, L., Andrä, T., Pfitzer, T.: Funktionelles Faszientraining mit der BLACKROLL®, 10. Auflage, riva Verlag, 2019
Anatomie, Physiologie und insbesondere alle Faszienzugbahnen im Detail erklärt: Myers, Thomas W.: Anatomy Trains – Myofasziale Leitbahnen. 3. Auflage, Urban & Fischer Verlag/Elsevier, 2015
Die Verbindung von Schmerzen am Bewegungsapparat mit dem Kiefer, inklusive zahlreicher Selbsthilfeübungen: Pfitzer, T.: Kiefer gut, alles gut. Das Übungsprogramm gegen CMD, die wahre Ursache von Zähneknirschen, Kopfschmerzen, Nackenverspannungen, Tinnitus und Co. riva Verlag, 2018
Anatomie, Physiologie, Rezeptortypen einfach erklärt und weitere Faszienübungen wie federndes Hüpfen, dynamisches Schwingen, gehaltenes Dehnen: Schleip, R., Bayer, J.: Faszienfitness. Vital, elastisch, dynamisch in Alltag und Sport. Erweiterte und überarbeitete Ausgabe, riva Verlag, 2018
Auf meiner Website www.DrPfitzer.de finden Sie einige Videos zu ausgewählten SMT-Übungen, zum Beispiel bei Rücken- und Nackenbeschwerden.
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Die folgenden Diagnosen und Beschwerdebilder finden Sie in Kapitel 3 »Schmerzbilder und deren Selbstbehandlung«. Sie sind alphabetisch sortiert.
Arthrose
Bandscheibenvorfall und -vorwölbung
Fibromyalgie
Hyperostose
Lymphabflussstörungen
Morbus Bechterew
Morbus Sudeck
organische Erkrankungen
Osteomalazie
Osteonekrose verschiedener Formen
Osteoporose
periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK)
Polymyalgia rheumatica
Psychosoziale Ursachen
Raynaud-Syndrom
Rheumatoide Arthritis
Schleimbeutelentzündung
Sehnenscheidenentzündung (Tendovaginitis)
Spinalkanalstenose
Stoffwechselstörungen
Veneninsuffizienz
Venenthrombose
Wirbelgleiten
Körperbereich Kopf
Kopfschmerzen
Migräne
Körperbereich Kiefer
craniomandibuläre Dysfunktion (CMD)
Kieferprobleme
Zahnschmerzen
Körperbereich Nacken
Hexenschuss
HWS-Syndrom
Nackenschmerzen/-verspannungen
Schiefhals
Körperbereich Schulter
Frozen Shoulder
Impingement-Syndrom
Kalkschulter
Schulter-Arm-Syndrom
Schulterengpass-Syndrom
Schulterschmerzen
Körperbereich Arm und Ellenbogen
Golferellenbogen (Epicondylitis humeri ulnaris)
Mausarm
Schulter-Arm-Syndrom
Tennisarm (Epicondylitis humeri radialis)
Tennisellenbogen (Epicondylitis humeri radialis)
Thoracic-outlet-Syndrom
Körperbereich Hand und Handgelenk
Guyontunnelsyndrom
Karpaltunnelsyndrom
Morbus Dupuytren
Schnellender Finger
Wartenberg-Syndrom (Cheiralgia paraesthetica)
Körperbereich Brustkorb
Interkostalneuralgie
Syndrom der vorderen Brustwand
Tietze-Syndrom
Xiphoidalgiesyndrom
Körperbereich oberer Rücken
Brustwirbelsäulenschmerzen
Morbus Scheuermann
Schmerzen im Bereich der Brustwirbelsäule
Körperbereich unterer Rücken
Blockaden in den Iliosakralgelenken
Hexenschuss
ISG-Blockade
Lumbago
Lumbalgie
Lumboischialgie
LWS-Syndrom
Rückenschmerzen
Körperbereich Gesäß, Hüfte und Leiste
Beckenschiefstand
Gesäßschmerzen
Hüftschmerzen
Koxalgie
Leistenschmerzen
Piriformis-Syndrom
Körperbereich Oberschenkel und Knie
Ischialgie
Jumpers Knee
Knieschmerzen
Läuferknie
Lumboischialgie
Oberschenkelschmerzen
Patellaspitzen-Syndrom
Patellofemoral-Syndrom
Piriformis-Syndrom
Schmerzen im vorderen und äußeren Oberschenkel
Überlastung der Oberschenkelrückseite
Körperbereich Unterschenkel und Sprunggelenk
Achillessehnenschmerzen
Krämpfe der Waden- oder Schienbeinmuskeln
Restless-Legs-Syndrom
Schmerzen in den Unterschenkeln und Sprunggelenken
Schienbeinkanten-Syndrom
Shin Splints
Sprunggelenksschmerzen
Unterschenkelschmerzen
Wadenschmerzen
Körperbereich Fuß
Fersensporn
Fußschmerzen
Haglundferse
Hallux valgus
Morton-Syndrom
Plantarfasziitis
Tarsaltunnelsyndrom
Gesamtüberblick über alle Diagnosen und Beschwerdebilder
A
Achillessehnenschmerzen
Arthrose
B
Bandscheibenvorfall und -vorwölbung
Beckenschiefstand
Blockaden in den Iliosakralgelenken
Brustwirbelsäulenschmerzen
C
craniomandibuläre Dysfunktion (CMD)
F
Fersensporn
Fibromyalgie
Frozen Shoulder
Fußschmerzen
G
Gesäßschmerzen
Golferellenbogen (Epicondylitis humeri ulnaris)
Guyontunnelsyndrom
H
Haglundferse
Hallux valgus
Hexenschuss
Hexenschuss
Hüftschmerzen
HWS-Syndrom
Hyperostose
I
Impingement-Syndrom
Interkostalneuralgie
Ischialgie
ISG-Blockade
J
Jumpers Knee
K
Kalkschulter
Karpaltunnelsyndrom
Kieferprobleme
Knieschmerzen
Kopfschmerzen
Koxalgie
Krämpfe der Waden- oder Schienbeinmuskeln
L
Läuferknie
Leistenschmerzen
Lumbago
Lumbalgie
Lumboischialgie
Lumboischialgie
LWS-Syndrom
Lymphabflussstörungen
M
Mausarm
Migräne
Morbus Bechterew
Morbus Dupuytren
Morbus Scheuermann
Morbus Sudeck
Morton-Syndrom
N
Nackenschmerzen/-verspannungen
O
Oberschenkelschmerzen
organische Erkrankungen
Osteomalazie
Osteonekrose verschiedener Formen
Osteoporose
P
Patellaspitzen-Syndrom
Patellofemoral-Syndrom
periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK)
Piriformis-Syndrom
Piriformis-Syndrom
Plantarfasziitis
Polymyalgia rheumatica
Psychosoziale Ursachen
R
Raynaud-Syndrom
Restless-Legs-Syndrom
Rheumatoide Arthritis
Rückenschmerzen
S
Schiefhals
Schienbeinkanten-Syndrom
Schleimbeutelentzündung
Schmerzen im Bereich der Brustwirbelsäule
Schmerzen im vorderen und äußeren Oberschenkel
Schmerzen in den Unterschenkeln und Sprunggelenken
Schnellender Finger
Schulter-Arm-Syndrom
Schulter-Arm-Syndrom
Schulterengpass-Syndrom
Schulterschmerzen
Sehnenscheidenentzündung (Tendovaginitis)
Shin Splints
Spinalkanalstenose
Sprunggelenksschmerzen
Stoffwechselstörungen
Syndrom der vorderen Brustwand
T
Tarsaltunnelsyndrom
Tennisarm (Epicondylitis humeri radialis)
Tennisellenbogen (Epicondylitis humeri radialis)
Thoracic-outlet-Syndrom
Tietze-Syndrom
Ü
Überlastung der Oberschenkelrückseite
Unterschenkelschmerzen
V
Veneninsuffizienz
Venenthrombose
W
Wadenschmerzen
Wartenberg-Syndrom (Cheiralgia paraesthetica)
Wirbelgleiten
X
Xiphoidalgiesyndrom
Z
Zahnschmerzen
Heute ist es wissenschaftlich belegt, dass Maßnahmen im Bereich Gesundheit höhere Effektivität haben, wenn die Ausübenden über die Hintergründe und Wirkweisen Bescheid wissen, sodass sie sich diese während der Übung vorstellen können. Daher sind für Sie in diesem ersten Kapitel die relevantesten Informationen über das Muskel-Faszien-Netz und dessen Einfluss auf die Gesundheit zusammengefasst.
Im vorliegenden Ratgeber, in dem es vornehmlich um die Praxis zur Selbstbehandlung von Schmerzen am Bewegungsapparat geht, soll lediglich in relativ kurzer Form auf die Theorie hinter dem Faszientraining eingegangen werden – ich beschränke mich auf das Hintergrundwissen, das für das Verständnis und die Durchführung der Übungen notwendig ist, zumal die Anatomie und Physiologie des Muskel- und Fasziengewebes in verschiedenen Büchern hinlänglich beschrieben ist. Wenn Sie also vertieft in das Thema einsteigen möchten, dann finden Sie Tipps für weiterführende Literatur hierzu am Ende des Buches auf Seite 290.
»Myofaszial« – Sie haben den Begriff sicherlich schon öfter gehört oder gelesen. Doch wissen Sie wirklich, was sich dahinter genau verbirgt? In meiner Praxis und Workshops höre ich meistens Antworten in der Art von »irgendwas mit Bindegewebe«, was der Wahrheit schon recht nahekommt. Gleichzeitig liegt die Antwort dennoch neben der richtigen – hier nun die Auflösung, was »myofaszial« tatsächlich konkret bedeutet:
Entsprechend bedeutet »myofaszial« also »Muskelfaszie«. Mit ausführlicheren Worten beschrieben, steht »myofaszial« für die Faszienanteile, die mit Muskeln direkt in Verbindung stehen. Gemeint sind Faszienanteile als:
Das sind die drei faszialen Anteile, die in den allermeisten Fällen, in denen Sie das Wort myofaszial lesen, gemeint sind. Diese Umhüllungen vereinen sich am Anfang und Ende des Muskels teilweise zu Sehnen, die an den Knochen ansetzen.
Andererseits zieht die Faszie jedoch auch über Gelenke, sodass darüber Spannungen entlang des gesamten Körpers übertragen werden können (Seite 248, »Effektivitätssteigerung durch Einbeziehung der Faszienketten«). Dieses muskuläre Fasziennetz steht letztlich bei den Übungen in diesem Praxisbuch im Vordergrund.
Hier sind die verschiedenen Schichten einer Myofaszie zu sehen.
Was die Muskelfaszie anbelangt, habe Sie jetzt einen ersten Überblick erhalten. Es gibt jedoch außer der Muskelfaszie noch viele weitere Arten von Fasziengewebe. Allen Arten gemeinsam ist, dass sie als ein Gesamtnetz den Körper durchziehen, ihn verbinden und dass sie auf unterschiedlichste Weise ins Schmerzgeschehen involviert sein können. So gibt es zum Beispiel auch Organfaszien, die unsere Organe umhüllen und diese an anderen Körperstrukturen wie den Muskeln oder der Wirbelsäule »aufhängen«. Zu nennen sind hier etwa der Darm, der durch Spannungsübertragung Rückenschmerzen auslösen kann, oder die Leber, die über die Faszie und Nervenverbindungen für rechtsseitige Schulterschmerzen verantwortlich sein kann.
Zudem wird die sogenannte extrazelluläre Matrix aus heutiger Sicht als Fasziengewebe bezeichnet – die extrazelluläre Matrix ist das »Material«, das den Raum zwischen den Körperzellen ausfüllt und unerlässlich für die Nährstoffversorgung der Zellen sowie die Kommunikation und Informationsübertragung zwischen den Zellen ist. Auch die Lymphbahnen, die den Abtransport von Stoffwechselendprodukten erledigen, verlaufen hier. Liegen in diesem Zwischenzellraum Störungen vor, werden diese früher oder später ebenfalls zu verschiedensten Erkrankungen führen.
Entsprechend den unterschiedlichen Funktionen der einzelnen Faszienarten werden diese teilweise auch durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Dennoch sollten sie alle als ein zusammenhängendes System gesehen werden. Bei einer ganzheitlichen Sichtweise wäre es kurzum ein zu eingeschränkter Ansatz, sich bei Beschwerden am Bewegungsapparat nur auf die Muskelfaszie zu fokussieren. Die Übersetzung von »myofaszial« in einerseits Muskelgewebe und andererseits Fasziengewebe der unterschiedlichen Arten – also übersetzt als Muskel und Faszie – wäre eine offenere Interpretationsmöglichkeit. Sie bezieht übergreifender außer der Muskelfaszie auch die anderen Arten von Fasziengewebe ein, im Sinne von »myo« und »faszial«.
Genau genommen, gibt es nur eine einzige Faszie, die als dreidimensionales Bindegewebsnetz den Körper komplett durchzieht – von Kopf bis Fuß (oder Fuß bis Kopf) beziehungsweise in horizontaler Ausbreitung von Hand zu Hand. Genauso wie das Leitbahnsystem der Meridiane, das heute in enger Verbindung zu den Faszienzugbahnen gesehen wird. Die einzeln definierten myofaszialen Ketten werden auf Seite 248 im Abschnitt »Effektivitätssteigerung durch Einbeziehung der Faszienketten« beschrieben.
Funktionell betrachtet, bestehen wir auch nur aus einem einzigen Muskel, der über das eine Fasziennetz in ungefähr 600 Segmente unterteilt und andererseits über dieses verbunden ist. Vielleicht kennen Sie das hierbei gern verwendete Bild der Orange: Die Orange ist hinter der äußeren Schale zunächst rundherum von einer weißen Schicht überzogen. Dann besteht sie aus einzelnen, durch eine dünne Haut unterteilten Stücken, die wiederum etliche kleine, voneinander abgetrennte Segmente beinhalten. Auf den Menschen übertragen, symbolisiert das Fruchtfleisch das Muskelgewebe, das verbundene Netz aus weißen Häutchen stellt das Fasziengewebe dar.
Doch trotz der vorliegenden Unterteilungen sehen wir üblicherweise die Orange als Ganzes, oder? Und so sollten wir sinnvollerweise auch unseren Körper betrachten – als eine zusammenhängende Einheit.
Die oberflächliche Muskelfaszie verbindet die aneinandergereihten Muskeln zu einer funktionellen Einheit.
Um den Körper als zusammenhängende Einheit zu beschreiben, wird der Begriff »Tensegrity« verwendet, der ursprünglich aus der Architektur stammt. Das Wort ist zusammengesetzt aus »Tension« = Spannung und »Integrity« = Verbundenheit und bedeutet folgerichtig so viel wie: Die Spannungen in einem Gesamtsystem sind voneinander abhängig und beeinflussen sich gegenseitig. Harte Elemente (im Körper sind das Knochen und Wirbel) werden durch dieses Spannungsgleichgewicht der Zugelemente (Muskeln und Faszie) optimalerweise stabil an ihrem Platz gehalten. Das Tensegrity-Modell erfüllt die Anforderungen von möglichst hoher Mobilität bei gleichzeitiger Stabilität – für unseren Körper sind das perfekte Bedingungen. Warum dem so ist, das lässt sich mithilfe eines weiteren Bildes erklären, mit dem des Segelbootes nämlich.
Das Tensegrity-Modell veranschaulicht das Zusammenspiel der menschlichen Körperstrukturen.
Stellen Sie sich folgendes Bild vor: der Mast eines Segelbootes mit seinen Querstreben kann nur aufrecht gehalten werden, solange die Spannungen der Taue, die an verschiedenen Stellen und Seiten angesetzt sind, optimal aufeinander abgestimmt sind. Ist ein Seil defekt, kann diese Spannungsverschiebung eventuell für eine gewisse Zeit durch andere Seile kompensiert werden, wenn sich bei diesen die Spannung verändert. Ist der Schaden jedoch zu groß oder hält dieser Zustand zu lange an, wird der Mast zwangsläufig nicht mehr aufrecht stehen oder kann im Extremfall auch stärkere Schäden davontragen. Die Gefahr ist besonders groß, wenn zusätzlich ein Gewitter mit Sturm herrscht, sprich, widrige Umwelteinflüsse rundherum auf das Konstrukt einwirken.
Übertragen Sie das Bild des Segelboots nun auf Ihren Körper. Das Skelett und seine einzelnen Knochen und Wirbel werden nur durch optimal ausgeglichene myofasziale Spannungs- und Druckverhältnisse an ihrem vorgesehenen Platz gehalten. Eine durch Faszienverklebungen und Muskelverhärtungen verursachte Einschränkung in einem Glied der Kette macht sich durch Missempfindungen bemerkbar, und diese Missempfindungen können auch an ganz anderen Stellen zu finden sein. So kann sich eine Verhärtung an der Fußsohle beispielsweise über die hintere myofasziale Zugbahn (Abbildung Seite 250) nach oben über die Gelenkachsen fortsetzen und über weitergeleitete Spannungen Kopfschmerzen auslösen. Das nennt man Übertragungsschmerz. Hätten Sie gedacht, dass die Zusammenhänge so weitreichend sein können?
Anschaulich wird die strukturelle und funktionelle Verbundenheit der Körperteile auch, wenn Sie als bildhaften Vergleich eine Tischdecke an einer Ecke mit der Hand verdrehen. Es entstehen Falten, die sich über den Tisch bis an die nächste fixierte Stelle fortsetzen – diese Stelle kann zum Beispiel die sein, an der ein Teller steht. Das erklärt auch, warum es wesentlich wirkungsvoller ist, entlang den myofaszialen Ketten zu therapieren als lediglich isoliert an einzelnen Körperteilen. Alles ist mit allem verbunden.
Der verzurrte Mast mit seinen Querstreben symbolisiert, wie das Skelett mit der Wirbelsäule über die myofaszialen Spannungen gehalten wird.
Die Zugfalten dieser Decke verdeutlichen, wie Spannungen und Züge entlang des Fasziennetzes weitergeleitet werden.
Funktionell betrachtet, sind Muskel und Faszie immer eine gemeinsam agierende Einheit. Strukturell betrachtet, sind sie jedoch unterschiedliche Arten von Gewebe und benötigen daher unterschiedliche Behandlungsreize, sowohl hinsichtlich der Art als auch der Häufigkeit und Dauer.
Muskelgewebe kann relativ schnell (entsprechend seines – über den Daumen gepeilten – 90-Tage-Zyklus der Zellerneuerung) verändert werden. Bei Fasziengewebe dauert dies wesentlich länger, es geht hier um Zeiträume von bis zu sechs Monaten und teilweise sogar noch mehr. Hier ist also Ihr Durchhaltevermögen gefragt! Die gute Nachricht: Für eine geschmeidige Faszie müssen Sie seltener üben, circa zwei- bis viermal pro Woche stehen hier auf dem Programm, während eine effektive Muskelveränderung üblicherweise eine höhere Häufigkeit erfordert – je nach Trainingsmethode müssen Sie mit mindestens drei- bis fünfmal pro Woche aktiv werden (Tabelle Seite 18).
Die Faszie liebt und braucht die Vielfalt an Stimulationsformen, um geschmeidig zu bleiben oder zu werden und optimal ihre Aufgaben zu erfüllen. Entsprechend verfügt sie über zahlreiche, verschiedene Rezeptorarten – das sind die Sensoren der Nerven. Wichtige Reize sind Zug, Druck, Scherkräfte und Vibration, sodass hier neben den in diesem Buch vorgestellten SMT-Übungen mit BLACKROLL®-Tools weitere Übungsformen wie federndes Hüpfen, dynamisches Schwingen, gehaltenes Dehnen und vor allem auch Wahrnehmungsübungen (Seite 19, »Faszinierende Aufgaben«) sinnvoll sind. Weiterführende Literatur finden Sie hierzu am Ende des Buchs.
Ein geübter Massai-Krieger hüpft katapultartig wiederholt auf der Stelle, um seine Stärke zu demonstrieren – unbewusst trainiert er so auch das Fasziennetz.
Aspekte für effektive Faszien- beziehungsweise Muskelübungen |
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Faszie |
Muskel |
Effektive Reizarten |
Druck, Zug, Scherkraft, Vibration |
Muskelanspannung |
Effektive Übungsformen |
SMT-Übungen langsam durchgeführt, elastische Federungen, Schwingen, schmelzendes Dehnen*, Hineinspüren * Mit schmelzendem Dehnen ist gemeint, dass man nach und nach weicher im Gewebe wird – wie schmelzendes Wachs. |
Zur Entspannung des Muskels: SMT-Übungen punktuell/tief Zur Kräftigung des Muskels: Stützkraft-, Längenkraft-, funktionelle Kraftübungen |
Notwendige Übungshäufigkeit |
circa 2- bis 4-mal pro Woche |
3- bis 5-mal pro Woche |
Dauer bis zu deutlichen Gewebeveränderungen |
2 bis 6 Monate |
1 bis 3 Monate |
Die SMT-Übungen bieten in folgender Kombination eine hervorragende Stimulation der Einheit aus Muskel und Faszie:
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In diesem Buch konzentrieren wir uns jedoch auf die SMT-Übungen, um durch ein erstes Lösen von Verhärtungen, Verklebungen und Verspannungen der Faszie die Grundlage für Schmerzfreiheit zu schaffen. Heilung findet nur in der Entspannung beziehungsweise in der Regenerationsphase statt, in der der Stoffwechsel gut funktioniert. Auf dieser Basis können später weitere spezielle Übungen zur Mobilitäts- und Stabilitätssteigerung dann auch erst wirklich effektiv ausgeführt werden.
Das Fasziengewebe hat eine Vielzahl bedeutender Aufgaben – nicht nur für unseren Körper, sondern für unseren gesamten Organismus. Manche Funktionen sind sehr naheliegend: so gibt das Fasziengewebe dem Körper wie eine Hülle seine Form und durch die Netzstruktur Halt. Bei Bewegungen stellt die Faszie als Isolationsschicht und Gleitlager zwischen den Muskelelementen eine adäquate Kraftübertragung sicher. Andere wichtige Aufgaben werden nicht so offensichtlich mit dem Fasziengewebe in Beziehung gebracht, da sie nicht mit der Muskelfaszie in Verbindung stehen, sondern mit den verschiedenen anderen Faszienarten. Dies sind der Stoffwechsel (sowohl die Versorgung der Körperzellen mit Sauerstoff, Nährstoffen und Flüssigkeit als auch der Abtransport von angefallenen Giftstoffen sind hier zu nennen), die Immunregulation über das Lymphsystem und Aufgaben des vegetativen (unbewusst ablaufenden) Nervensystems, wie beispielsweise die Regulation der Verdauung.
Des Weiteren wird die Faszie aufgrund der Vielzahl an Messfühlern heute als Sinnesorgan gesehen, wobei die Kommunikation innerhalb des Organismus, die Verbindung zur Außenwelt und das Zurechtfinden im Raum (Koordination) wesentliche Aspekte darstellen. Besonders im Zusammenhang mit Schmerzzuständen ist die Aufgabe als Speicher hervorzuheben, wobei Speicher hier auch im Sinne eines Körpergedächtnisses zu verstehen ist. Das Fasziengewebe speichert nicht nur positive Dinge ab (etwa Energie bei der Kraftübertragung und Wasser zur Funktionsfähigkeit), sondern hält auch emotionale Erlebnisse sowie Stress in sich gefangen. Zudem dient es als eine Art »Müllhaldegewebe«, wenn der Körper mit Umweltgiften überladen ist. Entsprechend werden die Aufgaben der Faszie durch etliche Faktoren beeinflusst. Unsere heutige moderne Lebensweise stellt dabei leider häufig eine Belastung dar.
Die Aufgaben des Fasziengewebes sind vielfältig und beeinflussen die Gesundheit entsprechend stark.
Unterschiedliche Stressfaktoren wirken tatsächlich tagtäglich auf das Fasziengewebe, sodass dieses sich zusammenzieht und in der Erfüllung seiner Aufgaben gestört wird. Ich habe es an anderer Stelle schon angesprochen, finde aber, dass es nicht oft genug betont werden kann: Nur ein gesundes Muskel-Faszien-Gewebe mit niedrigem Grundspannungsniveau kann einen guten Stoffwechsel haben, was wiederum eine zwingende Voraussetzung für Regeneration und Heilung ist. Ein unter Anspannung stehendes Fasziengewebe hat vielerlei Handicaps, ein sehr gewichtiges ist dabei eine mangelhafte Durchfeuchtung.
Damit die Faszie ihren unterschiedlichen Aufgaben nachkommen kann, ist ausreichend Flüssigkeit, oder besser Körperwasser notwendig, dieses ist die Basis eines gesunden Fasziengewebes.
In Sachen Körperwasser sind SMT-Übungen sehr hilfreich. Denn über den von Dr. Robert Schleip, dem führenden Faszienforscher Deutschlands, und Kollegen beschriebenen Schwammeffekt wird bei den SMT-Übungen das »verbrauchte« Gewebewasser ausgepresst und die Faszie kann sich nun entsprechend dem vorhandenen Flüssigkeitsangebot wieder vollsaugen und damit funktionsfähig sein (Seite 277, »Funktionelle Faszienernährung: Gesundheit von innen«). Wird diese Funktionsfähigkeit dagegen nicht wiederhergestellt, ähnelt das Fasziengewebe einem Tafelschwamm, der nie ausgewaschen wird und verschiedenste Kreidereste ansammelt, sodass die Schwammporen mit der Zeit verstopfen und das Schwammgewebe selbst leidet. Liegt der Schwamm dann die Sommerferien über in seinem Ablagekasten und trocknet aus, kann er in diesem spröden, verschmutzten Zustand auf der Tafel nicht gleiten und seiner Aufgabe nur beschwerlich nachkommen – wenn überhaupt. Wird er hingegen wieder mit frischem Wasser ausgespült und gut durchfeuchtet, gleitet er geschmeidig über die Oberfläche und erfüllt spielerisch seine Funktion.
Ein ausgetrocknetes, sprödes und zusammengezogenes Fasziengewebe kann man sich wie einen ausgetrockneten Schwamm vorstellen.
Für ein gut durchfeuchtetes, elastisches, funktionsfähiges Fasziengewebe steht ein feuchter Schwamm.
Wie wichtig die Wechselwirkung von Struktur und Funktion ist, macht auch noch ein weiterer Punkt deutlich: Eine der Faszienaufgaben ist es beispielsweise, den Muskel vor Überdehnung oder gar Rissen zu schützen. Dank ihrer Gitternetzstruktur aus hauptsächlich Kollagen und Anteilen von Elastin ist die Faszie wesentlich reißfester als Muskelfasern. Ist nun die Faszie nicht ausreichend mit Flüssigkeit versorgt, steigt das Risiko einer Überstrapazierung erheblich.
Diese Eigenschaften kennzeichnen eine gesunde, funktionsfähige Muskelfaszie:
Diese Eigenschaften kennzeichnen eine degenerierte, funktionsunfähige Muskelfaszie:
Ein gesundes Maß an Stress im Wechsel mit Entspannungsphasen gehört zum natürlichen Lebenszyklus und hat durchaus positive Auswirkungen auf unsere Gesundheit. Am Beispiel des Herzmuskels wird die Wichtigkeit dieses periodischen Wechselspiels der Gegensätze deutlich.
Der Herzmuskel kann den Menschen allein durch kontinuierliche Abwechslung aus Anspannung und Entspannung mit lebensspendenden Nährstoffen und Sauerstoff im Blut versorgen. Hinzu kommt, dass der Herzmuskel – so wie jeder andere Muskel – selbst nur ausreichend versorgt wird, wenn sein Gewebe locker ist und die Blut- sowie Lymphgefäße zum Transport keinen Gegendruck von außen bekommen. Stellen Sie sich einen mit Wasser gefüllten Schlauch vor, der zusammengedrückt wird. Dieser Widerstand, der von außen rundum auf den Schlauch drückt, macht es dem Wasser schwerer, an sein Ziel zu gelangen, oder? Es ist ein erhöhter Druck durch mehr Pumpkraft notwendig. Genauso verhält es sich mit den Blut- und Lymphgefäßen sowie teilweise auch mit den Nerven, wenn das Myofaszialgewebe drumherum verspannt und verklebt ist.
Der springende Punkt in Sachen Stress ist, dass sich der Stress heute deutlich zum Negativen verändert hat, vergleicht man ihn mit dem zu der Zeit unserer Vorfahren. Damals war Stress ein überlebenswichtiger Kurzzustand bei akuten Bedrohungen oder in gefährlichen Situationen, wie beispielsweise bei der Jagd eines Mammuts. In einer solchen Stressphase, bei der der Sympathikusnerv (Stressnerv) aktiviert wird, findet die Ausschüttung der Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol statt und die folgende muskuläre Anspannung macht den Körper überhaupt erst kampfbereit. Durch die körperliche Bewegung während des Kampfes selbst, oder andererseits durch Flucht, wurde die körperliche und mentale Anspannung jedoch gleichzeitig auch wieder entladen und in Bewegungsenergie umgewandelt. Kurz gesagt, die Spannung wurde direkt in der Aktion selbstregulatorisch wieder gelöst. Auch die Stresshormone wurden so relativ schnell wieder abgebaut, wenn die Gefahrensituation vorbei war und im Stammeskreis das Mammut am Feuer gemeinsam verspeist wurde. In dieser längeren Erholungsphase mit weiteren positiven Einflüssen (wie beispielsweise dem intakten sozialen Gefüge, genügend Schlaf und so weiter) wurde dem Organismus die Möglichkeit zum Aufladen der verbrauchten Energie gegeben. Der Entspannungsnerv Parasympathikus hat hierbei Überhand und ermöglicht Regeneration und Heilung. Heutzutage sieht das beim Großteil der Bevölkerung ganz anders aus. Und obwohl wir uns dessen meist sogar bewusst sind, verschließen wir dennoch die Augen vor den weitreichenden – nicht nur gesundheitlichen – Konsequenzen. In der gegenwärtigen Zeit ist Stress ein zehrender Dauerzustand, der durch eine Vielzahl auf uns einprasselnder Stressfaktoren ständig aufrechterhalten wird.
So sieht schematisch der Spiegel des Stresshormons Cortisol bei gesundem Kurzzeitstress (oben) und heutzutage üblichem Dauerstress (unten) aus.
Unterschiedlichste Stressfaktoren belasten heutzutage das Fasziengewebe.
In der modernen Welt sind es der Chef, die Beziehung, die ausstehende Miete, die hohen Anforderungen des Alltags, der chronische Schmerz selbst und etliches mehr, was uns in Daueranspannung hält. Dadurch sind wir fast alle jahre- oder sogar jahrzehntelang in Alarmbereitschaft, wenn wir nicht bewusst in die Entspannung gehen. Die Abbildung auf Seite 23 macht deutlich, wie viele unterschiedliche Stressfaktoren tagtäglich auf unseren Gesamtorganismus und damit auch auf unser Fasziensystem einwirken.
Es handelt sich demnach bei dem Wort »Stress« längst nicht mehr nur um den Wahnsinn, den wir heutzutage durch viel Arbeit und endlos volle Terminkalender direkt wahrnehmen, sondern um die Gesamtheit irritierender Umweltreize, die sich auch gegenseitig beeinflussen. Die Krux an der Sache: Unser Organismus hat kein Regulierungssystem für Dauerstress, da es nicht in unserer Natur liegt.
Heute unterscheidet sich auch die Reaktion auf die Stressreize gänzlich von der, die Menschen früher hatten. Bei vielen Menschen wird die Anspannung überhaupt nicht entladen, entweder weil diese wie erstarrt unangenehme Situationen in sich hineinfressen und ihr Dasein als Couch-Potatoe fristen oder weil sie als dauersitzender Workaholic von ihrem Schreibtisch nicht wegkommen. Gemeinsam ist beiden, dass es kaum einen Ausgleich durch körperliche Bewegung gibt. Dies hat deutliche Auswirkungen auf die Haltung und die Bewegungsfreiheit.
Die Faszie reagiert auf den Bewegungsmangel und den damit einhergehenden schlechten Flüssigkeitsaustausch in den »Schmierproteinen« (Glykosaminoglykane) mit Verfilzungen des Gewebes und zusätzlichen Vernetzungen in der Struktur (Cross-Links). Dadurch wird die Anpassungs- und Widerstandsfähigkeit des gesamten Organismus weiter eingeschränkt.
Was die Körperhaltung betrifft, so entwickelt sich der Homo sapiens in der heutigen Gesellschaft aus evolutionärer Sicht zurück.
Eine andere, häufig zu beobachtende Reaktion auf Stress ist auch folgende: Menschen zwingen sich abends nach der Arbeit zu ehrgeizig betriebenen Sportarten oder übertriebenem Jogging. Höher, schneller, weiter ist die Devise! Wie schon den ganzen Tag über im Job, bloß nicht schlapp machen … Doch kein Lebewesen der Welt kann ununterbrochen im Überlebensmodus funktionieren, ohne früher oder später krank zu werden. Wird Sport dann noch regelmäßig im anaeroben Bereich betrieben, also joggt beispielsweise jemand unter Sauerstoffschuld, so wird die Stresseinwirkung durch Übersäuerung noch verschärft. Denn Muskeln und Faszie gehören zu den Geweben des Körpers, die ein nur leicht saures bis basisches Milieu benötigen, um optimal zu funktionieren, und dem wirkt das eben beschriebene Verhalten entgegen.