Gärtnern auf Strohballen eröffnet viele neue Möglichkeiten. Ein Strohballengarten kann fast überall aufgebaut werden. Er bietet ideale Wachstumsbedingungen für alle Arten und Sorten von Gemüse, viele Kräuter und Sommerblumen.
Gemüse auf Strohballen anbauen, wie Pilze? Funktioniert das? Das sind Fragen, die einem spontan in den Kopf kommen, wenn man zum ersten Mal von dieser Anbaumethode hört. Wie soll denn in diesem lockeren Material etwas wachsen? Was ist denn mit der Stickstoff-Fixierung, von der man immer liest, und woher kommen die Nährstoffe, die die Pflanzen zum Wachsen brauchen? Auch ich habe mir diese Fragen gestellt, als ich das erste Mal vom »Straw Bale Gardening«, dem Gärtnern auf Strohballen, gehört habe. Die Idee für diese Anbautechnik stammt von dem US-Amerikaner Joel Karstens, der sie über viele Jahre entwickelt und verfeinert hat. Als ich mich näher mit der Thematik auseinandergesetzt habe, wurde mir schnell klar, wie einfach seine Lösungsansätze waren und welche genialen Möglichkeiten sich zum Anbau von Gemüse und Kräutern eröffnen.
Pflanzen benötigen zum Wachsen, Blühen und Fruchten drei Dinge: Licht, Wasser und Nährstoffe – und als Viertes ein Medium, das ihren Wurzeln Halt gibt. Dieses Prinzip machen sich nicht nur Hydrokulturgärtner seit vielen Jahrzehnten zu Nutze, auch jeder, der seine Pflanzen in einem Substrat auf Torf-, Holzfaser- oder Kokosfaserbasis kultiviert, muss Wasser und Nährstoffe zugeben. Das Substrat dient nur als Lebensraum für die Wurzeln und zur Verankerung. Wenn das Problem der Stickstoff-Fixierung (siehe > f.) gelöst ist, stellt Stroh eine geniale Alternative zum üblichen Gärtnern mit Torf, Kokosfaser oder Holzfaser dar:
Stroh ist ein nachwachsender Rohstoff, der in fast unbegrenzter Menge anfällt. Außerdem kann man ihn beinahe überall aus der näheren Umgebung beschaffen.
Stroh ist billig. Ein einzelner Ballen kostet nur ein Drittel bis ein Viertel der vergleichbaren Menge Pflanzerde.
Stroh ist leicht transportier- und tragbar.
Prinzipiell können alle Pflanzen auf präparierten Strohballen wachsen. Da sich das Material aber im Laufe einer Wachstumsperiode mehr oder weniger stark zersetzt und zusammensackt, ist ein Strohballenbeet am besten zum Anbau von einjährigem Gemüse und Kräutern geeignet. Auch Sommerblumen wie Schmuckkörbchen und Ringelblumen oder Beet- und Balkonpflanzen wie Zauberglöckchen und Pelargonien gedeihen hervorragend. Mehrjährige Kräuter wie Thymian oder Oregano wachsen im Stroh auch sehr gut. Sie sollten aber im Herbst ins normale Gartenbeet umgepflanzt werden – oder Sie ernten sie einfach komplett ab und trocknen die Blätter für den Winter.
Im Vergleich mit anderen Anbaumethoden für Gemüse und Kräuter kommen die Vorteile eines Strohballengartens erst richtig zur Geltung.
Beim Anbau im normalen Gemüsegarten muss der Boden vor der Pflanzung oder Aussaat mühsam bearbeitet werden. Je nach Bodenart sind aufwändige Bodenverbesserungsmaßnahmen nötig: Leichter Sandboden wird mit Kompost und Steinmehl, schwerer Lehm und Ton mit Sand und Humus für die Pflanzen verträglicher gemacht. Auf jeder freien Beetfläche breitet sich Unkraut aus, das regelmäßig gehackt werden muss. Beim Säen und Pflanzen ist das Bücken erforderlich und die zarten Keimlinge oder Jungpflanzen sind gefräßigen Schnecken mehr oder weniger schutzlos ausgeliefert. Damit sich Wurzelkrankheiten nicht im Boden festsetzen, sollte unbedingt eine Fruchtfolge eingehalten werden. Ein gepflegter traditioneller Gemüsegarten ist zwar wunderschön anzusehen und kann auch reiche Ernten bieten, er verlangt aber eine Menge Pflege.
Der Anbau in Pflanzkästen, Kastenbeeten oder Hochbeeten macht den Gärtner unabhängig vom gewachsenen Boden. Dies ist gegenüber dem Anbau in Grundbeeten eine deutliche Verbesserung, zumal man sich bei Hochbeeten, die eine Seitenwandhöhe von 80 cm haben, auch nicht mehr beim Säen, Pflanzen und Hacken bücken muss. Die Anschaffungskosten für ein Hochbeet können aber schnell mehrere Hundert Euro betragen, vor allem für stabile Fertigkonstruktionen.
Strohballen bekommen Sie für wenige Euro bei einem Landwirt aus der Umgebung. Da sich im Stroh keine Unkrautsamen befinden, bleiben die Ballen das ganze Jahr praktisch frei von störenden »Wildkräutern«. Wurzelkrankheiten können nicht auftreten, da das Stroh keine Erreger enthält, Aussaaten keimen besser und wachsen besser, und selbst bei Dauerregen kann es nicht zu Staunässe kommen – überschüssiges Wasser fließt einfach nach unten ab. Und Sie können die Ballen nicht nur auf der Oberseite, sondern auch an den Seiten bepflanzen. Eine reiche Ernte ist also garantiert.
Stroh ist einfach zu beschaffen, leicht zu transportieren und perfektes Recycling. Die trockenen Halme von Getreide fallen in der Landwirtschaft im Überfluss an und werden im Garten in vier Wochen zum perfekten Pflanzsubstrat.
Von weitem betrachtet sehen sich Stroh- und Heuballen zwar ähnlich, da sie meist die gleiche Größe und Form haben. Die beiden Materialien unterscheiden sich inhaltlich aber deutlich.
Stroh ist eigentlich ein »Abfallprodukt« der Landwirtschaft, das beim Anbau von Weizen, Gerste, Hafer, Roggen und anderen Getreidearten anfällt. Bei der Ernte des Getreides werden die Halme knapp über dem Boden abgeschnitten, die Körner aus den Ähren gedroschen und das übrige Stroh wieder ausgestoßen. Entweder wird es beim Dreschen fein gehäckselt und bleibt auf dem Feld liegen, oder die Halme bleiben intakt und werden in einem zweiten Arbeitsgang vom Boden aufgenommen, gebündelt, zu Ballen gepresst und fest verschnürt. Die Energie der Pflanze und die meisten Nährstoffe sind im Korn konzentriert, das Blattgrün ist abgebaut und die Strohhalme bestehen nur noch aus der verholzten Zellulose und Lignin. Sie enthalten praktisch keine Nährstoffe mehr. Für die Verwendung im Garten spielt es keine Rolle, von welcher Getreideart das Stroh stammt. Weizenstroh ist genauso gut geeignet wie das von Roggen, Gerste, Hafer oder Dinkel.
Stroh wird in der Landwirtschaft als Einstreu für Tierställe verwendet. Es saugt Urin auf, bindet den Tierkot und verhindert das Wachstum von Pilzen und Bakterien. Die Tiere stehen auf einem mehr oder weniger trockenen Boden und bleiben gesund. Ist das Stroh mit Gülle vollgesaugt, wird es nach einer Rottephase zu Mist und kann als organischer Dünger wieder auf die Äcker ausgebracht werden.
Wenn man sich einen Strohhalm genauer ansieht, erkennt man den genialen Aufbau, der dieses Material zu einem idealen Pflanzsubstrat macht. Um das zu verstehen, muss man sich die physikalischen Eigenschaften der Strohhalme vor Augen führen. Jeder Halm besteht aus einem hohlen Röhrchen. Wenn nun ein Wassertropfen an eine offene Schnittstelle gelangt, wird er durch den Kapillareffekt in den Halm gesaugt. Die rauen Innenwände des Halms halten das Wasser durch die Adhäsionskraft fest. Es kann nicht mehr aus dem Halm herauslaufen, sondern muss sich seinen Weg nach außen mühsam durch die Wand des Halmes bahnen und verdunsten. So hat Stroh, wenn es einmal richtig durchfeuchtet ist, eine beachtliche Wasserhaltekapazität und sorgt für ein ideales, feuchtes Umfeld für die Wurzeln. Eine regelmäßige Wasserversorgung des Strohballengartens ist trotzdem wichtig, denn Stroh speichert immer noch weniger Wasser als normale Gartenerde. Da Stroh praktisch frei von Nährstoffen ist, kann der Gärtner diese in Form von Dünger genau dosiert zugeben.
Heu besteht aus dem getrockneten Laub und den Halmen von Wiesengräsern, Luzerne, Klee und Kräutern. Es wird als Tierfutter für den Winter geerntet und enthält jede Menge Nährstoffe. Da Grashalme und Blätter viel dünner und feiner sind als die derben Strohhalme, ist Heu weicher. Es eignet sich nur bedingt zum Anbau von Gemüse und Kräutern, da es sich schneller zersetzt und außerdem viele Samen enthält, die im Ballen keimen und sich den Weg an die Oberfläche des Ballens suchen. Mit der Aufdüngung (siehe > f.) müssen Sie sparsamer sein. Durch die rasche Zersetzung ist die Kulturdauer kürzer und der Ballen schon im Sommer nur noch als Mulch verwendbar.
Stroh fällt im Herbst bei der Ernte in großen Mengen an. In Zeiten des Internets ist es nicht schwer, Strohballen zu finden – wenn man erst einmal anfängt, zu suchen, wundert man sich, dass sie einem noch nicht eher aufgefallen sind. Vergleichen Sie trotzdem die Preise, es lohnt sich. Einzelne Ballen aus einem Zoo- oder Heimtiermarkt können durchaus zehn Euro oder mehr kosten. Ein Preis, der auch fällig wird, wenn man im Internet bestellt und sich die Ballen zuschicken lässt – denn aufgrund der Größe und des Volumens übersteigen die Versandkosten oft den Wert des Ballens. Wenn Sie auf Kleinanzeigen-Portalen nicht fündig geworden sind (was unwahrscheinlich ist), lohnt sich auch die Recherche auf landwirtschaftlichen Internetportalen wie:
www.heu-stroh-boerse.de
www.landwirt.com
www.landtreff.de
Fragen Sie bei der Bestellung nach der Größe. Dass die tonnenschweren Rundballen für einen Strohballengarten nicht in Frage kommen, ist leicht ersichtlich. Aber auch bei den Quaderballen gibt es unterschiedliche Größen und Verarbeitungsformen, die das Gewicht und die Eignung zum Gärtnern beeinflussen.
Im Herbst, nach der Ernte, gibt es Strohballen im Überfluss und viele Landwirte geben sie günstig ab. Sie sparen sich so das Einlagern in einer trockenen Scheune oder Halle. Auch nach herbstlichen oder winterlichen Festen oder Veranstaltungen gibt es viele Ballen »umsonst«, die als Deko-Material oder Kulisse gedient haben. Im Garten überstehen sie unter einer Plane, die sie vor Nässe und Schnee schützt, den Winter bis zum Frühjahr problemlos.
Feste Strohballen halten mehr Feuchtigkeit als lockere und müssen nicht ganz so häufig gewässert werden. Besonders im Hochsommer macht sich dies bemerkbar.
Ideal sind mittelgroße Quaderballen mit einer Größe von 50 cm × 60 cm × 70 cm und einem Gewicht von etwa 6–8 kg/Ballen. Sie lassen sich gut tragen und transportieren.
Am einfachsten ist es, sich die Ballen liefern zu lassen. Gegen einen kleinen Aufpreis übernehmen das viele Landwirte oder Nebenerwerbsbauern gerne und bringen Ihnen die Ballen mit einem Pferdehänger oder Transporter bis an die Gartenpforte. Beim Tragen an den Bindeschnüren anpacken, dabei unbedingt Handschuhe tragen, damit die Schnur nicht einschneidet.