– Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek –
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IMPRESSUM
ISBN: 978-3754393239
EPIKTET: HANDBUCH VOM GEGLÜCKTEN LEBEN (ENCHEIRIDION)
In manchen Übersetzungen auch: ›Handbuch des moralischen Lebens‹
oder ›Handbüchlein der stoischen Moral‹
Originalausgabe |© 2021/2018 AuraBooks
Übersetzung I, ab Seite →, aus dem Griechischen: Carl Hilty
Übersetzung II, ab Seite →, aus dem Griechischen: Carl Philipp Conz
Lektorat und Umschlaggestaltung: textkompetenz.net
Gesetzt aus der Garamond
Herausgeber: AuraBooks | eclassica@aurabooks.de
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, 22848 Norderstedt
Inhalt und Design dieses Buches sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht der mechanischen, elektronischen oder fotografischen Vervielfältigung, der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, des Nachdrucks in Zeitungen, Zeitschriften und Büchern, des öffentlichen Vortrags, der Verfilmung und Dramatisierung, der Übertragung durch Rundfunk, Fernsehen oder Video, sowie der Übersetzung in andere Sprachen.
EPIKTETS ›HANDBUCH DES GEGLÜCKTEN LEBENS‹1 ist ein Klassiker der Philosophie, der seit 2000 Jahren immer wieder weitergegeben, nachgedruckt, rezensiert und kommentiert wird. Als Vertreter der philosophischen Schule der Stoa2 propagiert Epiktet ein asketisches und bescheidenes Leben und den inneren Zusammenhang aller Dinge. Seine Philosophie ist wirklichkeitsnah und verzichtet meist auf tiefgründigen philosophischen Unterbau. Sicher ein Grund dafür, warum dieses Handbuch so überaus populär wurde und sowohl in der Spätantike, in der Renaissance, als auch in der Neuzeit immer wieder als Referenz zur Hand genommen wird. Im Zentrum von Epiktets Überlegungen stehen die innere Freiheit und die moralische Autonomie eines jeden Menschen.
Der auf dem Gebiet der heutigen Türkei geborene Sklave Epiktet (ca. 50-138 n. Chr.), erlangte in Rom durch Gönner, die seine intellektuellen Fähigkeiten erkannten, die Bürgerrechte. Später gründete er seine eigene Philosophenschule in Nikopolis, einer Stadt im nördlichen Griechenland. Die Schüler dort waren oft Sprösslinge wohlhabender und adeliger Familien. Auch der heute bekannteste Stoiker3 Marc Aurel4 berief sich rund 50 Jahre später in seiner Schrift ›Selbstbetrachtungen‹ auf Epiktet. Seit seiner Jugend kannte auch Goethe das ›Handbuch des geglückten Lebens‹ und bezog sich mehrfach auf den Philosophen.
Dieses eBook enthält zum kompletteren Verständnis zwei unterschiedliche, anerkannte Übersetzungen ins Deutsche. | © Redaktion AuraBooks, 2021
1 In anderen Übersetzungen auch: ›Handbuch des moralischen Lebens‹,
›Handbüchlein der Moral‹ oder ›Handbüchlein der stoischen Moral‹
2 Stoa: Als Stoa (Στοά) wird eine der wirkmächtigsten Philosophie-Schulen in der abendländischen Geschichte bezeichnet. Der Name geht auf eine Säulenhalle (Stoa) auf der Agora, dem Marktplatz von Athen, zurück, in der Zenon von Kition um 300 v. Chr. seine Lehrtätigkeit aufnahm und die Schule der Stoa begründete. Ein besonderes Merkmal der stoischen Philosophie ist die kosmologische, auf Ganzheitlichkeit der Welterfassung gerichtete Betrachtungsweise, aus der sich ein in allen Naturerscheinungen und natürlichen Zusammenhängen waltendes universelles Prinzip ergibt.
3 Stoiker: Anhänger der philosophischen Lehre der Stoa
4 Marc Aurel (121-180 n. Chr.): Von 161 bis 180 n. Chr. römischer Kaiser und als Philosoph der letzte bedeutende Vertreter der Stoa
(I.) Über das eine gebieten wir, über das andere nicht. Wir gebieten über unser Begreifen, unseren Antrieb zum Handeln, unser Begehren und Meiden, und, mit einem Wort, über alles, was von uns ausgeht; nicht gebieten wir über unseren Körper, unsern Besitz, unser Ansehen, unsere Machtstellung, und mit einem Wort, über alles, was nicht von uns ausgeht.
Worüber wir gebieten, ist von Natur aus frei, kann nicht gehindert oder gehemmt werden; worüber wir aber nicht gebieten, ist kraftlos, abhängig, kann gehindert werden und steht unter fremden Einfluss. Denk also daran: Wenn Du das von Natur aus Abhängige für frei hältst und das Fremde für dein eigen, so wird man deine Pläne durchkreuzen und du wirst klagen, die Fassung verlieren und mit Gott und der Welt hadern; hältst du aber nur das für dein Eigentum, was wirklich dir gehört, das Fremde hingegen, wie es tatsächlich ist, für fremd, dann wird niemand je dich nötigen, niemand dich hindern, du wirst niemanden schelten, niemandem die Schuld geben, nie etwas wider Willen tun, du wirst keinen Feind haben, niemand wird dir schaden, denn du kannst überhaupt keinen Schaden erleiden.
Wenn du nun nach so hohen Zielen strebst, denke daran, dass du nicht mit nur mäßigem Bemühen nach ihnen greifen darfst, nein, du musst auf manches ganz verzichten, manches vorläufig aufschieben.
Wenn du aber außerdem auch auf Macht und Reichtum aus bist, so wirst du vielleicht auch hierin scheitern, weil du zugleich nach jenem strebst; auf alle Fälle wirst du das verfehlen, woraus allein Freiheit und Glück hervorgehen. Bemühe dich daher, jedem ärgerlichen Eindruck sofort entgegenzuhalten: »Du bist nur ein Eindruck, und ganz und gar nicht das, was du zu sein scheinst.« Dann prüfe und begutachte den Eindruck nach den Regeln, die du kennst, vor allem nach der ersten Regel, ob der Eindruck zu tun hat mit den Dingen, über die wir gebieten, und wenn er mit etwas zu tun hat, über das wir nicht gebieten, dann habe die Antwort zur Hand: »Es geht mich nichts an.«
(II.) Bedenke: Begehren verheißt die Erreichung des Begehrten, Meiden verheißt, nicht dem anheimzufallen, was gemieden wird, und wer mit seinem Begehren scheitert, ist unglücklich, und wer dem anheimfällt, was er meiden möchte, ist auch unglücklich. Wenn du also von den Dingen, die du meisterst, nur das meidest, was gegen die Natur ist, so wirst du dem gewiss nicht anheimfallen, was du meidest. Wenn du aber Krankheit, Tod oder Armut zu entgehen suchst, wirst du unglücklich sein. Zieh also deine Abneigung von allen Dingen zurück, die wir nicht meistern, und übertrage sie auf das, was gegen die Natur ist unter den Dingen, die wir meistern. Das Begehren aber gib vorläufig ganz auf. Denn wenn du etwas begehrst von dem, was wir nicht meistern, so wirst du notgedrungen unglücklich, und von den Dingen, die wir meistern, und die du begehren solltest, hast du noch keinen rechten Begriff. Beschränke dich auf das Wollen und Nichtwollen, doch nicht verbissen, sondern mit Vorbehalt und Gleichmut.