Flugerfahrungen
mit der
Heinkel He 162

Testpiloten berichten

 

Wolfgang Peter-Michel

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„The He 162 went into series production too soon after its original conception, and therefore could not be properly proved in trials. Galland said that he sent his cine-photographer to witness the second flight of the prototype. During this trial, after some manoevres, the nose came off the 162 followed by one wing. The aircraft then did three rolls and hit the ground. He admired the speed with which the aircraft became operational but did not consider it a sound design.“

Adolf Galland, General der Jagdflieger 1941–1945 (Britisches Verhörprotokoll)

Inhalt

Abb. 1: Dreiseitenriss der Heinkel He 162. Die Waffeneinbauten sind schwarz hervorgehoben. Quelle: National Archives AIR 40/164.

Einleitung

1944 – das vorletzte Jahr des Zweiten Weltkriegs. Alliierte Flugzeuge drangen zu Tausenden in den deutschen Luftraum ein und zerstörten Städte und Industrieanlagen mit ihren Bombenteppichen. Die dadurch immer schwächere Kriegsproduktion führte zu ernsten Nachschubproblemen.

Das Reichsluftfahrtministerium (RLM) startete deshalb ein sogenanntes „Jägernotprogramm“. Tausende Jagdflugzeuge wollte die Behörde in kürzester Zeit in neu einzurichtenden unterirdischen Fabriken von KZ-Häftlingen, Kriegsgefangenen und Fremdarbeitern fertigen lassen. Darunter sowohl bewährte Typen wie die Messerschmitt BF 109 und Focke-Wulf FW 190, als auch einige der als „Wunderwaffe“ gepriesenen neuen Modelle: Den Raketenjäger Messerschmitt Me 163, den zweistrahligen Düsenjet Me 262 und ein neues Minimalflugzeug, für das bis dahin nur ein Pflichtenheft vorlag. Der neue Stern der deutschen Luftabwehr sollte als einsitziger Strahljäger nicht mehr als zwei Tonnen wiegen, mindestens 30 Minuten in der Luft bleiben können und als Startbahn nicht mehr als 500m benötigen. Außerdem sollte er durch seine Flugeigenschaften allen alliierten Maschinen überlegen, einfach zu fertigen sein und aus möglichst wenigen Sparstoffen bestehen. Zu letzteren zählten unter anderem Aluminium und hoch legierte Stähle, sodass der Jäger größtenteils aus Holz bestehen musste. Neben der einfachen Bauweise legte das RLM besonderen Wert darauf, dass der Jet auch einfach zu fliegen war. Denn dem Reich fehlten mittlerweile nicht nur Flugzeuge, sondern auch erfahrene Piloten. Also sollten Hitlerjungen in Schnellkursen auf Segelgleitern lernen, das Kampfflugzeug zu beherrschen und fortan die feindlichen Bomber vom Himmel holen.

Abb. 2: Die Heinkel He 162 war schneller als alle Jagdflugzeuge der Alliierten.

Nachdem das RLM das Projekt am 8. September 1944 ausgeschrieben hatte, machten sich nahezu alle deutschen Flugzeughersteller in Windeseile daran, geeignete Strahljäger zu entwerfen. Die Heinkel-Werke erhielten am 25. September den Zuschlag, denn sie hatten unter dem Arbeitstitel P.1073 bereits seit längerem aus eigener Initiative an einer solchen Maschine gearbeitet. Dies war der Hauptgrund dafür, dass der erste Testflug der dann „He 162“ getauften Maschine schon am 6. Dezember 1944, also lediglich 72 Tage nach Erteilung des Bauauftrags an Heinkel, erfolgen konnte.1

Abb. 3: In unterirdischen Fabriken entstanden kurz vor Kriegsende noch Hunderte von Einzelteilen der He 162. Hier Rümpfe in einem Stollen in der Nähe von Mödlingen, Österreich. Quelle: AIR 40/164.

Abb. 4: Dieses Bild macht die Ausmaße einiger der unterirdischen Produktionsstätten deutlich. Quelle: AIR 40/164.

Glücklicherweise endete der Krieg für Deutschland dennoch schneller, als die Nazis das wahnwitzige Projekt vorantreiben konnten. Allerdings gelang es den gewissenlosen Fanatikern und den ihnen hörigen Wissenschaftlern und Industriellen, den „Volksjäger“ nicht nur in Rekordzeit zu konstruieren, sondern auch bis Kriegsende noch rund 170 Exemplare fertigen zu lassen. Mehrere Hundert weitere befanden sich Anfang Mai 1945 im Bau.2 Die überhastete Entwicklung hatte jedoch zur Folge, dass die Neukonstruktion mit zahlreichen „Kinderkrankheiten“ behaftet war. Die erste Einsatzgruppe hatte bis Mitte April 1944 bereits 13 ihrer gerade erst erhaltenen He 162 verloren. Dabei starben 10 der Piloten, bei denen es sich wohlgemerkt um erfahrene Jagdpiloten und nicht fanatisierte Hitlerjungen gehandelt hatte. Lediglich zwei davon wurden von alliierten Kolbenjägern abgeschossen. Diese waren dem deutschen Jet in der Flugleistung zwar eigentlich unterlegen. Da jedoch die deutschen Piloten die Leistung ihres Jets noch nicht voll ausfliegen konnten, waren sie für die erfolggewohnten amerikanischen Jagdflieger leichte Beute. Die anderen verunglückten durch Material- oder Bedienfehler.3

Die Briten erhaschten zum ersten Mal einen Blick auf die neue Geheimwaffe, als einer ihrer Fernaufklärer am 6. Dezember 1944, dem Tag des Erstflugs der He 162, den Heinkel Firmenflughafen in Wien Schwechat aus großer Höhe fotografierte. Bei der Auswertung des Bildmaterials machten die Bearbeiter am Ende einer der Landebahnen ein ungewöhnlich kleines Flugzeug aus. In ihrem Bericht vom 29. Dezember 1944 beschrieben sie es folgendermaßen:

Ein unidentifiziertes Flugzeug mit einer Spannweite von lediglich rund 25 Fuß, im Aussehen einer verkleinerten Version der Heinkel He 280 ähnelnd, wurde auf dem Flugfeld der Heinkel-Werke in Schwechat gesehen. Bis auf weiteres wird sie als „Schwechat 25“ bezeichnet werden.

Das Flugzeug, in heller Lackierung, wurde am 6.12.1944 am Ende der Landebahn fotografiert, umgeben von einer Reihe Fahrzeugen und Arbeitern. Seine Konstruktion deutet darauf hin, dass es sich um ein Düsenflugzeug handelt, jedoch liegt dafür bislang kein schlüssiger Beweis vor.

(1) Konstruktionsmerkmale

„Schwechat 25“ ist ein Mittel- oder Tiefdecker mit einem ungewöhnlich niedrigen Spannweiten-Rumpflängen-Verhältnis, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hat es ein Dreirad-Fahrwerk.

Die Tragflächen haben ein niedriges Längenverhältnis, der Tragflächenaufriss ist nicht klar zu erkennen, aber die Hinterkante ist nach vorn geneigt und könnte gekrümmt sein. Die Flächen sind verhältnismäßig weit hinten am Rumpf angebracht, wodurch der Bug recht lang erscheint, vergleichbar mit der He 280.

Zur Heckkonstruktion kann noch keine Aussage gemacht werden, aber es könnte ein H-Leitwerk angebracht sein.