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1. Auflage September 2015
2. Auflage Februar 2016
© 2015 GAX AXEL GUNDLACH
www.gaxkabarett.de
Herstellung und Verlag:
BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN 978-3739-278230
Für Waltraut, die uns alle viel zu früh hier zurückgelassen hat.
Dein Lachen wird immer bei mir sein!
Für Sabina, meine persönliche Sprechpolizei,
dank der mich jetzt auch andere schon besser verstehen
Für meine Eltern Eva und Werner
Für Onkel Günter
Für Günter, Ronni, Jul und Alvaro
Für alle meine Freunde vom KaHouse für KunstKulturKommunikation
Für Alf, Axxl, Flo, Frank, Frankie, Jan, Yonas
Für die Slamily
Von der lauten Bühne ins ruhige Buch! Ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber ein Sprung ins Ungewisse für jeden einzelnen kleinen Text.
Was sonst wie im Rausch über die Bühne hastet, poltert und mit Stimme und Spiel Augen und Ohren des Publikums umgarnt, ruht nun hier auf geduldigem Papier, harrt dem jetzt auch auf sich allein gestellten Leser. Hier müssen die Texte eine andere Qualität beweisen. Einzelne Zeilen, ja ganze Absätze dieser Bühnentexte können doppelt gelesen und so einer viel genaueren Prüfung unterzogen werden. Und vor allem der Humor, auf der Bühne ja gerne mal durch gut gesetzte Betonungen und schelmische Gesichtsgymnastik auffordernd hervorgehoben oder wahlweise besänftigend entschärft, muss sich nun auf sich selbst gestellt durchsetzen. Kann schwierig sein. Da wird’s Härtefälle geben.
Auf der anderen Seite: In der Ruhe liegt die Kraft der Worte. Die dramaturgischen Aspekte, die hintergründigen Wendungen und Wandlungen, die versteckten Feinheiten haben als Lesestoff vielleicht sogar eine größere Chance sich zu entfalten als im Lärm der Bühne. Sofern es sie gibt. Also, geplant waren ja ein paar. Aber ich will mich mal nicht zu früh verraten.
Ansonsten gilt mit Knecht Ruprecht: In der Rute liegt die Kraft! Kabarett und satirische Poetry Slam Texte dürfen auch mal nerven, einem heimlich in der Seele weh tun und den guten Geschmack verletzen – vor allem damit einem klar wird, dass man noch eine leicht genervte Seele und sowas wie guten Geschmack besitzt. Denn auch das leistet der Autopilot im Sackkreisel: Zuhörer, Leser und Autor müssen nicht immer derselben Meinung sein, die hier versammelten Texte dienen auch zur Abgrenzung, zur Bestimmung der eigenen Position, frei mach dem Motto: Bild dir meine Meinung.
Es erwartet Sie im Buch also genau das, was Sie auch erwartet, wenn Sie eines Tages mal in Ihr Lieblingskabaretttheater gehen und sich einen ganzen Abend den Herrn GAX mit seinem „Sackkreisel auf Autopilot“ anschauen: Ausflüge in Lebensgeschichten mit Umwegen, aber ohne Ausweg, mit äußeren und inneren Sperren, mit vielen gescheiterten Fluchtversuchen und auch so mancher Wendung, die man leichtsinnigerweise als gelungenen Fluchtversuch werten möchte.
Dabei haben die Texte eine gewisse Spannbreite zwischen dem satirischen Kabarett – oder Literarièté, wie man manche der Texte vielleicht früher gattungsbezeichnet hätte – und den teils auf die Sekunde ausgezeiteten Texten, mit denen man sich beim Poetry Slam als siegeslustiger spoken word artist dem direkten Urteil der Publikumsjury stellt.
Ich hoffe natürlich, dass – wenn auch nicht alle – so aber doch der eine oder andere Text Nerv, Seele oder Geschmack trifft. Und wenn es zu all dem nicht taugt, dann doch wenigstens zur Kurzweil, zum schnellen Amusement, für ein paar billige Lacher über den einen oder anderen eingestreuten Kafkalauer. Oder, um mal den einzigen Zeitungsartikel zu zitieren, den es sich wirklich lohnt zu zitieren, und zwar aus dem Darmstädter Echo nach den Hessischen Poetry Slam Meisterschaften von 2014:
„Am Ende wurde es noch einmal richtig spannend. GAX hatte als zweiter Starter der letzten Runde mächtig vorgelegt. „Sechs Minuten Ewigkeit“ hieß sein Sprach-Furioso, im Textwitz noch stärker als in der Raffinesse des gehetzten Vortrags, aber mit so vielen Pointen und überraschenden Bildern gespickt, dass ein Spaßmacher aus dem großen Heer der Comedians daraus einen ganzen Abend bestreiten könnte. Dafür vergab die Jury 48,5 von 50 möglichen Punkten.“
Und nun: viel Vergnügen beim Lesen!
Der Satyr
Beim Poetry Slam wird das kleine Opferlamm nicht nur nicht zur Schlachtbank geführt, sondern vorher noch mit warmen Worten begrüßt und mit freundlichem Applaus empfangen. Er ist der dankbare Erste auf der Bühne, aber nicht der Erste im Wettbewerb, denn für den ist es oft undankbar der Erste zu sein. Diese Last lädt das Opferlamm auf sich und stimmt mit seinem Vorspiel Publikum und Jury auf die Teilnehmer eines Poetry Slams ein.
Es ist schon eine besondere Situation, den Wettbewerb der Bühnendichter auf diese Art als Warm-Upper (vulgo: Einheizer) einzuläuten. Man soll gut sein, um das Publikum in Anspannung zu versetzen, damit die Aufmerksamkeit steigt; aber nicht so gut, dass sich der nachfolgende erste Slammer denkt: „Na, danke, jetzt ist es noch schwerer, als wenn ich nur einfach so als Erster auf die Bühne gegangen wäre.“
Damit es nicht soweit kommt, habe ich einen Opferlammtext geschrieben, der deutlich außerhalb der Konkurrenz steht, weil er erkennbar vom Inhalt und vom Pathos her den Abend ankündigt und die Bühne für meine lieben Slam-Kollegen bereitet.
Und das ist ja auch ein idealer Einstieg in dieses Buch. Aber letztlich auch ein guter Einstieg in ein Soloprogramm!
Vorhang auf!
Poesie kann diese Welt nicht retten
Ein einzelnes Gedicht vielleicht
kann eine Seele in Staunen wohl versetzen
Sie so sehr verblüffen, dass sie sich hinterfragt
Doch das ist leicht dahingesagt
Wenn man, wie hier, in einer Höhle steht
Und mit rotem Beerensaft
Ein Bild auf Euren Felsen malt
Wie Rauchzeichen, wie Dunst so zart
In einen Hauch von Gegenwart gesprochen
Voll Inbrunst, voller Hoffnung gar:
Dies eine Zeichen eines Orpheus mag
Jene eine, halb verlor’ne Seele retten
Schnitt!
Der Welttraum – unendliche Weiten!
Inmitten eines Wertstoffhofs von Satelliten
Odysseus, schwerelos in seinem Titansarg
Blickt auf diese blaue Welt hinab
Ein Flaum von kaum einer Meile Leben
Mehr Menschen als es jemals Gräber gab
Ein babylonisches Geflecht
Von Unverstand und Unverständnis
Ein ewig plapperndes Gefängnis
Billiarden Bilder jagen durch den Äther
- Und jedes Bild macht tausend Worte -
In diesem Treibsand schwindet mein Gedicht
Zu wenig Auftrieb, und doch kein Gewicht
Schnitt – etwas später ...
Nachher um halb drei in einem Loch von Kneipe
Hier irgendwo nah bei
Wir Dichter schulden uns harte Kritik – Wein hilft dabei!
Gekonnt: Wir verteilen schlecht getarntes Eigenlob
als Ratschlag an die Andren
Am Nebentisch: ein genervter Informatiker:
Hier, halt’ doch endlich mal das Maul!
Euer ganzer Lyrik-Scheiß ist doch nur Hirngewix!
Ihr verändert nix!
Die ganze Welt - nichts als Physik
Nur Null und Eins. Begreift Ihr’s nicht?
Und wir? Betret’nes Schweigen ...
Ich kann den Kerl nicht leiden
Nicht dass es in der Mathe keine Schönheit gäbe
Keine Lyrik, in der sich Form um Formel fügt
Keine beerenrote Prosa, die von Ewigkeit erzählte
Doch was nützt denn diese fremde Poesie?
Die Technokraten sprechen grad mal ihren Grundwortschatz
Es langt zum Zählen; also beziffern sie:
– Wie viel Mensch passt wohl in einen Viehwagon?
– Wie viele Nichtschwimmer in ein morsches Fischerboot?
– Wie viel Geld passt noch in meine Taschen?
Und wie viel lass ich Euch für Euer letztes Hemd?
Ein harter Schnitt
Kurze Rückblende aus der Unschärfe,
Wir wissen nicht, wer sich erinnert:
Gedichte können diese Welt nicht retten
Sie sind in ihrem Innersten das Gegenteil der Politik;
Vom Ideal geprägt, und nicht vom faulen Kompromiss
Umso größer, umso mutiger die Tschechen
Die ihren Dichter Havel zum Präsidenten kürten
Welch wildes Herz, welch stolze Würde
Und wen haben wir?
Das Land der Dichter und Denker?
Rau, Köhler, Wulff, Gauck
Weniger Poesie ist kaum ...!
Die Stimme bricht
Das Bild verschwimmt, Schwarzblende
Gedichte können diese Welt nicht retten
Was macht dann eine Lesebühne? Ein Poetry Slam?
Eine Operation am offenen Wort
Wie eine Demonstration in der Pathologie
Nur dass die Dichterleiche selbst mit dem Skalpell sich öffnet
– CSI Poetry – und Einblicke gewährt, die manchmal auch zum
Besseren erschrecken
So hoffnungslos hoffnungsfroh, wie die Dichter sind
Sieh da, ein Individuum
Hoffnung keimt!
Das hat der Warhol wohl damit gemeint
Die paar Minuten Ruhm sind kein Fanal
Sondern Fest und Manifest der Einzigartigkeit
Jeder einzelne auf Erden ist es wert, gehört zu werden
- In Liebe und Trauer, Glück und Freiheit! -
sind wir einzig, aber nicht allein!
Laufschrift des Senders
Hier geht den Filmstudenten das Geld aus,
deswegen zeigen wir den Rest in Schwarzweiß!
Live aus dem Herz der Poesie
Die Poesie kann diese Welt nicht retten
Ich wünschte, irgendjemand könnte solche Zeilen schreiben,
die Hitler, Pol Pot, Stalin doch verhindert hätten
Oder etwas, um ISIS in die Menschlichkeit zu treiben
Und die Falten auf Zar Vladis Seele zart zu glätten
Und ich? ich bin mit mir im Reimen
Da draußen im Leben möchte ich eigens,
an meinen Taten nur gemessen werden
Da zeigen sich Herz und Vernunft
Hier drinnen aber, im feuchten Schoß des Dichterreigens
In diesem Schatzbunker Eures Einvernehmens
Hier darf Seele sich entblößen
Hier wird der rote Beerensaft - vielleicht - zur Kunst:
Johera trug
Den Krug
Auf ihrem Kopfe
Sodass kein Tropfen
Vom Gut
Verloren gänge
Wie geschickt
Ihr Genick
Ihre Hände
Und ging ihres Wegs
Vom Durst getrieben
Doch war
Am Ende
Kein Tropfen
Geblieben
Nun war vielleicht
Der Weg zu lang?
Die Sonne stand
Zu hoch?
Cliffhanger, ein Gesichtsausdruck
– bedeutungsschwanger: zu hoch?
eine sanfte Blende
Kurze Werbung,
dann kommen wir zum Ende:
Ein einzelnes Gedicht vielleicht
kann eine Seele wohl zum Klingen bringen
Wie das Grafitto jener Wasserträgerin
Auf einem Felsen, irgendwo im Kongo
An einer Bretterwand in Bergen-Belsen
Hier, Schwachkopf! Gib mir konkrete Daten:
GPS-Koordinaten, Datum und Wetterbericht
Fassungsvermögen von dem Krug, – Und ich
kann dir die ganze Verdunstungsscheiße ausrechnen!
Schnitt, Epilog:
Wenn es bei dieser Dichterschlacht was zu gewinnen gibt,
dann ist es eine nächste freie Seele
Viel Wenig ist ein Viel!
Zwei Reiskörner im zweiten Feld des Schachbretts
Erzählt es weiter:
Die Poesie kann vielleicht nicht,
doch sie will immer noch die Welt erretten!
Mosquito Superfly
Der Held steht natürlich oft im Mittelpunkt des Interesses, und das zu Recht, wie schon Aristoteles vor knapp zweieinhalbtausend Jahren glasklar erkannt hat. Denn er ist es, in dem wir uns am ehesten wiedererkennen möchten. Er ist es, dem durch das Schicksal unverdientes Leid widerfährt – so wie uns –; der sich unter dem Druck der Ereignisse an neue Situationen anpassen muss – so wie wir –; der sich verändern muss, um nicht endgültig vom Sackkreisel verschluckt zu werden – so wie wir –; und er ist es, der am Ende sein Ungemach mit Humor zu ertragen hat – auch wie wir! Denn seien wir doch mal ehrlich: sowas wie ein Happy End gibt’s doch nur in Hollywood oder in thailändischen Massage-Salons.
Darum sind die Helden in diesem Buch nicht von der ganz klassischen Sorte, sondern irgendwie realitätsnäher: näher am Scheitern, näher am Verlust der eigenen Integrität, näher an der Katastrophe des eigenen Ichs. Selbst wenn sie wie mein Don Quixote mit den allerbesten Absichten daherkommen. Aber, na gut, da muss man dann halt durch.
Vergrößert, erweitert, vermehrt, erhöht, angereichert – augmented!
Eine tolle Sache für alle, denen die Realität zu langweilig ist
– oder wahlweise zu undurchsichtig!
Auch ich bin auf das Produktversprechen dieser Digitalwirtschafter reingefallen:
Werde zum besten Klugscheißer der Welt!
Wie alles, was heute zutage toll und Industrie 4.0 ist,
beginnt auch die Augmented Reality mit dem Download einer App!
Und der Eröffnung eines Paypal-Kontos
Digitales Einbildungsvermögen – Vorstufe zum Offenbarungseid!
Aber egal, ... man kann eh nix mitnehmen.
WLan stabil, also downloaden!
Schon kann man mit seinem Schlauphone durch die Stadt laufen und sich die gut gescannte Welt im Realitäts-Virtualitäts-Kontinuum erklären lassen.
Da Denkmal: Goethe, deutscher Dichter!
Gut, den hätte ich auch grad noch so erkannt
Hier Hochhaus: Deutsche Bank
Ah, 6000 Strafverfahren wegen Geldwäsche und Steuerfluchthilfe anhängig!
Klar, hätte ich aber auch getippt
Oder hier im Schaufenster:
Outdoor Wendejacke Sommer/Winter 800€,
In vier Farben: senfbeige, umbrabeige, ultrabeige und kackbeige
Bester Preis online: 212€
Hergestellt in Bangladesh, Produktionskosten: 9€
CFO Steuerstrafverfahren
– link zu: Deutsche Bank!
Und was mit toten Gegenständen klappt, das geht ja auch schon mit Untoten. Also mit Personen, so über Gesichtserkennung.
Die notwendigen Informationen zieht sich mein Programm dann aus den asozialen Medien:
Schmidt, Susi, 27, ledig,
arbeitet als Flexikantin in Werbeagentur
Hobbies: Biken, Backen, Teufelsdreier
Ist nächsten Samstag mit Freundinnen in Disco „Ciao“
Achtung: viele Hautarztbesuche!
Soll die Krankenakte nach Diagnosen untersucht werden?
Oder der ganzkörpertätowierte 2-Meter-Typ, der Susi grad von der anderen Seite anquatscht:
Stalin, Vladimir, 42, Selbstständiger Unternehmer,
Arbeitet hier: Moskau Inkasso
28 Vorstrafen wegen Körperverletzung
Mag Blümchenunterwäsche
Mag keine Witze über Blümchenunterwäsche
Hoffentlich mag er Hautarzttermine.
Ja, das sind schon erweiterte Informationen, die einem helfen, das eigene Verhalten spontan vermehrt auf die Umwelt abzustimmen.
Das nützt aber wenig, wenn man dafür Vladi Stalin das Handy vor die Fresse halten muss. Viel zu auffällig!
Zuletzt hab ich da ein paar mal Ärger gekriegt
Hier guckst du mich? Ich sag dir, guck mich net an!
Also kauf ich mir so’ne Googlebrille
Die erste Testperson wäre mein Mitbewohner Gonzo:
34, vollledig, Student der Sozialwissenschaften auf Lehramt im 28sten Semester, nebenbei Kleindealer
Hobbies: pennen, Scheiß erzählen, weiterpennen
Ich kenn ihn halt gut
OK, denk ich, schau ich mir mal an ...
durch meine neue Googlegucker.
Hat’s mich fast vom Hocker gehauen:
Krassmann, Bernd, andere Namen: the big G.
Software-Manager, arbeitet bei: Google-Apple-Holding
Zweitjob: Model-Scout für Pentboy Playhouse
Hobbies: Speedboat, Ferrari, Monte Carlo
Ich schau Gonzo an
Er zuckt mit den Schultern als wollte er sagen:
Sonst krieg ich nie irgendeine ab
Stattdessen sagt er: „Läuft bei mir!“
Ja, vergrößert, erweitert, vermehrt, erhöht, angereichert – wer wäre das nicht gern?
Ah, jetzt verstehe ich, wie die Augmented Reality in Wirklichkeit funktioniert. Aber es dauert, bis man raus hat, wie man seine Profile auf Facebook, Tinder, Youporn und im selbst verfassten Wiki so getuned hat, dass man in der Brille der anderen auch richtig rüberkommt.
Ich will ja nicht, dass alle Leute in ihrer AR als erstes so Sachen über meinem Kopf eingeblendet sehen wie:
Arbeitslos, deswegen viel Zeit für Poetry Slams ...
3 Freunde auf Facebook,
in Klammern: alle denselben Nachnamen
Haftbefehl wegen Steuerhinterziehung, #Schweiz
Da muss man schon für sorgen, dass da die richtigen Infos erscheinen:
Sabbatical vom Vorstandsposten
um Buch zu schreiben
333 Freunde auf facebook,
in Klammern: davon 300 weiblich, jung, ledig
Finanziell unabhängig, #Schweiz
Klappt! Andere Menschen mit AR-Apps schauen mich auf einmal freundlich an. Junge, unterernährte Damen lächeln mir zu.
Und dann kann man Naked Truth hochladen
Nein, keine Röntgen-App, viel besser:
Sone art mind reading Mentalisten App
Da sieht man dann immer die echten Gedanken der Menschen in so Sprechblasen über ihren Köpfen schweben:
"Warum soll ich Dir Arsch sagen, wie's mir geht?"
"Ob er schon ahnt, dass er gefeuert wird?"
"Ich hätt gern Sex mit dem Mann meiner besten Freundin"
Oh, blöd, das war ja die Selfie-Kamera
Und am Anfang findste das ja noch lustig. Aber dann gerät man in Situationen: da stellt man fest, dass es von der Natur ziemlich gut eingerichtet ist, dass man nicht immer weiß, was der andere grade denkt. Vor allem wenn der andere eine Frau ist!
Eine, die Frauenromane liest – und dann tagträumt
Beim Speed-Dating!
Und du siehst in deiner Brille ihre Gedanken
Oh, der sieht aber nicht aus wie ein Doktor
Oder:
So ein bisschen Bauch ist ja ganz kuschelig, aber wenn er seinen
Schwanz noch nicht mal mehr im Spiegel sehen kann, nee ...
Oder:
Jetzt hab ich ihm schon zum dritten Mal ein Pfefferminz angeboten, ... und der merkt’s nicht!
Und dann kommt der Moment, wo in Deiner Brille erscheint, dass sie grad bemerkt, dass Du dieselbe App wie sie in ihrer Brille offen hast. Und dann versuchen beide möglichst an gar nichts mehr zu denken.
Und das ist ein Speed-Dating, bei dem man sich so vorkommt, als wär man schon 20 Jahre zusammen.
Aber weil das auf Dauer ja nur deprimierend ist,
kann man dann ’ne andere App hochladen:
Pink World
Die macht dann das Ding zur Rosa-Googlebrille
Dann sieht man dann nur noch die schönen Seiten des Lebens.
Die Hälfte aller Weiber werden einfach aus dem Straßenbild ausgeblendet.
Und so gut wie alle Männer.
Selfie – nicht mehr möglich!
Ich hab mich selbst ausgepinkt.
Ich bin eine unakzeptable Masse Mensch für die Rosa Brille.
Da gibt es nichts mehr zu beschönigen.
Das muss besser gehen:
Ich melde mich freiwillig als Versuchs- und Irrtumskaninchen.
Die Operation ist ein voller Erfolg.
Jetzt werden die Infos von der Linse direkt in mein Auge projiziert.
Kamera am Ohr implantiert, Tonabnehmer aufm Trommelfell.
Alles verbunden mit dem MiniMegaRechner in meinem blauen Zahn.
Und jede Menge neuer Apps.
Auch eine, mit der ich die Pinkworld-Brille wieder austricksen kann.
Per WLan erscheine ich als Hologramm von James Franco,
oder Mark Wahlberg – je nachdem ...
Jetzt darf sie nur beim Sex ihre Brille nicht abnehmen
Und falls doch: Magneto Mind Control App
Dann überspiele ich einfach Gedanken direkt in ihr Hirn.
Ganze Passagen von Rosamunde Pilcher,
Karen Rose und
Fifty Shades of GAX!
Einfach rein in die Birne.
Aber die Magneto App zieht total viel Strom.
Da kannste zugucken, wie die Nadel fällt.
Zum Glück, für solche Fälle habe ich ein implantiertes Notstromaggregat. Ein Trafo, der sich die Energie direkt aus meinem Trapezmuskel saugt.
Und jetzt wird’s langsam albern:
Oben Gedanken kontrollieren!
Unten kopulieren!
Und dann noch mit dem Arm wedeln!
Jetzt bloß nicht schlapp machen ...
Der Ausnahmefehler 942 ist aufgetreten
Bitte starten Sie ihr Gehirn neu ...
De.. Ausna...efehl... 942 is.. au..getre..en
Bi...e star...n Si.. ihr ...hirn ..eu ...
Vorspiel
Nach schamlos durchzechter Nacht
Doch ziemlich betrunken
Ins nächstbeste Sofa gesunken
Noch schnell drei Aspirin in Schnaps aufgelöst
Dann unruhig, rastlos ...
In wirren Gedankenfetzen gefangen
So grad nach Morpheus Wille
halbwegs eingedöst ...
Und endlich Ruhe, Stille ...
Hhhrrrrrrrr ... (schnarchen)
Akt I
Bbssssssssssss
Kann es sein, dass ich mich täusch?
Mir träumt, ich hört da ein Geräusch
Ein Zwischending aus scharfem Summen
Und gar kläglich Brummen
Ein ... (schläft wieder ein)
Bbsssssbbbsssssssbbsssssss
Verdammt, ich hab mich nicht verhört
Es trog nicht, dass mich da was stört
So ein Geräusch von grobem Klang
Zerhackt, und doch minutenlang
Dotzt das Mistvieh mit dem Leibe
Und dumpfem Klopfen an die Scheibe
Wieder runter, wieder rauf ....
Bbsssssbbbsssssssbbsssssss
Eins muss man dem Mistvieh lassen:
Es gibt so schnell nicht auf!
Doch ... es ist auf seine Weise
Auch dumm wie Scheiße
Denn das Fenster nebenan
Ist sperrangelweit geöffnet
Doch das Drecksvieh denkt nicht dran
Das Weite da zu suchen
Pustekuchen
Wozu frag ich mich insgeheim
Ist so ne Fliege gut?
Als Eiweißproduzent allein
Taugt die Fliegenbrut
Wüchsen Rindersteaks
So schnell wie Fliegenmaden
Könnte so ein kleines Kalb
Schon nach vierzehn Tagen
800 Kilo feinstes Steak
Auf den Rippen haben
Gewiss, das ist enorm
Aber keine Leistung
Nur ein genetisches Programm
Gut, immerhin
Aus Scheiße macht sie Protein
Die Made frisst sich fett und dann
Wird sie zur Larve
Zum Steak fehlt ihr die Form
Dann wird sie Fliege
Dann wandelt sie sich in ein Ding
So hässlich, wie es grad nur ging
Mit keinem andren Zweck vertraut
Als Lärm zu machen
Und zwar laut!
BSssssss Bbbssss Bbbsssssssbbbsssssssssss!!!!!!
Akt II
Bbsss
Was regt dieser Mensch sich auf?
Der ist doch eh besoffen
Lass mir doch lieber meinen Lauf
Und ja, ich weiß, da rechts ist offen
Doch ich liebe es nunmal
Am Fenster rumzurummeln
Ich mag das kühle Glas
Der Mensch fährt Bob im Eiskanal
Mir macht halt das hier Spaß
Ich übe für die Meisterschaften
Ich dotz dagegen, bleibe haften
Drehe meine Pirouetten
Mache schöne Silhouetten
Springe doppelt Axel ein
Und lass den Mensch da Menschen sein.
Hab ich mich je beschwert
Über eure blöde Brut?
Tut ihr der Erde gut?
Was ist denn des Menschen Wert?
Gut, aus Proteinen macht Ihr Scheiße
Das ist für mich als fette Schmeiße
Nahrungstechnisch echt bequem
Doch sonst seid Ihr nicht angenehm
Und denkt mal nach
In Sachen Laut- und Lärmgeräusch
Im Vergleich zu Euerm Krach
Ist mein Brummen eher keusch
Und bescheiden schlicht
Findste nicht?
Akt III
Um die Ecke schleicht die Katze
Zückt die Krallen aus der Tatze
Wenn ich dich kriege, Fliege!
Stutz ich dir Flügel
Dann bist Du, Fliege, nicht mehr Fliege
Sondern Krieche
Dann ist's vorbei mit deinem Leben
Im Schweben
Dann heißt es Bodenhaftung: Schwerelosiglosigkeit!
Bbsss - Noch ruht die Fliege auf dem Platz
Die Katze wackelt mit dem Arsch
Und Marsch
Schon geht sie los, die wilde Hatz
Das Untier naht mit einem Satz
Das Summtier macht sich flugs davon
Die Katze übt den Biathlon
Rennen zielen rennen zielen
Durch die Zimmer, über Dielen
In den Fluren
Hinterlässt die Hetzjagd Spuren
Doch trotz Tigers Heldenmut
Kein Tropfen Fliegenblut
Ziert die scharfen Krallen
Das Fliegenvieh entzieht sich allen
Katzenschlichen
Erschöpft sinkt sie aufs Fell
Fliegen können müsst man, gell?
Lacht die Fliege
Und versteckt sich, für den Fall
Dass die Katze nochmal kommt
In einer Kammer aus Metall ...
Akt IV
Montagmorgen – ausgeschlafen
Halbwegs nüchtern geht der brave
Mensch sein großes Tagwerk an
Ein Kaffee noch, ein Brot und dann
Hinunter geht es ins Labor
Denn ich hab heute Großes vor
Seit Jahren bau ich die Maschine
Auf dass sie meinem Ruhme diene
Beim hohen Ministerium
Und bei den Damen untenrum
Und am End auch finanziell
Spektakulär, sensationell
Ich mach das Reisen superschnell
Ein alter Menschheitstraum - ja ja
Die Teleportation wird wahr
Ich stell mich in die linke Kammer
Die Tür fährt zu – unwiderruflich
Es greift die Klammer
Jetzt kommt’s drauf an
Ob all die Jahre, rein beruflich
Ihren Höhepunkt erklimmen
Der Countdown läuft ...
Plötzlich fällt sein Blick von innen
Auf die Sichtbullaugenscheibe
Da klettert doch mit schwarzem Leibe
Diese blöde Bratze
Mit der Facettenaugenfratze
Und noch schlimmer
Mit diesem ekelgrünen Schimmer
AKT V
Es knistern Strom und Spannung
Ein Blitz, der Elektronenstrahl
Erfasst die Moleküle
Von Forscher und Insekt
Die Maschine läuft perfekt ...
Da ertönt ein Schrei:
Haha, jetzt bin ich: Superfly!!!
Die Superkraft des Intellekts
Verschmolzen mit der des Insekts
Und schau an
Der grüne Schimmer auf der Haut – gar nicht schlecht
Mein Herz schlägt 2000 Mal pro Minute
Alle meine Reaktionen sind hundertmal schneller
Mit meinen Facettenaugen kann ich
200 Fernsehprogramme gleichzeitig gucken
Gut, die Weitsicht ist etwas verloren gegangen,
aber mit so guten Reaktionen
kann man es auch auf sich zukommen lassen!
Ich habe keine Angst - vor niemand mehr
Außer vielleicht ein klein bisschen vor Spiderman
– aber das ist genetisch!
Alle anderen können mich mal ...
dreißig-, vierzigmal gegen die Scheibe werfen
Das macht mir gar nichts
Denn ich bin Superfly!
Ich kann das Zehnfache meines Körpergewichts
einfach so ... liegenlassen
Ohne schlechtes Gewissen
Superfly!
Ich geh ins beste Restaurant der Stadt
Und bestell mir einen Teller Scheiße
Und wenn mich einer dumm anschaut:
Superfly!
Karate, Taekwondo, Messerwerfen?
Lächerlich
Brauch ich alles nicht
Ich siege!
Ich bin eine 2 Meter große Fliege
Ich kann meine Gegner einfach nur zu Tode nerven
Bbsssssbbbsssssssbbsssssss ....
Kann ich tagelang
Ich bin Superfly!
Ich greif mir jede flotte Biene
Denn ich hab jetzt den Längsten
Gut, ist jetzt ein bisschen hart behaart
Aber ich zaubere ein Lächeln auf Dein Gesicht
Und noch eins ...
Und noch eins ...
Und noch eins ...
Denn ich kann jetzt 200 Mal in einer Nacht
Ich bin Superfly!
Ich bin Superfly!
Ich ... bin ... Superfly!
Auch immer schön beim Poetry-Slam: ein Mitmachtext!