die sehnsucht

des fotografen

wolf-peter wolf

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Herstellung und Verlag:

BoD - Books on Demand, Norderstedt

ISBN 9783848285426

die sehnsucht des fotografen

© 2013 Wolf-Peter Wolf

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        Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Woher wissen die Möwen, dass sie Möwen sind?

In München wohne ich in an der Isar und gehe dort häufig am Ufer spazieren. An vielen Stellen umfliegen Möwen die Spaziergänger in der Hoffnung auf ein paar Krumen Brot. Letzten Winter überholte ich bei diesem Treiben einen Vater mit seinem Sohn, als dieser gerade fragte: „Papa, woher wissen die Möwen, dass sie Möwen sind?“

Beim Weitergehen denke ich, eine Möwe kann doch gar nicht wissen, dass sie eine Möwe ist! Wie mag der Junge zu dieser Schlussfolgerung kommen? Nach einigen Metern denke ich mir: dem Jungen wird in seinem Heranwachsen vermutlich zunehmend klar geworden sein, dass er eine selbstständige Persönlichkeit ist, dass sein Selbst abgegrenzt vom Außen ist, dass er als Subjekt umgeben ist von Objekten. Diese anfänglich noch unbewusste Selbst-Erkenntnis überträgt er auf die Möwen: so wie er weiß, dass er ein Junge ist, müssen doch auch die Möwen wissen, dass sie Möwen sind!

Die Entwicklung des Selbstbewusstseins spiegelt sich demnach in der Trennung von eigenem Ich und der zunächst fremden Außenwelt wider. Diese Entzweiung in Subjekt und Objekt geht einher mit der Ausbildung der Sprache. Sprache wäre also geradezu ein Indiz für die dem Subjekt bewusst gewordene Spaltung in Eigen-Ich und fremde Außenwelt.

Da Möwen nicht der menschlichen Sprache mächtig sind, sollten sie kein unserem Selbstbewusstsein vergleichbares Bewusstsein über ihr Möwen-Ich haben. Demzufolge sollten Möwen gar nicht wissen können, dass sie Möwen sind. Daher dürfte die Frage „Woher wissen die Möwen, dass sie Möwen sind?“ auch keinen Sinn machen. Mehr noch: die Frage nach dem „Woher“ wäre dann sogar völlig unerheblich.

Sei´s drum – Sprache als Vermittlungsinstanz zwischen Subjekt und Objekt ist nicht ausschließlich an das gesprochene Wort gebunden. So nimmt zum Beispiel der Fotograf in seinen Bildern eine non-verbale, optische Beziehung zu seinem Motiv, zum Objekt auf – umgekehrt aber auch das Objekt zu ihm! Das kann schon während der Aufnahme des Bildes passieren, wenn zum Beispiel das Motiv ein Mensch ist und dieser auf das Fotografiert-Werden reagiert: misstrauisch – ignorierend – neugierig …