Foto: Gerhard Vohs »Kater Tommy«

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

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© 2013/17 Name des Autors/Rechteinhabers: Gerhard Vohs

Illustration: Gerhard Vohs

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 978-3-7322-7292-1

Inhaltsverzeichnis:

  1. Das Sieben-Uhr-Schreck-und-Weck-Kommando
  2. Traum mit Fahrerflucht
  3. Bitte sprechen sie nach dem Signalton
  4. Wie ein Strauchdieb
  5. Die mächtige Waffe des Beamten
  6. Hey Keule, lass dich umarmen
  7. Aktionismus im Treppenhaus
  8. Ein begehbarer Schrank
  9. Ein Beutel mit Ab-In-Den-Müll-Qualität
  10. Kampf dem Zweiflügler
  11. Tommy der Radaubruder
  12. Ein sehr eigenwilliger Kater
  13. Dem Bett die Stirn bieten
  14. Katzenklo, Katzenklo, ja das macht die Katze froh
  15. Gesegnet sei der Mensch, der nichts erwartet …
  16. … denn dann kann er auch nicht enttäuscht werden
  17. Tommys Badevielfalt
  18. Die Jahresendzeitpflanze
  19. Die qualvolle Disziplin, Wäsche zu waschen

Kater Tommy,
ein Wolf im Schafspelz

1. Das Sieben-Uhr-
Schreck-und-Weck-Kommando

Es war wieder einmal der Morgen eines Montags, den ich schon während der Schulzeit hasste, besonders dann, wenn er direkt nach den viel zu kurzen Ferien eintrat. Ferien waren dafür gedacht, dass sich der fleißige Schüler von der Schule erholen sollte, im Gegensatz zu heute, wo man sich in der Schule erholt.

Während die Jugend augenblicklich damit beschäftigt ist, sich fast täglich mit der Intelligenz eines Computers zu messen, indem endlos vor irgendwelchen Computerspielen herumgelungert wird, waren wir auf der Straße und kamen erst wieder Heim, wenn die Straßenbeleuchtung bereits eingeschaltet war.

Wir hatten keine Play Station, kein Nintendo, keine Videos, keine DVDs, kein Dolby Surround, keinen eigenen Fernseher, kein PC und auch kein Internet, dafür hatten wir Freunde. Wir gingen einfach raus, trafen uns auf der Straße und manchmal schlugen wir uns blau und grün. Wir hatten uns geschnitten, die Knochen gebrochen, Zähne raus geschlagen und niemand hatte Schuld, außer wir selbst.

Unsere Eltern brauchten sich keine Sorgen zu machen, denn sie wussten, dass uns nichts passieren würde, höchstens mal ein blaues Auge.

Heute tun die Eltern so, als würden sie sich Gedanken machen, wo ihre Sprösslinge herumlungern. Doch im Zeitalter der schnurlosen Telekommunikation gibt es ja Handys, mit denen man den Kindern hinterher spionieren kann. Schon Babys werden früh an diese kleinen mobilen Sprechfunkgeräte gewöhnt, allerdings werden sie da noch Babyfon genannt.

Montag, ein grauenvoller Tag, der nach jedem harten Wochenende unweigerlich kommt, und die viel umstrittene Arbeitswoche beginnen lässt. Ein Wochenende, wo man mit Freunden ein Trinken war und es dennoch geschafft hatte, nach Hause zu kommen.

Ich wendete meinen Kopf vorsichtig zu Seite, öffnete ein Auge und schaute zum Wecker. Sechs Uhr und drei Minuten. Ein paar Minuten kannst du noch, dachte ich mir, drehte den Kopf wieder zurück und schloss das Auge. Doch da hab ich nicht mit der Achtsamkeit meines Katers Tommy gerechnet.

Tommy ist ein zimtfarbener Kater, der die Meinung vertritt, dass die elterliche Erziehung bei mir versagt hätte und er sie jetzt nachholen müsste. Dabei war meine Geburt ein glückliches Ereignis meiner Eltern. Meine Mama war damals gerade mal zweiunddreißig, als ich geboren wurde und sie beschrieb mich als das Do-it-yourself-Baby. Ich wurde nicht sehr groß, hatte aber komprimierte und perfekt ausgeprägte Fälle von Mumps und Masern. Lesen und Schreiben lernte ich in der Schule und auf Wunsch meiner Eltern trat ich einem Handballverein bei, der jedes Spiel verlor, wenn ich im Tor stand.

Heute befinde ich mich bereits in einem Alter, wo man an der Ampel gefragt wird: »Kann ich ihnen über die Straße helfen?«, wo die Lieblingslieder "Oldies" heißen, wo einem im Bus ein Platz angeboten wird, obwohl man nicht schwanger ist; wo die Midlife-Crisis von der Zukunft in die Vergangenheit gewechselt hat.

Nachdem meine Frau verstorben war, haben Tommy und ich beschlossen, eine Tier/Mann-WG zu unterhalten. Sie ähnelt einer Männer-WG, das heißt ausschlafen ist nicht, da mannigfaltige Aufgaben verrichtet werden müssen, wie zum Beispiel die Fressnäpfe des Katers ständig nachzufüllen.

Tommy hingegen nahm sich zur Aufgabe, sobald es hell wird, vor dem Bett zu sitzen und zu warten, bis ich mich bewegte. Dabei reichten schon eine winzige Kopfbewegung und ein vorsichtiger Blick zum Wecker. Früher hatte er mir in den Zeh gebissen, damit ich wach werde, doch als das nicht mehr half, nahm er andere Möglichkeiten wahr.

Er ist der Meinung, dass wir Menschen uns verhältnismäßig gut für das Zusammenleben mit Katzen eignen, da wir Dosen öffnen, Klos reinigen, streicheln und spielen können. Ansonsten sind wir aber Lernresistenz, artikulieren nur wirres Zeug und sind zur reinen Wohnungshaltung ungeeignet.

Wir würden an fehlender Realitätswahrnehmung leiden, denken, die Wohnung sei unser und Katzen hätten wir zu uns geholt, damit wir nicht alleine sind.

Wer eine Katze im Haushalt hat, der weiß, wer Untermieter ist, der weiß sich als Bediensteter zu schätzen, sich als Lakai, Diener und Gesinde zu benehmen.

Ferner vertritt Tommy die Meinung, dass eine Kastration der Menschen nicht unbedingt vonnöten sei, da eine Nachkommenschaft nur in geringen Mengen ausfällt.

Doch ist die Nachkommenschaft erst mal auf der Welt, kosten sie eine Unmenge an Geld, sind in den ersten Jahren zu nichts zu gebrauchen, danach nur eingeschränkt einsatzfähig und im Allgemeinen nur zur Unterhaltung geeignet.

Das ist eben der Unterschied zwischen einem Menschen und einer Katze. Der Mensch denkt: Er müsste ein Gott sein, eine Katze hingegen denkt: Ich muss ein Gott sein.

Tommy saß immer noch vor dem Bett und versuchte durch seine elektroschockbegleitende Hypnose, in mein Unterbewusstsein zu gelangen, mich zu einem Telepathie Empfänger zu machen und damit wiederum zu seinem Diener. Eine Technik, die man anwendet, wenn man etwas tun soll, was man sonst nicht tun würde.

Nachdem er bemerkt hatte, dass er mir damit keine Flausen aus dem Gehirn fräsen konnte, sprang er, mit der Wucht eines vom Startblock ins Schwimmbad springenden Leistungssportlers, auf meinen Bauch. Es ist wie bei einem Stuntman, der sich freiwillig in Todesgefahr begibt und es aus reiner Willenskraft tut, oder ist es nur der besondere Adrenalin-Kick, den er jedes Mal suchte?

Dabei entwickelte er eine Aufprallkraft, als wenn mir gerade ein Wildschwein durch die Frontscheibe meines Autos entgegen geflogen wäre.

Dann die Szene wie in einem Slapstick Film, wo man wie ein Gästebett mittig zusammenklappt, als wenn man bei einem Sit-up die Fußspitzen mit den Händen in der Luft berühren wollte.

»Oach, Tommy, was soll der Quatsch. Ich hab dir schon tausendmal gesagt, dass du mich nicht immer so erschrecken sollst. Wenn du so weiter machst, dann melde ich dich zum Casting beim Dschungel-Camp an, damit du mal lernst, wo der Frosch die Locken hat.«

Es schien ihn nicht sonderlich zu interessieren, was ich sagte. Er fing an zu Treteln, als wenn er die Bettdecke aufschütteln würde. Diese Handhabung ist nicht zu verwechseln mit der Märchengestalt von Frau Holle, die nur durch unsachgemäße Anwendung zu Federverlusten führte.

Dann das gleichmäßig vibrierende Geräusch, was Katzen beim Wohlbefinden und in Stresssituationen erzeugen, das Schnurren. Ein Moment der Besinnung, Entspannung und Genügsamkeit. Ein Moment, wo ich meinem Kater jede Dummheit verzeihen würde und zufrieden bin, Untertan der besten, schönsten und klügsten Katze der Welt zu sein.

Sein Blick ließ nicht von mir ab, das Schnurren wurde immer lauter, ähnelte schon einer Kreissäge. Seine Augen verformten sich zu schlitzen, wie ein Schutzmechanismus, der ihn vor der unangenehmen Auswirkung des Sonnenlichtes schützen sollte. Er legte sich in meinem Arm und sofort nahm meine Hand Besitz von ihm. Streicheln durchfuhr ich sein Fell, welches seidig und dicht war und dankend schnurrte er zufrieden für das, was er bekam.

Doch nach einigen Minuten der Zweisamkeit sprach ich zu ihm:

»So Tommy, ich muss jetzt aufstehen, muss mich fertigmachen. Mein grenzenloser selbst überschätzender Chef ruft, weil er glaubt, dass es ohne ihn weltweit keine Arbeit geben würde.«

Mit halb geschlossenen Augen stand ich auf, ging ins Badezimmer, hielt vorm Waschbecken und versuche den Montagmorgen zu überstehen. Dabei schaue ich in den Spiegel und lächelte meinem Ego aufmunternd zu. Manchmal zeigt er mir Dinge, die ich gar nicht sehen wollte, wie zum Beispiel die eigene Dummheit. Das ist dann der Moment, wo ich mir wünsche, dass der Spiegel mit einem Weichzeichner ausgestattet wäre.

Ich nahm die Zahnbürste, trug ein Strang Zahnpasta drauf und um den notleidenden multinationalen Konzernen zu helfen, noch ein erbsengroßes Kügelchen obendrauf. Als ich den Wasserhahn ein wenig öffnete, um die Pasta anzufeuchten, sprang Tommy augenblicklich auf den neben dem Waschbecken befindlichen Badezimmerunterschrank, beugte sich vor und fing an, den Wasserstrahl einzusaugen. Dabei versuchte ich zu verhindern, dass der Zahnpastaschaum nicht auf die Katze fällt, während Tommy genussvoll seinen Durst stillte. Mit Schaum vor dem Mund, als wenn ich einem veterinärmedizinischen Versuchslabor für Tollwut entflohen wäre, bemerkte ich:

»Tolle Wurst Tommy, als wenn du nicht genügend Wassernäpfe überall stehen hast.«

Der Kater sah mich an, erschrak, dass er fast rückwärts vom Waschbecken gefallen wäre, drehte sich um und verschwand.

Nach meiner Morgentoilette ging ich in die Küche, wobei Tommy schnurstracks zum Futternapf vorauslief, in der sicheren Erwartung, dass sie schnellstens gefüllt werden. Jedoch wie jeden Morgen setzte ich erst mal Wasser auf, um mir ein koffeinhaltiges Heißgetränk zu brauen. Tommy währenddessen erinnerte lautstark an seine Fressnäpfe, indem er die restlichen Brekkies unüberhörbar knackte.

Als er nach geraumer Zeit von ihnen abließ, nahm ich die Schälchen, wischte sie aus um neues Futter einzufüllen, wobei mich Tommy zu körperlich züchtigender Eile attackierte, indem er mir wohlwollend vor Begeisterung in den Knöchel biss.

»Au Tommy, das tut weh. Lass das!«

Bestimmend fing er an zu miauen, was sich nicht nach einer Rechtfertigung, sondern mehr nach einer Forderung anhörte, ihn vor dem morgendlichen Hungertod zu retten. Ich stellte seine Näpfe hin und beobachtete ihn, wie er am Nassfutter und an den Brekkies schnupperte, jedoch nichts anrührte. Anfangs habe ich mir Sorgen gemacht, dass es nicht seinem kulinarischen Gaumen entspräche und daraufhin ein anderes Futter besorgt. Viele Tüten, Schalen und Dosen verschwanden unangetastet im Mülleimer, bis ich feststellte, dass es dem nicht so sei, dass er einfach seine Mahlzeiten für später aufbewahrte. Sollte er sich doch herablassen sofort zu fressen, so erwartet er, dass der Fressnapf sofort nachgefüllt wird.

Mein Kaffeewasser kochte und während ich den Becher vollgoss, stand Tommy direkt hinter meinem linken Bein, ohne dass ich ihn sehen konnte. Die Chance war natürlich groß, dass ich über ihn stolpern musste, was letztendlich auch geschah. Verstört lief er in den Flur, während ich erschrocken und bestürzt den Kaffeebecher zu Boden fallen ließ, der daraufhin sofort in äußerst scharfkantige Splitter zerbrach.

»Scheiße auch das noch«, empörte ich mich und schaute mir den Fußboden an, der die Küche in eine mit schleimigem Brackwasser gefüllte Seenlandschaft verwandelte. Eine ideale Spielmöglichkeit für Kinder, wobei doch die Scherben erhebliche Blessuren verursachen könnten.

Nicht nur Enten gehören zu den neugierigsten Lebewesen dieser Welt, auch Tommy fand sich wieder ein, um das Ausmaß der Katastrophe zu bewundern. An der Schwelle der Küchentür blieb er stehen, ließ die Bohnenlose Brühe auf sich zukommen, streckte dabei die Zunge heraus, um doch mal zu kosten, was Herrchen zu unter einen Individualitätsverstärker versteht.

»Tommy gehe da weg. Da sind lauter kleine Splitter, die die Unverfrorenheit haben, sich in die Füße ahnungsloser Opfer einzuschleichen, um höllische Schmerzen zu verursachen.«

Doch Tommy hörte nicht, wie so immer und so schloss ich ihn erst mal im Wohnzimmer ein.

Schnell brachte ich die Küche wieder auf Vordermann, saugte und feudelte und war guter Hoffnung, keinen Splitter mehr vorzufinden.

Das Desaster war beseitigt, nun war es höchste Zeit mich fertigzumachen, denn die Arbeit rief. Ein bezahlter Spielplatz für Menschen, die den Sinn des Lebens in einer Beschäftigung suchen.

»Tschüss Tommy, ich bin gegen Mittag wieder zu Hause. Mach kein Scheiß gehe nicht ans Telefon und lass keinen rein.«

Die Tür schloss sich. Tommy stand davor und schaute sie noch sekundenlang an. Dann schlich er gähnend durch die Wohnung und suchte nach einer noch zu kolonisierenden Schlafmöglichkeit.

Im Schlafzimmer fand er ein schwarzes Polo-Shirt, das über einem Stuhl hing. Er schnupperte an dem Kleidungsstück, das sich mit dem Geruch einer Heringstonne und dem Achsel Nr. 5 ein Stelldichein gaben.

Genussvoll ließ er das Odeur in seine Nase fliesen, tippte es kurz an und wie von Geisterhand rutschte plötzlich das Polo-Shirt von der Lehne zu Boden.

Sofort stellte sich Tommy darauf und setzte zu sportlichen Höchstleistungen an, er fing an zu treteln. Eine Art trampeln mit abwechselnd ein- und ausgefahrenen Krallen, um das Wohlbefinden zu bekunden. Ein Urinstinkt, der aus der Kindheit der Katzen stammt, wo sie damit den Milchfluss bei ihrer Katzenmutter anregten.

Manchmal gerät er dabei geradezu in Ekstase und es fängt an, aus seinem Mund zu tröpfeln. Manchmal aber auch kann sein "Liebesbeweis" sehr schmerzhaft sein, besonders dann, wenn er auf dem Schoss liegt und seine messerscharfen Artefakte sich in meinen Oberschenkel bohren.

Darüber hinaus wird keine Rücksicht darauf genommen, mit den Vorderkrallen einen Ziehfäden nach dem anderen, aus den Maschen zu ziehen. Warum auch! Dreckige Wäsche gehört schließlich nicht über den Stuhl, damit sich die Gerüche in der ganzen Wohnung verbreiten, sondern in den Wäschekorb.

Es wurde ruhig, Tommy legte sich nieder, seine Augen fielen langsam zu und er begab sich auf eine Traumreise in den Katzenhimmel.

2. Traum mit Fahrerflucht

Ein schöner Sommertag begegnete ihm im Traum. Der Himmel war blau und die Sonne lachte in ihrer ganzen Pracht. Tommy lag im duftenden Heu, den Kopf starr nach vorne gerichtet, die Hinterpfoten sprungbereit.

In kurzer Entfernung sah er eine Katze, überwiegend weiß mit Abzeichen in Schwarz und Braun. Sie hat schlanke lange Hinterpfoten, die bis zum Boden reichten und ein extrem kurzes Fell. Ihr Hals ist mit einer merkwürdigen Applikation behangen, wobei die Glocke wie eine Discokugel aussah. Der Kopf ist rundlich, die Ohren anschmiegsam, die Nase stupsartig, der Schwanz zierlich schmal und lang. Keine knubbeligen Knie, kein Reiterhosensyndrom und keine Ansätze für Cellulitis.

Eine Katze, um auf die Knie zu fallen und den Herrn der Fellkugel zu danken, dass man ein Kater ist.

Ganz vertieft in ihrem Spieltrieb war die kleine Katzendame mit einem getrockneten Grashalm beschäftigt, merkte dabei nicht mal, wie sie von Tommy beobachtet wurde. Lauernd lag er da und wartete auf eine Gelegenheit, ihr den Hof machen zu können, sich mal von seiner Schokoladenseite zu zeigen, um mit ihr ein Tätä-Rätä anzufangen.

Wie ein junges Fohlen wirft sie ihren Kopf in den Nacken, biegt ihren Rücken weit durch und ließ den Schwanz wild hin und her peitschen. Tommy war fasziniert von dieser Eleganz, wie sie sich bewegte, wie sie sich auf diesen wehrlosen Halm stürzte und immer wieder in ihn hinein biss.

Ach was würde er dafür geben, in diesem Moment einer dieser Halme zu sein, sich wild wedelnd vor ihrer Nase zu bewegen, sich reizen zu lassen, und zu ihrem Werkzeug zu werden.

Die kleine Katzendame schmiss sich auf den Rücken, nahm mit allen vier Pfoten den Halm und kaute darauf, bis er weich und nass von ihrem Sabber war. Dann fiel er ihr aus der Hand und schlagartig sprang sie auf, um nach diesem Stiel zu suchen.

Sprunghaft bewegte sie sich hin und her und schnupperte nach ihrem Spielzeug. Dabei wurden ihre Bewegungen unkontrollierter. Sie verlor das Gleichgewicht und fiel auf die Seite. Mit einem Satz sprang Tommy hervor und mit einem Buckel, der ihn größer wirken ließ, um sie damit beträchtlich zu beeindrucken, galoppierte er auf steifen Beinen mit seitlich versetztem Körper an ihr vorbei. Eine deutliche Aufforderung zum Spielen, zum Jagen, zum Verfolgen, na ja und noch zu vielen anderen Sachen mehr.

Verunsichert machte sich die Katze klein, vergrub ihre Beine unter dem Körper und legte den Schwanz eng an. Zusammengekauert lag sie da im Heu, um notfalls sich sofort auf den Rücken zu drehen und den Gegner mit Krallen und Zähen abwehren zu können.

Dabei fing sie leicht an zu knurren, legte die Ohren eng an und verfolgte mit scharfen Blicken die enthusiastische Bewegung von Tommy, der immer noch tänzelnd wie ein Fisch im Wasser um sie herum zappelte.

Als er sich ihr nähern wollte, fauchte sie ihn kurz und energisch an, worauf er sofort zurückschreckte und mauzte, was so viel bedeutet wie:

»Grrrrr, du machst mich ganz wild mit deinem Gezeter.«

Immer wieder lief er wie ein seitwärts laufender Krebs an ihr vorbei und wollte sie damit beeindrucken. Eine Art Eindruck hinterlassen, die in der heutigen Zeit mit der Tätigkeit von Bienchen und Blümchen nicht mehr viel gemeinsam haben.

Seine körperliche Bewegung soll hypnotisierend wirken und sie völlig willenlos machen, sie anregen, fesseln und reizen, am liebsten sie ohnmächtig vor seine Füße fallen lassen.

Reiz ist eine Sinneszelle, die von der einfachen Felllänge, über extrem lange Augenvibrissen bis zu einer weißen Blesse auf der Nase, einen langen Weg hinter sich hatte.

Ach was war Tommy von dieser Schönheit fasziniert, von dieser Augenweide, die ihn dazu brachte, dass er sich so langsam zum Affen machte.

Dennoch machte er weiter und konnte sich im Moment auch keinen schöneren Platz auf Erden vorstellen, als diesen hier.

Er lauschte ihrer Atmung, bildete sich ein ihren Herzschlag zu hören und genoss das Gefühl, ihre Anwesenheit zu spüren.

Es ist wie der Flirt in einer Sommerfrische, der selbst den Asphalt auf der Autobahn zum Schmelzen bringen könnte; wie das Eis, das der Kenner auf der Zunge zergehen lässt, wo es dann seinen vollen würzigen Geschmack entfaltet oder wie die erfolgsversprechende Anmache eines Machos: Ich hab meine Handynummer verlegt, bekomme ich deine?

Der Mut zum schönen ist gekommen und gleichzeitig ist die Angst vor Hässlichkeit verschwunden, wobei man das Letztere mit Alkohol bekämpfen könnte. Klappt der Flirt dann doch nicht, dann kann es schon mal vorkommen, dass ein paar Blumenvasen durch die Lüfte fliegen und an der Wand zerschellen.

Während Tommy weiter um die Gunst seiner neuen Flamme wirbt, näherte sich ein weiter Kater. Er ist besonders groß, kräftig gebaut, hat verfilztes Fell, ernährt sich von tomatenmarkhaltigen Pizzas und Cola mit Fruchtfleisch und kann mit seinem starken Übergewicht, hemmungslos jede Waage zerstören.

Mit der enormen Erhebung am Rücken und dem bösen stechenden Blick könnte man ihn für Quasimodo halten, ein Mann, der in Ermangelung einer Freundin lieber mit den Kirchenglocken spielte.

Zuerst wurde er gar nicht bemerkt, da Tommy immer noch dabei war, sich ironisierend darzustellen, um die kleine Katzendame zu bezirzen, ihr klar zu machen: