Das Cover zeigt ein Orang Utan-Kind aus dem Zoo Rostock (© Goldner 2012)

Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt

2016 (7. überarbeitete und erweiterte Auflage von 5/2015)

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdruckes, der photomechanischen Wiedergabe, der Herstellung von Mikrofilmen, der Einspeicherung in elektronische Systeme sowie der Übersetzung vorbehalten.

ISBN 9783739270890

Inhaltsverzeichnis

Quellenangaben: Tierbefreiung (www.tierbefreiung.de) / TIERethik (www.tierethik.net) / hpd = Humanistischer Pressdienst (www.hpd.de) / MIZ = Materialien und Informationen zur Zeit (www.miz-online.de) / Tierstudien (www.neofelis-verlag. de) / taz = Tageszeitung (www.taz.de) / Psychologie heute (www.psychologie-heute.de) / sueddeutsche de (www.sueddeutsche.de) / IARC = International Animal Rights Conference (www.ar-conference.com) / Tierrechte (www.tierrechte.de) / junge Welt (www.jungewelt.de) / GEO (www.geo.de) / KoK = Kochen ohne Knochen/Veganmagazin (www. kochenohneknochen.wordpress.com / Evokids (www.evokids.de) / EMMA (www.emma.de) Einige der Texte wurden geringfügig überarbeitet und/oder mit anderen bzw. zusätzlichen Bildern illustriert.

Beraubt all dessen, was sie und ihr Leben ausmacht, werden die Tiere im Zoo psychisch krank: der Totalangriff auf ihre Natur treibt sie geradewegs in den Wahnsinn.

Emilio Sanna, 1977

Im Zoo begegnet man gerade nicht der Natur, der wirklichen Tierwelt schon gar nicht.

Hugo van Lawick, 1987

Tierliebende Menschen mögen keine Zoos.

Elke Heidenreich, 1992

Die erzwungene Inaktivität im Zoo ist für die Tiere die reinste Qual.

Horst Stern, 1992

Die Abschaffung der Zoos ist ein großer humanitärer Schritt. Ziel ist es, die Tyrannei des Menschen über das Tier zu beenden.

Sina Walden, 1993

Zoos sind Orte pornographischer Gewalt: Gaffer auf der einen Seite, unfreiwillig Begaffte auf der anderen.

Derrick Jensen, 2007

Tiere im Zoo sind keine Botschafter, die uns etwas über die Natur lehren, vielmehr lehren sie uns etwas über das augenscheinliche Bedürfnis des Menschen, jedes andere Lebewesen auf Erden unterjochen und ausbeuten zu müssen.

Bill Maher, 2007

Machen wir uns nichts vor: Zoologische Gärten sind Schauveranstaltungen auf Kosten der tierischen Zwangsdarsteller.

Volker Sommer, 2013

Tierbefreiung 80, 9/2013

Zoos in der Kritik

Während Zoos sich seit ihren Gründertagen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in einem von Kritik weitgehend unangetasteten Freiraum bewegen konnten, gerieten sie Mitte der 1970er unter massiven Rechtfertigungsdruck: im Zuge des Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES) von 1973, das den bis dahin völlig unkontrollierten Handel mit vom Aussterben bedrohten Tierarten erheblich einschränkte, trat erstmalig ins öffentliche Bewusstsein, welch enormen Anteil die für Zoos getätigten Wildfänge daran hatten, dass viele dieser Tierarten überhaupt erst an den Rand des Aussterbens gebracht worden waren.

Eine unabhängige Untersuchung, vorgelegt 1974 von dem italienischen TV-Journalisten Emilio Sanna, verursachte größte Aufregung unter den Zoobetreibern: zum erstenmal in ihrer fast 150jährigen Geschichte sahen sie sich mit die Institution selbst in Frage stellender Kritik konfrontiert. Unter dem Titel Lo zoo folle hatte Sanna, zusammen mit dem Regisseur Riccardo Fellini, einen Dokumentarfilm gedreht, der in drastischen Bildern die katastrophalen Verhältnisse in den italienischen Zoos zeigte. In einer pointierten Streitschrift gleichen Titels, die er 1977 nachschob, formulierte Sanna zudem eine grundsätzliche Kritik an der „Institution Zoo“. Detailliert beschreibt er die grausame und verlustreiche Praxis der Gefangennahme freilebender Wildtiere und ihres Transportes in irgendwelche europäischen oder US-amerikanischen Zoos und schildert die verheerenden Auswirkungen, die die Gefangenhaltung der Tiere auf ihr körperliches und psychisches Befinden haben.

In Italien bildete sich durch den wiederholt auf RAI ausgestrahlten Film und das Buch Sannas eine unerwartet breite Front an Zoogegnern, die argumentative Unterstützung fand in dem 1975 erschienenen Grundlagenbuch Animal Liberation von Peter Singer. Mitgetragen von den wichtigsten Medien des Landes erhoben zahlreiche Intellektuelle und Kulturschaffende ihre Stimme gegen die „Kulturschande Zoo“, darunter Franco Zefirelli, Sophia Loren oder Adriano Celentano. Selbst alteingesessene Zoos wie die von Turin oder Mailand gerieten derart unter medialen Beschuss, dass sie sich gezwungen sahen, ihren Betrieb einzustellen; auch viele kleinere Provinzzoos mussten schließen.

Trotz aller Erfolge der italienischen Anti-Zoo-Bewegung sprang der Funke nicht auf die anderen europäischen Ländern über, am wenigsten auf Deutschland. Vereinzelte Beschwerden, wie etwa der Filmemacher Horst Stern oder die Schriftstellerin Elke Heidenreich sie vortrugen, verhallten ungehört.

Erst 1987 erschien Sannas Streitschrift auf deutsch (Affenliebe-Affenschande: Wie wir die Tiere zu Irren hinter Gittern machen), erzielte hierzulande aber nicht ansatzweise die Wirkung wie in Italien. Nur in England, dem Mutterland des Bürgerzoos, wurde das Thema aufgegriffen: 1984 begründeten die Tierrechtsaktivisten Virginia McKenna und Bill Travers die Initiative Zoo Check (umbenannt später in Born Free Foundation), die Missstände in britischen Zoos aufdeckte. Letztlich war es eine von McKenna und Travers im Jahr 1993 veröffentlichte Studie, über die Zookritik auch im deutschsprachigen Raum ankam (genauer gesagt handelte es sich um die deutsche Ausgabe ihrer im Original bereits 1987 erschienenen Studie Beyond the Bars, in der sie massiv gegen die Institution Zoo vorgegangen waren und damit eine breite öffentliche Diskussion in Gang gesetzt hatten: die Besucherzahlen in den britischen Zoos waren im Zuge dieser Debatte deutlich zurückgegangen; letztlich mußten mehrere der Zoos geschlossen werden. Die unter dem Titel Gefangen im Zoo vorgelegte Studie ließ in den Chefetagen auch der hiesigen Zoos beträchtliche Nervosität aufkommen. Vor allem der Umstand, dass der deutschsprachigen Ausgabe eine Reihe erschütternder Bilder aus dem Alltag deutscher Zoos vorangestellt war - wodurch die Studie nicht als „nur auf britische Verhältnisse bezogen“ abgetan werden konnte -, machte den Verantwortlichen besonders zu schaffen. Während sie gegen die McKenna-/Travers-Studie allerdings nichts zu unternehmen wussten, zogen sie im Jahr darauf in konzertierter Aktion gegen einen von der Tierrechtsgruppe Panthera vorgelegten Bildband Der Zoo: Fotografien von Tieren in Gefangenschaft zu Felde: mit einer vor dem LG Hamburg angestrengten Unterlassungsklage suchten sie die Verbreitung des Buches zu verhindern. Die Klage wurde abgewiesen.

Verschärft wurde die Nervosität in den deutschen Zoos durch das 1993 erschienene Manifest des Great Ape Project. das von namhaften Philosophen und Wissenschaftlern aus aller Welt unterzeichnet worden war, und das, festgemacht an den Großen Menschenaffen, die Haltung von Wildtieren in Zoos grundsätzlich in Frage stellte. Letztlich veröffentlichte der Tierschützer Stefan Austermühle im Jahre 1996 eine Studie, die unter dem Titel „…und hinter tausend Stäben keine Welt!“ die Institution Zoo in sämtliche Einzelteile zerlegte. Zeitgleich mit dem Erscheinen des Austermühle-Buches gab es erste konzertierte Protestaktionen vor und in Zoos. Und selbst das bürgerliche Feuilleton befasste sich mit der Frage, ob Zoos in der heutigen Zeit überhaupt noch eine Legitimation hätten, und wenn ja, welche: in der Zeit beispielsweise erschien dazu Anfang 1996 ein erstaunlich fundiertes Dossier des Philosophen Richard David Precht, dem er im Jahr darauf unter dem Titel Noahs Erbe ein eigenes Buch folgte.

Vor dem Hintergrund der anhaltenden Kritik und insofern drohender bzw. sich bereits abzeichnender Besucherrückgänge nahm die Nervosität in den deutschen Zoos nachgerade panische Züge an. Die für Zoos desaströse Entwicklung in Italien und England vor Augen suchte man mit hektisch in Angriff genommenen Um- und Neubaumaßnahmen die eklatantesten Missstände zu beseitigen bzw. zu übertünchen. Wie schon bei früheren Instandhaltungs- und/oder Umbaumaßnahmen spielten die Interessen der Tiere dabei nur eine nachrangige Rolle, das Augenmerk lag - und liegt bis heute - auf den Interessen der Besucher, sprich: auf der Vermarktbarkeit des Produktes Zoo, die an diesen ausgerichtet sein muß.

Parallel zur Umgestaltung der Zoos - seit Mitte der 1990er wurden, größtenteils aus Steuermitteln, hunderte von Millionen verbaut - wurde eine kollektive Abwehrstrategie gegen Kritik von außen entwickelt. Unter Rückgriff auf einen von dem schweizerischen Zoodirektor Heini Hediger formulierten Aufgabenkatalog des modernen Zoos verständigte man sich darauf, Zoos hinfort als auf vier Säulen stehend zu präsentieren: 1. Bildung, 2. Forschung, 3. Artenschutz, 4. Erholung. Zur Verankerung der neukonstruierten Selbstlegitimation in den Köpfen der Menschen wurde eine gigantische Propagandaoffensive gestartet, die bis heute fortdauert und wesentlich dazu beigetragen hat, dass Zoos in weiten Teilen der Bevölkerung immer noch als „normal“, „richtig“ und sogar „notwendig“ angesehen werden.

Gegen die propagandistische Dauerpräsenz der Zoos in den Medien vermochte die Tierrechtsbewegung bislang nur wenig auszurichten, zumal Zookritik bis vor wenigen Jahren nicht eben an vorderster Stelle ihrer Agenda stand. Abgesehen von einer seit 2002 privat betriebenen Website, die unter dem Signet „Zooschweinereien“ über Missstände in Zoos berichtete, gab es (zumindest im deutschsprachigen Raum) kaum zookritische Aktivitäten. Ein 2006 unter dem Titel Der Zoowahnsinn von A-Z erschienener Band der Tierrechtler Erich Goschler und Francesca Orso konnte insofern nur konstatieren, dass sich für die in Zoos gefangengehaltenen Tiere, bis auf wenige Ausnahmen, nichts zum Besseren gewandt hatte.

Die Bestandsaufnahme des Goschler-/Orso-Buches, die die Notwendigkeit entschiedenen Einsatzes gegen die moralische Unrechtsinstitution Zoo erneut und in aller Drastik vor Augen führte, rückte das Thema „Zootierhaltung“ etwas mehr in den Vordergrund tierrechtlichen Bewusstseins und Engagements: zahlreiche Organisationen (animal public, die tierbefreier, PeTA, Pro Wildlife, auch der Bundesverband Menschen für Tierrechte) setzten sich in der Folge verstärkt damit auseinander. Seit 2012 informiert eine website www.endzoo.de über das tägliche Unrecht, das nichtmenschlichen Tieren in der Zoo-Gefangenschaft widerfährt. Nicht zuletzt wurde auch das Great Ape Project wiederbelebt, das mithin in der Tierbefreiung regelmäßig über Missstände in deutschen Zoos berichtet.

Dass trotz der nach wie vor hohen gesellschaftlichen Akzeptanz der Zoos auch hierzulande etwas bewegt werden kann, zeigt das Beispiel des Zoos Lübeck: über nachhaltige Öffentlichkeitsarbeit verschiedener Tierrechtsorganisationen konnte soviel Druck auf die örtlichen Behörden aufgebaut werden, dass die Skandaleinrichtung im Jahr 2010 geschlossen wurde. Im gleichen Jahr wurde auch der völlig heruntergekommene Tierpark Kalletal geschlossen. Ebenfalls 2010 konnte ein im Straubinger Tiergarten seit Jahren isoliert einsitzender Schimpanse an einen besseren Platz verbracht werden. 2011 ging der übel beleumundete ZooPark Metelen bei Münster pleite, und selbst in der zähen Auseinandersetzung um die Schimpansenhaltung des Welzheimer Schwabenparks ging etwas voran: 2012 wurden auf Druck mehrerer Tierrechtsorganisationen den Parkbetreibern erhebliche Auflagen - insbesondere mit Blick auf die entwürdigenden „Affenshows“ - erteilt.

„Schuhplatteln“ im Schwabenpark

TIERethik 9, 2/2014

Das sogenannte „Vier-Säulen-Konzept“: Bildung, Artenschutz, Forschung und Erholung

Wie heutige Zoos ihre Existenz rechtfertigen

Als erster Zoo „moderner“ Prägung gilt eine ab 1793 im Jardin des Plantes von Paris gezeigte Tiersammlung, die, bestückt mit Tieren der aufgelösten königlichen Ménagerie von Versailles, als Modell diente für eine Vielzahl „bürgerlicher“ Zoogründungen in ganz Europa. 1828 wurde der Zoo London begründet, gefolgt kurz darauf von Bristol, Manchester, Edinburgh und Leeds. Der erste deutsche Zoo wurde 1844 in Berlin eröffnet, in den Folgejahren kamen Frankfurt, Köln, Dresden, Hamburg, Hannover und Karlsruhe hinzu. Im Laufe der Jahre wurden allein Deutschland mehr als 1200 Zoos und zooähnliche Einrichtungen begründet,(1) mehr als zwei Drittel davon bestehen bis heute.(2)

Während die Zoos sich seit ihren Gründertagen in einem von Kritik weitgehend unangetasteten Freiraum bewegen konnten - selbst für die zeitgleich mit den ersten Zoos in England und Deutschland entstehenden Tierschutzvereine war die Tierhaltung in Zoos nie ein Thema gewesen -, gerieten sie Mitte der 1970er in eine bis heute fortdauernde existentielle Krise: Mit Verabschiedung des Washingtoner Übereinkommens über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen im Jahre 1973, in Kraft getreten zwei Jahre später, wurde der bis dahin völlig unkontrollierte Bezug von Tieren aus freier Wildbahn erheblich eingeschränkt.(3)

Das unter dem Kürzel CITES [=Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora] bekanntgewordene Übereinkommen bedeutete zum einen, dass der für die Zoos unabdingbare Nachschub an Wildtieren ins Stocken bzw. mit Blick auf Tiere bedrohter Arten nachgerade schlagartig zum Erliegen kam - Tierhandelsfirmen wie Ruhe oder Hagenbeck, die Zoos auf der ganzen Welt beliefert hatten, mussten ihre Geschäfte einstellen -, und zum anderen, dass die Einrichtung Zoo, erstmalig in ihrer fast 150-jährigen Geschichte, mit massiver Kritik konfrontiert wurde. Hintergrund des Übereinkommens, dem bis heute 178 Staaten beigetreten sind, war die Erkenntnis, dass eine der Hauptursachen für das Aussterben bestimmter Tierarten der Handel mit wildgefangenen Tieren ebendieser Arten war. Zum erstenmal trat der bislang völlig übersehene Anteil von Zoos an der Gefährdung von Wildtierbeständen ins öffentliche Gewahrsein: für jedes in einem Zoo ausgestellte Tier waren zahllose Tiere der gleichen Art beim Fang oder während des Transports zu Tode gekommen; zudem war die Überlebensspanne der letztlich in den Zoos angekommenen Tiere extrem niedrig, so dass ständiger Bedarf an Nachschub bestand. Myriaden an Wildtieren waren insofern seit Anfang des 19. Jahrhunderts für europäische und amerikanische Zoos der freien Wildbahn „entnommen“ worden.

Vor allem in Italien und England entspann sich eine breite öffentliche Debatte, ob Zoos weiterhin eine Daseinsberechtigung zugesprochen werden solle oder nicht. Im Zuge dieser Debatte wurden in beiden Ländern zahlreiche Zoos geschlossen. Mitte der 1990er griff der kritische Diskurs auch auf den deutschsprachigen Raum über. Mit teils hektisch in Angriff genommenen Um- und Neubaumaßnahmen suchte man die eklatantesten Missstände zu beseitigen.

Parallel zur baulichen Umgestaltung der Zoos wurde eine kollektive Abwehrstrategie gegen Kritik von außen entwickelt. Unter Rückgriff auf einen zeitgleich mit der Verabschiedung des Washingtoner Artenschutzübereinkommens von dem schweizerischen Zoodirektor Heini Hediger postulierten Aufgabenkatalog des „modernen Zoos“ verständigte man sich darauf, Zoos hinfort als auf vier Säulen stehend zu präsentieren: 1. Bildung, 2. Artenschutz, 3. Forschung und 4. Erholung.(4)

Unter Federführung des Verbandes Deutscher Zoodirektoren (VDZ) wurde das von Hediger vorgezeichnete Konzept zu einer im Jahre 2005 vom Weltzooverband verabschiedeten „Welt-Zoo- und Aquarium-Naturschutzstrategie“ ausformuliert.(5) Gebetsmühlengleich ist seither von besagten „vier Säulen“ die Rede, die, immun und immunisierend gegen jede Kritik, als axiomatische Grundlage modernen tiergärtnerischen Handelns vorgegeben werden. In keinem Werbefaltblatt, keiner Besucherbroschüre, keinem der Hochglanzbildbände, die neuerdings den Markt überschwemmen und auf keiner Website der einzelnen Zoos fehlt der selbstvergewissernde Hinweis darauf.

Bildung

Das meistgenannte Argument zur Rechtfertigung der Existenz von Zoos ist die Behauptung, sie trügen zur Bildung der Besucher bei. Als „größte außerschulische Bildungseinrichtungen“ würden sie jährlich Millionen von Menschen erreichen - die Rede ist von weltweit 750 Mio Besuchern pro Jahr -, die nicht nur wertvolle Tier- und Artenkenntnisse erhielten, sondern über das sinnlich erfahrbare Begreifen der Natur für deren Schutz sensibilisiert würden. (Auch wenn die Besucherzahlen heillos übertrieben sind, zählen Zoos doch zu den meistbesuchten Freizeiteinrichtungen überhaupt.)

Gemäß einer Empfehlung des Weltzooverbandes WAZA bieten die meisten Zoos seit Mitte der 1990er zoopädagogische Führungen, Kurse und Unterrichtseinheiten an (womit sie auch der Verpflichtung nach § 42 BNatSchG nachkommen, das „Bewusstsein der Öffentlichkeit in Bezug auf den Erhalt der biologischen Vielfalt [...] durch Informationen über die zur Schau gestellten Arten und ihre natürlichen Biotope“ zu fördern.(6)) Zu vorab vereinbarten Terminen kommen Kindergarten- oder Schulgruppen zusammen mit ihren Erzieher-Innen oder LehrerInnen in den Zoo und werden dort für die Dauer von ein- bis eineinhalb Stunden von eigens dazu abgestellten ZoopädagogInnen betreut. Der Ablauf ist überall der gleiche: nach einer Einführung in die Verhaltensregeln im Zoo werden die Kinder durch die Anlage geführt und erhalten Informationen über die jeweils aufgesuchten Tiere; meist darf auch ein Blick „hinter die Kulissen“ (Aufzuchtstation, Betriebshof, Futterküche o.ä.) geworfen werden. Ältere Kinder werden mit zu bewältigenden Erkundungs- oder Beobachtungsaufgaben betraut und in eigenständigen Kleingruppen durch den Zoo geschickt.

Das Ziel der zoopädagogischen Programme liegt angeblich darin, Kindern ein „tieferes Naturverständnis“ zu vermitteln. Tatsächlich begegnen die Kinder im Zoo gerade nicht der Natur, der wirklichen Tierwelt schon gar nicht. Jeder Dokumentarfilm, wie es sie heute zu jeder in Zoos gehaltenen Tierart in herausragender HD-Qualität gibt, vermittelt mehr Kenntnis und Wissen und weckt mehr Empathie, als ein Zoobesuch dies je vermag.

In Wahrheit geht es der Zoopädagogik auch gar nicht um die Vermittlung von Naturverständnis, vielmehr geht es in erster Linie darum, die Kinder möglichst frühzeitig auf die Gegebenheiten des Zoos zu konditionieren, darauf, dass sie es als normal und richtig empfinden, dass Tiere zum Vergnügen des Menschen und um seinen „Forscherdrang“ zu befriedigen hinter Isolierglasscheiben, Eisengittern und stromführenden Zäunen eingesperrt sind. Das in Kindern vielfach (noch) vorhandene Mitgefühl mit den in Käfigen zusammengepferchten und offenkundig leidenden Tieren wird ihnen in den Zooschulen systematisch ausgetrieben. Lernziel: Tiere haben es gut im Zoo! Zugleich wird den Kindern in den Zooschulen vermittelt, dass es völlig normal und richtig ist, Tiere zu nutzen und zu verwerten. Lernziel: Tiere sind für den Menschen da! Und nicht zuletzt wird den Kindern die Begründung und Rechtfertigung für die Existenz von Zoos vermittelt. Lernziel: Zoos dienen dem Erhalt der Tierwelt!

Zooschulpädagogik ist gezielte Manipulation von Kindern im Interesse der Zoobetreiber (und einer Warengesellschaft, für die Zoos als „Bildungseinrichtungen“ unverzichtbar sind, um Tiere als zu verwertende Objekte in den Köpfen junger Menschen zu verankern). Es geht gerade nicht darum, die Natur verstehen und achten zu lernen, sondern ganz im Gegenteil darum, die groteske Verzerrung und Zurichtung der Natur, wie Zoos sie darbieten, als „Natur“ zu begreifen; vor allem aber darum, immun zu werden gegen das Leid der Tiere, die, eingesperrt auf Lebenszeit und jeder Regung ihrer Natur beraubt, zu bejammernswerten Karikaturen ihrer selbst verkommen. Im erfolgreichsten Falle lernen die Kinder: Zoobesuch macht Spaß!, wozu auch die großangelegten Kinderspielplätze sowie die zoopädagogisch betreuten Freizeitaktivitäten (Geburtstagsfeiern, Nachtführungen, Malkurse etc.) und Sonderveranstaltungen (an Ostern, Halloween, Nikolaus etc.) im Zoo beitragen.

Die didaktische Vorgehensweise ist allenthalben die gleiche: eingebunden in mehr oder minder unterhaltsam vorgetragene Tiergeschichten, Tiermärchen und Tieranekdoten erhalten die Kinder ein paar grundlegende Schulbuchinformationen zu Wesen und Verhalten der jeweils beobachteten Tiere. Da diese Informationen in der Regel Wesen und Verhalten wildlebender Tiere beschreiben, stehen sie in teils groteskem Widerspruch zu den tatsächlich hinter Gittern und Panzerglasscheiben vorfindlichen „Exponaten“. Die Kinder darauf zu konditionieren, derlei Widersprüche konsequent auszublenden, zählt zu den obersten Aufgaben aller Zoopädagogik. O-Ton einer Zoopädagogin vor Kindern einer 2. Grundschulklasse - hier: vor dem Gitter eines Orang Utan-Käfigs, auf dessen nacktem Betonboden zwei ausgewachsene Tiere herumhocken -: „Orang Utans leben im tropischen Regenwald in Indonesien. Die leben da praktisch nur in den Bäumen. Auf den Boden kommen die so gut wie nie runter“.(7) Selbst ansich korrekte Informationen zu Anatomie und Physiologie der Tiere werden zur schieren Groteske: „Die Arme ausgewachsener Orang Utan-Männchen haben eine Spannweite von mehr als zwei Metern. Damit können sie gut von einem Baum zum anderen schwingen.“ Dass es in dem knapp vier Meter hohen Käfig nichts zum Schwingen gibt, einen Baum schon gar nicht, bleibt unbeachtet.

Insgesamt sollen die Kinder den Zoo als einen Ort erleben, an dem es den Tieren gut geht. Sämtliche Informationen, die sie zu Ernährung, Gesunderhaltung, Fortpflanzung etc. der Tiere erhalten, sind darauf ausgelegt, den Eindruck zu vermitteln, sie seien optimal versorgt und es mangle ihnen an nichts. Das ins Auge springende Leid der auf engstem Raume und unter widernatürlichsten Verhältnissen gehaltenen Tiere wird überkompensiert in absurdeste Behauptungen über die Vorteile, die es für sie habe, in einem Zoo zu leben. O-Ton einer anderen Zoopädagogin - hier: mit Hauptschülern vor einem Gorilla-Gehege, in dem ein isoliert gehaltener Silberrücken teilnahmslos in einer Ecke sitzt -: „Ich wäre gerne Gorilla in unserem Zoo. Die leben hier wie im Fünf-Sterne-Hotel und brauchen sich um nichts zu kümmern. Die haben’s hier viel besser als in freier Wildbahn“.

Auch für erwachsene Besucher gibt es Sonderevents, klassische Konzerte etwa, wahlweise auch Jazz-, Dixieland- oder Tangoabende, Modenschauen, Theateraufführungen oder kulinarische 5-Gänge-Menues (bevorzugt im Aquarienhaus, in dem es nicht „riecht“). Sonntägliche Frühschoppen im Zoo werden mit Biergartenmusik angereichert, nachmittags gibt es Cafehausmusik mit Stehgeiger, spätabends ein Feuerwerk. Betriebsfeiern werden ausgerichtet, Jubiläen, Junggesellenabschiedsfeten und Hochzeiten; selbst Gottesdienste gibt es, in denen vor den eingesperrten Tieren die „Schönheit der Schöpfung“ besungen wird. Nichts ist zu abseitig, als dass nicht versucht würde, darüber zahlende Kundschaft anzuziehen. Im Zoo Dortmund beispielsweise gibt es regelmäßige „Star-Wars-Aktionstage“ mit „Lichtschwertkämpfen“ vor den Raubtiergehegen, das Elefantenhaus des Zoos Wuppertal wird samt den Elefanten zur Bühne für Modern Dance-Inszenierungen. Dass der vorgebliche Bildungsauftrag des Zoos dabei vollends auf der Strecke bleibt, kümmert niemanden, ebensowenig die Frage, welche Auswirkungen der zusätzliche Lärm und Rummel - für viele der Sonderveranstaltungen werden die Öffnungszeiten in die Abend- und Nachtstunden hinein verlängert - auf die Tiere hat. Diese dienen ohnehin nur als Staffage.

Der amerikanische Philosoph Dale Jamieson schrieb 2006 in einem Essay mit dem griffigen Titel Against Zoos: „Ungeachtet der gutgläubigen Sprüche, die in Umlauf sind über die pädagogischen Bemühungen der Zoos, deutet nur wenig darauf hin, dass sie darin sehr erfolgreich wären.“ Einiges spräche sogar dafür, dass Menschen „nach dem Besuch eines Zoos weniger Ahnung von Tieren haben als zuvor.“ Allenfalls würden Zerrbilder und Vorurteile verfestigt (Jamieson 2006, 135). Tatsächlich werden die Hinweistafeln an den Gehegen nur in den seltensten Fällen gelesen, bestenfalls interessiert man sich für die Namen und vielleicht noch das Alter der jeweiligen Tiere. Die durchschnittliche Verweildauer der Besucher vor den einzelnen Gehegen liegt, unabhängig von der Art und Anzahl darin gehaltener Tiere, bei unter einer Minute pro Käfig (lediglich während der Fütterungszeiten oder bei Anwesenheit eines Jungtieres liegt sie etwas höher). Vor Jahren schon wurde im Zoo London die Verweildauer der Besucher vor den einzelnen Käfigen gemessen: der Aufenthalt im zentralen Säugetierhaus betrug durchschnittlich 32 Minuten, was bei rund 100 Ausstellungskäfigen eine Verweildauer von knapp 20 Sekunden pro Käfig bedeutete; im Affenhaus betrug die Verweildauer 46 Sekunden pro Käfig (vgl. World Society for the Protection of Animals/Born Free Foundation 1994, 41). Aktuelle Untersuchungen in deutschen Zoos haben diese Befunde im Wesentlichen bestätigt, vielfach werfen die Besucher nur im Vorübergehen einen kurzen Blick auf die Tiere oder machen schnell ein Handy-Foto (vgl. Goldner 2014, 172).

Auch am Verhalten der Zoobesucher den Tieren gegenüber hat sich nicht viel geändert. Wie seit je wird gegen die Scheiben geklopft, es wird gerufen, gepfiffen und in die Hände geklatscht, um die Aufmerksamkeit der Tiere zu erregen. Wähnen Besucher sich unbeobachtet - auch und gerade Erwachsene -, ziehen sie Grimassen, kratzen sich mit Huhu-Geschrei unter den Achseln oder fuchteln mit Regenschirmen herum. Selbstredend werden die Tiere ohne jede Rücksichtnahme mit Blitzlicht photographiert. Im Außenbereich fliegen immer wieder angebissene Bratwürste, Hamburger, Pommes frites und Pizzateile in die Gehege, auch Kaugummis, brennende Zigaretten, Coladosen und jedweder sonstiger Abfall.

Eine 2007 von der US-amerikanischen Association of Zoos and Aquariums (AZA) vorgestellte Studie, die nahelegte, dass Zoos bei den Besuchern erhöhtes Interesse und positive Verhaltensänderungen hinsichtlich Arten- und Umweltschutz bewirken, wurde 2010 von Wissenschaftlern der renommierten Emory University überprüft. Es stellte sich heraus, dass sie tatsächlich nichts dergleichen enthielt (vgl. Marino/Lilienfeld et al. 2010). Die zuvor weltweit gelobte Studie verschwand sehr schnell von der AZA-website, wird aber bis heute immer wieder von Zoos angeführt.

Artenschutz

Die von Zooverantwortlichen allenthalben vorgetragene Behauptung, Zoobesucher würden durch das Kennenlernen gefangengehaltener Tiere für deren freilebende Artgenossen sensibilisiert und folglich für Arten, Natur- und Umweltschutz eintreten, zählt zu den groteskesten Verrenkungen, mit denen Zoos ihre Existenz zu rechtfertigen suchen. Bezeichnenderweise wird weder erklärt, wie genau solcher Transfer vonstatten gehen soll, noch gibt es einen Anhaltspunkt, worin das neugewonnene Engagement der Zoobesucher zum Schutz von Tieren in freier Wildbahn denn im Einzelnen bestehen solle.

Tatsächlich ist das genaue Gegenteil der Fall: Zoobesucher werden den Tieren gegenüber nicht sensibilisiert, vielmehr werden sie systematisch desensibilisiert. Allein die vorgeführte „Notwendigkeit“, die Tiere eingesperrt halten zu müssen, da sie ansonsten entweichen und womöglich zu Schaden kommen oder Schaden verursachen könnten, lässt ihr Eingesperrtsein als prinzipiell „richtig“ erscheinen, was jede empathische Regung, die der Gefangenhaltung von Tieren eher mit Unbehagen denn mit Begeisterung begegnen würde, unterläuft. Würden Zoos tatsächlich Empathie hervorrufen, gäbe es sie längst nicht mehr.

Wirkliches Interesse am Schutz freilebender Tiere und am Erhalt ihrer natürlichen Lebensräume kann nur aufbringen, wer ein Leben in Freiheit als grundsätzlich höheren Wert erachtet, als ein Leben in Gefangenschaft. Logische Konsequenz solchen Interesses kann nur sein, freilebenden Tieren ein Leben in Gefangenschaft ersparen und gefangengehaltenen Tieren ein Leben in Freiheit zurückerstatten zu wollen. Beides steht in Widerspruch zum Interesse der Zoos, mit gefangengehaltenen Tieren Geschäft zu machen. Mit allen zu Gebote stehenden Mitteln suchen Zoos insofern eine Sensibilisierung der Besucher zu verhindern, denen das Leid der eingesperrten Tiere gerade nicht ins Gewahrsein treten soll. Zunehmend werden sie in Kulissen präsentiert, die dem Besucher vorgaukeln sollen, sie befänden sich in ihren natürlichen Heimaten; auch Gitterstäbe werden, sofern irgend möglich, durch Glasscheiben oder offene Begrenzungsgräben samt versteckten Elektrozäunen ersetzt, um dem Besucher die Illusion eines „freien Lebensraumes“ zu vermitteln, in dem die Tiere sich ungehindert bewegen könnten. Tatsächlich haben die gefangengehaltenen Tiere von den (vielfach nur auf die Betonwände aufgemalten) Kulissen überhaupt nichts, auch werden ihre Gehege dadurch nicht größer, dass sie in „zeitgemäß“ ausgestatteten Zoos mit Panzerglas und High Voltage-Elektrozäunen statt mit Eisengittern begrenzt sind.

Die stereotyp vorgetragene Behauptung, im Zoo gefangengehaltene Tiere dienten als „Botschafter ihrer Art“ dem Schutz ihrer freilebenden Artgenossen, ist absurd. Tatsächlich hat die Zurschaustellung etwa des Eisbären Knut im Berliner Zoo allenfalls die Zookasse zum Klingeln gebracht und vielleicht noch die Plüschtierindustrie angekurbelt, mit Blick auf den Schutz der Arktis und ihrer Bewohner hat sie nicht das Geringste bewirkt. Ebensowenig wurde die fortschreitende Vernichtung der afrikanischen oder indonesischen Regenwälder aufgehalten dadurch, dass seit über hundert Jahren Gorillas und Orang Utans in Zoos zu besichtigen sind.

Träfe es denn zu, wie Zoobefürworter behaupten, dass Zootiere „einem Millionenpublikum vieles über Artenschutz, Bedrohung natürlicher Lebensräume und Klimawandel vermitteln“,(8) müssten sich heute, so die Artenschutzorganisation Greenpeace, „viele Millionen Menschen, die als Kinder Zoos besuchten, für den Schutz der Tiere in deren Heimat einsetzen. Tun sie aber nicht. Die Transferleistung vom Erlebnis im Tierpark zum finanziellen oder politischen Engagement für eine Region viele tausend Kilometer entfernt ist eher selten. Vielleicht behindert der Zoo sie sogar. Wie soll ein Besucher die Information auf der Tafel, dass das ausgestellte Tier (…) natürlicherweise durch 100 Quadratkilometer große Jagdreviere streift, zusammenbringen mit dem Wesen, das da mit zwei, drei anderen Artgenossen in einem Betonbunker abhängt?“ (Jasner 2013, 45) Eher noch bewirken die im Zoo zur Schau gestellten Tiere, dass die Besucher die Gefährdung der jeweiligen Art unterschätzen, da sie ja augenscheinlich eine rettende „Arche Noah“ gefunden haben (vgl. Ross et al. 2008, 1487). Tatsächlich ist das Artenschutz-Mantra der Zoos nichts als propagandistische Leerformel, mit der die Gefangenhaltung der Tiere als höherem Werte dienend verkauft werden soll.

Integraler Bestandteil besagten Mantras ist die Behauptung, durch die Gefangenhaltung und Nachzucht von Individuen bedrohter Tierarten könne ebendiese Art vor dem Aussterben bewahrt werden. Tatsächlich begannen die Zoos erst mit Inkrafttreten der o.a. CITES-Bestimmungen, auf mehr oder minder systematische Weise selbst für Nachschub zu sorgen: 1985 wurde ein Europäisches Erhaltungszuchtprogramm (EEP) begründet mit dem Ziel, bedrohte Tierarten „auch ohne weiteren Erwerb von Wildfängen“ in den Zoos zu erhalten.(9) Mittlerweile gehören rund 300 europäische Zoos diesem Programm an, das über eigene Zuchtkoordinatoren genetisch passende Verpaarungen festlegt. Bis heute sind allerdings nur rund 3,5 Prozent der von CITES erfassten rund 5500 Tierarten daran beteiligt. (Nimmt man die von der International Union for Conservation of Nature [IUCN] geführte „Rote Liste“ bedrohter Arten zum Maßstab, liegt die Quote noch niedriger.(10))

Bei den aus deutschen Zoos heraus koordinierten 63 Erhaltungszuchtprogrammen handelt es sich überwiegend um publikumsattraktive Säugetier- und Vogelarten; am Erhalt anderer Arten besteht offenbar sehr viel weniger Interesse. Zudem werden, aus rein kommerziellen Gründen, auch Tiere aus Arten „nachgezüchtet“, die gar nicht auf der CITES-Liste stehen.(11) Ernstzunehmende Auswilderungs- oder Wiederansiedelungsprojekte gibt es nur für eine kleine Handvoll der nachgezüchteter Arten (Mufflon, Alpensteinbock, Wisent, Uhu, Weißstorch, Gänsegeier und ein paar andere). Für die überwiegende Mehrzahl „erhaltungsgezüchteter“ Arten ist Auswilderung weder vorgesehen noch möglich, auch wenn stets von einer „Zeitbrücke“ die Rede ist, die die Option eröffne, Tiere zu einem späteren Zeitpunkt wieder im Freiland anzusiedeln.

Ungeachtet des Umstandes, dass Zoos keinen nennenswerten Beitrag zum Erhalt und zur Rückgewinnung der natürlichen Artenvielfalt leisten, gerieren sie sich vollmundig als „Archen angewandten Artenschutzes“. Was unter diesem Anspruch tatsächlich zu verstehen ist, zeigt sich beispielhaft am Zoo Dortmund, der sich besonderen Engagements bei der Wiederansiedelung von Wildtieren rühmt: seit 1991 hat der dem EEP angeschlossene Zoo an der Auswilderung von exakt fünf Bartgeiern mitgewirkt, d.h. er hat einer auf den Kanarischen Inseln ansässigen Vogelschutzorganisation fünf im Zoo geschlüpfte Vögel zur Verfügung gestellt. Weitere Wiederansiedelungen oder Auswilderungen, an denen der Zoo Dortmund beteiligt gewesen wäre, gab und gibt es nicht.(12)

Wirkliches Engagement der Zoos für die bedrohte Tierwelt in situ findet sich nur sehr vereinzelt. Die Unterstützung irgendwelcher Projekte in den Herkunftsländern der Zootiere dient in aller Regel nur der Imageaufbesserung: über einen mehr oder minder hohen Förderbetrag erhalten die Zoos die Möglichkeit, sich werbewirksam mit dem Logo des jeweiligen Projekts bzw. der dahinterstehenden Organisation schmücken und zugleich den „Nachweis“ erbringen zu können, tatsächlich einen Beitrag zum „Tier- und Artenschutz“ zu leisten. Die Jahresberichte der einzelnen Zoos (sofern sie denn öffentlich einsehbar sind) weisen „Förderbeträge“ auf, die allenfalls im Promillebereich der hauseigenen Werbebudgets liegen. Gleichzeitig werden zigMillionen für den Bau immer neuer „Erlebniswelten“ und „Disneylandanlagen“ ausgegeben, Gelder, mit denen riesige Schutzgebiete in Afrika oder Südostasien ausgewiesen und damit wirklicher „Artenschutz“ betrieben werden könnte.

Forschung

Zoos beschreiben sich ausdrücklich als wissenschaftsorientierte Forschungseinrichtungen, für dem VDZ angeschlossene Zoos gilt „Wissenschaftlichkeit“ gar als konstitutives Element. Bei näherer Hinsicht bleibt von diesem Anspruch allerdings nicht viel übrig. Tatsächlich richten die Zoos ihr Forschungsinteresse – sofern sie denn welches haben – in erster Linie auf zoospezifische, teils auch nur auf rein innerbetriebliche Belange (ganz abgesehen davon, dass sie meist gar nicht selbst forschen, sondern studentische Projekt-, Haus- oder Abschlussarbeiten, für die sie allenfalls das Studienobjekt abgeben, als Ausweis eigener Forschertätigkeit reklamieren). Der über den Zoo hinausreichende wissenschaftliche Wert der jeweiligen Arbeiten ist denkbar gering.

) „Wissenschaftlich“ geführte Zoos erhalten die erforderlichen CITES-Papiere regelmäßig und für jedes auf dem Markt verfügliche (bzw. zu veräußernde) Tier.