1. Was ist die TB12-Methode?
Die TB12-Methode ist ein ganz neuer Ansatz für Training und Lifestyle, den Alex und ich in den letzten 13 Jahren entwickelt haben. Ziel ist es, das Potenzial auf und neben dem Platz auszuschöpfen. Es soll den Einzelnen durch Verletzungsprophylaxe und schnellere Erholung zu Höchstleistungen verhelfen, und zwar mittels eines ganzheitlichen, den ganzen Körper umspannenden Wellnessprogramms.
Die TB12-Methode beinhaltet Training, Ernährung, Hydration, mentales Training, Pausen und Erholung sowie – im Kern – zielgerichtete, tiefenmuskuläre Arbeit(stechniken), um die größtmögliche muskuläre Geschmeidigkeit zu erzielen.
Ich glaube, dass dieser Ansatz für langfristige Ergebnisse ideal ist – und ich schreibe der TB12-Methode zu, dass ich als Profi-Footballer so lang auf höchstem Niveau gespielt habe und jeden Tag gesund und vital erlebe.
2. Was versteht man unter Geschmeidigkeit?
Geschmeidigkeit bedeutet, dass die Muskulatur für alle Aufgaben des täglichen Lebens lang, weich und einsatzbereit sein soll – im Gegensatz zu Muskeln, die steif, verspannt und verkürzt sind und daher den auf sie einwirkenden Stress nicht kompensieren können. Ist die Muskulatur geschmeidig, erholt sie sich schneller, ist weniger verletzungsanfällig und kann Belastungen besser abfedern. Die TB12-Methode umfasst eine Reihe von Techniken, um die Geschmeidigkeit zu verbessern, wozu auch Pliability mit Geräten oder einem Partner sowie Self-Pliability gehören. Am besten funktioniert es natürlich mit einem zertifizierten TB12 Body Coach. Zu den Schlüsselprinzipien bei TB12 gehört die Anwendung von Pliability sowohl vor als auch nach dem Training. Das langfristige Ziel lautet, Sportlern dabei zu helfen, die Kommunikation zwischen Geist und Körper neu aufzubauen, sodass die Muskeln allzeit geschmeidig bleiben. Muskuläre Geschmeidigkeit verbessert den Sauerstofffluss im Blut und vermindert damit Mikrotraumata und Narbenbildung. Zudem reduziert sie das Verletzungsrisiko und beschleunigt die Regeneration, sollte doch eine Verletzung auftreten.
3. Wie unterscheiden sich Geschmeidigkeit und Gelenkigkeit bzw. Flexibilität?
Bei Pliability geht es darum, die Muskeln lang und weich zu stellen. Flexibilität, oftmals das Ergebnis vom Stretching, kann die Muskeln bis zu einem gewissen Grad verlängern, aber dadurch sind sie nicht weich bzw. geschmeidig. Indem ich die Muskulatur dehne und geschmeidig mache, baue ich Spannung ab, was Stretching nicht vermag. Ein weiterer Unterschied zwischen Pliability und Stretching besteht darin, dass bei Pliability zu einem gewissen Grad ein positives, beabsichtigtes Trauma gesetzt wird, um den Muskel zu stimulieren und das Gehirn zu trainieren. Sollten Sie sich regelmäßig stretchen, empfehle ich Pliability sowohl davor als auch danach. Mehr zu den Unterschieden zwischen Pliability und Stretching auf Seite 87.
4. Wie fange ich mit der TB12-Methode an?
Der Idealfall sieht so aus, dass Sie Pliability mit einem erfahrenen und zertifizierten TB12 Body Coach praktizieren. Für entsprechende Sessions am TB12 Sports Therapy Center gibt es nicht wirklich Ersatz. Aber wie ich oben ausgeführt habe, gibt es viele Entscheidungen hinsichtlich Lifestyle und Training, die Sie der Höchstleistung näher bringen. Sie sollten Pliability und alles, was Pliability förderlich ist, in Ihr tägliches Leben einbauen, in welchem Maß auch immer. Hydration kommt zuerst, genügend zu trinken lässt sich leicht bewerkstelligen, und die positiven Ergebnisse werden Sie überraschen. Die richtige Ernährung ist ebenfalls wichtig (abgerundet durch klug ausgewählte Nahrungsergänzungsmittel), sodass Entzündungen im Körper erst gar nicht entstehen und Sie eine gesunde, positive Einstellung beibehalten. Rückbesinnung, mentales Training, das richtige mentale Rüstzeug, Pausen und regelmäßiger Schlaf werden langfristig einen kumulativen Effekt auf Ihre Gesundheit haben.
5. Wie lauten die wichtigsten Ernährungstipps von TB12?
Unsere Ernährungsempfehlungen werden speziell für jeden TB12-Klienten angefertigt und basieren auf seiner individuellen Lebenssituation sowie seinen Zielen. Aber darüber hinaus liegt die Betonung bei unseren Ernährungsprogrammen auf einer ausgewogenen, saisonalen, größtenteils vegetarischen Kost mit »richtigen«, biologischen Lebensmitteln und hauptsächlich basischen Eigenschaften (siehe Kap. 7 und 8). Bedenken Sie immer: Alles Training macht Sie nicht gesünder, wenn Sie sich schlecht ernähren. Nur gutes Essen sorgt für mehr Vitalität.
6. Warum sind Widerstandsbänder so wichtig?
Muskeln dienen nicht der Show, sondern dem Halt unserer Skelettstruktur, und führen aus, was wir von ihnen verlangen, sei es im Sport oder etwa wenn wir schwer heben. Da es bei der TB12-Methode im Kern um die muskuläre Geschmeidigkeit geht, liegt der Fokus auf funktionellem Training. Widerstandsbänder erlauben eine größere und wesentlich fließendere Bewegungsamplitude als gewöhnliches Training mit Gewichten oder an Geräten. Mit ihnen lässt sich Kraft aufbauen, ohne die Muskulatur zu verkürzen oder zu schädigen, Entzündungsvorgänge zu beschleunigen oder einen Muskel zu überstrapazieren. Indem man Spieler und Gegenspieler gleichzeitig anspricht, ohne die Gelenke zu sehr zu belasten, spiegelt Training mit Widerstandsbändern auch unsere alltäglichen Bewegungen wider (siehe auch Kap. 6).
7. Legt das TB12 Sports Therapy Center in Foxborough den Schwerpunkt auf die Reha nach Verletzungen oder auf Verletzungsprophylaxe und Leistungsoptimierung?
Auf beides! Die TB12 Body Coaches arbeiten sowohl mit verletzten Sportlern, um die Rekonvaleszenz zu beschleunigen, als auch mit gesunden Sportlern zur Leistungssteigerung und Verletzungsprophylaxe (gilt für die Art von Verletzungen, die ohne Fremdkontakt auftreten). Den Klienten, die eine Reha am TB12 Sports Therapy Center durchlaufen, empfehlen wir ein Trainingsprogramm, das auf die Vermeidung potenzieller Verletzungen ausgerichtet ist.
8. Kann ich das TB12 Sports Therapy Center besichtigen oder einen Termin bekommen?
Wir bieten keine Führungen an, denn es ist ein Leistungs- und Therapiecenter, doch jeder, der möchte, kann natürlich einen Termin machen. Wir arbeiten mit Sportlern jeden Alters und aller Leistungsklassen – ob sie gesünder leben möchten oder sich von einer Verletzung erholen (siehe auch Testimonials). Jede Session ist auf den Klienten maßgeschneidert. Wegen großer Nachfrage gibt es derzeit eine Warteliste. Schreiben Sie eine Mail an info@TB12sports.com für weitere Informationen. In naher Zukunft sollen weitere TB12-Einrichtungen mit zertifizierten TB12 Body Coaches im ganzen Land entstehen.
9. Wie sieht eine typische Session am TB12 Sports Therapy Center aus?
Eine Session ist immer eine Einzelsitzung und dauert meist eine Stunde. Zu Anfang analysiert ein TB12 Body Coach die biomechanischen Voraussetzungen des Klienten und spricht seine Ziele mit ihm ab. Anschließend kombinieren wir Pliability-Sessions (in separaten Räumen) mit Funktionstraining im Gartenbereich, wo die Klienten Übungen erlernen, die der Geschmeidigkeit dienlich sind, darunter auch solche mit Widerstandsbändern. Jeder Klient erhält ein umfassendes, auf ihn abgestimmtes Sportprogramm, das die modernsten Konzepte hinsichtlich Vorbereitung, Hydration, Ernährung, mentaler Fitness, Pausen und Erholung beinhaltet.
10. Bietet das TB12 Sports Therapy Center auch Programme für Gruppen?
Unser Anspruch am TB12 Sports Therapy Center ist es, umfassende und maßgeschneiderte Lösungen zu finden, was die ganze Aufmerksamkeit des Body Coaches erfordert. Deshalb bieten wir nur in sehr begrenztem Maß Programme für Gruppen oder Mannschaften (wie zum Beispiel das TB12 ACL Injury Prevention Program, das sich der Vermeidung von Kreuzbandrissen verschrieben hat und das wir Schülern und Jugendtrainern offerieren). Mehr Informationen erhalten Sie per Mail (info@TB12sports.com).
11. Warum raten Sie zu Vibrationsschaumstoffrolle oder -ball? Wo sind sie erhältlich (und andere TB12-Produkte)?
Wir empfehlen diese Hilfsmittel, weil sie einen Nervenreiz setzen. Für die Verbindung zwischen Körper und Geist ist die neuronale Stimulierung entscheidend, damit die Muskulatur auch während der Kontraktion möglichst lang und geschmeidig bleibt und jederzeit einsatzbereit ist. Im TB12-Center verwenden wir exklusiv Vibrationsschaumstoffrollen oder -bälle, um die Pliability-Session zu unterstützen (siehe die Seiten 94 bis 114 für Übungsbeispiele). Vibrationsschaumstoffrolle, Vibrationsball und weitere TB12-Produkte sind exklusiv online erhältlich (www.TB12store.com).
12. Ich möchte Body Coach bei TB12 werden. Wen kontaktiere ich hierfür?
Qualifizierte und motivierte Bewerber, die sich für eine Ausbildung als Body Coach interessieren, sind jederzeit willkommen. Bitte beachten Sie, dass all unsere Body Coaches lizenzierte Fitnesstrainer und/oder Physiotherapeuten sind. Unser Body-Coach-Programm wird in naher Zukunft erweitert. Für mehr Informationen senden Sie bitte eine Mail an body coach@TB12sports.com.
KAPITEL 1
ALTE GLAUBENSSÄTZE
Ich liebe Sport, schon immer. Ich war mein ganzes Leben ein Wettkampftyp. Aber der Weg, der mich zu dem gemacht hat, der ich heute bin, war weder geradlinig noch war er einfach.
Ich bin geboren und aufgewachsen in San Mateo, Kalifornien, in der Bay Area, als jüngstes von vier Kindern und einziger Junge. Ich wurde von allen nur Tommy genannt. Wir waren eine hart arbeitende, sportbegeisterte Familie, und für meine Eltern standen die Kinder an erster Stelle. Als ich klein war, war mein Vater selbstständig und viel unterwegs, um sich seine eigene Versicherungsfirma aufzubauen. Um sieben ging er aus dem Haus, abends um sechs kam er zurück. Meine Mutter war für den Haushalt zuständig, wusch, kochte unser Essen, immer bedacht, den häuslichen Teil der Familie am Laufen zu halten. Mein Vater war hundemüde, wenn er abends nach Hause kam, aber er ließ es sich nicht anmerken. Er fuhr mich im Hemd zum Baseball-Feld oder zur Driving Range, wo wir beide ein paar Bälle schlugen oder Ground Balls oder Schläge trainierten, bis es dunkel wurde. Ich habe diese Zeit mit meinem Vater genossen, und auf dem Rückweg erinnerte ich mich noch an das gute Gefühl, wenn ich einen Ball super getroffen hatte oder besser als er im Fielding war (es geht mir bis heute so, beispielsweise mit meiner Wurftechnik – ich lerne und verbessere sie immer noch).
Meine Eltern kümmerten sich aber genauso um die Belange meiner Schwestern, auch im Sport. Mein Dad trainierte ab und an eine ihrer Mannschaften; dann war meine Mom die »Mannschaftsmutti« und besorgte Pizza und Getränke für alle. Meine Eltern besaßen außerdem vier Jahreskarten für die San Francisco 49ers im Candlestick Park, zehn Reihen vom obersten Rang an der Südwestseite entfernt – im Prinzip an der südlichen Endzone. Sonntags ging es erst in die Kirche, dem Gottesdienst folgte eine 45-minütige Fahrt zum Candlestick Park. Nach dem Spiel, zurück zu Hause, kochte meine Mutter das Abendessen, während der Rest von uns sich um den Fernseher versammelte und die Highlights anguckte. Diese vier Jahreskarten gingen für gewöhnlich an Mum und Dad, eine meiner Schwestern und mich, weil es für mich der absolute Höhepunkt am Wochenende war, zum Spiel zu fahren. Wirklich lebhafte Erinnerungen habe ich nicht mehr, aber am 10. Januar 1982, als ich vier Jahre alt war, wurde ich im Candlestick Park Zeuge eines der größten Spiele in der Football-Geschichte. Es war der letzte Drive im Spiel um die NFC Championchips, und die 49ers lagen 58 Sekunden vor Schluss sechs Punkte zurück, als Joe Montana, der legendäre Quarterback, einen Pass an drei Gegnern vorbeiwarf, der als »The Catch« in die Geschichte einging. Ein perfekter Ball – der Receiver Dwight Clark schnellte in der Endzone hoch und fing den Ball. Das Stadion war aus dem Häuschen, die Leute schrien und weinten, auch ich – obwohl, um ehrlich zu sein, hatte ich schon die gesamte erste Hälfte geheult, weil ich unbedingt eine Schaumstoffhand mit 49ERS ARE #1 darauf haben wollte (ich glaube, mein Vater hat mir in der Halbzeit einen gekauft, damit ich endlich Ruhe gab).
Clarks Touchdown bedeutete Gleichstand, und als der Kicker Ray Wersching den Extrapunkt machte, gewannen die 49ers mit 28 : 27. »The Catch« beendete die Dominanz der Dallas Cowboys in den 1970er-Jahren und begründete die Ära der 49ers, die in dem Jahr den Super Bowl gegen die Cinncinati Bengals holten. Vier Jahre alt zu sein, das Spiel live miterlebt zu haben (mit Schaumstoffhand!), es war unfassbar.
Mit vielleicht vier oder fünf Jahren und Topfschnitt, den mir meine Mutter verpasst hatte. Ich war immer glücklich als Kind und wuchs in der Bay Area mit drei älteren Schwestern und tollen Eltern auf. Das Leben war einfach gut. Ist es immer noch.
Joe Montana wurde eines meiner ersten Idole, was kaum verwunderlich ist für ein Kind, das in der Bay Area aufwächst und Football bzw. Sport allgemein liebt. Nichts Ungewöhnliches, jeder vergötterte Montana. Er war schließlich Joe Cool. Er hatte den Dreh in den richtigen Momenten raus, wie Michael Jordan oder Wayne Gretzky, denen es auch immer gelang, den entscheidenden Punkt zu machen. Ich erinnere mich noch, da war ich gerade zehn, wie ich mit meinem Freund David Aguirre draußen auf der Straße spiele und einfache Football-Spielzüge auf ein Blatt Papier kritzle. Okay, du läufst bis zum Hydranten, dann brichst du aus und gehst steil. Wir dachten uns auch selbst Spielzüge aus und lernten sie auswendig, meinen Favoriten nannten wir die Geheimwaffe – du läufst los, brichst aus … und rennst zurück zum Pfosten. Während meines ersten Semesters an der Junipero Serra High School in San Mateo hatte es Klick gemacht: Football war mir in Fleisch und Blut übergegangen, und im folgenden Sommer begann ich mit Football am College von San Mateo, wo ich es in den kommenden vier Jahren zum Stammspieler brachte. Meine Größe – in meinem letzten Jahr an der Highschool wog ich 105 kg bei 1,95 m – spielte wahrscheinlich eine wichtige Rolle dabei, dass ich mich in so vielen Sportarten versuchte, nicht nur Football, sondern auch Basketball und Baseball. Es gibt eine Sache, an die ich mich aus dieser Zeit noch besonders erinnere: Trotz meiner Größe waren so viele Teamkollegen einfach mal besser als ich – schneller, stärker, mit überlegenen körperlichen Fähigkeiten ausgestattet.
Die Little League im Baseball war für mich ein Riesenspaß. Mit acht Jahren wollte ich die Uniform der Royals den ganzen Tag tragen. Wenn wir nachmittags ein Spiel hatten, streifte ich mir das Trikot schon um 7 Uhr morgens über. Es waren meine Anfänge als Mannschaftssportler – die Royals waren mein erstes Team.
Doch nach wie vor gelang es mir, mangelnde Fähigkeiten durch Einsatz und Arbeitsmoral wettzumachen, die ich – da bin ich mir ziemlich sicher – von meiner Familie und meinem Umfeld mitbekommen habe, sowie durch schieren Willen und Disziplin. Schon früh impfte mir meine Familie ein, es besser zu machen, und die Disziplin dafür brachte ich von Natur aus mit. Als ich in der fünften Klasse war, stieg meine älteste Schwester Maureen, die schon eine sehr gute Sportlerin war, so richtig in den Highschool-Sport ein. Mein Dad stand früh auf, um mit ihr im örtlichen Fitnessclub zu trainieren, und ich hängte mich an sie dran – jeden Morgen um 6 Uhr. Der Trainer dort hieß Glenn, und er nahm nicht nur Maureen unter seine Fittiche – er kümmerte sich auch um mich. 30 Jahre später erinnere ich mich immer noch daran, wie Glenn mir auftrug: »Du machst 100 Hampelmänner, 25 Liegestütze und 25 Sit-ups jeden Morgen. Wenn du nicht ins Gym kommst, machst du sie zu Haus. Und wenn du durch bist mit dem Workout, hinterlass mir eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter.« Für jede Nachricht versprach mir Glenn einen Dollar. Für jeden Tag, an dem ich keine Nachricht aufs Band sprach, schuldete ich ihm fünf Dollar. Ob’s geholfen hat? Am Ende schuldete ich Glenn Geld – auch Disziplin ist eine Charaktereigenschaft, die sich erst entwickeln muss.
Diese Arbeitsmoral und Disziplin, die mir von Glenn und in noch größerem Ausmaß von meiner Familie eingebläut wurden, spornten mich an, von jedem Trainer oder Ausbilder oder wem auch immer so viel Unterstützung wie möglich zu bekommen – jeder war recht, der mich auf das nächste Level pushte.
Blick über die Line of Scrimmage vor dem Snap während meiner ersten Saison an der Serra High School. Wir spielten gegen Sacred Heart Cathedral, wir verloren – und ich war am Boden zerstört. Die Niederlage war für meine Familie besonders bitter, denn mein Onkel war Rektor am Sacred Heart. Mein Dad hatte mit ihm gewettet, dass der Gewinner das Essen an Thanksgiving ausrichten durfte. An besagtem Abend pflasterte mein Onkel eine ganze Wand mit Bildern von diesem Spiel!
Bewacht von Teamkollegen im Pocket während eines typischen Heimspiels in der Junior Season an der Serra High School. Dieses Spiel haben wir gewonnen, das weiß ich noch!
Flankiert von zwei Freunden und Mannschaftskollegen: Pat Kratus (links), der Defensive Lineman der Wolverines, und Jeff Potts (rechts), ein Offensive Tackle. Es war das Ende meines zweiten Jahres an der Michigan, und ich entwickelte mich immer noch als Spieler. Gegen Ende der Frühlingssaison bildeten wir immer eine blau-weiße Scrimmage, und die Spiele wurden ziemlich matschig!
Dezember 1997: die vier Quarterbacks der Michigan – ein großartiger Haufen. Ganz links Brian Griese, ganz rechts Scott Dreisbach, Jason Kapsner kniet links von mir. Es war das dritte Jahr an der Michigan, kurz bevor wir es in den Rose Bowl schafften.
Im Football-Camp beispielsweise traf ich auf den großartigen Tom Martinez, der das Football-Programm am College von San Mateo leitete, aber auch die Softball- und Basketballteams der Studentinnen betreute. Von diesem Zeitpunkt an, sogar noch nachdem ich bei den New England Patriots unterschrieben hatte, suchte ich immer wieder den Rat von Tom, wenn sich irgendwas nicht richtig anfühlte oder ich Fragen zur Wurftechnik hatte. Ich weiß nicht, wie viele Profi-Quarterbacks in meinem Alter, die so lang gespielt haben wie ich, so etwas machen würden, aber nach jeder NFL-Saison bis zu seinem Tod im Jahre 2012 rief ich Tom an. Er war mir Berater und Mentor zugleich, und ich denke noch oft an ihn. Ich wäre nachlässig, wenn ich nicht auch noch Tom House nennen würde, einen weiteren Wurfmentor, der in den letzten fünf Jahren einen ungeheuren Beitrag geleistet hat. Wie ich bereits sagte: Um Ziele zu erreichen, braucht es ein großartiges Team, das dich unterstützt. Ich kann mich wirklich glücklich schätzen.
Werfen war eine Sache, aber schon früh in meiner Karriere war mir bewusst, dass ich an meiner Athletik arbeiten musste. Deshalb legte ich, als ich College-Football an der University of Michigan spielte, zusätzliche Schichten im Gewichtheben bei Mike Gittleson ein, dem Leiter der Abteilung Krafttraining. Als die New England Patriots mich bei den Drafts auswählten, wurde Mike Woicik mein neuer Krafttrainer. Von Beginn meiner Sportlerkarriere an arbeitete ich auch extrem hart an der Verbesserung meiner Beinarbeit und meiner Kondition. Was immer man mir auch auftrug – wie etwa Seilspringen, um meine Technik zu verbessern – ich machte immer mehr. Egal in welcher Sportart, ich wollte immer besser werden. Und ich will es immer noch. John Wooden, der berühmte Basketballtrainer der University of California Los Angeles (UCLA), umschrieb Erfolg einmal als »innere Ruhe, die das direkte Ergebnis aus dem Wissen ist, dass man das Beste getan hat, um nach seinen Fähigkeiten der Beste zu werden«. Ich glaube, dass jeder von uns immer etwas mehr machen kann und es besser machen kann, wenn wir den Willen mitbringen, an der richtigen Einstellung zu feilen.
Als Athlet war ich ein Spätzünder: in allem recht gut, aber nirgends außergewöhnlich. Wer mich damals an der Highschool Football, Basketball oder Baseball spielen sah, hätte mir wohl kaum eine Karriere bei den Profis prophezeit.
Dennoch brauchte ich eine ganze Weile, um meinen Weg im Sport zu machen, egal ob auf Amateur- oder Profiniveau. Als ich es geschafft hatte, wollte ich sichergehen, alles Menschenmögliche getan zu haben, um auf diesem höchsten Level so lang wie möglich weiterzumachen. Um so spielen zu können wie ich heute, nach 18 NFL-Saisons, braucht es Disziplin, man muss sich fokussieren können und offen dafür sein, die Dinge auch einmal anders anzugehen. Das gilt für mich, seit die Patriots mit mir als neuem Quarterback 2002 zum ersten Mal den Super Bowl gewannen. Wenn du solche Höchstleistungen erreichen und dauerhaft beibehalten willst, brauchst du diese Zielstrebigkeit, Disziplin und Offenheit.
Aber gehen wir noch mal einen Schritt zurück, damit ich erklären kann, wie bei mir alles zusammenlief.
Als Sportler war ich ein Spätzünder. Ich gehörte auch nicht zu denen, die sich in der Schule anstrengten, obwohl ich immer zwischen 1 und 2 stand und sehr gut in Mathe, Statistik und Finanzwesen war. Die Sache ist die: Ich hab mich nie recht für die Wissenschaft begeistern können, weil es einfach zu viel Zeit gekostet hätte, Bücher zu lesen – Zeit, die mir für meine große Passion, den Sport, fehlte. Was den Sport betraf, war ich ein Allrounder, ein Alleskönner, aber kein außergewöhnlicher Sportler. Wer mich damals in der Highschool Football oder Baseball oder Basketball spielen sah, hätte mir wohl kaum eine Karriere bei den Profis prophezeit. In meinem ersten Jahr an der Serra High School als Freshman endete die Football-Saison sang- und klanglos 0 : 8. In meinem zweiten Jahr hörte der Freshman-Quarterback Kevin Krystofiak auf, also versuchte ich mich im JV Football, einem Team aus Ersatzspielern, das sich hauptsächlich aus Zehntklässlern zusammensetzte. Wir wurden ein bisschen besser, waren aber mit 5 : 4 immer noch nicht toll.
Als Junior in der elften Klasse wurde ich ins Varsity Football-Team gewählt (Ergebnis: 6 : 4), und als Senior ein Jahr später steht ein 5 : 5 in den Ergebnislisten. In dem Jahr, als ich Mitglied im Varsity Team wurde – da spielte ich schon kein Basketball mehr –, stand ich meist um 6 Uhr auf, machte ein Workout, joggte, machte Rope Drills für die Beinarbeit, sprang über Taschen und rannte Hügel hinauf – es nutzte alles nichts. Egal wie sehr ich mich auch verausgabte, die besseren Sportler überholten mich immer noch, sprangen höher und schlossen bei Tests besser ab als ich.
Wenn ich nicht im Football aufgegangen wäre und dort mein volles Potenzial ausgeschöpft hätte, hätte ich im Baseball geglänzt. Während meiner Highschool-Zeit spielte ich als Catcher und linkshändiger Hitter. Zusätzlich zum Football war ich in meinen beiden letzten Jahren an der Highschool Mitglied im Varsity-Baseballteam. Und die Montreal Expos zogen mich bei der 18. Runde der MLB-Drafts 1995. Aber damals wollte ich schon kein Baseball mehr spielen. Der Sport glich einer körperlichen Strafe, der es auf meinen Körper und besonders meine Knie abgesehen hatte und wahrscheinlich Hauptgrund dafür war, dass ich die Leidenschaft für ihn verlor. Dieser Schmerz, mit dem ich mich Tag für Tag herumplagte, führte mich weg vom Baseball hin zum Football, auf den ich mich nun voll und ganz konzentrierte.
In meinem letzten Jahr entschied mein Vater, die Highlights von meinen Spielen zusammenzuschneiden, um einige Colleges auf meine Fähigkeiten im Football aufmerksam zu machen. Auch wenn wir kein sehr gutes Team auf der Highschool waren und ich tief unter dem Radar der Scouts flog, schaffte ich es in einen Football-Verbund am St. Mary’s College, wo sich vielleicht zum ersten Mal der ein oder andere Scout gedacht haben mag: »Hey, aus dem Kerl kann ja mal was Anständiges werden.« Mein Vater hatte viele meiner Spiele auf Video, und die Schule hatte auch noch Filmmaterial. Als die Saison vorbei war, brachten wir die besten Mitschnitte zu einem Cutter im Ort, der einen Film zusammenschnitt. Am Schluss hatten wir ungefähr 50 VHS-Kassetten (erinnert ihr euch noch?) mit den Highlights von meinen Spielen. Ich weiß noch, wie mein Vater und ich ein College-Buch der Division 1 und 2 durchblätterten und wir uns fragten: Sollen wir dort eine Kassette hinschicken? Wie sieht es damit aus? Wir sendeten Päckchen an die zwölf Colleges, die mich interessierten und von denen ich glaubte, ich hätte eine Chance. Die Militäruniversität antwortete etwa so: »Danke für die Zusendung Ihrer Kassette, aber wir fürchten, Ihre Fähigkeiten reichen nicht für unseren Angriff aus« (lustig, aber auch wahr). Wie gern hätte ich mich an der University of Southern California (USC) eingeschrieben, die mich genommen hätten, aber die University of Michigan war sogar so sehr interessiert, dass sie den Recruiter Bill Harris vorbeischickten. Noch im April des selben Jahres bot mir Michigan ein Stipendium, die USC hingegen nicht.
Michigan war und ist – meiner Meinung nach – landesweit die beste Schule in der Division 1, wenn es darum geht, Wissenschaft und Sport zu kombinieren. Alle drei, die mich rekrutierten – Bill Harris, Assistenztrainer, Gary Moeller, der Head Coach, sowie Kit Cartwright, der Quarterback-Coach, waren an Bord, als ich mich im Frühjahr 1994 für Michigan entschied. Sie kannten mich, sie kannten sogar meine Eltern. Aber als ich in Ann Arbor ankam, hatte man Moeller ziehen lassen, und Bill Harris hatte Michigan in Richtung Stanford verlassen, um dort als Defensive Coordinator anzuheuern – was nichts anderes bedeutete, als dass zwei von drei aus dem Trainerstab, die mich ausgewählt hatten, die mich und meine Familie ziemlich gut kannten, raus waren. Diese Dynamik existiert in vielen Berufssparten, da bin ich mir sicher. Die Leute, die dich engagieren, sind deine Mentoren und Heros, sie wollen, dass du dich gut machst, aber als ich nach Michigan ging, gab es nicht mehr viele Leute, die an meinen Erfolg glaubten. Zwar agierte keiner gegen mich – aber keiner kannte mich so recht, und es gab andere Spieler, um die man sich eher Gedanken machte. Ich gebe keinem die Schuld, es war einfach so, wie es war. Zurückblickend war es eine großartige, positive Lehrstunde zu einem sehr frühen Zeitpunkt meiner Karriere, die mich noch entschlossener gemacht hat als alles zuvor. Ich will nichts davon missen.
Michigan rekrutierte mich als vierten oder fünften Quarterback für die Depth Chart des Teams: ein Diagramm, das die Mannschaftsaufstellung mit allen Start- und Ersatzspielern eines jeden Jahres auflistet. Ich trat gegen einen anderen Neuling an, DiAllo Johnson, der zur selben Zeit wie ich in Michigan anfing. Der Quarterback in der Startaufstellung bei den Wolverines war der ein Jahr ältere Scott Dreisbach.
Der zweite Quarterback war Brian Griese, der zwei Jahre mein Senior war und es später zu einem sehr guten Spieler in der NFL brachte, der dritte Jason Carr, der Sohn des neuen Football-Trainers von Michigan, Lloyd Carr. Die ersten vier Spiele in der Saison gewannen die Wolverines, bis sich Scott Dreisbach dabei verletzte, als er sich zurückfallen ließ, einen Pass spielte und sich dabei sein Daumen im Helm eines anderen Spielers verhakte. Eine Operation war unausweichlich, für den Rest der Saison fiel er aus. Jeder rückte einen Platz nach vorn: Brian Griese in der Startformation, Jason Carr auf die Ersatzposition, ich an die dritte Stelle.
Brian Griese spielte eine gute Saison 1995, aber wir schlossen das Jahr nicht gut ab. Wir schlugen Ohio State mit 31 : 23, das weiß ich noch, aber unterlagen im Bowl Game 20 : 22 gegen Texas A&M. Im Verlauf der Saison 1996 verloren wir Kit Cartwright, der als Offensive Coordinator nach Indiana ging. Jeder nahm an, dass Dreisbach zurückkommen und als erster Quarterback starten würde – Michigan hatte vor seiner Daumenverletzung kein Spiel verloren, Jason Carr war schließlich auch weg, selbst wenn sein Vater immer noch der Head Coach war –, aber ich wollte mit aller Kraft von Beginn an Quarterback werden und nahm den Kampf an. Doch nichts passierte. Jeder liebte Scott, und ich musste erkennen, dass er das ganze Jahr als Senior durchspielen würde, was nichts anderes bedeutete, als dass ich die nächsten drei Jahre auf der Bank versauern würde. Ich suchte das Gespräch mit Coach Jarr und teilte ihm mit, dass ich kaum noch Möglichkeiten für mich sähe und dass der Punkt, an dem ich mich befand und der, wo ich hinwollte, ziemlich weit auseinander lägen. Jarr gab mir mit, dass ich das Potenzial zu einem sehr guten Spieler habe und dass ich einfach rausgehen, den Wettkampf annehmen und mir nicht den Kopf über Dinge zerbrechen solle, die ich nicht kontrollieren könne. Er erinnerte mich zu Recht daran, dass ich mich nicht grundlos für Michigan entschieden hatte: Michigan war die beste Uni für mich. Aber es zerriss mir fast das Herz, nicht spielen zu dürfen. Schlimmer noch: Die Zukunftsaussichten fingen an zu entmutigen, denn ich lag sowohl körperlich als auch mental hinter Scott zurück.
Die Frustration wurde immer größer, doch glücklicherweise wendete ich mich (oder war es umgekehrt) an den Sportpsychologen der Mannschaft, Greg Harden. Greg war schon seit vielen Jahren an der Michigan und hatte viele große Athleten der Universität beraten. Vor allem beeindruckte mich, dass er bereits mit Desmond Howard zusammengearbeitet hatte, einem der Superstars der Wolverines. Howard, ein Return-Spezialist und Wide Receiver, gewann die Heismann Trophy 1991 und spielte später für die Redskins und Packers. Einmal kam Desmond zu Greg ins Büro und sagte: »Greg, ich bekomme den Ball niemals richtig zugeworfen, immer muss ich meine Laufrouten ändern, der Ball fliegt über den ganzen Platz und zwingt mich zu einem Diving Catch nach dem anderen.« Greg gab zurück: »Weißt du was, Desmond? Deshalb bist du Desmond Howard. Nur Desmond kann so abheben und abtauchen, einhändige Catches, die sonst keiner beherrscht. Wenn der Quarterback den lieben langen Tag sein Geld wert wäre, würde niemand mitbekommen, was du alles kannst.« Diese Worte sind mir immer im Gedächtnis haften geblieben. Wenn die Dinge nicht so laufen, wie sie sollen – oder besser: wenn sie nicht so laufen, wie du es dir vorstellst –, dann gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten, die für den Augenblick nicht so offensichtlich erscheinen. Aber durch harte Arbeit, entsprechende Vorbereitung und Durchhaltevermögen können sie sich nach einiger Zeit offenbaren.
»Ich werde niemals meine Chance bekommen«, erzählte ich Greg üblicherweise, »sie lassen mich maximal drei Reps (= Übungs-Snaps) machen.« Greg sagte dann: »Drei Reps? Drei ist schon mal viel besser als null Reps. Ich will, dass du bei diesen drei Snaps, die man dir lässt, alles gibst, Tommy. Wenn weniger – schäm dich! Also streng dich an und mach drei hervorragende Reps!« Seine Worte befeuerten meinen Wettkampfehrgeiz noch weiter. Sie gaben mir tatsächlich Kraft, denn jetzt hatte ich einen Plan. Ich würde aus Gregs Büro stiefeln, ich würde da rausgehen und drei hervorragende Reps aufs Feld zaubern. Eine Woche später ließen mich die Trainer vier Reps machen. Dann fünf. Dann sechs. Mit der Zeit bekam ich die meisten Reps. Jeden Tag holte ich beim Training alles aus mir raus, denn ich wusste: Sonst gab es keine Garantie für mich, dass ich jemals auch nur ein paar Minuten Spielzeit ergattern würde. Ich dachte: Wenn ich das Training nicht genauso angehe wie ein Spiel, dann werden mich die Coaches niemals aufs Spielfeld lassen. Also trainierte ich, als ob es ein reguläres Spiel wäre – eine Regel, die ich heute noch beherzige.
Jeden Tag holte ich beim Training alles aus mir raus, denn ich wusste: Sonst gab es keine Garantie für mich, dass ich jemals auch nur ein paar Minuten Spielzeit ergattern würde. Ich dachte: Wenn ich das Training nicht genauso angehe wie ein Spiel, dann werden mich die Coaches niemals aufs Spielfeld lassen.
In meinem zweiten Jahr an der Michigan war Scott Dreisbach unser erster Quarterback, und im Verlauf der Saison stritt ich mich mit Brian Griese um die zweite Position. Nach ein paar Wochen hatte mich Brian langsam aber sicher hinter sich gelassen. Insgesamt hatten wir kein tolles Jahr, und spät in der Saison gegen Penn State nahm der Trainer Dreisbach raus und brachte Griese. Kurz gesagt: Griese spielte den Rest der Saison, und im letzten Spiel schlugen wir Ohio State 13 : 9, auch wenn wir erneut unser Bowl Game gegen Alabama mit 14 : 17 verloren. Ab jetzt sahen die Trainer Dreisbach mit anderen Augen. Griese lieferte grundsolide Arbeit ab, aber keiner von beiden ragte heraus, sodass im Vorfeld der Saison 1997 der Kampf um die Position des ersten Quarterbacks voll entbrannt war. Es wurde niemals schmutzig gekämpft, wir hegten keinen Groll gegenüber den anderen, alle Quarterbacks verstanden sich untereinander gut – außerdem glaube ich, dass in Mannschaftssportarten kein Platz ist, irgendwelche Ansprüche zu stellen. Wenn ein anderer fähiger ist und einen besseren Job macht als ich, dann hat er das Recht zu spielen. Zu jener Zeit konkurrierte ich um Spielzeit mit Brian Griese, Scott Dreisbach und einem neuen Kerl namens Jason Knapser, einem hoch angesehenen Spieler aus Minnesota. Coach Carr entschied sich schließlich für Brian, der in seinem fünften Senior-Jahr war, als ersten Quaterback. Ich wurde sein Ersatzmann und hatte Scott hinter mir gelassen, der mit Jason auf der Depth Chart Platz drei oder vier einnahm. In diesem Jahr, 1997, blieben wir ungeschlagen, und es war eine magische Saison. Brian spielte großartig und brachte jedes Spiel nach Hause, gekrönt mit dem Gewinn der Rose Bowl gegen Washington. Brian lehrte mich viel über inneren Antrieb und Entschlossenheit. Nichts brachte ihn von seinem Weg ab, und ich war glücklich, beim Spiel zusehen zu dürfen. Wenn ich zurückschaue, erkenne ich einen Mann auf einer Mission, und er brachte mir bei, was mentale Härte wirklich bedeutet.
Als ich in mein viertes Jahr ging, spürte ich, dass ich in den Startlöchern stand, als erster Quaterback aufs Feld zu gehen. Dreisbach und Kapsner hatte ich in der letzten Saison geschlagen, und da Brian Griese weg war – er machte seinen Abschluss und wurde bei den Drafts von den Broncos gezogen –, wurde er durch Drew Henson ersetzt. Drew war landesweit einer der höchstbewerteten Athleten, die rekrutiert wurden, und ein vielseitiger Sportler, der im selben Jahr für die New York Yankees gedraftet wurde. Mit Drew dachte jeder, wir hätten den nächsten John Elway verpflichtet. Coach Carr war an Drews Rekrutierungsprozess beteiligt, und viele Leute konnten es gar nicht abwarten, was er auf dem Feld zeigen würde. Aber die Sache war die: In den letzten drei Jahren war ich als Mensch und als Spieler gewachsen, hatte Erfahrung gesammelt und gelernt, richtig hart zu kämpfen. Der Wettkampf machte mir nichts aus, Wettkampf brachte das Beste in mir zum Vorschein. Im Trainingslager arbeitete ich härter als je zuvor im Hantelraum, ich versuchte, wirklich ein neues Level zu erreichen, und es zahlte sich aus, als Coach Carr mich zum ersten Quarterback ernannte.
An der Michigan im Jahre 1999 gegen Purdue
Aber wir verloren unser erstes Spiel gegen Notre Dame 20 : 36, und eine Woche später wurden wir von einem großartigen Syracuse um Donovan McNabb mit 28 : 38 vom Platz gefegt. Zwei Spiele, zwei Niederlagen – das nennt man nicht gerade ein vielversprechendes Debüt. Praktisch jeder wollte, dass Drew mich ersetzten sollte, aber Coach Carr hielt im nächsten Spiel an mir fest, und auch für den Rest der Saison, denn nach den zwei Niederlagen gewannen wir neun Spiele in Folge und beendeten das Jahr mit 9 : 2 Spielen. Dann folgte Ohio State, gegen die wir trotz eines neuen Rekords für Michigan mit 31 gefangenen Bällen (sog. Completions) mit 16 : 31 verloren.
Unser Bowl Game gewannen wir mit 45 : 31 über Arkansas und schlossen die Saison mit 10 : 3 Spielen ab. Insgesamt war es ein ziemlich gutes Jahr, an das man sich gern zurückerinnert.
1999, ich ging in meine fünfte Saison, wurde die Rivalität zwischen mir und Drew immer intensiver. Einfach jeder – die Trainer, die Fans – wollte Drew auf dem Feld sehen, und warum auch nicht? Er war extrem talentiert, und er hatte darauf verzichtet, für die Yankees Baseball zu spielen und sich für College-Football in Michigan entschieden. Aber unser Team hatte eine 10 : 3-Saison vorzuweisen. Vier Tage vor unserem ersten Spiel rief Carr Drew und mich zu sich ins Büro und verkündete, dass ich der Kapitän wäre und zuerst aufs Feld ging, Drew würde im zweiten Quarter übernehmen. Auf dieser Basis wollte er in der Halbzeit entscheiden, wer von uns das Team in den letzten beiden Quartern führen sollte.
Drew und ich spielten es untereinander aus, wie Carr gesagt hatte. Beim ersten Spiel gegen Notre Dame führte ich das Team im ersten Quarter, Drew kam zum zweiten. Der Coach entschied sich schließlich, mich die zweite Hälfte spielen zu lassen, und wir gewannen das Spiel 26 : 22 mit einem Touchdown in den letzten zwei Minuten. Im zweiten Spiel gegen Rice spielte ich wieder die zweite Hälfte, und im dritten Spiel gegen Syracuse war Drew mal an der Reihe. Gegen Mitte dieser Saison, gegen Michigan State, ein Team, das auch noch kein Spiel verloren hatte, spielte ich das erste Quarter und Drew das zweite – und Coach Starr entschied sich erneut dafür, Drew in der zweiten Hälfte auf dem Feld zu lassen. Doch kurz nach Beginn des dritten Quarters fing ein Verteidiger einen Pass von Drew ab (sog. Interception), und Coach Carr wechselte mich ein. Wir spielten es bärenstark zu Ende – bei den letzten vier Malen in Ballbesitz holten wir immer einen Touchdown. Aber Michigan war auch auf Zack, wir konnten sie nicht aufhalten und verloren 31 : 34. Unsere erste Niederlage in der Saison. Ich dachte noch: Ich spielte richtig gut, als ich wieder reinkam, vielleicht werden sie nicht mehr rotieren. Aber einige Tage später verkündete Carr, dass alles bliebe wie gehabt.
Gegen Notre Dame, 1999
In das folgende Heimspiel gegen Illinois gingen wir als haushoher Favorit. Wie üblich, führte ich das Team im ersten Quarter aufs Feld, gefolgt von Drew, bevor Carr mich die zweite Hälfte spielen ließ. In der Mitte des dritten Quarters war plötzlich unser Riesenvorsprung durch eine ganze Reihe verrückter Sachen dahingeschmolzen: Illinois erzielte vier Touchdowns nacheinander, wir zeigten keine Reaktion. Ein hoher Snap flog über meinen Kopf hinweg, mir unterlief eine Interception, und wir gingen als Verlierer vom Platz, obwohl wir wie der sichere Sieger aussahen. Wir hatten zwei Spiele in Folge verloren. Nach dem Match nahm mich Carr beiseite und sagte mir, dass er in Zukunft auf die Rotation verzichtet und ich mich das ganze nächste Spiel unter Beweis stellen könne. Als wären das nicht grandiose Neuigkeiten genug, gewannen wir die nächsten vier Spiele gegen Indiana, Northwestern, Penn State und Ohio State, bevor wir Alabama im Orange Bowl schlugen und die Saison mit 10 : 2 Siegen abschlossen.
Wenn ich zurückschaue, dann kann ich verstehen, warum all die anderen Quarterbacks mir vorgezogen wurden. Ich verstehe auch, warum sich Coach Carr für die Rotation entschieden hatte. Es war dennoch eine ziemlich knifflige Erfahrung, wenn man bedenkt, dass ich noch viel zu lernen hatte, wer ich überhaupt bin und wie kompetitiv College-Football sein kann. Während meiner Zeit in Michigan hatte ich das Glück, dass das gesamte Umfeld auf Wettbewerb getrimmt war, in dem galt: Das Team zuerst. Hier lernte ich viele Freunde und Mentoren kennen. Als ich 1995 den Campus betrat, war ich als Sportler noch zu weich, sowohl mental als auch im Herzen. Zu lernen, für etwas kämpfen zu müssen, das man wirklich will, war eine tolle Erfahrung. Aber nachdem ich das College abgeschlossen hatte, war es Zeit zu schauen, ob ich für das nächste Level bereit war.
2000 zogen mich die New England Patriots und ihr Quarterback-Trainer Dick Rehbein als 199. bei den Drafts, und wer rechnen kann, dem wird schnell klar, dass ich mindestens sechsmal von jedem Team der NFL abgelehnt wurde. Der Scouting-Bericht besagte, dass ich groß, angriffslustig, klug und wachsam war. In der Lage, die Manndeckung zu lesen. Ich hatte Präzision und den gewissen Touch, und ich galt als potenzieller Leader. Aber die positiven Bewertungen wurden unter einem Berg von negativen Kommentaren begraben: Schlechte körperliche Voraussetzungen, sehr dünn und schmal. Kann einfacher umgeworfen werden, als einem lieb ist. Fehlende Beweglichkeit und Fähigkeit, Hektik zu vermeiden. Kein starker Wurfarm. Kann den Ball nicht übers Feld bugsieren und wirft keine perfekte Spirale. Der Bericht endete damit, mich einen »Systemspieler« zu nennen, für den man sich nicht hinsichtlich Statur, Kraft, Armkraft und Beweglichkeit entscheiden würde. Und: »Kann es mit dem richtigen System schaffen, aber eignet sich nicht für jedes.« Und dieser Bericht traf zu. Ich musste mich auf vielen Ebenen verbessern.