Bei meinem ersten Apulienbesuch war ich noch nicht einmal volljährig. Damals setzte ich auf der klassischen Route mit der Fähre von Griechenland nach Italien über und landete in Brindisi. Von dort machte ich zunächst der Trulli-Gegend meine Aufwartung, bevor ich weiter nach Norden zum Castel del Monte reiste. Auf die berühmte Hinterlassenschaft des großen Staufers war ich damals am meisten gespannt. Immerhin wuchs ich die längste Zeit meiner Kindheit und Jugend in der „Stauferstadt“ Waiblingen bei Stuttgart auf. Daher auch mein frühes Interesse für Apulien, die Wahlheimat Friedrichs II., und der sehnliche Wunsch, Castel del Monte von Angesicht zu Angesicht gegenüberzutreten.

Mittlerweile lebe ich zwar längst nicht mehr im Schwäbischen, die Zuneigung zu Apulien hingegen ist geblieben. Allerdings sind es heute weniger die staufischen Kultstätten im Norden der Region, die mich am meisten faszinieren. Am wohlsten fühle ich mich inzwischen im Süden: Der Salento überzeugt mich jedes Mal aufs Neue durch die Freundlichkeit der Menschen sowie sein faszinierendes Licht, das der Landschaft eine suggestive Stimmung verleiht. Außerdem gibt es für mich bei allen meinen Besuchen Neues und Faszinierendes zu entdecken, von dem Vieles in vorliegendes Reisehandbuch einfließen konnte. In diesem Sinne: Viel Spaß beim Reisen, Entdecken und Erleben!
„Wegen der Spiegelung der Sonne im Wasser ... sei das Licht in Apulien so satt und warm“, schreibt die Schriftstellerin Francesca Marciano in ihrer Familiensaga „Casa Rossa“. Das Licht im Südosten Italiens fasziniert die Menschen seit jeher, nicht nur im Salento, wo die erwähnte Fiktion verortet ist. Es verzaubert die überwiegend flache Landschaft, besonders am Nachmittag, wenn die rotbraune Erde unter den gleißend-grünen Olivenbäumen leuchtet. Aber Apulien ist nicht nur flach: Schroff ragt die Garganoküste in die Adria, das Vorgebirge stemmt sich auf 1000 m Höhe empor. Auch der Nationalpark Hochmurgia mit den markanten Schluchten sowie die Salento-Halbinsel ganz im Süden präsentieren sich als abwechslungsreiches Kulturland. Die schönsten Küstenabschnitte finden sich im Gargano und im Salento. Aber auch die Dünen- und Marschlandschaften nördlich und südlich von Brindisi und an der Ionischen Küste wissen zu überzeugen. Manchmal kommt gar ein wenig Nordseestimmung auf.


Gerüchten zufolge müssen Kunstliebhaber die Apulienreise regelmäßig verlängern, weil die Zeit für die wichtigsten Sehenswürdigkeiten nicht reicht. Es ist nicht leicht, aus der erklecklichen Liste der Denkmäler Beispiele herauszugreifen: vielleicht den grandiosen Mosaikfußboden in der Kathedrale von Otranto, die Apsis der Kathedrale von Troia, das Kastell in Barletta, die weiß getünchte Altstadt von Ostuni oder das Hafenensemble von Trani. Natürlich darf die steinerne „Krone Apuliens“, Castel del Monte, auf der Rundreise nicht fehlen. Und im Süden machen Bauernhäuschen auf sich aufmerksam, die wie Zipfelmützen aus den Weinbergen und Olivenhainen ragen - die Trulli im Valle d’Itria. In den Schluchten der Hochmurgia wiederum sind es die freskengeschmückten Höhlenkirchen, die die Herzen der Kunstkenner höher schlagen lassen. Wie gesagt, die Zeit reicht bei weitem nicht aus ...
Trotz aller Baudenkmäler, antiker Ausgrabungsstätten, barocker Fassaden: Der Italiener wichtigstes Kulturgut ist die Küche. Wie in den meisten italienischen Regionen beruht sie auf dem Grundsatz der Bodenständigkeit, schließlich weiß man, woher man kommt. Die apulische Kochkunst ist aus der Armut geboren; einfache Brot- und Gemüsegerichte bereichern seit jeher die Bauerntafel; Fleisch oder gar Fisch waren lange Zeit nur etwas für „die da oben“, für begüterte Junker, die sich an der heimischen Krume gütlich taten, oder für betuchte Fremde, die Jahr um Jahr an den sonnigen Gestaden ihre mitgebrachte Schwermut auskurierten ... Heute experimentieren die Köche mit den traditionell überlieferten Rezepten, versehen diese mit einem Schuss Kreativität und wünschen natürlich nichts mehr als die Zufriedenheit ihrer Gäste.

Wenn 800 Küstenkilometer nicht reichen, um ein geeignetes Plätzchen zu finden, dann hilft wohl nur noch der Ur-Ozean. Den landschaftlichen Höhepunkt bildet die von weißen Kalkfelsen geprägte Garganoküste. Im Sommer ist es hier natürlich rappelvoll, denn nicht nur die Badetouristen tummeln sich an den Sandstränden, sondern ebenfalls die Wind- und Kitesurfer. Leben und leben lassen, heißt die Devise, wem es zu eng ist, der muss auf die Nebensaison ausweichen. Am Ionischen Meer wiederum, dem zweiten Badeparadies Apuliens, gibt es keine Vor- oder Nachsaison. Im Juli und August herrscht hier der Ausnahmezustand, ansonsten fast gespenstische Leere. Wundervolle Badestrände kennt auch die Salento-Halbinsel. Vor allem auf der adriatischen Seite wechseln sich Pinienwald und Sanddünen, steile Fjordküsten und sanfte Moränen ab. Hier liegen auch die besten Tauchreviere, die besten Adressen finden Sie - wie immer - im Reiseteil des Buches.
Autofahrer sollten auf Küstenstraßen aufgrund der vielen Radfahrer wachsam sein. Die ohnehin radsportbegeisterte italienische Nation hat im Südosten des Stiefels die geeignete Projektionsfläche für ihren sportlichen Ehrgeiz gefunden. Die Region ist überwiegend flach, der Parcours scheint deshalb nicht übermäßig fordernd. Doch weit gefehlt: Wenn an der Küste der kalte Fallwind ins Gesicht bläst oder sich der Anstieg zu den 800 m hoch gelegenen Foresta Umbra zur schweißtreibenden Angelegenheit entwickelt, dann weiß man am Abend, was man getan hat. Übrigens ist bei letzterer Tour das Mountainbike geeigneter, was auch für die topografisch anspruchsvollen Monti Dauni gilt. Mit dem Tourenrad lässt es sich in der Murgia, im Valle d’Itria und auf den Nebenstraßen im Salento ausgezeichnet radeln. Beim Wandern sind die Optionen etwas dünner gesät, weil sich Apulien bislang nicht als explizite Wanderregion ausgewiesen hat. Neun Wander- und Radwandertouren stellen wir Ihnen im „Kleinen (Rad-)Wanderführer“ des Buches ausführlich vor.


Die Kinderfreundlichkeit der Italiener ist allgemein bekannt. Und obwohl inzwischen das Land ans Ende der europäischen Geburtenstatistik gerutscht ist, hat sich daran nichts geändert. Ganz im Gegenteil: Wer gemeinsam mit den Bambini an den Stiefel reist, dem wird sich manch spontane Begegnung mit den Einheimischen eröffnen. Aber die Kinder sollen sich auch wohlfühlen im Zielgebiet. Ideale Bedingungen für einen Familienurlaub bieten die Küstenorte mit langen Sandstränden, wo das Wasser relativ seicht ist. Ältere Kinder können schon einmal eine kürzere Küstenwanderung mitmachen, z. B. zum Vignanotica-Strand an der Küste des Gargano oder im Naturpark Portoselvaggio. Auch das eine oder andere kulturelle Highlight wird die Kids faszinieren, u. a. das Museo Faggiano oder das MUSA in der Barockmetropole Lecce. Natürlich bleiben die Kleinen am liebsten am Meer, doch auch der eine oder andere Agriturismo im Hinterland präsentiert sich kinderfreundlich.
Süditaliener lieben die Schönheit, diese Eigenschaft verbindet sie mit dem Rest der Welt. Wer auf der Suche nach der ästhetisch reinen, erhabenen und künstlerisch-stilistisch wertvollen Ausdrucksform ist, sollte sich baldmöglichst auf Spurensuche in Apulien begeben. Das antike Mosaik der drei Grazien in Egnazia wäre vielleicht ein guter Ausgangspunkt einer solchen Herzensbildungsreise. Oder doch eher die azurblauen Buchten der Tremiti-Inseln? Oder gar ein Besuch im Archäologischen Nationalmuseum zu Tarent? Der beste Ausgangspunkt für eine Reise in Sachen Ästhetik ist jedoch Gallipoli ganz im Süden: Dort ist nämlich in einer Kirche der „Malladrone“ zu bewundern - die hässlichste Figur Italiens. „Bella figura“ machen die Italiener auch beim abendlichen Auf und Ab im Stadtzentrum, auf der „Passeggiata“. Wer sich als gut gekleideter und freundlich umherblickender Fremder hinzugesellt, erntet hin und wieder einen fröhlichen Zuruf. Denn in Apulien weiß man so etwas zu schätzen.