Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
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in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
© 2018 Dr. Gustav Keller
Satz, Umschlaggestaltung, Herstellung und Verlag:
BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7481-2309-5
»Ich will!«
Das Wort ist mächtig
Spricht’s einer ernst und still
Die Sterne reißt’s vom Himmel
Das eine Wort: »Ich will!«
JOHANN WOLFGANG GOETHE
Wir setzen uns ständig Ziele und bilden Vorsätze. Dies geschieht nicht nur am Silvesterabend, sondern während des gesamten Jahres. Häufig lässt die Umsetzung auf sich warten oder bleibt ganz aus. Dies ist frustrierend, zumal viele Menschen zunächst motiviert sind. Woran liegt das? Die Antwort lautet: an mangelnder Willensstärke. Deshalb wendet sich dieses Buch an alle, die mit ihrem Willen nicht zufrieden sind und willensstärker werden möchten.
Am Beginn des Buches schätzen Sie, liebe Leserin, lieber Leser, mit Hilfe eines Analysebogens die Ausprägung Ihrer Willensstärke ein. Basierend auf den Erkenntnissen der Willenspsychologie und der Hirnforschung wird dann die Funktion des menschlichen Willens erklärt. Anschließend wird dargelegt, wie Willensprobleme das zielorientierte Handeln stören und blockieren. Besonderes Augenmerk erfährt dabei die »Aufschieberitis«.
Das größte Anliegen des Buches ist es, Sie zur Stärkung Ihres Willens anzuleiten. Zum einen werden Ihnen Willensstrategien vermittelt. Zum anderen erfahren Sie, wie Sie Ihre Willenskraft trainieren können. Damit Sie sich dieses in den Kapiteln 4 und 5 vorgestellte Know-how sicher aneignen, werden Ihnen auch praktische Übungen angeboten.
Wer sein Verhalten verändern möchte, kann immer auch von Vorbildern lernen. Deshalb finden Sie im Kapitel 6 Beispiele willensstarker Menschen. Diese Vorbilder sollen Sie dazu ermutigen, von Ihrem eigenen Willen mehr Gebrauch zu machen.
Eine Zusammenfassung wesentlicher Buchinhalte enthält das Kapitel 7 in Form von Willenstipps. Damit wiederholen und festigen Sie das, was Sie während der Lektüre gelernt haben.
Jedes Kapitel wird übrigens mit Geschichten zum Nachdenken abgeschlossen. Sie bringen den Kapitelinhalt auf den Punkt und sollen das Verstehen des Gelesenen fördern.
Arbeiten Sie das Buch gründlich durch. Finden Sie in den einzelnen Kapiteln heraus, wie Sie Ihre Willensleistung konkret verbessern können. Tragen Sie Ihre Änderungsziele (Was möchte ich ändern?) und Ihre Änderungsmethoden (Wie möchte ich es ändern?) in Ihr Willensprogramm ein (s. Kapitel 9). Setzen Sie es in den Alltag um. Und kontrollieren Sie nach circa sechs Wochen Ihren Trainingserfolg mit Hilfe der Bilanzfragen und der erneuten Einschätzung Ihrer Willensstärke (s. Kapitel 10).
Dokumentieren Sie Ihre Änderungsarbeit in Form von Tagebucheinträgen. Das heißt, schreiben Sie auf, was Sie umgesetzt haben und wie es gewirkt hat. Diese Art der Selbstbeobachtung hat sich in der Trainingspraxis als sehr wirksam erwiesen.
Steigen Sie optimistisch in dieses Willenstraining ein. Beachten Sie, dass der Trainingserfolg nicht nur von den zu erlernenden Strategien und Tipps abhängt, sondern auch von einer positiven Einstellung zum eigenen Willen. Das heißt vor allem: Reden Sie sich nicht ein, einen schwachen Willen zu haben, sondern betrachten Sie ihn als eine durch Lernen veränderbare psychische Funktion.
Ich wünsche Ihnen viel Motivation, positive Erkenntnisse und Erfolge beim Erreichen Ihrer Ziele!
Dr. Gustav Keller
Der Anfang der Selbstbesserung ist Selbsterkenntnis.
BALTHASAR GRACIÀN
Wenn Sie Ihre gegenwärtige Willensstärke genauer einschätzen möchten, sollten Sie den folgenden Analysebogen ausfüllen. Je geringer der ermittelte Punktwert, umso dringlicher ist Ihr Verbesserungsbedarf.
Kreuzen Sie an, in welchem Ausmaß die 15 Aussagen auf Sie zutreffen. Sie haben jeweils vier Antwortalternativen:
4 = Die Aussage trifft auf Sie sehr oft zu.
3 = Die Aussage trifft auf Sie oft zu.
2 = Die Aussage trifft auf Sie manchmal zu.
1 = Die Aussage trifft auf Sie selten zu.
Sehr oft | oft | manchmal | selten | ||
1. | Ich setze mir klare Ziele. | 4 | 3 | 2 | 1 |
2. | Die Umsetzung von Zielen plane ich gründlich. | 4 | 3 | 2 | 1 |
3. | Den Weg zu einem Ziel teile ich in Etappen ein. | 4 | 3 | 2 | 1 |
4. | Ein gesetztes Ziel verliere ich nicht aus den Augen. | 4 | 3 | 2 | 1 |
5. | Trotz innerer Widerstände gelingt es mir, auf Zielkurs bleiben. | 4 | 3 | 2 | 1 |
6. | Aufgaben, die ich zur Erreichung eines Ziels erledigen muss, schiebe ich nicht auf. | 4 | 3 | 2 | 1 |
7. | Ich kann meinen Willen gezielt anstrengen. | 4 | 3 | 2 | 1 |
8. | Auf dem Weg zum Ziel lasse ich mich von Schwierigkeiten nicht entmutigen. | 4 | 3 | 2 | 1 |
9. | Während ich handle, kann ich meine Konzentration gut steuern. | 4 | 3 | 2 | 1 |
10. | Wenn ich auf Hindernisse stoße, vermehre ich meine Anstrengung. | 4 | 3 | 2 | 1 |
11. | Es fällt mir leicht, zugunsten der Zielerreichung auf etwas zu verzichten. | 4 | 3 | 2 | 1 |
12. | Trotz Verlockungen lasse ich mich von einem Ziel nicht abbringen. | 4 | 3 | 2 | 1 |
13. | Ich kann meine Stimmung zielförderlich beeinflussen. | 4 | 3 | 2 | 1 |
14. | Ich verfüge über ein gutes Durchhaltevermögen. | 4 | 3 | 2 | 1 |
15. | Auf dem Weg zum Ziel bewältige ich Misserfolge rasch. | 4 | 3 | 2 | 1 |
Addieren Sie die angekreuzten Zahlen.
Der Maximalwert beträgt 60 und der Minimalwert 15.
Tragen Sie Ihr Ergebnis in die folgende Skala ein.
15 | 20 | 25 | 30 | 35 | 40 | 45 | 50 | 55 | 60 |
Um besser zu erkennen, wo Ihre Stärken und Schwächen liegen, können Sie die einzelnen Ankreuzungen miteinander zu einer Linie verbinden. Diese Darstellung nennt man Willens-Profil. Es weist den Weg zur Verhaltensänderung.
Daiju besuchte den Meister Baso in China. Baso fragte: »Was suchst du?«
»Erleuchtung«, erwiderte Daiju.
»Du hast deine eigene Schatzkammer. Warum suchst du außerhalb?« fragte Baso.
Daiju erkundigte sich: »Wo ist meine Schatzkammer?«
Baso antwortete: »Das, was du fragst, ist deine Schatzkammer.«
Daiju war erleuchtet! Dennoch empfahl er stets seinen Freunden: »Öffnet eure eigene Schatzkammer und benutzt diese Schätze.«
Zen-Geschichte
Willenspsychologie ist der Teilbereich
der Psychologie, der sich mit dem Umsetzen
und Erreichen von Zielen auseinandersetzt.
PSYLEX.DE
Der Mensch ist ständig Bedürfnissen und Wünschen ausgesetzt, die nach Befriedigung und Erfüllung drängen. Aus dem in uns fließenden »Motivationsstrom« wählen wir die Ziele unseres Handelns aus. Diese sind auf der Zeitachse unterschiedlich platziert. Manche sollen rasch verwirklicht werden, andere erst in weiterer Zukunft. Ein Teil unserer Ziele bezieht sich auf den privaten, ein anderer auf den beruflichen Bereich.
Nicht alle Ziele setzen wir uns selbst. Außerhalb der Privatsphäre, insbesondere am Arbeitsplatz, werden uns Ziele vorgegeben. Diese entsprechen nicht immer unserer Motivation. Bisweilen ist das Missverhältnis zwischen dem fremdbestimmten Ziel und der Motivation so groß, dass Widerwillen entsteht.
Sich persönliche Ziele zu setzen ist nicht schwer. Unsere Motivation hierzu geht uns selten aus. Wesentlich schwieriger ist es, Ziele ins Handeln umzusetzen. Vor allem dann, wenn wir Gewohnheiten aufgeben, uns anstrengen und Hindernisse überwinden müssen, tun sich Umsetzungsbarrieren auf. In solchen Situationen ist eine psychische Funktion vonnöten: der Wille.
Der Begriff des Willens ist inzwischen
wieder respektabel geworden.
HEINZ HECKHAUSEN
In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts gab es noch ein Teilgebiet der Psychologie, das sich intensiv mit dem Willen und den Willensvorgängen beschäftigte. Der prominenteste Willenspsychologe war Narziss Ach (1872-1946).1 Er war der Pionier der Willensforschung und entwickelte Methoden zur Untersuchung der Willensstärke. Er erforschte jene mentalen Prozesse, die eine Realisierung von Absichten bewirken. Den Willen definierte er als »ein ernstes und wiederholtes Wollen, das gegen äußere oder innere Hemmnisse mit Energie vorgeht und sie durch Erfolg überwindet«.2 Das Verhältnis von beabsichtigtem und tatsächlichem Ergebnis der Willenshandlung bezeichnete er als Wirkungsgrad des Wollens.
Nach dem Tod von Narziss Ach wurde der Willensbegriff in der wissenschaftlichen Psychologie immer seltener gebraucht. Zum einen lag dies daran, dass im Persönlichkeitsmodell der Psychoanalyse der Wille keine Berücksichtigung mehr fand. Was die Person und deren Handeln steuert, war für Sigmund Freud das Ich. Eine Persönlichkeitsinstanz, die aus seiner Sicht im Spiel der seelischen Kräfte nicht den starken Part spielt. Für ihn waren die Triebe beziehungsweise das Unbewusste die mächtigen Determinanten des menschlichen Handelns. Seine pessimistische Sicht von der menschlichen Selbstkontrolle gipfelte in der Feststellung, dass »das Ich nicht Herr sei in seinem eigenen Haus«.3
Ebenso wenig hielt die Verhaltenspsychologie vom Willen. Ihre Anhänger vertraten eine mechanistische Auffassung vom Menschen. Für sie galt nur das äußerlich sichtbare Verhalten. Gemäß ihrer Theorie bestand es großenteils aus angeborenen und erlernten Reiz-Reaktions-Mechanismen. Nicht beobachtbare innere Vorgänge wie der Wille hatten in ihrem Konzept keinen Platz. Der Willensbegriff verschwand weitgehend aus dem Fachwortschatz der Psychologie. Die damals herrschende Auffassung bezeichnet man als deterministisch. Das heißt, menschliches Handeln ist großenteils vorherbestimmt und die Annahme eines freien Willens eine Illusion.
In den achtziger Jahren kehrte der Wille, fachsprachlich auch Volition genannt, als Forschungsgegenstand in das psychologische Fachgebiet zurück. Ihm wurde wieder eine wichtige Position im psychischen Geschehen zugewiesen. Die Renaissance der Willenspsychologie haben wir den Neurowissenschaften zu verdanken. Sie begann mit den bahnbrechenden Untersuchungen der Neurologen Hans Helmut Kornhuber und Lüder Deecke.4 Diese entdeckten Mitte der sechziger Jahre das Bereitschaftspotenzial. Es handelt sich um ein messbares Hirnpotenzial, das vor willentlichen Bewegungen auftritt. Ähnliche Ergebnisse erbrachten die Experimente des Physiologen Benjamin Libet.
Einige seiner Interpreten leiteten aus dem Phänomen des Bereitschaftspotenzials fälschlicherweise die Schlussfolgerung ab, dass der freie Wille nicht existiert. Überspitzt formuliert: Das Gehirn entscheidet unbewusst, wie zu handeln ist. Diese radikal-deterministische Interpretation wird heutzutage von der Hirnforschung weitgehend verworfen. Wie der Hirnforscher Joachim Bauer zu Recht konstatiert, kann der Mensch eine als Bereitschaftspotenzial hirnbildlich erkennbare Handlungsentscheidung abbrechen.5 Der Wille ist relativ frei. Der Mensch ist keine Marionette unbewusster Prozesse.
Wille ist vernünftige Selbstführung des Menschen.
HANS HELMUT KORNHUBER
Neurowissenschaftlich klar ist inzwischen, dass der Wille seinen Sitz im präfrontalen Kortex hat. Dieser vorderste Teil des Frontallappens wurde im Verlauf der Evolution des Menschen immer größer. Er umfasst circa ein Drittel der Großhirnrinde und ist mit vielen anderen Hirnbereichen verbunden. Im präfrontalen Kortex vollzieht sich die Willenstätigkeit.
Der Wille ist eine psychische Grundfunktion. Er steuert die Aufmerksamkeit, überwacht das psychische Geschehen, hemmt nötigenfalls Impulse und Emotionen und teilt den einzelnen Hirnfunktionen Aufgaben zu. Und er befähigt den Menschen zur Selbststeuerung und zum selbstständigen Handeln. Das heißt, er kann sich für eine Handlungsalternative entscheiden, Handlungen planen oder auch darauf verzichten zu handeln. Tritt der Wille in Aktion, ist dies etwas anderes als das rasche Reagieren. Die Willensvorgänge stehen unter bewusster geistiger Kontrolle. »Wenn wir willentlich handeln, erleben wir uns als Urheber unserer Handlungen und haben normalerweise den Eindruck, dass unsere Handlungen durch unsere bewussten Absichten (und nicht durch verborgene oder außerhalb uns liegende Kräfte) ausgelöst werden.«6
Die Willensstärke hängt von zwei Willensfaktoren ab. Zum einen ist es die Willenssteuerung mithilfe von Willenstrategien. Zum anderen ist es die Willenskraft – in den Worten des Willensforschers Roy Baumeister der »Willenskraft-Muskel«.7 Dieser Faktor liefert den Kraftstoff für die neuronalen Steuerungsvorgänge im präfrontalen Kortex. »Ohne Energie sind die besten Schaltkreise nutzlos, im Computer genauso wie im Gehirn.«8
Die Willenskraft steht uns nicht unbegrenzt zur Verfügung. Willensprozesse beanspruchen viel Energie. Die Willenskraft schwindet im Verlauf von Willensanstrengungen genauso wie ein körperlicher Muskel ermüdet. Roy Baumeister spricht diesbezüglich von Ich-Erschöpfung.
Wenn der präfrontale Kortex verletzt wird, kommt es zu gravierenden Willensstörungen bis hin zum Verlust der Willensfähigkeit. Dies lässt sich an der Fallgeschichte des amerikanischen Eisenbahnarbeiters Phineas Gage aufzeigen. Bei einer Sprengung drang eine Eisenstange durch den Kopf und verletzte seinen präfrontalen Kortex schwer. Seine Sinneswahrnehmung wurde dadurch erstaunlicherweise nicht beeinträchtigt, wohl aber seine Persönlichkeit. Stark reduziert waren vor allem seine Fähigkeit zur Handlungsplanung und die Impulskontrolle.