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Zweifelsohne gibt es eine Vielzahl integrer, höchst ehrenwerter Männer und Frauen, die mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurden. Cui honorem honorem. Gleichwohl finden sich unter den Preisgekrönten etliche, die – auf die eine oder andere Art – Gauner, die Lügner und Betrüger sind. Oder waren.

Nobelpreisträger – Mythos und Wirklichkeit.

Band 2 – Träger des Literatur-Nobelpreises

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

© 2016 Richard A. Huthmacher

Umschlaggestaltung, Herstellung und Verlag:

BoD – Books on Demand GmbH

ISBN: 978-3-7431-4725-6

Es stellt sich die Frage, ob es nicht förderlich ist, moralisch verwerflich zu handeln. Jedenfalls dann, wenn man zu Ehren (und ggf. zum Nobelpreis) kommen will. Denn die Exponenten eines Gemeinwesens spiegeln immer (auch) dessen Wesen wider.

Und diejenigen, welche die Geschichte – nicht nur deren (vermeintliche) Fakten, sondern auch die Wahrnehmung derselben – gestalten, brauchen Menschen, die „sozusagen ungeschehene Wahrheiten“ realisieren. Und solche, die über diese Fiktionen berichten. Denn: „Manche Dinge sind nicht wahr. Und andere fanden nie statt.“ Ein Schelm, der denkt, dass es sich bei solcher Formulierung um eine Umschreibung von Fälschen und Lügen, von Manipulieren und Betrügen handelt.

Gleichwohl: “If any question why we died, tell them, because our fathers lied.”

ES

GIBT

SO

VIELE

WAHRHEITEN

WIE

MENSCHEN

AUF

DER

WELT.

WAS

INDES

ALS

WAHR

GILT,

BESCHLIEßEN

DIE,

WELCHE

DIE

MACHT

HABEN

ZU

BESTIMMEN,

NICHT

NUR

ÜBER

DIE

WAHRHEIT.

(RICHARD A. HUTHMACHER: MEIN SUDELBUCH. APERÇUS, APHORISMEN, GEDICHTE – GEDANKEN, DIE SICH NUR SELTEN REIMEN. INDES NICHT WENIGER WAHR SIND. TEIL 1. NORDERSTEDT BEI HAMBURG, 2015, S. 91 F.)

GEWIDMET ALL DENEN,

DIE GUTEN WILLENS

SIND

INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT

Cui honorem honorem. Gleichwohl: Eigentlich müsste jeder, dem der Nobelpreis verliehen wurde, es ablehnen, diese prestigeträchtigste aller öffentlichen Ehrungen anzunehmen. Jedenfalls dann, wenn er bedächte, wer Stifter dieser Auszeichnung war, an der so viel Blut klebt: jener Alfred Nobel nämlich, dessen (vermeintlichen) Tod eine Zeitung mit der Schlagzeile kommentierte: „Le marchand de la mort est mort“ („Der Händler des Todes ist tot“).

Indes: Aus freien Stücken haben lediglich zwei der bisher mehr als 900 Laureaten die Annahme des Preises verweigert – zu groß ist offensichtlich der mit seiner Auszeichnung verbundene Prestige-Gewinn, zu hoch das Preisgeld (von – derzeit – knapp einer Million Euro).

Auch wenn George Bernard Shaw diesbezüglich anmerkte: „Das Geld ist ein Rettungsring, der einem Schwimmer zugeworfen wird, nachdem er das rettende Ufer bereits erreicht hat.“

In Übereinstimmung mit ihrem Stifter glänzen gar viele Nobel-Preisträger nicht gerade mit moralischer Integrität; beschäftigt man sich näher mit ihrer Biographie, stellt sich die Frage, ob es nicht schier förderlich ist, moralisch verwerflich zu handeln – wenn man zu Anerkennung und Ehren (und ggf. zum Nobelpreis) kommen will.

Denn die Exponenten eines Gemeinwesens spiegeln ebenso dessen Sein wie seinen Schein. Manchmal verzerrt, bisweilen punktgenau. Ubi pus, ibi evacua – warum sollten Nobel-Preisträger besser sein als die Gesellschaft, die sie repräsentieren: „Als Ossietzky [Friedens-Nobelpreisträger 1935] schließlich wehrlos und geschunden im KZ saß, verhöhnte Hamsun [Literatur-Nobelpreisträger 1920] ihn als ´diesen Narren im Konzentrationslager´ …“

Und er, der Literatur-Nobelpreisträger Hamsun, verfasste einen Nachruf auf Hitler, in dem es heißt: „Er war ein Krieger, ein Krieger für die Menschheit und ein Verkünder des Evangeliums über das Recht für alle Nationen. Er war eine reformatorische Gestalt höchsten Ranges … Wir, seine engen Anhänger, senken nun bei seinem Tod unsere Köpfe.“

Gemeinsam haben die Laureaten das Eine: keinem von ihnen wurde der Preis je wieder aberkannt. Nicht einmal einem Hamsun.

Denn dann, wenn das Establishment sich selbst feiert und – durch den Nobelpreis – die ehrt, die seine Interessen vertreten, wenn es, das Establishment, (auch dadurch) die in Gesellschaft und Politik je erwünschte Richtung vorgibt, dann ist ein Irrtum, per se, ausgeschlossen. Denn das herrschende System irrt nicht. Ansonsten würde es nicht herrschen.

Gleichwohl: „Früher war der Nobelpreis noch ein allseits geachtetes Ehrenzeichen. Ihre Träger galten sozusagen als Helden der geistigen Arbeit. Heute kann man nur beten, daß kein Schwede jemals auf die Idee kommt, einem so ein Ding an die Brust zu nageln. Vor allem keinen Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Denn wer läßt sich schon gerne vor aller Welt zum Affen machen?“

Eine Aussage, die sich neuerdings auf Bob Dylan erweitern ließe.

„Wer die Wahrheit nicht kennt, ist nur ein Dummkopf. Wer sie aber kennt und sie eine Lüge nennt, ist ein Verbrecher“, so bekanntlich Galilei und Brecht. Und, in diesem Sinne handelnd, Alfred Nobel.

In studentischen Kommersbüchern finden sich, hierzu passend, die Verse aus einem Lied „Zum Wartburgfest 1817“: „Wer die Wahrheit kennet und saget sie nicht, der bleibt ein ehrlos erbärmlicher Wicht.“

Dies dürfte auf Alfred Nobel zutreffen. Und auf viele derjenigen, die mit dem von ihm gestifteten Preis geehrt wurden.

In diesem Sinne wurde das vorliegende Buch („Träger des Literatur-Nobelpreises“) als Band 2 der mehrbändigen Abhandlung über „Nobelpreisträger – Mythos und Wirklichkeit“ geschrieben.

I. „ÜBER DIE BLÖSSE DER NOBELPREISTRÄGER AMÜSIEREN SICH NUN SCHON DIE KINDER

Eigentlich müsste jeder Nobelpreis-Laureat es ablehnen, den ihm verliehenen Preis anzunehmen. Würde er bedenken, wer Donator dieser „Auszeichnung“ war: jener Alfred Nobel, dessen Tod eine Zeitung – irrtümlich (das Ableben, nicht die Tätigkeit betreffend; tatsächlich war sein Bruder Ludvig gestorben) – mit der Schlagzeile kommentierte: „Le marchand de la mort est mort“ („Der Händler des Todes ist tot“) [1].

Eigentlich. Indes: Nur zwei Preis-Gekrönte haben die Annahme der „Auszeichnung“ aus freien Stücken verweigert – der mit dem Literatur-Nobelpreis „geehrte“ Jean Paul Sartre (1964) und der Friedens-Nobelpreis-Träger Le Duc Tho (1973), letzterer mit der (zutreffenden) Begründung, in seinem Land (Vietnam) herrsche kein Frieden [2] [3].

„Jean-Paul Sartre lehnt Literaturnobelpreis ab. Diese Nachricht versetzte alle, die sich in [den] Redaktionen … schon daran gemacht hatten, das Lob auf den … damals 59-jährigen anzustimmen …, in helle Aufregung. Denn dass jemand die höchste literarische Auszeichnung ausschlug, war vorher nur zweimal passiert: 1925 durch G. B. Shaw, der gleichwohl das Preisgeld annahm und an eine englisch-schwedische Literaturstiftung verschenkte, und 1958 durch den russischen Schriftsteller Boris Pasternak, der von seiner Regierung zum Verzicht gezwungen worden war. Aber warum Sartres Ablehnung?“ [4] Siehe auch [5] und [5a].

Dieser, letzterer, begründete seine Verweigerung wie folgt:

„Obwohl all… meine Sympathien den Sozialisten gehören, könnte ich [auch] einen Lenin-Preis nicht annehmen … Diese Haltung hat ihre Grundlage in meiner Auffassung von der Arbeit eines Schriftstellers. Ein Schriftsteller, der politisch oder literarisch Stellung nimmt, sollte nur mit den Mitteln handeln, [welche] … die seinen sind – mit dem geschriebenen Wort … Es ist nicht dasselbe, ob ich ´Jean-Paul Sartre´ oder ´Jean-Paul Sartre, Nobelpreisträger´ unterzeichne“ [4].

Auf gut deutsch: Ich lasse mich nicht bestechen; und dadurch der einen oder anderen (politischen) Seite verpflichten.

Cui honorem honorem: Ehre, wem Ehre gebührt. Auch ohne Nobelpreis [6]. Von dessen Fragwürdigkeit – vom Stifter desselben bis zu den vielen (beschönigend formuliert) zweifelhaften, bisweilen gar anrüchigen Geehrten – das vorliegende Werk handelt.

1900, 4 Jahre nach (Alfred) Nobels Tod, wurde die Nobel-Stiftung gegründet, 1901 wurden die ersten Nobel-Preise vergeben: in Physik, Chemie, Physiologie/Medizin und Literatur an denjenigen, der die bedeutendste Entdeckung oder Erfindung auf dem jeweiligen Gebiet gemacht bzw. (im Bereich Literatur) das Herausragendste geschaffen hat [7] sowie „an denjenigen, der am meisten oder am besten auf die Verbrüderung der Völker und die Abschaffung oder Verminderung stehender Heere sowie das Abhalten oder die Förderung von Friedenskongressen hingewirkt hat“ (Friedens-Nobelpreis) [8].

1968 stiftete die Schwedische Reichsbank (anlässlich ihres 300-Jährigen Bestehens) den „Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften“, der von der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften nach denselben Kriterien wie die von Nobel selbst ausgelobten Preise vergeben und gemeinhin als Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften bezeichnet wird [9].

Der jeweilige Nobelpreis kann an max. drei Personen, der Friedens-Nobelpreis darf auch an Institutionen vergeben werden [10]. Die Nobelpreise werden jedes Jahr am 10. Dezember, Alfred Nobels Todestag, überreicht, und zwar in Stockholm (mit Ausnahme des Friedens-Nobelpreises, der in Oslo übergeben wird). Kleiner Wermutstropfen für die Laureaten: „Das Nobelpreiskomitee muss sparen: Die Gewinner der diesjährigen Nobelpreise werden um etwa 20 Prozent geringere Preisgelder erhalten als zuletzt. Das teilte die Nobel-Stiftung am Montag mit. In den vergangenen Jahren hatten die Preisträger zehn Millionen Kronen (1,12 Millionen Euro) bekommen. Ab 2012 werde das Preisgeld auf acht Millionen Kronen gesenkt, so die Stiftung. Die Anpassung sei notwendig geworden, um eine gute, an die Inflation angepasste Rendite für das Kapital der Stiftung sicherzustellen, hieß es [11]. Und die Süddeutsche Zeitung schreibt [12]: „Krise trifft Nobelpreis … Auch der Nobelpreis leidet unter der Krise. Die Stiftung kürzt ihr Preisgeld – auf das Niveau von 1901.“

Zwar merkte George Bernard Shaw an [5]: „Das Geld ist ein Rettungsring, der einem Schwimmer zugeworfen wird, nachdem er das rettende Ufer bereits erreicht hat.“

„Tatsächlich [jedoch] ist es so, dass viele Nobelpreisträger zwar gute Jobs an Unis haben, aber durchaus keine Großverdiener sind. Und gerade die renommiertesten Forschungsinstitute, etwa das MIT nahe Boston, die Rockefeller Uni in New York oder in Deutschland die Uni München [was, letzteres, man bezweifeln kann, aber sei´s drum] liegen in Gegenden mit extrem hohen Lebenshaltungskosten.

Wolfgang Ketterle, deutscher Physik-Nobelpreisträger von 2001, kennt das Problem. Er lebt und forscht in Cambridge, Massachusetts, einem der teuersten Pflaster Nordamerikas. ´Ich habe das Nobelpreisgeld verwendet, um ein Haus zu kaufen und die Ausbildung der Kinder zu finanzieren´, so Ketterle im Gespräch mit Handelsblatt Online. Der Professor hat deren drei, und an guten Unis in Nordamerika kosten allein die Studiengebühren schon mal gerne 30.000 Dollar pro Jahr“ [13].

Und notfalls lässt sich die Nobelpreis-(Gold-)Medaille ganz schnöde „versilbern“: „Der Mund soll ihm offen gestanden haben, berichtet die ´New York Times´. Der Wissenschaftler James Watson, 86, [Entdecker/Beschreiber der DNA-Doppelhelix, Laureatus für Medizin 1962 – e. A.] saß am Donnerstagabend gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinen Söhnen im Auktionshaus von Christie's in New York und hörte mit an, wie der Preis für seine Nobelpreismedaille in die Höhe schoss. Mit maximal 3,5 Millionen Dollar hatte das Auktionshaus gerechnet. Am Ende ging der Zuschlag an einen anonymen Telefonbieter, dem die Auszeichnung 4,76 Millionen Dollar wert war. Ein Weltrekord, wie es von Christie's heißt“ [14]. Siehe auch [15].

„Watson hatte vor sieben Jahren mit rassistischen Äußerungen für Empörung gesorgt. In einem Interview mit der englischen ´Sunday Times´ sagte er, die Zukunft Afrikas sehe er äußerst pessimistisch, denn ´all unsere Sozialpolitik basiert auf der Annahme, dass ihre Intelligenz dieselbe ist wie unsere – obwohl alle Tests sagen, dass dies nicht wirklich so ist´“ [14].

Klingt geradezu noch „harmlos“, wenn man die Vita des deutschen Chemie-Nobelpreisträgers Fritz Haber (Preisträger 1918) betrachtet:

Seine Ehrung erfolgte für die Herstellung von Ammoniak (Ausgangssubstanz für Kunstdünger und Schießpulver) aus Stickstoff und Wasserstoff; zuvor indes hatte der ehrenwerte Preisträger Kampfgase (wie Chlorgas) für die chemische Kriegsführung und den Einsatz im 1. Weltkrieg entwickelt, weshalb seine Frau, aus Protest gegen die Untaten ihres Mannes, bereits 1915 Selbstmord beging.

Im Übrigen wurde Haber später als Kriegsverbrecher eingestuft; der Nobelpreis wurde ihm nicht aberkannt [16].

So viel – vorab – zur Klugheit von Nobelpreis-Trägern. Zu ihrer moralischen Wertigkeit. Und zu ihren finanziellen Sorgen.

Im Zusammenhang mit der grundsätzlichen Abhängigkeit von Wissenschaftlern, wie diese beispielsweise in „Die Schulmedizin – Segen oder Fluch. Bekenntnisse eines Abtrünnigen“ [17-19] beschrieben wird, dürfte auch für Nobelpreisträger oder solche, die es werden wollen, summa summarum gelten: „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.“ Auch hierzu im Folgenden mehr.

1978 erhielt Menachem Begin den Friedens-Nobelpreis; der einstige israelische Ministerpräsident war als Hardliner und vormaliger Terrorist bekannt, was indes keinen Hinderungsgrund für die Verleihung darstellte. Bemerkenswert, dass sich spätere Mitglieder des Vergabe-Komitees für diese Entscheidung immerhin entschuldigten [20].

„Es war wohl der Irrtum des Jahres 1994, als das Nobelkomitee Yasir Arafat, Shimon Peres und Yitzhak Rabin mit dem Friedensnobelpreis auszeichnete. Grund für diese Entscheidung war ein Händedruck zwischen den Erzrivalen Arafat und Rabin beim Gaza-Jericho-Abkommen, nachdem Rabin gesagt hatte: ´Es ist genug Blut, es sind genug Tränen geflossen. Genug!´ Der weitere Verlauf der Geschichte zeigte, dass dieser Nobelpreis [euphemistisch formuliert, s. beispielsweise [21]; e. A.] verfrüht verliehen wurde“ [22].

Adolf Butenandt (geb. 1903, verstorben, in gesegnetem Alter, 1995), Biochemiker, 1933 – gerade zum ordentlicher Professor an die Technische Hochschule Danzig berufen – Mitunterzeichner des unsäglichen „Bekenntnisses der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat“, Butenandt, dem vorgeworfen wird, „mit den Rassenhygienikern des 3. Reiches kooperiert und von den Menschenversuchen Mengeles gewusst zu haben“ [23], Butenandt, der „in seinem Labor Blutseren aus Auschwitz benutzt“ habe [24], gleichermaßen Körperteile von Ausschwitz-Häftlingen [25], Butenandt, der „an medizinisch-militärischen Forschungsprojekten, u.a. an der Luftwaffenversuchsstation in Rechlin, beteiligt war … [und] alle Institutsunterlagen [des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Biochemie in Berlin; heute Max-Planck-Institut für Biochemie in München – e. A.] vernichtete, die mit dem Vermerk ´Geheime Reichssache´ gekennzeichnet waren“ [25], Butenandt, welcher von ihm begangene Abscheulichkeiten (1941) mit den Worten zu legitimieren versuchte: „Keine Zeit hat in so weitgehendem Maße den Einsatz der Kraftreserven der wissenschaftlichen Arbeit für die Lösung gegenwartsgebundener Aufgaben gefordert wie die junge nationalsozialistische Geschichtepoche unseres Volkes“ [26], Butenandt, dessen Assistent Ruhenstroth-Bauer (mit Einverständnis seines Chefs) Menschen-Versuche mit epileptischen Kindern machte [27], Butenandt, der dann problemlos den Übergang in die Nachkriegs-Gesellschaft schaffte (s. hierzu 28) und „in den ersten Nachkriegsjahren … als eine Art Ein-Mann-NS-Weißwäscherei fungierte] [;] Immer galt [ihm] die Produktivität eines Wissenschaftlers als Beweis für seine politische Unschuld“ [25], Butenandt, ab 1960 Präsident der Max-Planck-Gesellschaft und (auch und gerade nach dem Krieg) mit allen erdenklichen Ehren überschüttet (u.a. mit dem Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband, mit dem Bayerischen Verdienst- und Maximiliansorden sowie mit zahlreichen Ehren-Doktortiteln, vom Doktor der Medizin über den der Tiermedizin, der Naturwissenschaften und Philosophie bis hin zum Doktor der Ingenieurwissenschaften – wahrscheinlich war er das letzte Universalgenie seit Leonardo da Vinci, vergleichbar nur einer Elena Ceausescu oder einer Annette Schavan, die, letztere, bekanntlich zwar kein abgeschlossenes Studium [wohlgemerkt der Erziehungswissenschaften], aber einen medizinischen „Ehren“-Doktortitel vorweisen kann) [29]), Butenandt, der hochehrenwerte Ehrenbürger der Stadt München, der Ehrenpräsident der Max-Planck-Gesellschaft und, wohlgemerkt, auch Kommandeur der französischen Ehrenlegion (der 2. Weltkrieg ist lang vorbei, an ihm hat die Hochfinanz ebenso Deutschlands wie Frankreichs verdient; warum also sollte man nachtragend sein gegenüber treuen Vasallen), Butenandt, eben dieser Butenandt erhielt 1939 den Nobelpreis für Chemie (für die Identifizierung der Sexualhormone Östrogen, Androsteron und Progesteron).

Selbstverständlich wurde (auch) ihm der Nobelpreis nicht aberkannt.

Ebenso wenig wie Anthony Hewish, der 1974 den Nobelpreis für Physik erhielt („für seine ´entscheidende Rolle bei der Entdeckung der Pulsare´“) [30]. Obwohl es seine Doktorandin (Jocelyn Bell Burnel) war, welche „die neue Sternenart entdeckt hatte. Bell Burnell wurde aber mit keinem Wort bei der Ehrung erwähnt“ [ebd.].

Und er, der Nobelpreis, wurde auch Knut Hamsun (Literatur-Nobelpreisträger von 1920) nicht aberkannt – beispielsweise wegen moralischer Verwerflichkeit. „Der Norweger wurde als literarisches Genie gefeiert – wohl zurecht. Doch Knut Hamsun verehrte den deutschen Nationalsozialismus. So erfolgreich, dass ihm Goebbels alljährlich zum Geburtstag gratulierte. Dem Propagandaminister des Dritten Reichs schenkte Hamsun sogar die Medaille seines Nobelpreises. Als 1935 der von den Nazis inhaftierte Carl von Ossietzky den Friedensnobelpreis erhielt, protestierte Hamsun heftig: ´Wenn die Regierung Konzentrationslager einrichtet, so sollten Sie und die Welt verstehen, dass das gute Gründe hat ´“ [31].

„In den Nachkriegsprozessen wurden [in Norwegen] … auch die passiven Parteimitglieder … wegen Landesverrats verurteilt … Hamsuns Prozess unterschied sich … von denen anderer Parteimitglieder … Ein umstrittenes psychiatrisches Gutachten bescheinigte ihm ´eine starke Triebnatur´ und stellte fest, er sei ein Mensch ´mit nachhaltig geschwächten seelischen Fähigkeiten´. Aufgrund dieser Einschätzung wurde Hamsun zwar wegen seiner NS-Mitgliedschaft zu einer hohen Geldstrafe verurteilt, allerdings nicht in einem Strafverfahren. [Sozusagen eine strafrechtliche Exkulpation per psychiatrisches Gutachten.] Dennoch wurde Hamsun, wohl gerade [deshalb,] weil er zuvor als Dichterfürst so verehrt worden und die Enttäuschung über sein Verhalten [so] groß war, neben dem zum Tode Verurteilten Quisling [von 1942 bis 45 norwegischer Ministerpräsident einer von Hitler eingesetzten Marionetten-Regierung – e. A.] zum Verräter schlechthin“ [32].

„Als Ossietzky schließlich wehrlos und geschunden im KZ saß, verhöhnte Hamsun ihn als ´diesen Narren im Konzentrationslager´ …

Die Besetzung Norwegens durch deutsche Truppen begrüßte Hamsun. Er feierte die Erfolge der deutschen Wehrmacht … Er bekam Audienzen bei Goebbels und Hitler. Und noch den Tod des verehrten Führers … nahm er zum Anlass, seine Überzeugung in die Welt zu … [posaunen]. Für den norwegischen ´Aftenposten´ verfasste Hamsun einen Nachruf auf Hitler, in dem es heißt: ´Er war ein Krieger, ein Krieger für die Menschheit und ein Verkünder des Evangeliums über das Recht für alle Nationen. Er war eine reformatorische Gestalt höchsten Ranges … Wir, seine engen Anhänger, senken nun bei seinem Tod unsere Köpfe´“ [33].

Detailliert wird die moralische Verwerflichkeit einer Vielzahl von Preisträgern in den einzelnen Kapiteln von „Nobelpreisträger – Mythos und Wirklichkeit“ dargestellt. Gemeinsam haben diese Laureaten, allesamt, das Eine: keinem von ihnen – und auch keinem sonstigen Nobelpreisträger – wurde der Preis je wieder aberkannt.

Denn dann, wenn das Establishment sich selbst feiert und die ehrt, die seine Interessen in der Politik vertreten (Honorierung durch den Wirtschafts- resp. „Friedens“-Nobelpreis), im Geistesleben (Würdigung durch die Verleihung des Literatur-Nobelpreises) und in den „Wissenschaften“ (Verschleierung jeweiliger Interessen durch die Vergabe des Preises für Physik, Chemie und Medizin, die, in weiten Teilen, selbstverständlich Gesellschaftswissenschaften sind [17-19] – nicht nur die herrschende Geschichtsschreibung ist, so Karl Marx, die Geschichtsschreibung der Herrschenden, sondern auch die je herrschende Wissenschaft ist der Herrschenden Wissenschaft [34]), wenn es, das Establishment, seine Adlati also derart (als seine Repräsentanten) ehrt und dadurch die in Gesellschaft und Politik je erwünschte Richtung vorgibt, dann ist ein Irrtum, per se, ausgeschlossen.

Denn das herrschende System irrt nicht. Ansonsten würde es nicht herrschen. Das jeweilige System.

„2009 wurde dem USA-Präsidenten, Barack Obama, ´in Anerkennung des herausragenden Beitrags zur internationalen Diplomatie und Zusammenarbeit´ der Friedensnobelpreis verliehen. Angesichts der Ereignisse um Syrien vertreten jetzt viele den Standpunkt, dass man Obama den Titel eines Nobelpreisträgers aberkennen sollte. Ist so etwas möglich?“ [35]

„Nein, die Entscheidung des fünfköpfigen Nobelkomitees aus Norwegen ist nicht anfechtbar. Es kann kein Einspruch erhoben werden, die Rücknahme des Preises ist laut Satzung nicht möglich. Es gibt auch keinen Präzedenzfall“ [36].

Gleichwohl: „Das norwegische Nobelpreiskomitee hat überraschend in einer Sondersitzung den 2012 an die Europäische Union verliehenen Friedensnobelpreis nachträglich aberkannt. Eine Aberkennung eines Nobelpreises ist ein ungewöhnlicher Vorgang, der aber in besonders schwerwiegenden Fällen möglich ist. Ausschlaggebend für die Aberkennung war nicht nur die aktuelle Entwicklung in der Flüchtlingspolitik, sondern auch die Tatsache, dass Mitgliedsstaaten mit ihrer Waffenproduktion kriegerische Auseinandersetzungen unterstützt und forciert haben. Wie dieses Faktum damals bei der Vergabe des Nobelpreises übersehen werden konnte, soll ein interner Revisionszirkel nun näher untersuchen“ [37].

Es besteht also noch Hoffnung?

Wohl kaum, denn bei vorgenannter Mitteilung über die Aberkennung des Friedensnobelpreises handelte es sich um eine Presse-Ente.

Es besteht dennoch Hoffnung?

Wohl kaum, wenn „ein Friedensnobelpreisträger (Barack Obama, 2009) einen anderen (Ärzte ohne Grenzen, 1999) in Afghanistan bombardiert und dabei Dutzende Menschen ums Leben kommen …“ [38]

Und zunehmend dürfte gelten [39]: „Früher war der Nobelpreis noch ein allseits geachtetes Ehrenzeichen. Ihre Träger galten sozusagen als Helden der geistigen Arbeit. Heute kann man nur beten, daß kein Schwede jemals auf die Idee kommt, einem so ein Ding an die Brust zu nageln. Vor allem keinen Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Denn wer läßt sich schon gerne vor aller Welt zum Affen machen?

… die Gewinner des letzten Jahres, Robert Merton und Myron Scholes, haben sich inzwischen so abgrundtief blamiert, daß sie ihren Nobelpreis wohl zurückgeben müssen [der Wunsch blieb auch hier Vater des Gedankens – e. A.].

Bekommen haben sie die Auszeichnung für eine Formel für fast todsichere Börsengewinne. Eine Formel, mit der Anleger präzise den korrekten Preis ihrer Aktien ausrechnen können, was vor allem für Arbitragegeschäfte wichtig ist. Arbitrage nennt man es, wenn Anleger den Umstand ausnutzen, daß die gleichen Wertpapiere nicht immer und überall denselben Kurs haben …

Praktisch waren Arbitragegeschäfte eine der Hauptursachen für das Börsendesaster von 1987. Sieben Jahre später gründeten Merton und Scholes einen Arbitrage-Fonds, der dank ihrer Formel als perfekt galt: den Long Term Capital Management (LTCM). Er sollte minimale Preisunterschiede erkennen und blitzschnell in sichere Gewinne ummünzen …

Die Finanzwelt war begeistert. Schon bald bewegte der Fonds ein Vermögen, gegen das der Bundeshaushalt wie eine Portokasse wirkt. Und der Fond funktionierte prächtig. Theoretisch jedenfalls. Praktisch kam es zur Katastrophe. Weil Merton und Scholes die russische Krise nicht eingeplant hatten, verlor der LTCM im August fast sein ganzes Geld. Folgen: ein Kurssturz an den Weltbörsen sowie Milliardenverluste für etliche Banken. Über die Blöße der Nobelpreisträger amüsieren sich nun schon die Kinder.“

Man kann sich über die geistigen Errungenschaften vieler Nobelpreis-Träger amüsieren. Man kann, bei näherer Betrachtung der Laureaten und ihrer „Leistungen“, aber auch in Wut geraten. Auch davon handelt „Nobelpreisträger – Mythos und Wirklichkeit“.

Wer, nun aber, war der Mann, der den Nobelpreis, diesen „Preis der Preise“ stiftete? Wer war Alfred Nobel? Tatsächlich.

PARERGA UND PARALIPOMENA SOWIE QUELLENANGABEN ZU KAPITEL I

[1] „Une nécrologie introuvable. Le marchand de la mort est mort. Le Dr. Alfred Nobel, qui fit fortune en trouvant le moyen de tuer plus de personnes plus rapidement que jamais auparavant, est mort hier. S'il faut en croire les versions anglaises et française des sites de Wikipedia consacrés à Alfred Nobel, c'est en ouvrant l'édition du 12 avril 1888 du journal ´L'Idiotie Quotidienne´ (ou ´Idiotie Quotidienne´) qu'Alfred Nobel apprend qu'il serait déjà mort“,

http://www.le-mot-juste-en-anglais.com/2014/10/alfred-nobel-vous-dites-que-je-suis-une-%C3%A9nigme.html, abgerufen am 20.07.2016 [e. U: Unterstreichung durch den Autor]

[2] Winter, H.: Albert Einstein verschenkte sein Preisgeld und Adolf Hitler war als Friedensstifter nominiert: Die Geschichte der Nobelpreise ist gespickt mit kuriosen Begebenheiten. Dies sind einige der sonderbarsten Fakten, http://web.de/magazine/wissen/nobelpreis/kuriose-fakten-nobelpreis-30127788, aktualisiert am 08. Oktober 2014, abgerufen am 20.07.2016:

„Im Rückblick kaum zu glauben: Adolf Hitler war Anwärter auf den Friedensnobelpreis. Der Diktator wurde 1939 von dem schwedischen Abgeordneten E.G.C. Brandt für die Auszeichnung vorgeschlagen … Brandt zog die Nominierung am 1. Februar 1939 … zurück …“

Anmerkung: Dazu, warum der „geniale“ Albert Einstein sein Preisgeld (an seine Frau) verschenkte, wird im Kapitel über den technischen Experten 3. Klasse (beim Schweizer Patentamt) ausgeführt.

Nur Dritter Klasse war Einsteins Expertentum; erstklassig jedoch waren seine Manipulationen (und die seiner Hintermänner), die aus dem – euphemistisch formuliert – mäßig Begabten in der öffentlichen Wahrnehmung ein Genie zu schaffen vermochten. Auch hierzu mehr im einschlägigen Kapitel.

[3] Umstrittene Friedensnobelpreisträger. Henry Kissinger und Le Duc Tho, http://www.zeit.de/politik/ausland/2009-12/Nobelpreistraeger/seite-3, abgerufen am 20.07.2016:

„Mit der Begründung ´Für die Herbeiführung eines Waffenstillstands im Vietnamkrieg´ gehören die beiden Koautoren des Vietnam-Friedensvertrages 1973 wohl zu den umstrittensten Preisträgern. Unter dem Sicherheitsberater des Präsidenten Nixon war der Vietnam-Krieg deutlich eskaliert, Laos und Kambodscha wurden bombardiert. Der Nordvietnamese Le Duc Tho war Leiter der militärischen Aktionen während des Krieges. Er lehnte es ab, den Preis anzunehmen. Begründung: In seinem Land herrsche noch kein Frieden. Zu Recht – nach dem Friedensvertrag dauerte der Krieg noch zwei Jahre an.“

[4] Linder, C.: 1964 lehnte Jean-Paul Sartre den Literaturnobelpreis ab. Deutschlandfunk vom 22.10.2004, http://www.deutschlandfunk.de/1964-lehnte-jean-paul-sartre-den-literaturnobelpreisab.871.de.html?dram:article_id=124944, abgerufen am 20.07.2016

[5] DER SPIEGEL 44/1964 vom 28.10.1964, S. 136 f.:

„Der schreibende Sozialist bürgerlicher Herkunft [Sartre] ist aber auch nicht der erste Erwählte, der in den 64 Nobelpreis-Jahren der Welt wertvollsten Literatur-Lorbeer ausschlug: 1958 nahm der Russe Boris Pasternak, vom sowjetischen Schriftstellerverband als ´räudiges Schwein´ beschimpft, den Preis erst an, dann wies er ihn zurück.

Zweiunddreißig Jahre zuvor, 1926, hatte der Ire George Bernard Shaw die Schweden-Huld erst zurückgewiesen, dann angenommen. Auf die Kronen konnte er, damals bereits 70, berühmt und begütert, verzichten. Shaw: ´Das Geld ist ein Rettungsring, der einem Schwimmer zugeworfen wird, nachdem er das rettende Ufer bereits erreicht hat.´“

[5a] Richard Kuhn (Laureat für Chemie, 1938), Adolf Butenandt (ebenfalls Laureat für Chemie, 1939) und Gerhard Domagk (ausgezeichnet in Medizin/Physiologie, 1939) konnten ihre Preise aufgrund eines Erlasses der braunen Machthaber – welcher, als Reaktion auf die Verleihung des Friedens-Nobelpreises an Carl von Ossietzky (1935), die Annahme der Auszeichnung ab 1937 verbot – erst verspätet, d.h. nach Ende des 2. Weltkriegs entgegennehmen. Welcher Umstand indes nichts mit der stramm nationalsozialistischen Gesinnung der beiden erstgenannten Preisträger zu tun hatte: