3. Ausgabe
Erschienen im JOY-Edition Verlag für Wort und Bild
www.joyedition.ch
Alle Rechte vorbehalten
© 2018 Doris Richter, CH - 6330 Cham, Schweiz
Lektorat, Graphik und Gestaltung: Eva Pant
ISBN 9783746039329
Herstellung: Books on Demand GmbH, D-Norderstedt
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
Die Natur kennt unendlich viele Geheimnisse. Jeder Baum und jede Pflanze birgt in sich ihr eigenes Lebensgeheimnis. Wer sich mit der Natur vertraut macht, dem erzählt die Natur aus ihrem geheimen Buch. Wer das Buch aufschlägt, versteht zunehmend, was die Welt im Innersten zusammen hält.
Der Mensch bestaunt die Natur, erfreut sich an den Blumen, bewundert große mächtige Bäume. Und er erfährt: Alles spricht! Doch zu lauschen tut not! Dabei erfährt er so vieles von den kleinen und kleinsten Dingen in dieser Welt.
Die großen Dinge im Gegensatz zu den kleinen sind dann vielleicht gar nicht mehr so groß. Denn wenn wir die Kleinsten der Kleinen respektieren, wird uns das Große nicht mehr erstaunen. Alles bleibt ein Geheimnis für den, der den Respekt verloren hat.
Doch der, welcher auch das kleinste Wunder ehren kann, wird Erfahrung haben, über die kleinen und große Geheimnisse in der Natur. Sie singt und klingt in ewiger Lobpreisung.
Viele Geschichten über Pflanzen und Bäume, über Gezeiten, Wasser und Wind sind in den letzten zwanzig Jahren entstanden. Für die Menschenkinder, die Bewunderer der Natur geworden und geblieben sind, wurde dieses Buch im Geiste der Pflanzenwelt zusammengestellt.
Die Geistkraft jeder Pflanze ist immer auch ihr Arkanum, ihr eigenes Geheimnis. Wer es zu staunen versteht und die Kraft der Beobachtung lebt, erfährt mehr von der Natur und dem innewohnenden Geist. Wer zuhören kann, erfährt Heilung durch den Geist der Natur und sein Wort.
Doris Richter
Die Schönste bist du,
Kind des Mondes,
nicht der Sonne.
Dir wäre tödlich
andrer Blumen Wonne.
Dich nährt,
den keuschen Leib
voll Reif und Duft,
himmlischer Kälte
balsamsüße Luft.
Eduard Mörike „Auf eine Christrose“
Eine heisse Wurzel nenne ich mein eigen, denn die Erde, in der meine Füße ihren Platz finden, ist rundherum eiskalt. Der Wind kommt von Norden und zehrt an meiner Kraft. Doch wenn ich mich erhebe aus eigener Kraft, dann fühle ich die Wurzel in mir, trotz Widerständen auf kaltem Grund zu wachsen.
Weit ist die Sonne entfernt von mir und oft hinter Wolken verborgen. Die Nächte sind kalt und die Wärme des Frühlings ist fern von hier. Einsam bin ich, wenn sich meine Blüte dem Leben gegenüber offenbart. Und hätte ich meine Wurzel nicht, die der Geist des Feuers nährt, wie hätte ich mich denn aus ihr mit meiner eigenen Kraft in diese Welt hineinbegeben können?
Bin ich es wert, dass ich mich aus ihr erhebe?
Ist das Feuer, das mich nährt, das Feuer einer Leidenschaft?
Was in mir und in der Welt vermochte es geschehen lassen, dass ich am Fuße eines großen Baumes meine Wiege fand, in einer dunklen kalten Zeit?
Nun, wo ich dort gewachsen war, meine Blüte sich durch die Grünkraft trug, war sie dem Boden zugewandt. Denn wie konnte ich mein Haupt erheben, zum Himmel, an dem hinter der Sonne meine Wiege stand?
Als alle Kraft aus der Wurzel entsprungen, zum Wachstum angeregt, die Erde formte und sich in mir Gestalt gab, war diese Kraft nicht genug, um den Kopf zu heben und um den Becher als Gefäß für das Licht dem Schöpfer entgegenzuhalten. Mein Haupt, das musste ich mir eingestehen, war geneigt und gebeutelt, immer wieder durch einen eisigen Wind.
Wo war der Sinn zu wachsen in Raum und in Zeit, in der fast alles sich versammelte, in sich ruhte und dem Frühling entgegen schlief?
Ich spürte die Wärme im Grunde meines Seins, in der Wiege meiner Wurzelkraft, am Fuße eines großen Baumes. Doch still war ich in dieser heiligen Nacht, als mein Geist durch die Blüte erhoben, sich noch tiefer der kalten Erde zuwenden musste. Und als ich fast schon in ihr verging, als die letzte Wärme aus mir entschwand, da war ich der Erde nahe, so nahe, wie ich ihr immer fern gewesen war - und ich sprach sie an:
„Mutter Erde, aus der ich entsprang, erkläre du mir den Sinn meines einsamen Wachsens!“ - Und als ich schon verging, da sprach es an mein inneres Ohr:
„Lass es geschehen - einmal nur, ohne zu hinterfragen! Lass es sein, für immer, nach dem höheren Sinn zu fragen! Wer kann in dunkler Nacht die Botschaft erfahren, um zu erfassen des Geistes Sinn? Hast du es hier und jetzt einmal erlernt, keine Fragen mehr zu stellen und nur zu danken für des Höchsten Sinn, erfasst dich im tiefsten Grunde ein Feuer, welches der Wurzel die Kraft gibt, selbst im Eise zu gedeihen, wenn der Schöpfer es will?
Das ist deines Lebens Sinn!
Hast du es nun im Sterben erfasst, erkennst du, welch große Wurzel den Baum, an dem du ruhtest, erschafft. Nun siehst du - nachdem das Leben vollbracht, in der Kleinheit, im Schmerz und im Verlassensein in der Kälte der Nacht - die Größe in dir, die zu neuem Leben erwacht.
Großartig streckt sich deine Krone dem Lichte entgegen. Kein Wind und auch keine eisige Nacht vermögen es, dich zu fällen, dich zu knicken, oder dich gar zu zerstören. -
Und immer, was auch geschehen mag, bist du dir deiner Stärke bewusst.
Der Geist der Ewigkeit und sein Lied schwingen in jedem Teil deiner Wurzel. Mutter Erde, sie, die dich einst ernährte und dir das Lebensfeuer als Spende brachte, bekommt nun Seine überirdische Kraft.
So schließt sich der Kreis. Kennst du je seinen Anfang und kennst du das Ende, und von diesem Sein Gesicht?“
„Wenn ein Arzt auf richtigem Grunde stehen soll, so muss
das Senfkorn des Glaubens in der Wiege in ihn gelegt
werden, und er muss in dieser Kraft aufwachsen wie die
Großen und Heiligen bei Gott.
Auch soll der Arzt kunstreich sein, dieweil in ihm selbst die
größten Arkana liegen. Er muss wissen, was über der
Natur (Erscheinung) und Art (Form) ist, was über dem
Leben ist, was sichtbar ist und was unsichtbar ist, dass er
die Kranken gesund, die Blinden sehend mache und die
Toten auferwecke.
Darin liegt keine Kunst, Doktor oder Magister zu werden;
dies kann man ums Geld, aber die Kunst ist, ein Doktor
oder Meister in Wahrheit zu sein.“
Paracelsus