Impressum
Verlag: JOY-Edition - Verlag für Wort und Bild
© 2017 Doris Richter, CH - 6330 Cham
Lektorat u. Graphik: Eva Pant
Photos: pixabay & Doris Richter
Herstellung und Verlag: BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt
2. Auflage - 2017
ISBN 9783743197787
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
Mit Gedanken und Bildern arbeitet unser Gehirn seit undenkbaren Zeiten. Bilder sind täglich Abbilder. Es sind Erscheinungsweisen, die immer eine Information mit sich tragen. Nach dem grossen Arzt und Alchemisten Paracelsus nähren sie in notwendiger Weise den siderischen Körper des Menschen und lassen sein Licht der Natur in Schönheit erstrahlen.
Doch hinter jeder dieser zunächst oberflächlich in Vielzahl auftretenden Informationen entfalten sich durch die Bilder die kleinen, grossen und die archetypischen Symbole. Die Symbole sind die Schlüssel für eine Erweiterung unseres Bewusstseins. Sie haben poetischen, mystischen und spirituell heilsamen Charakter.
Im Rahmen der Heilkunde mit den Blättern der Bäume entwickelten wir fünfundzwanzig archetypische Geschichten zur Vertiefung der Bewusstseinskräfte. Durch Zuhören und intellektuelles Abschalten entfaltet sich sanft im Leser und Hörer eine Kraft der geistigen Natur. Der Geist hat die Kraft der Heilung in sich. Es bedarf keiner grossen Überlegung darüber, wie und warum es so und nicht anders geschieht. ES geschieht einfach.
Wenn der Leser die Geschichten nach der Reihe von 1 bis 25 liesst, öffnet sich ein „Buch mit sieben Siegeln“ über die Natur und die Natur des Geistes. Wenn der Leser sich jeweils für seine aktuelle Situation einen ansprechenden Titel einer Geschichte aussucht, findet er vielleicht bald eine Antwort auf tieferliegende Fragen. Sein Geist öffnet sich und entspannt wirkt er in der Zeit, - in der eigenen Zeit, die so kostbar und unwiederbringlich ist.
In herzlicher Verbundenheit mit der Natur des Geistes im Menschen, Doris Richter
Folge jenem Willen und jenen Weg,
der sich durch Erfahrung
als dein eigener erweist,
das heißt ein echter Ausdruck
deiner Individualität ist.
Carl Gustav Jung
(1875-1961), Schweizer Psychiater
und der Begründer der Analytischen Psychologie
Wenn der grosse Geist als universeller Vater seine vielen Kinder betrachtet, dann wird er vielleicht erleben, dass es immer wieder einige von ihnen gibt, die den Wunsch hegen, unter seinem Mantel zu sein, die sich hinter seinem Rücken verstecken oder einfach da sind, um in seiner Nähe zu bleiben. Nach einer geraumen Zeit jedoch, sollte es für Seine Kinder nach Seinem Plan wieder Zeit werden, am göttlichen Spiel aktiv teilzunehmen.
Er ruft sie auf, doch sie sind stumm. Er bittet sie erneut, doch sie klagen. Er zeigt ihnen den Weg und eine gute Lösung darin, doch der grosse Vater weiss, sie wünschen sich nur einen Platz neben dem universellen Herrn, ganz einfach nur daneben. Hier, von dieser Warte aus, im Schutze des grossen Vaters, wären sie wie Er, würden sie das göttliche Spiel von besonderer Warte aus betrachten können und hätten Zeit, eine Ewigkeit darüber nachzudenken, was der tiefe Sinn dieses Treibens wohl ist. Aber der Vater, Er weiss, dass sie die Wahrheit über Ihn, den grossen Geist, niemals ganz erfassen können. Er begreift, dass ihnen das Vermögen dazu fehlen wird, ganz einfach durch Mangel an Erfahrung.
So sitzen sie denn da, die Kinder seines grossen, liebenden Herzens und vielleicht wächst ein Schmerz in Seiner Brust. Während Er weiter das Spiel als der stillste Betrachter des Universums beleuchten kann, beginnt Er einen festen Entschluss in sich zu fassen. Er weiss, dass es nun Zeit wird auch die Hadernden durch eine Trennung zu befreien. Und so setzt Er sie ins Spiel, viel schneller als sie es nur erahnen konnten. Denn beinahe wären sie zum Opfer ihres Haders geworden. Doch nun sind sie die Täter im göttlichen Spiel.
Sie haben zu wirken. Sie haben zu formen. Sie haben aktiv und dann wieder ruhig zu sein. Sie ergründen das Wesen des Lebens durch ihren ureigenen Weg, um ein individuelles Sein zu erleben.
Nun kann es jedoch einer jener Seelen geschehen, dass diese in einer ruhigen Phase ihres Lebens sich wie im Traum zu erinnern vermag, wenn auch nur äusserst wage, dass sie schon einmal die Ruhe für sich erfand. Damals war sie unter dem Schutz, umgeben von der Grösse des Vaters. Kein Drang, kein Zwang, kein niederdrückendes Joch hatte die Seele beschwert. Nur hin und wieder schien es wohl einen Aufruf des Vaters zu geben. Doch auch dieser verklang ganz ohne einen Zwang. Im Hier und Jetzt war die Seele jedoch im Spiel der Wandlungen des irdischen Lebens. Sie war ruhig und hatte die stille Sehnsucht, den Vater noch einmal so wie damals zu erleben. Doch die Natur der Dinge zwang sie in ein irdisches Licht, und weil dies nicht Welten durchdringend war, spürte sie den Vater einfach nicht. Zögernd begann sie sich zu fragen, ob Er nicht nur in ihrer Phantasie vorhanden wäre und stellte sich die Frage: „Würde ER der Welt je offenbar?“
So verstrich die Zeit und die Seele kam zu keinem gültigen Entschluss. Sie lebte dahin, und sie verstarb. Im irdischen Leben war sie dennoch immer noch präsent. Sie bewegte sich, sie passte sich den Strömungen der Erde an und man konnte sie finden, wenn man nach ihr begehrte.
Was war wohl aus höherer Sicht der Dinge aus ihr geworden?
Wer hatte den Blick, die Schale zu durchdringen, um den Kern zu sehen?
Es war wie bei einer hohlen Nuss. Aussen war sie rund und wohlgeformt, war gesund am Baume gewachsen. So erschien es dem Beobachter, der sie fand. Doch klopfte der, der sie hielt, an ihre hölzerne Wand, dann unterschied sich der Ton von einer anderen ihrer Art.
Hatte der Ton im Klang die Musik verändert? Was mag im Inneren der geschlossenen Schale geschehen sein? Konnte sich der Betrachter freuen auf den reichen Kern, geschützt im Inneren durch die harte Schale, vor den Augen der Welt verborgen?
Es gab nur eines für den, der sie fand, um zu entschlüsseln, warum sie anders klang. Der hatte die Schale zu durchbrechen, um dann den Kern in Augenschein zu nehmen. Und weil er ein tatkräftiger Spieler war, hatte er nach dem Sinn des Lebens zu handeln. Wieder erforschte er, und dies im Sinne des Geistes, und es wurde ihm offenbar. Kaum war die Schale zerbrochen, durch den festen Griff einer starken Hand, hatte der Finder verstanden. Der falsche Ton war endgültig erkannt. Die Nuss, sie war hohl gewesen. Der Kern hatte sich durch Fäulnis im Inneren selbst verbrannt. Niemandem konnte die Frucht nun Nahrung sein und auch ihre Schale hat im zerbrochenen Sein keine Aufgabe mehr. Selbst den traurigen Anblick zu verbergen, auch diese Aufgabe hatte sie nun verloren.
„Was“, so fragte sich der Spieler im Geschehen, „war diesem Wesen geschehen?“
So wie es aussah hatte die Frucht des grossen Baumes doch alles gehabt, was sie zum Leben brauchte. Die Zeit hatte ihr den Raum gegeben. Das Wasser hatte ihrer Gestalt die Möglichkeit geschenkt, eine Idee in der Form zu vertreten. Und das Ich im ewigen Kreislauf von Werden und Vergehen hatte den Wunsch, die Bewegung, die Dynamik erschaffen, um im Leben ganz zu bestehen.
„Was“, so fragte sich der Betrachter, „war geschehen?“
Sein Blick erhob sich und sah in die Unendlichkeit des blauen Raumes hinein. Er sah die weissen Wolken schwerelos am Himmel ziehen. Und er fragte sich:
„Hatte Gott einem seiner Kinder die Unterstützung versagt oder was war geschehen?“
Während die zerbrochenen Teile der Schale, hoffnungslos geworden in des Betrachters Hand, durch seine Finger hindurch zu Boden fielen, da seufzte ein weiser Spieler des Lebens. Hatte der Geist des Wesens einfach nur versäumt dasselbe zu sein wie Er im Kreislauf des Lebens? Hatte er zu lange geträumt?
Es schien keine Antwort für ihn zu geben.
Da sass er nun, unter einem grossen mächtigen Baum, der seine Wurzeln tief in der Erde hatte. Zu seinen Füssen lagen die zersplitterten Teile eines einst vollendeten Wesens. Doch der Weise erhob sich, nahm seinen Stab und schritt dennoch weiter voran. Und er segnete das Wesen.
Einst, in einer anderen Zeit, da würde er an der goldenen Wurzel eines wundersamen Gartens zu Füssen des grossen Vaters erfahren, welcher das Spiel für sie alle erfand, dass es Brüder und Schwestern gab, die wollten an den Füssen des grossen Meisters verweilen und bleiben. Doch sie konnten nicht verhindern in die Welt zu treten, aber sie konnten verweigern ein heilbringender Geist für den irdischen Plan zu sein. So starben sie, auch wenn sie scheinbar noch lebten. Jedoch es kam immer die Zeit, da sollte einer sehen, dass sie schon lange vergangen waren, auf der Suche nach dem Stillstand in Raum und Zeit. Sie wünschten sich zurück und durften doch nicht gehen. Denn des Herrn Gesetz herrschte durch und durch mit Weisheit getränkt und das Gesetz des Vaters lebte auf ewig schon im Geiste der Gerechtigkeit.
Dieser unsterbliche Geist hatte sich durchzusetzen und wenn Er wirkte, dann gab es keine Verhinderung in der Zeit.
Alles Irdische, was dich hier umgibt,
betrachte nur als Gerät einer Gastesstätte:
du musst von ihr scheiden und die Wanderung fortsetzen.
Lucius Annaeus Seneca
(ca. 4 v. Chr. - 65 n. Chr., Selbsttötung auf Geheiß seines ehem. Schülers Nero, Kaiser
v. 54 - 68 n.Chr.), römischer Politiker, Rhetor, Philosoph und Schriftsteller
Wenn der Mensch sein Leben vollbracht hat und die Zeit bestimmt, wann er die Trennung von Geist und Körperlichkeit vollbringen muss, dann fällt alles, was physischer Natur ist, zu dieser zurück und wird durch die Vergänglichkeit des Lebens zu Erdenstaub. Wenn jener Vorgang ebenfalls sein Ende findet und es geschehen ist, dann sollte nichts mehr den Staub von der Erde trennen. Kein Unterschied kann es zwischen Erde und Erde noch geben. Zu Gleichem ist es wieder gemacht. Doch etwas hat der Staub, der einst die Form war, als Erinnerung an alte Zeit, an vergangenes Licht mit sich genommen.
Mit den irdischen Augen ist das, was der Staub in sich trägt, niemals zu erkennen und da nichts den Unterschied kennt zwischen Staub und Staub, der seine Vergangenheit als lichtvollen Moment der Erinnerung in sich trägt, ist alles vergessen.
Das Licht als Erinnerung ist im Staubkorn enthalten. Doch es wird in der Welt der Materie von niemanden gesehen und so ist es da und doch wieder nicht. Aber was hat es für einen Sinn zu sein und doch nicht erkannt zu werden?
Es gibt eine Kraft, die in der Dynamik ihres Daseins Vergessenheit schafft. Wenn Materie berührt wird, die das verborgene Licht der Erinnerung in sich trägt, wirkt die Kraft und erschafft. Alles was berührt wird, geht eine Verbindung ein. Diese Verbindung ist es, die den Stoff zu neuem Leben anregt. Das, was innen ist, kommt nach aussen und die Kraft, die geboren wird in die Welt, erschafft.
Vergessenheit entwickelt sich im Äusseren, sobald der Staub und mit ihm eine alte Erinnerung Verwandlung erschafft. Die Dualität in der polaren Welt zeigt aussen in ihrem Spiegel ein umgekehrtes Bild von dem, was innen verborgen ist. Innen, im Staub der Erde, welcher die Erinnerung an eine alte Form im Kern seiner Selbst mit sich trug, war es so verdichtet, so komprimiert, dass nur der Geist selbst seine Manifestation war und diese ist immer unsichtbar. Ist sie im Kern Erinnerung, ist sie im Leben dann verwandelt herausgetreten, durch die Kraft der Welt gespendet, ist sie das Gegenteil geworden. Aus dem einen entwickelte sich das andere und das, was nun war, sollte erinnern, was es in Wahrheit zu sein vermochte.
Jedoch, wer in der Welt hatte dieses Prinzip vom Erschaffen in seiner ganzen Tiefe je erkannt?
So lange der wandelnde Geist in der Form gefangen war, sah er immer alles nur im Lichte der Wirklichkeit. Er konnte nur das erkennen, was er gerade zu begreifen vermochte. Er befand sich in einer für ihn erschaffenen, durchschaubaren Welt. Doch über die Dinge zu sehen, über das Mass von Zeit und Raum hinaus, lag es nicht in seiner Macht, sich zu erinnern, über den Sinn der Reflexion.
Die Welt zu begreifen, wie diese sich dem Betrachter zeigte, war eine Aufgabe, mit dem der Geist beschäftigt war. Die Welt in seinen Reflexen zu verstehen konnte nur der, der sein Ich in die Flamme des Geistes warf.
Er schaute zu, während er starb und als die Flammen keine Nahrung mehr fanden, die sein Ich dem Feuer gab, da erloschen sie und am Grunde des Feuers hatte auch die Vergangenheit sich ausgelöscht.
Das Licht des Geistes erhielt die Asche als sein neues und doch altes Gesicht.
Jedoch nichts konnte er halten und auch die Asche nicht. Vom Winde verweht wurde der Staub getragen und leuchtend war er in seinem Kern, als er davon geweht. Der Sternenstaub fiel, die Erde nahm ihn auf und niemand erkannte den Unterschied zwischen ihnen. Staub zu Staub und Erde zu Erde, dies hatte nun für den, der über die Dinge hinaus im Lichte der Wahrheit sah, einen tieferen Kern erhalten. Die Erde erhielt ihr sich lange in der Form wandelndes Kind durch den Staub zurück. Wenn es auch gleich war wie Mutter Erde, so hatte es sich jedoch in seinem Kern verändern dürfen. In sich trug es nun eine seltsame Musik. Das Lied erzählte von der Erinnerung, doch niemals sollte es in der Welt der Gegensätze einfach so verklingen. Denn als die Kraft von innen nach aussen trat, musste sie sterben und vergehen, bevor ein Ton dieser nicht gespielten Musik das Ohr der Welt erreichen konnte. Doch weil das Lied erstarb, konnte etwas wiedergeboren werden. Es war die Kraft, die vergessend macht. Es war die Erinnerung in seinem Spiegel.
Die Dynamik des Seins kennt ein Gesetz, welches sie ihr Kind nennt. Wenn Energie eine Kraft ist, die etwas Bewegliches erschafft, dann wird auf deren gegensätzlicher Seite die Reflexion ein Spiegel sein. Eine Aktion arbeitet mit Kraft solange, bis die Reaktion ihr die Arbeit abnimmt. Doch niemals trennt sie sich ganz von ihr. Wenn Erinnerung erstirbt, stirbt sie nicht wirklich. Sie wandelt sich und wirkt weiter in einer neuen Art zu sein. Vergessenheit ist nun ihr Geschick.
Der Betrachter über den Dingen, der sein Ich einst hatte in der Flamme verbrannt, erkennt nicht nur die Gegensätze dieser Welt, sondern erfasst auch, dass sie Spiegel füreinander sind. Sie sind getrennt und doch an einem Punkt berühren sie sich. Und dort, wo sie sich die Hände reichen, dort hat die Schöpfung ihren Platz. Und in dieser Flamme des Lebens ist die höchste Kraft in ihrer Heimat verborgen vor den Augen der Welt. Hier sitzt der Geist, der alles erschafft. Hier ist der Kern aller Erinnerung. Und hier ist das Buch der Sieben Siegel. Schaut der Betrachter auf den Grund der Flamme, sieht er der Asche Gesicht.
Wieder erkennt der den Sternenstaub, welcher befreit aus den Flammen ist, er erfasst was sein ist. Er erblickt einen zerbrochenen Spiegel, unendlich viele Teile von ihm, zu Staub geworden, und in diesem Spiegel findet er Sein Gesicht.
Hat Gott einst - wann mag es wohl gewesen sein - Sein Ganzes aufgegeben, um als Erinnerung im Staub der Erde Seine ureigene Wiege zu sein? Hat Er mit sich dieses Spiel getrieben, alles zu sein und doch nichts? Hatte Er sich durch die Kraft des Lebens aus dem Kern des Lebens befreit? Hatte Er seine ureigene Musik während der Geburt erstehen lassen, dann ersterben lassen, bevor sie für das Ohr der Welt erklang? Hatte Er sich durch die Kraft, die Seine ureigene war, vergessend gemacht? War das, was geschah, dem Seher offenbar?
Was hatte es für einen Sinn, dass der, der durch das Feuer ging, erkennen durfte, was mit Gott oder der Erinnerung in der Asche geschehen war?
Erinnerung war der einzige Zweck. So trug der Betrachter tausende von Scherben des grossen Spiegels in seiner Hand. Im Grunde des Feuers hatte er die Asche befreit, hatte sie im Lichte der Wahrheit erfasst und hatte das Universum erfahren. Ganz war nun seine Schau. Gott in ihm schaute durch den Staub der Erinnerung in sein ureigenes Gesicht. Ganz war nun der Spiegel.
Doch wie konnte das, was zerbrochen war in seiner Ganzheit vor dem Auge des Betrachters wieder auferstehen? Es kam durch die Reflexion im Spiegel. Auf der einen Seite der Schöpfung, im Geiste der Dualität, hatte der Sternenstaub seinen Platz gefunden. Auf der anderen Seite hatte er durch die Kraft die Dynamik erschafft, sich in seiner Ganzheit manifestieren müssen. Doch da, wo die Gegensätze sich berührten, hatte der Beobachter seinen Platz. Er gab sich hin in der Wiege der Schöpfung, liess sich durch das Feuer ersterben, zu Asche werden, um dann aus ihr wieder neu zu erstehen. Durch ihn konnte es geschehen, die Verbindung zu schaffen, miteinander zu berühren, was in der Welt der Gegensätze keine Brücke durch Verbindung fand: „Ich bin wahrhaftig im Sein.“
Die Flamme des Lebens hatte verzehrt und hatte ihre Nahrung bekommen. Doch die Essenz, die Asche, der Sternenstaub, der zerbrochene Spiegel war am Grunde der Flamme geblieben, denn der Geist an sich ist von unsterblicher Natur, bis einer, der sich opfert wie er, durch seine Gegensätzlichkeit die Ganzheit in der Zerbrochenheit in sich erschafft. Erinnerung ist wieder auferstanden und Vergangenheit spendet seine Form. Zurück bleibt nur immer wieder die unvergängliche Erinnerung.
Zur rechten Zeit zu schweigen, ist ein Zeichen
von Weisheit und oft besser als jede Rede.
Plutarch von Chäronea
(45 - 120), griechischer Philosoph, Historiker und Konsul von Griechenland
Der Stab eines müden, alten Wanderers hilft ihm seine irdische Hülle zu stützen, bevor sein Weg gänzlich für ihn ein Ende findet. Ist der letzte Schritt getan, dann legt er ihn vor sich nieder und der Geist der Erinnerung spricht durch sein Holz eine weise Botschaft, die das Ohr des Alten findet.
„Einst bin ich gewachsen und gross wurde mein Stamm. Aufrecht war mein Wesen und weit waren die Äste meiner Krone gewesen. Der Geist in mir mass das Leben nicht in Jahren, sondern er bewegte sich in einem Rhythmus, der von den Sternen kam und wieder verging. Aber mein Wesen berührte das Zählen nicht. Doch das Schwingen im Auf und Ab der Gezeiten hatte eine grosse Bedeutung für mich, denn im Herz dieser alles erschaffenden Kraft, da lebte ich. In ihrer Mitte hatte meine Wurzel von Anfang an eine Heimat gefunden. In ihr durfte ich sein und aus der Mitte des Feuers, welches die Wiege war, erschuf ich mein Selbst immer wieder neu. Die Geburt war nicht einmalig, sondern ewig erschien sie mir, denn mein Wurzelkraft entstand aus ihrem Zentrum heraus, erhob sich und ihre Krone, der Wurzel Gesicht, wuchs in den Himmel hinein, um sich vom Licht der Sterne, von ihrem Angesicht die Inspiration zu schenken.