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Herstellung und Verlag

BoD Books on Demand GmbH

Norderstedt

Printed in Germany

3. aktualisierte und erweiterte Auflage

ISBN 9783738677881

Inhaltsverzeichnis

Kriege und Grausamkeiten seien für diese Götter Festspiele gewesen,
„Anlass zur Erleichterung
in ihren allzu langen Ewigkeiten“

nach Nietzsche

zitiert aus Konrad Adam
„Die Alten Griechen“

Prolog

Auf den ersten Blick scheinen diese beiden Begriffe Frankfurt und Olympische Götter wenig Gemeinsames miteinander zu haben. Die etwas kommerziell angehauchte Stadt Frankfurt und die griechischen Götter? Abgesehen einmal von einer Ausstellung im Liebighaus, als die Götter in Farbe dargestellt wurden.

Daher erhebt sich die berechtigte Frage:

Was ist die Motivation für ein solches Thema? Was gab den Anlass?

Dazu muss ich ein wenig in meiner Vergangenheit stöbern.

Es ist schon eine Reihe von Jahren her, da war die Astrologie für mich eines der faszinierendsten Themen. Ich reiste zu Seminaren bei den bekanntesten Astrologen des deutschsprachigen Raums und verbrachte Wochen auf diesen Kursen. Immer mehr Bücher zu diesem Thema bevölkerten meine Buchregale, um mich intensiv mit diesem Gebiet auseinanderzusetzen.

Dabei habe ich versucht, eine Unzahl von Horoskopen zu interpretieren.

Doch eines Tages, fast schlagartig, erlosch das Interesse an der Deutung der Gestirnsformationen. Der Grund ist mir bis heute unklar. Vielleicht war es eine unterbewusste Steuerung, um das Schwergewicht auf andere Gebiete zu verlagern. Vielleicht war es eine innere Stimme, die mir zuraunte: Genug davon! Überlasse dieses Thema anderen und halte Ausschau nach neuen Horizonten.

Wie dem auch sei: Geblieben allerdings war die davor schon vorhandene Vorliebe für die einmalige griechische Sagen- und Mythenwelt, deren Protagonisten, die Götter also, in latinisierter Namensgebung als Symbole und Metaphern weiterhin die von mir fortan verlassene astrologische Deutungskunst ersetzten.

Aus dieser Erfahrung und diesem Wissen heraus entstanden Bücher wie „Mars im Spiegel – Mythologisch-bissliche Betrachtungen“, „Die Insel der Sappho – Ostägäische Impressionen“ (jetzt als E-Book neu aufgelegt: „Lesbos - Die Insel der Sappho“) und zuletzt das Buch über die homerische Odyssee „Die Odyssee - Eine psychologische Reise nach Ithaka“ – als Versuch einer psychologischen Interpretation dieses Epos’. Oder: „Helena und Paris“.

Beeindruckt von den Launen, den Episoden, den Abenteuern, den Verwicklungen und den Intrigen des altgriechischen Pantheons beginnt man sich irgendwann zu fragen, ob es sie noch gibt, jene auf den Olymp projizierten Götter wie Zeus, Hera, Aphrodite oder Hermes. Ob sie vielleicht menschliche Gestalt angenommen haben und unerkannt und inkognito auf der Erde wandeln, ihren Einfluss noch immer ausüben oder weiterhin ihre Ränke schmieden? Ob Zeus noch immer zum Leidwesen Heras auf permanenter Brautschau ist oder Aphrodite sich vielleicht in mancher heutigen Schönen präsentiert und Männer becirct? Und Hermes erst einmal, der Gott der Händler und Diebe, macht er noch immer Furore im Zeichen der Globalisierung und lacht er sich vielleicht ins Fäustchen, wenn so mancher Investment-Banker die Zeichen der Zeit so gründlich verkannt hat, jetzt vehement nach dem Staat ruft oder sich gar im Hartz IV-Bereich wiederfindet?

Damals begann ich darüber nachzudenken, was und wenn? Was wäre, wenn sie noch immer unter uns weilten und sich wie früher parteiergreifend mal für den einen und mal wieder für den anderen ins olympische Zeug legten. Der Trojanische Krieg mit seinem gesamten Vorspann ist das beste Zeugnis für ihr oft unverständliches Verhalten, ihre Launen und ihr menschenähnliches Walten.

Eine Frage bleibt natürlich im Raum: Waren die Götter so, weil Homer und Hesiod ihnen menschenähnliche Verhaltensweisen in ihren Werken unterstellten oder gaben die Unsterblichen den Epen-Dichtern diese Ideen ein? Wer weiss?

Aus diesen ganzen Überlegungen kristallisierten sich immer häufiger einige Fragen heraus:

Wie würden sie, die Götter, heute agieren? Was würden sie heute denken? Wem würden sie in der Jetztzeit ihre Gunst schenken? Wo würden sie ins irdische Geschehen eingreifen? Wie kämen sie mit den Neuerungen des 21. Jahrhunderts zurecht?

Ich begann mir Gedanken und Aufzeichnungen zu machen, legte sie wieder beiseite, weil immer etwas anderes vordringlicher war. Nahm sie wieder hervor, weil ein paar neue Ideen hinzukamen und machte Ergänzungen. So dümpelte das ganze Projekt im wahrsten Sinn wie ein Schiff bei leicht bewegter See vor sich hin, bis ich mir jetzt nach dem Abschluss zweier anderer Bücher über die Zeit und die Religion des Pharaos Echnaton die damals nur zu Papier gebrachten Skizzen und Aufzeichnungen wieder hervornahm und mich entschied, endlich weiter zu schreiben, indem ich die vielen handgeschrieben Notizen zeitgemäss auf die Computer-Tastatur und damit auf die Festplatte übertrug .

Ja, ich begann auf einmal Spass daran zu finden, die Olympier aus ihrer Isolation hervorzuholen und sie in die heutige Zeit zu transportieren und ihre hypothetischen Spuren und Erlebnisse zu beschreiben.

Vielleicht finden auch Sie, die oder der Sie dieses Buch gekauft haben (vielen Dank dafür!) ein wenig Freude dran.

Bad Soden, im Jahr 2010

Dieses Buch ersetzt keinen Reiseführer für die Stadt Frankfurt.

Die beschriebenen Stätten der Stadt sind subjektiv ausgewählt, um eine Verbindung zwischen den Göttern des Olymp und der Stadt „konstruieren“ zu können. Die Auswahl der besuchten Orte ist also keine Wertung.

Die neue Auflage zeigt im Grunde die alten Inhalte, nur wurde alles auf den neuesten Stand gebracht, denn alles ändert sich, auch eine Stadt. Ob Ähnliches auch für die olympischen Götter gilt, vermag ich nicht zu sagen. Es erscheint mir besser, mich darüber nicht zu äussern.

Bad Soden, März 2015

In der Zwischenzeit hat sich in Frankfurt einiges getan, so daß manche Abschnitte gestrichen wurden und dafür andere „Erlebnisse“ mit in den Besuch der olympischen Götter aufgenommen wurden. Und übrigens - wenn man die Stadt Frankfurt zu Fuß, mit dem Auto, mit der Straßenbahn und der U-Bahn erkundet, findet man immer noch Neues, das man in das Buch aufnehmen könnte. Aber irgendwann muß man einfach zufrieden sein und das Buch abschließen. Was ich hiermit mit der 3. Auflage getan habe.

Das Buch bleibt weiterhin interessant für Bewohner Frankfurts und der Umgebung, um die Stadt mal aus einer anderen Perspektive zu sehen, sowie für Freunde der griechischen Mythologie und Geschichte.

Bad Soden, im Okober 2018

Prolog im Olymp

Zeus hatte mal wieder schlechte Laune. Das kam so alle hundert Jahre vor. Diesmal hatte es ihn aber so richtig erwischt. Mit grimmigem Gesicht sass er auf seinem Thron und selbst Ganymed, sein Mundschenk, konnte ihm aber auch gar nichts recht machen. Die besten Weine, eigens aus Kreta und dem Peloponnes nach oben geholt, machten ihm keine Freude. Oft leerte er nicht einmal ein Glas bis zur Neige, was man bei ihm eigentlich selten registrieren konnte.

Hera war die einzige, die das Bedürfnis und auch den Mut hatte, alles zu kommentieren.

„Was hat der Alte heute bloss wieder? Hat einer von euch,“ so wandte sie sich an die anderen Olympier, aber so, dass er es nicht hörte, „ihn irgendwie beleidigt, ihm etwas Unangenehmes erzählt oder Vorwürfe gemacht? So schlecht wie heute war er ja schon lange nicht mehr aufgelegt!“

Stille ringsherum.

Athene, die ihm dank ihrer Kopfgeburt am nächsten stand, zuckte nur die Schultern. Hermes, der geschwätzigste der Götter, versuchte sich an einer Erklärung.

„Ich habe ihm extra ein Zeiss-Fernglas bei Ebay organisiert, da wir hier oben nur wenige Euros haben, die man in Athen schon lange eingeführt hat. So hoffte ich, er könnte damit Ausschau halten so wie früher, als er den Schönen der Antike in den unmöglichsten Verkleidungen auflauerte. Selbst vor der Tarnung als heimgekehrter Kriegsheld schreckte er bei Alkmene nicht zurück, nur um ihr nahezukommen, während Amphytrion noch auf dem Schlachtfeld war. Das Kapitel mit Leda, der er als Schwan an die Wäsche ging, war auch keine Glanztat, aber immerhin ist Helena daraus entstanden.

Irgendwie scheinen heutzutage die Schönen der Welt nicht mehr auf Götter zu warten, sondern begnügen sich mit den Sterblichen. Ich weiss noch, damals, als es in Amerika eine Filmschauspielerin namens Marilyn Monroe gab, da war er auch ganz schön heiss drauf, aber da kam ihm so ein irdischer Schriftsteller in die Quere. Damals hatte er auch schlechte Laune.“

Hera nickte. „Ich kann mich auch noch gut daran erinnern. Damals stand er auf blonden Frauen. Viel früher schwärmte er einmal für Marie Antoinette. Ihre lockere Art gefiel ihm, aber der trottelige Ludwig XVI und seine Hofschranzen hatten immer ein wachsames Auge auf sie. Die ganze dekadente Hofetikette tat ihr übriges. Aber das ist ja nun lange her. Was ihn allerdings heute so missmutig macht, ist mir schleierhaft. Und mir erzählt er ja sowieso nie etwas. Ich kann ihm doch keinen Psychologen auf den Hals hetzen! Zudem versuchen die ja ohnehin nur, ihre eigenen Schrullen am anderen zu sehen und zu kurieren!““

Jetzt wagte sich auch Aphrodite aus der Deckung. Ihr humpelnder Gatte Hephaistos war gerade in der Schmiede und arbeitete an einem Auftrag für Herakles, den Zeus in den Olymp erhoben hatte. Man hörte sein Hämmern bis hierher, was zusätzlich für Zeus ein Ärgernis war. Aber Herakles war nun einmal sein Sohn und für seine Kinder drückt man schon einmal ein Auge zu.

„Ich kann Zeus ja irgendwie verstehen, obwohl ich überhaupt nicht direkt mit ihm verwandt bin, sondern über glückliche Umstände hier oben gelandet bin. Die Freuden der Liebe sind das Grossartigste auf der Welt, das kann ich ihm lebhaft nachempfinden.“

Hera schaute etwas indigniert in ihre Richtung. Was würde dieses lockere Frauenzimmer wohl wieder zum Besten geben?

Aber Aphrodite merkte plötzlich, dass sie sich die Gunst der olympischen Herrscherin verspielen würde, wenn sie ihren Faden weiter spönne. So schaltete sie blitzschnell auf Schmusekurs.

„Aber wenn man zu Hause ein treues, liebevolles Weib sein eigen nennt, dann muss man sich ab und zu etwas zurücknehmen und seine Launen nicht so öffentlich zur Schau stellen!“

Hera atmete auf. Sie hatte etwas anderes von dieser Schönheit mit ihrem manchmal losen Lebenswandel befürchtet. So konnte Aphrodite wieder einmal bei Hera punkten.

Insgeheim jedoch dachte sie: „Bei dieser Ehefrau mit ihren im ganzen ägäischen Raum bekannten Launen, wer kann es ihm verdenken, wenn er seine Blicke sehnsüchtig woanders hin richtet.“

Ja, auch die Götter versuchen hin und wieder zu taktieren, wenn es um ihr eigenes Wohlsein oder die familiäre Harmonie geht.

Nun hörte man wieder die Stimme von Zeus. „Wisst ihr, so langsam geht mir das eintönige Leben hier oben auf den Geist. Hera erzählt mir jeden Morgen dasselbe über ihre Gesundheit, aber eigentlich müsste es ihr doch an meiner Seite ganz gut gehen. Mittags und abends beim Essen schenkt mir Ganymed jeden Tag den Wein ein, manchmal verdünnt er ihn auch. Aber irgendwie stellt dieser Lebensrhythmus für mich – und ich denke für alle – keine Herausforderung mehr dar. Die Griechen, dieses treulose Volk, haben unsere Namen damals schamlos an die Römer weiter gegeben und diese kriegslüsternen Barbaren haben sogar die Frechheit besessen, uns neue Namen zu geben. Eine Unverschämtheit! Mich haben sie in Jupiter umgetauft. Wie komisch das für Ohren klingt, die das Griechische gewöhnt sind! Aus Hera wurde Juno und deinen schönen Namen, meine liebe Aphrodite haben sie in Venus umgewandelt. Aber ich will sie nicht alle aufzählen. Auf jeden Fall bin ich den Griechen gram. Überall ist jetzt das Land voll mit christlichen Heiligen, Agios und Agia liest man landauf landab – aber unsere Namen sind fast vergessen. Die alten Geschichten von Homer und Hesiod, sie sind nur noch einigen Menschen bekannt, die sich mit der Sprache der Alten Griechen befassen. Die Jugend heute strebt nur nach Reichtum und hantiert den ganzen Tag mit elektronischen Geräten, wie mir Hermes berichtete. Er ist von uns der einzige, der immer wieder mal eine Stipvisite hinab zu den Irdischen macht und die neue Situation am besten beurteilen kann. Stimmts?“

Hermes nickte.

Man spürte aus seinen Ausführungen deutlich: Auf die Römer war Zeus nicht gerade gut zu sprechen. In seinen Augen waren das nichts weiter als kulturelle Epigonen, die mangels anderer herausragender Qualitäten sich einfallslos, aber gründlich aufs Kriegs- und Eroberungshandwerk kapriziert hatten.

Ares, der bis dahin still etwas abseits sass, sprang auf. „Verehrter Vater,“ so entfuhr es ihm, „auch wenn du mir zürnst, aber deine Ansichten kann ich nicht ganz teilen. Mit Freuden schaute ich in meiner Freizeit hinab, wie die Römer das gesamte Gebiet um das Mittelmeer herum okkupierten. Da wurde noch heftig Mann gegen Mann gekämpft, so wie man es vor Troja sehen konnte. Heutzutage kommt das nicht mehr so häufig vor. Das meiste wird aus der Ferne dirigiert und keiner sieht mehr dem Feind direkt ins Auge. Diese immer mehr anzutreffende Anonymität gefällt mir überhaupt nicht. Immerhin haben die Römer als Transporteure der von dir so hochgeschätzten griechischen Kultur gedient, auch wenn dabei die Schwerter und die Speere nicht zu kurz kamen. Wer weiss, wenn sie nicht gewesen wären, ob man uns dann nicht völlig vergessen hätte. Die neuen Namen müssen wir ihnen eben nachsehen.“

Zeus runzelte kurz die Stirn, liess es aber dabei bewenden. Die anderen Olympier hatten jedoch mehr befürchtet.

In die Stille hinein meldete sich jetzt Athene zu Wort. Ihr sagte man den besten analytischen Verstand nach. Denn es war ja nicht damit getan, irgend etwas nicht zu wollen, sondern man musste auch nach Lösungen suchen. Sie schien in der Zwischenzeit nachgedacht zu haben.

„Wenn du, mein lieber Vater, dem Leben hier oben – eintönig nennst du es gar – zumindest für eine Zeit entfliehen willst, dann gibt es nur einen Weg: Wir müssen für einige Zeit auf die Erde herab und uns in das bunte Treiben dort unten einmischen. Allerdings haben sich die Zeiten seit unserer Glanzzeit vor über zweitausend Jahren gehörig verändert. Hermes wird mir das bestätigen.“

Hermes nickte erneut zustimmend und murmelte nur: „Und wie!“

Zeus schien diesen Einwand zu überhören – vielleicht wollte er ihn auch gar nicht hören.

„Eines dürfen wir überhaupt nicht erwarten,“ so fuhr Athene fort, „dass jetzt die Menschen nach alter Sitte - wie wir es gewohnt sind – uns Opfer darbringen oder uns anbeten. Die meisten Menschen scheinen andere Götter zu haben. Was ich so aus den Erzählungen Hermes’ mitbekommen habe, ist jetzt ihr Hauptgott das Geld. Sie wollen sich nur ein angenehmes Leben ermöglichen. Und vermehren soll es sich dazu auch noch. Sollten wir also eine Reise nach unten planen, so können wir uns den neuen Gewohnheiten und Gebräuchen nicht ganz entziehen. So ganz inkognito dort zu leben ist nicht möglich. Wir müssen einen Job übernehmen, wie es auf der Erde heute so lapidar heisst. Natürlich nur, wenn ihr Lust dazu habt. Oder wir gehen als Touristen nach unten, so ähnlich wie jetzt die Fremden auf der Akropolis herumlaufen.“

Hera hatte aufmerksam zugehört und meinte „Ja, was sollen wir denn dort unten überhaupt machen. Wenn uns das Nichtstun hier oben nicht gefällt, dann können wir doch dort unten nicht einfach so weitermachen. Das bedeutet, wir müssen einiges dazu lernen.“

Hermes hatte seit seiner Kindheit stets den Kopf voller Flausen und verrückter Ideen. Alle konnten sich noch an den Raub der Rinder Apollons erinnern oder an die Konstruktion der ersten Lyra aus dem Panzer einer Schildkröte, und das zu einer Zeit, in der andere Kinder noch hilflos in der Wiege liegen.

„Wie wäre es,“ warf er ein, „wenn wir auf der Erde tatsächlich irgendeinen Beruf übernehmen, wie es Athene gerade vorschlug, und uns so in die neue Welt einpassen? Ich sause dann noch mal nach unten und schaue, ob ich irgendwie Unterlagen zur Schulung organisieren kann.“

Jetzt hielt es Zeus nicht länger auf seinem Sitz.

„Habt ihr euch überhaupt mal Gedanken gemacht, wo ihr hinwollt. Die Erde ist gross – viel grösser als zu unserer Glanzzeit. Es gibt neue Kontinente und auch die Sprachen haben sich geändert. Wie sieht es denn mit den Griechisch-Kenntnissen aus? Und einen neuen Beruf auszuüben, nein, dazu bin ich nicht bereit.“

„Da muss ich dich enttäuschen,“ antwortete Hermes, „wenn du glaubst, dass dich irgendeiner mit deinem altmodischen Griechisch von damals versteht. Höchstens noch ein paar Lehrer, die in der Schule die Sprache Homers lehren. Und auch in Griechenland versteht dich heute kein Mensch mehr! Aber wie ich dich kenne, die Sprache der neuen Griechen hast du ja einigermassen im Griff.“

„Wenn das so ist,“ meinte Athene, „und wir uns wirklich einmal unter die Sterblichen mischen wollen, dann bleibt uns nichts anderes übrig, als einen Sprachkurs zu belegen. Wie ich dich kenne, Hermes, wirst du schon Wege kennen, um an diesbezügliche Unterlagen heranzukommen. Wir können doch keinen Erdenmenschen engagieren, sonst spricht sich unser Abenteuer gleich auf Erden herum. Die Zeitungen, die es unten gibt und auch das Fernsehen sind, wie Hermes unlängst nach einem Besuch berichtete, immer ganz wild darauf, solche Sensationen in die ganze Welt hinauszuposaunen.“

Apollon hatte bis jetzt geschwiegen und an seiner Leier herumgespielt, ohne einen Ton zu erzeugen, denn er fürchtete, Zeus wäre darauf heute absolut nicht erpicht. Jetzt schaute er auf und warf ein: „Wenn es denn da unten so viele Länder gibt, dann soll es auf jeden Fall ein Land sein, das den schönen Künsten, der Musik, dem Theater und der Dichtung zugetan ist. Was meinst du dazu?“ wandte er sich an seine Zwillingsschwester Artemis, die ihren Bogen zur Seite gestellt hatte, denn hier oben gab es nichts zu jagen.

„Wisst ihr,“ erwiderte sie, „meine Stärke ist nicht das Argumentieren. Aber wenn ihr meint, ich sollte euch begleiten, dann hätte ich ein paar Wünsche. Auf keinen Fall möchte ich in eine öde Gegend, sondern Wald und Flur sind mein Metier und ein paar Tiere sollten auch darin leben.“

„Wenn du weiter keine Ansprüche hast,“ schaltete sich Zeus wieder ein, „dann haben wir keine Probleme. Vielleicht tut ja es auch ein Zoo – dort kannst du Tiere aus der ganzen Welt sehen. Aber ich denke noch ein bischen weiter. Es sollte auf jeden Fall ein Land sein, das der griechischen Kultur verbunden ist und uns damit wenigstens ein wenig Wohlbefinden für die Zeit unseres Abenteuers dort unten bieten kann.“

Er schien zu überlegen. „Was haltet ihr davon, wenn wir die Musen als Ratgeber hinzuziehen? Die sollten sich doch mit Kunst, Theater und Wissenschaft ein wenig auskennen.“

Der Göttervater schaute in die Runde.

Apollon war der erste, der auf den Vorschlag reagierte.

„Eine gute Idee!“ meinte er, „Wenn wir hier so wenig unternehmen, dann wollen wir uns doch unten nicht langweilen, sondern geistig bereichern.“

Hermes konnte es kaum abwarten, in die Diskussion einzugreifen.

„Das ist mein Metier! Ich hole mal schnell die Musen, die dafür zuständig sind. Alle brauchen wir nicht.“

Sprachs und war blitzschnell ohne eine Antwort abzuwarten verschwunden.

„Der hat es aber eilig,“ konnte sich Athene nicht verkneifen zu sagen, „es scheint, als könnte er von uns allen am wenigsten einen Tapetenwechsel abwarten.“

Kaum hatte sie ihren Satz beendet, tauchte Hermes schon wieder auf, im Gefolge zog er acht junge Damen hinter sich her.

Noch etwas atemlos sagte er: „Von den neun Musen habe ich euch acht mitgebracht. Allein Urania, die Muse der Astronomie, hielt ihr Erscheinen für überflüssig und liess sich vom Beobachten der Gestirne nicht ablenken. Hier sind Klio, die Muse der Geschichtsschreibung, Kalliope, zuständig für die epische Dichtung, Wissenschaft und Philosophie, Polyhymnia, wenn es um Gesang geht, Terpsichore, die Muse für den Tanz, Thalia, zuständig für die heitere Komödie, Melpomene ist ihre Gegenspielerin, denn sie fördert die Tragödie, Euterpe, die Muse der Lyrik und Erato für Liebes- und Sehnsuchts-Dichtung. Sie werden euch sicher alle Fragen, die ihr auf dem Herzen habt, beantworten können.“

Zeus schaute die Musen ein wenig ratlos an, denn die Kunst im allgemeinen war nie seine grosse Stärke gewesen. Aber wozu hat man denn seine Mitarbeiter?

„Ich denke, Apollon, jetzt bist du gefragt. Athene und Hermes sollen dir zur Seite stehen. Ihr bildet jetzt das olympische Urlaubs-Beratungstrio, aber die Musen müssen ja nicht unbedingt wissen, was der Hauptbeweggrund ihres Kommens ist.“

Apollon kratzte sich etwas am Kopf, was er sonst allerdings äusserst selten tat. Ein Zeichen, dass er intensiv nachdachte. Dann hatte er sich ein Konzept zurechtgelegt.

„Also, ihr Expertinnen der Schönen Künste, wir wollen mal eine kleine Stip-Visite zu den Sterblichen da unten machen und dazu brauchen wir euren Rat, denn wir wollen nicht gerade bei den Barbaren unsere kostbare Zeit verschwenden.“

Als erstes wandte er sich an Klio: „Du, die Rühmende, hast akribisch mit Papierrolle und Griffel das Wesentliche der Jahrhunderte seit unserer Glanzzeit niedergeschrieben. Wie mir Hermes heute morgen verriet, schreiben die Irdischen nach ihrer Zeitrechnung das Jahr 2018. Welches Land könntest du uns reinen Gewissens empfehlen, das unseren Wünschen entsprechen könnte? In keinem Fall wollen wir wieder in kriegerische Verwicklungen involviert werden, Troja hat uns gereicht.“