Inhalt

  1. Cover
  2. Weitere Titel der Autorin
  3. Über dieses Buch
  4. Über die Autorin
  5. Titel
  6. Impressum
  7. Widmung
  8. 1. Jerry
  9. 2. Meghan
  10. 3. Meghan
  11. 4. Jerry
  12. 5. Meghan
  13. 6. Jerry
  14. 7. Meghan
  15. 8. Jerry
  16. 9. Meghan
  17. 10. Jerry
  18. 11. Meghan
  19. 12. Meghan
  20. 13. Jerry
  21. 14. Meghan
  22. 15. Meghan
  23. 16. Jerry
  24. 17. Meghan
  25. 18. Jerry
  26. 19. Meghan
  27. 20. Jerry
  28. 21. Meghan
  29. 22. Jerry
  30. 23. Meghan
  31. 24. Jerry
  32. 25. Meghan
  33. 26. Jerry
  34. 27. Meghan
  35. 28. Jerry
  36. 29. Meghan
  37. 30. Jerry
  38. 31. Jerry
  39. 32. Meghan
  40. Epilog – Dave
  41. Danksagung

Weitere Titel der Autorin

Legal Love – An deiner Seite

Legal Love – Mit dir allein

Legal Love – Nie wieder ohne dich

Über dieses Buch

Auf den ersten Blick scheint Meghan Ramsay alles zu haben, was man sich als Frau wünschen kann. Sie ist bildschön und Geschäftsführerin eines erfolgreichen Pharmaunternehmens. Nur in der Liebe hat sie immer wieder Pech. Um dem ganzen Stress zu entkommen, bietet ihre Freundin und Anwältin Nora ihr an, einen Kurzurlaub auf ihrem Anwesen in Cornwall zu verbringen. Nichtsahnend, dass deren Ehemann David seinen Kumpel und Geschäftspartner Jeremy für ein paar Wochen dort einquartiert hat. Zwischen Meghan und Jeremy funkt es heftig abseits des Alltags.

Zurück in London, geht Meghan davon aus, dass es für sie beide nur eine heiße Affäre war, und sie stürzt sich wieder in ihr Arbeitsleben. Der geheimnisvolle und heißblütige Anwalt geht ihr jedoch einfach nicht mehr aus dem Kopf. Als Klientin von »Padget, Knight, Woods & Collins« läuft sie ihm zu allem Überfluss auch noch ständig in der Kanzlei über den Weg. Sie versucht sich von ihm fernzuhalten, doch dann droht ihre gemeinsame Vergangenheit Meghan einzuholen ...

Über die Autorin

J.T. Sheridan ist das Pseudonym der Autorin Jessica Bernett. Sie wurde 1978 als Enkelin eines Buchdruckers in Wiesbaden geboren. Umgeben von Büchern und Geschichten entdeckte sie schon früh ihre Begeisterung für das Schreiben. Der Liebe wegen wechselte sie die Rheinseite und lebt heute mit ihrem Mann und ihren Kindern in Mainz. Sheridan hat eine Schwäche für Schokolade, Whisky und die britischen Inseln, die sie besonders in ihren Büchern auslebt.

J. T. Sheridan

Legal Love – Nur du und ich

Für die Mädels im Büro

1. Jerry

Das Wasser kühlte meine fiebrige Haut.

Der Tag hatte die übliche Hitze des australischen Sommers gebracht und der Abend nur wenig Abkühlung. Allein hier im Wasser konnte ich es aushalten.

Ich streckte die Arme und Beine aus, den Blick auf den Sternenhimmel gerichtet. Dann schloss ich die Augen und genoss das Gefühl der Schwerelosigkeit.

Es war mir egal, dass womöglich ein Hai irgendwo unter mir schwamm. Es war mir egal, ob ich durch den Strom weiter auf das Meer hinausgezogen wurde.

Mein Körper und mein Geist wollten nicht mehr eins sein.

Mein Kopf fühlte sich herrlich wirr an. Klare Gedanken konnte ich schon lange nicht mehr fassen. Etwa seit dem sechsten Bourbon nicht mehr. Da hatte die betäubende Benommenheit begonnen.

Nun schwebte ich hier in der angenehmen Kühle. Die schweren Gedanken waren nicht mehr als ein Flimmern in der Luft. Sie waren noch da, aber nicht mehr greifbar.

Ein noch kälterer Strom streifte meine Rückseite. Ich trieb also weiter hinaus.

Als ich die Augen öffnete, sah ich nur das Sternenzelt über mir. Wie sie funkelten, diese Sterne, wie sie mir zuzwinkerten.

Irgendwo da oben war vielleicht Jake.

Ich konnte mir gut vorstellen, dass er gerade grinste und sich über mich amüsierte, weil ich so schwermütig war. Er war immer der Fröhlichere von uns gewesen, der Sorglosere. Aber er war auch viel jünger als ich und erinnerte sich nicht mehr so gut an die Streitigkeiten unserer Eltern.

Mein Vater. Ich schnaufte bei dem Gedanken an ihn, wobei die Bewegung auf dem Wasser dafür sorgte, dass ich kurz nach unten gezogen wurde. Ich bewegte Arme und Beine, sodass ich wieder auf der ruhigen Oberfläche schwamm.

Dad war ganz gewiss nicht zu einem Stern am Firmament geworden. Ich hoffte, er verrottete im finstersten Teil der Hölle.

Erneut wurde ich ein wenig nach unten gezogen. Mein Gesicht wurde von einer Welle überspült, und ich tauchte unter. Prustend kam ich wieder an die Wasseroberfläche und versuchte, mich zu orientieren.

Ah, die Sterne, die waren über mir. Das sollte reichen.

Aber mir gelang es nicht, wieder auf dem Wasser zu liegen, da die Oberfläche unruhiger geworden war. Immer wieder schwappte eine Welle über mein Gesicht, und ich gab mich geschlagen, drehte mich auf den Bauch und versuchte, auszumachen, wo der Strand war.

Dort funkelte etwas. Waren es noch mehr Sterne? Boote? Oder die Lichter der Strandhäuser? Irgendwo in der Ferne hörte ich meinen Namen.

Aber eigentlich wollte ich nirgendwohin.

Die nächste Welle überrollte mich.

Ich wurde unter Wasser gezogen, verlor erneut jedes Orientierungsgefühl. Um mich herum war alles schwarz, ich ließ mich treiben, obwohl meine Lunge brannte, nach Luft verlangte.

Die gab es hier nicht, nicht in dieser kalten Finsternis.

Irgendwie kam ich wieder nach oben. Mein Körper reagierte und japste nach Sauerstoff. Ich spuckte Wasser aus, atmete, nur um dann erneut von einer Welle erfasst zu werden, die mich mit sich wirbelte.

Ich ließ es geschehen, wehrte mich nicht, ließ mich von der erlösenden Schwärze umfangen.

Etwas packte nach mir.

Mein Instinkt, der mich auch dazu animieren würde, mich gegen einen Hai zu wehren, trieb mich dazu, um mich zu schlagen. Meine Treffsicherheit wurde natürlich dadurch beeinträchtigt, dass es stockfinster und ich sturzbetrunken war.

Etwas packte mich am Arm.

Ich schlug weiter um mich, strampelte, versuchte zu entkommen.

So also fühlte es sich an zu sterben. Aber in meinen letzten Momenten hatte ich wenigstens gekämpft.

»Verdammt, Jerry!« Steven keuchte und spukte etwas Wasser aus. »Du stinkst wie eine Schnapsleiche, und wenn ich dich nicht rausgefischt hätte, wärest du wohl auch eine geworden!«

Verwirrt blinzelte ich, spürte einen Würgereiz und drehte mich noch rechtzeitig zur Seite, um mich nicht auf meinen Freund zu übergeben.

Jemand leuchtete mir mit einer Lampe ins Gesicht. Geblendet hob ich einen Arm über meine Augen, nachdem ich die halbe Tasmanische See ausgewürgt hatte.

»Der Krankenwagen kommt gleich«, hörte ich eine weitere Person sagen, und Pat Finnley trat in den Schein der Lampe.

»Gott sei Dank«, sagte Mel seufzend – die Person mit dem grässlichen Licht in der Hand.

»Brauche keinen scheiß ...« Der Rest des Satzes wurde von weiterem Würgen verschluckt.

Alles um mich herum drehte sich. Ich ließ mich keuchend zurück in den Sand fallen und starrte in den Nachthimmel. Eine Wolkendecke hatte die Sterne bedeckt, und so war ich allein.

Verdammt allein.

2. Meghan

Genervt klappte ich den Laptop zu und schüttelte den Kopf.

Meine Assistentin Jody hatte mir mitgeteilt, dass eine unserer leitenden Chemikerinnen gekündigt hatte, weil sie ein Jobangebot von der Konkurrenz erhalten hatte. Ein riesiges Unternehmen, das genau wie wir auch Nahrungsergänzungsmittel herstellte und neuerdings in Kosmetika investierte. Doch dieses Unternehmen war bekannt dafür, auch vor Tierversuchen nicht zurückzuschrecken.

»Manche Menschen machen wirklich alles für Geld.« Ich schnaufte meinen Laptop an und stand auf. Meine Glieder knackten wie eingerostet.

Ein Blick auf meine Armbanduhr verriet mir, dass ich mich vor drei Stunden an den Schreibtisch gesetzt hatte, um mit Melbourne zu reden.

Die Technik war Fluch und Segen zugleich. Fluch, weil sie mich dazu verführte, die Zeit zu vergessen und noch mehr zu arbeiten. Segen, weil ich so mit Australien in Kontakt bleiben konnte, obwohl ich schon seit zwei Jahren in London lebte.

Mein Mund fühlte sich trocken an. Ich hatte mir nicht einmal etwas zu trinken bereitgestellt.

Ich begab mich zu meiner Küchenzeile, nahm ein Glas aus dem Hängeschrank und schenkte mir aus der Glasflasche stilles Wasser ein. Während ich trank, sah ich aus dem Fenster hinaus auf das morgendliche London. Hier begann der Arbeitstag erst, während er in Melbourne gerade endete.

Rasch ging ich die Termine des Tages durch.

Caren war in der Stadt, die Inhaberin von Bio Pharmaceutics Nottingham. Wir hatten uns zum Brunch um elf verabredet, das hieß, mir blieben bis dahin noch etwa zwei Stunden.

Außerdem hatten wir eine neue Werbekampagne für das Vereinigte Königreich geplant. In der Werbeagentur, die mir ihr Konzept vorstellen wollte, wurde ich um zwei erwartet.

Und am Abend hatte ich eine lockere Verabredung mit Nora in unserer Bar in Bloomsbury, worauf ich mich schon sehr freute. Sie war mir eine echte Freundin geworden, genau wie die anderen Kollegen der Kanzlei Padget, Knight, Woods & Collins. Uns verband mittlerweile mehr als das Geschäftliche.

Wie immer, wenn viel zu tun war, ging der Tag schneller um, als man schauen konnte. Nach dem ausgiebigen Brunch mit Caren hatte ich nichts mehr gegessen.

In der Bar, die für einen Dienstag dank Cocktail-Hour gut gefüllt war, ergatterte ich einen kleinen Tisch neben dem Eingang. Ich wusste, dass Nora lieber weiter hinten im Raum saß, aber heute mussten wir wohl nehmen, was wir kriegen konnten.

Angenehme Loungemusik erklang im Hintergrund. Pflanzenranken kletterten an den Säulen im Raum empor, und die Decke wurde von vielen kleinen Lichtern erleuchtet.

Nora kam kurz nach mir an.

Ich winkte ihr zu, und wir begrüßten uns mit Küsschen auf die Wange.

»Meine Güte, was für ein Verkehr«, sagte sie seufzend und setzte sich auf den Stuhl gegenüber von mir. »Wartest du schon lange? Hast du schon etwas bestellt?«

»Nein und nein«, meinte ich amüsiert.

Nora entdeckte die Kellnerin in der Nähe und winkte sie herbei. Sie bestellte für sich einen Virgin Daiquiri, während ich mich für einen Long Island Icetea entschied.

»Was ist los? Bist du krank?«, scherzte ich.

Nora errötete ein wenig, was bei ihrer hellen englischen Haut nicht selten vorkam. »Ähm, nein.«

Ich betrachtete sie stirnrunzelnd. »Oh. Mein. Gott!«, rief ich aus, sodass die Leute am Nebentisch sich pikiert in unsere Richtung wandten. Ich senkte ein wenig die Stimme und lehnte mich auf dem Tisch in Noras Richtung. »Bist du schwanger?«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß es noch nicht. Aber ... sicher ist sicher.«

Verstehend nickte ich. Sie und Dave versuchten schon seit längerer Zeit, schwanger zu werden. Ich wünschte den beiden von ganzem Herzen, dass es endlich klappte und das gemeinsame Glück so noch vergrößert wurde.

Wobei ich selbst eher weniger mit Kindern anfangen konnte. Aber das war ein anderes Thema.

»Wie war dein Tag?«, erkundigte sie sich und lockerte den Dutt, mit dem sie ihre prachtvolle Lockenmähne tagsüber gebändigt hatte.

»Anstrengend, wie immer.« Ich verzog das Gesicht und nahm mir die Karte der Bar. »Da fällt mir ein, dass ich noch nicht viel gegessen habe. Hast du Hunger?«

»Habe ich. Haben die noch diesen Avocado-Burger?« Neugierig sah sie über den Tisch, um einen Blick auf die Karte in meinen Händen zu erhaschen.

Ich konnte ihre Hoffnungen bestätigen und bestellte für mich selbst das Gleiche, als die Bedienung mit unseren Cocktails zurückkehrte.

»Du siehst echt müde aus«, bemerkte Nora stirnrunzelnd, nachdem wir mit den Getränken angestoßen hatten.

Mein Make-up hatte die Augenringe wohl nicht wirklich überdecken können. »Stimmt, ich bin müde. Und genervt.«

Ich erzählte ihr von der Kündigung der leitenden Chemikerin, von den weiteren Problemen in Melbourne und dass ich das Gefühl hatte, hier in London auf der Stelle zu treten. »Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich einfach nicht mehr vorankomme ... obwohl ich jeden Tag eine Menge zu tun habe. Seit zwei Jahren bemühe ich mich darum, mit Australien Pharma Fuß zu fassen.« Ich seufzte und ließ mich nach hinten gegen das Polster fallen. »Mein Leben ist Treibsand, und ich komme einfach nicht voran.«

Meine Freundin nickte verständnisvoll. »Vielleicht wäre es für dich einfacher, wenn deine Assistentin hier wäre und nicht in Melbourne?«

»Nein, ich brauche Jody dort. Sie ist ein wichtiges Bindeglied für mich und vor Ort meine Augen und Ohren. Außerdem ist sie immer noch mit John Miller zusammen, dem Leiter der Rechtsabteilung. Ich möchte nicht, dass sie sich zwischen uns beiden entscheiden muss.«

Eine zarte Linie hatte sich zwischen Noras Brauen gebildet. »Wann hattest du eigentlich zuletzt Urlaub?«

Ich lachte auf. »Urlaub? Ich?! Urlaub sollte ich erst zur Rente wieder planen.«

»Du hast in den letzten zwei Jahren keinen Urlaub gehabt?«, versicherte sie sich ungläubig.

Die Burger wurden serviert, und ich wartete, bis die Bedienung wieder fort war. Das Essen sah einfach fabelhaft aus, und mein Magen knurrte in freudiger Erwartung.

»Ich wüsste noch nicht einmal, wohin ich fahren sollte.«

Das entsprach der Wahrheit. Der Gedanke, allein in Urlaub zu fahren, war für mich irgendwie befremdlich. Grundsätzlich kam ich gut mit mir allein zurecht. Es machte mir nichts aus, allein zu wohnen. Ich hatte meine Freunde, mit denen ich mich treffen konnte, wann immer es uns die Zeit erlaubte.

»Keine Sorge, wenn sich ein Burnout anbahnt, ziehe ich noch rechtzeitig die Bremse«, versicherte ich meiner besorgten Freundin und nahm den Burger in beide Hände. »Guten Appetit, meine Liebe.«

Wir aßen schweigend, uns ganz den kulinarischen Genüssen hingebend.

»Cornwall«, meinte Nora plötzlich, ohne jeglichen Zusammenhang.

»Ein Landesteil von England?«, konterte ich spaßeshalber wie bei Jeopardy.

Sie grinste und hob die Brauen. »Unser Haus in Cornwall. David und ich verbringen gerne unsere Wochenenden dort. Aber derzeit hält uns die Arbeit davon ab. Das Anwesen steht also leer.«

Ich erinnerte mich an das wundervolle Haus an der Küste, das sogar über einen eigenen Zugang zum Strand verfügte.

»Frühsommer ist die beste Zeit, um nach Cornwall zu fahren«, erklärte Nora. »Dann sind noch nicht so viele Touristen dort, aber das Wetter spielt meistens schon mit. Mit dem Auto sind es etwa fünf Stunden dorthin. Aber du könntest auch den Flieger nach Newquay oder die Bahn nehmen.«

Die Idee klang verlockend. Urlaub. Ein Fremdwort für jemanden wie mich, der versuchte, alle Zeit sinnvoll mit Arbeit zu füllen. Und doch musste ich zugeben, dass meine Batterien leer waren und ich sie dringend aufladen musste.

»Cornwall also.« Ich seufzte. »Ja, warum nicht?«

3. Meghan

Bisher war ich zweimal in Cornwall gewesen. Beim ersten Mal ging es um die Neugründung von Padget, Knight, Woods & Collins, deren erste Mandantin meine Firma war. Nun, eher ging es wohl damals darum, zwischen David und Nora alles ins Reine zu bringen. Schmunzelnd dachte ich daran zurück und wie weit die beiden nun Seite an Seite gekommen waren.

So war es auch kein Wunder, dass mein zweiter Besuch in Cornwall ihrer Hochzeit galt. Ich erinnerte mich an einen Traum von Blüten und Lichtern im herrlichen Garten des Anwesens und einen sehr romantischen Hochzeitstanz, den nur mein törichter Ex-Mann Pat Finnley beinahe ruiniert hätte.

Dennoch verband ich Cornwall mit Blumen, einer frischen Meeresbrise und sehr viel Ruhe. Ich war Nora unendlich dankbar, dass ihr Cornwall als Rückzugsort eingefallen war.

Mit Vorfreude fuhr ich daher bei Padstow von der Bundesstraße ab. Von hier waren es noch einmal zwanzig Minuten, bis ich auf die Zufahrt zum Anwesen der Padgets einbog, durch einen Torbogen, der nun mit blühenden Blumenranken geziert wurde, und vorbei an dem kleinen Cottage, das von der Haushälterin des Anwesens bewohnt wurde.

Vor dem Haus stand kein weiteres Auto, nur ein Motorrad, und ich wunderte mich, ob dies wohl zum Gärtner oder zu einem Freund von Rose gehören konnte. Aber das würde sie mir bestimmt gleich erzählen, denn ich ging davon aus, dass Nora ihr Bescheid gegeben hatte, dass ich kommen würde.

Ich betrat das Haus durch den Seiteneingang vom Parkplatz aus und gelangte auf diesem Weg direkt in die Küche. Hier stand auf dem Küchentisch eine Vase mit bunten Wildblumen, und daneben lag ein Zettel mit einer handschriftlichen Notiz.

Liebe Ms Ramsay,

ich hoffe, Sie hatten eine gute Anreise aus London. Ich bin noch beim Einkaufen und werde sie später begrüßen. Im Kühlschrank finden Sie ein paar Erfrischungen. Ich habe das fliederfarbene Gästezimmer für Sie vorbereitet und hoffe, es ist alles nach Ihren Vorstellungen.

Herzlichst

Rose

Lächelnd las ich die Zeilen und legte den Zettel zur Seite, um einen neugierigen Blick in den Kühlschrank zu werfen.

Die gute Seele des Hauses hatte Sandwiches geschmiert und einen Krug Eistee zubereitet, auf dem ein Post-it mit einer gezeichneten Rose zu sehen war. Die junge Frau war wirklich ein Goldstück.

Zufrieden brachte ich zunächst meinen kleinen Koffer in das fliederfarbene Zimmer, das seinen Namen natürlich durch die frische Wandfarbe verdiente. Nora und Dave hatten vor Kurzem alle Zimmer streichen lassen, sodass die Gästezimmer nun in frischem Glanz erstrahlten.

Die weißen Rattanmöbel, die mit Rosenknospen bestickte weiße Tagesdecke und ein bunter Blumenstrauß, der in einer alten Keramikvase steckte, verliehen dem Zimmer einen altmodischen Charme, ohne altbacken zu wirken. Ich fühlte mich wie in der Verfilmung eines Jane-Austen-Romans.

Ich stellte meinen Koffer ab und sah aus dem Fenster, durch das man einen wunderschönen Blick auf den gepflegten Garten hatte. In der Mitte stand ein Apfelbaum, der bereits erste kleine Früchte trug. Sommerblumen blühten in den Beeten links am Rand, und hinter den Büschen auf der rechten Seite führte irgendwo ein Weg hinab zum kleinen privaten Strand.

Die Sonne schien aus Leibeskräften, und es war ein sehr warmer Sommertag. Selbstverständlich nicht zu vergleichen mit der australischen Hitze, aber dennoch mit ganz eigenem Charme.

Da es kurz nach Mittag war, würden hoffentlich noch ein paar Sonnenstunden bleiben. Das wechselhafte englische Wetter war mir mittlerweile allzu gut bekannt. Daher sollte man jeden sonnigen Moment auskosten. Meinen Koffer konnte ich auch noch später auspacken.

Summend durchwühlte ich das Gepäckstück nach meinem Bikini, schlüpfte aus meiner Jeans und dem T-Shirt und überlegte, ob ich wohl eine Sonnencreme eingepackt hatte.

Rasch hatte ich einen Jutebeutel mit Buch, Handy und besagter Sonnencreme gepackt, zog noch ein leichtes Kleid aus beigefarbenen Leinen an und streifte meine Sandalen über, um mich auf den Weg zum Strand zu machen. Ich sollte unbedingt noch Flip-Flops besorgen. Die waren für den Strand viel praktischer.

Ein Hinweisschild mit der Aufschrift Strand zeigte mir, wo ich auf den schmalen Weg durch die Büsche gehen konnte. Der Pfad war ein wenig mühsam, doch der Ausblick auf die Bucht, umgeben von Felsen und Böschungen, war es wert, dort hinunterzusteigen.

Neben einem Felsen am Strand fand ich einen windgeschützten Flecken, an dem ich mein Handtuch und meine Tasche ablegte. Nachdem ich das Kleid über den Kopf gestreift hatte, hob ich die Hand über die Augen und sah hinaus auf das Meer. Die Wellen waren stärker, als ich angenommen hatte. Sollte ich es wirklich wagen, ins Wasser zu gehen?

Erst jetzt machte ich eine Person auf den Wogen aus, einen einzelnen Surfer, der sich gerade auf das Brett schwang und von einer Welle tragen ließ. Interessiert setzte ich mich und hielt den Blick auf den Fremden gerichtet. Was ich sehen konnte, gefiel mir, auch wenn ich mich wunderte, wer das wohl sein mochte. Womöglich ein Freund von Rose, der mit dem Motorrad gekommen war, das ich oben gesehen hatte. Ja, das machte Sinn.

Er machte eine äußerst gute Figur auf dem Surfbrett und in der Badeshorts. Sein dunkles Haar lag in nassen Strähnen um sein Gesicht.

Ich schob meine Sonnenbrille ein wenig nach unten, um ihn besser beobachten zu können, und legte sie dann ganz zur Seite. Wenn Adonis zum Menschen geworden war, dann stand er gerade auf diesem Surfbrett. Was hatte ich doch für ein Glück, dass ich mich spontan dazu entschieden hatte, an den Strand zu gehen, sonst wäre mir dieser überaus erfreuliche Anblick entgangen.

Der Fremde schien genug vom Surfen zu haben und ließ sich an den Strand gleiten, wo er vom Brett glitt und es unter den Arm nahm, um es durch das Wasser zu tragen. Die Wassertropfen, die über seinen sonnengebräunten Körper liefen, glitzerten wie Diamanten. Er schüttelte seinen Kopf, offenbar, um die Haare ein wenig zu trocknen.

Am liebsten hätte ich laut geschnurrt bei diesem Anblick. Das Bedürfnis verging mir jedoch, als er sich näherte und ich erkannte, wer da gerade so hinreißend aus dem Wasser auf mich zukam.

Auch der Mann verharrte, weil er mich bemerkt hatte.

Ich richtete mich auf, um ihn besser sehen zu können. Etwas an ihm kam mir bekannt vor, aber ich wusste nicht, was. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich den Anblick seines durchtrainierten Körpers nicht vergessen hätte. Aber ... dieses Tattoo, das er auf dem rechten Oberarm trug, erinnerte mich an die Kunst der Maori in Neuseeland.

Er setzte sein Bord ab und kam weiter auf mich zu. Als er die Strähnen seines nassen Haares aus dem Gesicht wischte, stockte mir der Atem.

»Ach, du sch...«, flüsterte ich zu mir selbst. »Was macht der denn hier?!«

Natürlich kannte ich ihn. Jeremy Woods. Davids und Noras Kanzleipartner. Sollte er nicht in Melbourne irgendwelche staubigen Akten durchforsten, statt hier in Cornwall durch meine Tagträume zu schlendern?

Er verharrte etwa zehn Schritte von mir entfernt. Der Blick seiner bernsteinfarbenen Augen wanderte über meinen Körper, während sein Gesicht eher grimmig wirkte.

Ich beschloss, aufzustehen, und klopfte mir etwas Sand von meinen Händen, bevor ich sie in die Taille stemmte und Jeremy mit schrägem Kopf musterte. Es machte mir nichts aus, dass er mich im Bikini sah. Es gab nichts, was ich zu verstecken hatte, und in meiner Zeit als Model hatten mich Fremde mit noch weniger Kleidung gesehen.

»Wenn das Mal nicht eine Überraschung ist«, rief ich ihm zu. »Hi, Jerry.«

4. Jerry

»Meghan Ramsay«, sagte ich seufzend. Verdammt noch mal, was tat diese Frau hier?

Zugegeben, sie bot einen angenehmen Anblick in diesem knappen schwarzen Etwas, was wohl ein Bikini sein sollte. Sport schien für sie kein Fremdwort zu sein, wenn ich mir ihren flachen Bauch und ihren wohlgeformten Hintern so ansah, auf den ich einen kurzen Blick erhaschte, als sie sich nach ihrer Sonnenbrille bückte. Ihre Haut war zart getönt, die Kaskaden ihres braunen Haares fielen ihr bis über die Schultern, und ihre braunen Augen funkelten mich lebhaft an.

Sie hatte wohl genauso wenig mit meiner Anwesenheit gerechnet wie ich mit ihrer. Ihr hübsches Äußeres täuschte aber nicht darüber hinweg, dass sie eine Frau war, die ihre Krallen auszufahren wusste. Okay, Jerry, sagte ich mir selbst. Sei bloß nett zu ihr. Sie war immerhin die Geschäftsführerin eines unserer wichtigsten Mandanten, Australian Pharma.

Ob David überhaupt wusste, dass sie hier war?

Eine Windböe erinnerte mich daran, dass ich mich abtrocknen sollte, und ich ging auf den Felsen zu, wo ich meine Sachen hingelegt hatte.

Meghan blieb in ihrer demonstrativ selbstbewussten Art stehen, wo sie war, bis ich ganz vor ihr stand.

Sie versperrte den Weg zu meinen Sachen, merkte sie das nicht?

»Dürfte ich mal an mein Handtuch?«, knurrte ich etwas harscher als beabsichtigt.

Sie hatte wirklich eine sehr gute Figur, und wenn ich sie weiter anstarrte, würde ihr auffallen, dass mir das gefiel, was ich sah. Schon jetzt wurde es ein wenig eng in meiner Shorts, und ich war froh, dass die so weit geschnitten war.

»Das Zauberwort?«, gab sie nicht sehr freundlich zurück.

Mit zusammengekniffenen Augen musterte ich sie. Ernsthaft? Wollte sie mich so von oben herab behandeln? Ich hatte ihr nie etwas getan, sondern mir große Mühe damit gegeben, ihr bei unseren bisherigen Begegnungen aus dem Weg zu gehen. Sie konnte die anderen Jungs so behandeln, wie sie wollte. Mich nicht.

Ich nahm sie an den Schultern, registrierte, dass sie ein wenig zusammenzuckte, und schob sie sacht zur Seite, um mich nach meinem Handtuch und meinen Schuhen zu bücken, die ich hinter dem Felsen verstaut hatte.

Nachdem ich mich in aller Ruhe abgetrocknet und mir das Handtuch um die Schultern geschwungen hatte, sah ich sie fragend an. »Was ist, möchtest du mich weiter anstarren wie ein hungriges Kind ein Stück Kuchen, oder erklärst du mir, was du hier machst?«

Sie gab einen empörten Laut von sich. »Verzeihung? Wer hat hier wen angestarrt?«

Ich ließ meinen Blick extra langsam über ihre nackte Haut wandern. »Touché.« Irgendwie mochte ich es, sie zu ärgern. Vermutlich, weil sie sich so leicht provozieren ließ. Ich fuhr mir durch das noch feuchte Haar und zog die Brauen hoch. »Was machst du hier, Meghan?«

»Urlaub. Und was machst du hier?«

»Ebenfalls Urlaub.« Verdammt. Ich wollte nicht, dass sie hier war. Ich brauchte die Zeit für mich allein. »Und wie lange hattest du vor, zu bleiben?«

»Eine Woche. Aber vielleicht überlege ich es mir und fahre nach dem Wochenende wieder zurück nach London.«

Eine tollwütige Katze war mit Sicherheit umgänglicher als Meghan Ramsay. »Okay.« Ich nickte. »Also, ich gehe jetzt nach oben. Bleibst du hier? Die Brandung ist echt heftig, falls du schwimmen wolltest.«

»Ich komme schon klar, vielen Dank.«

Meine Güte, ich schüttelte den Kopf und ging an ihr vorbei zum Board, das ich mir von Dave ausgeliehen hatte. Ohne noch einmal zu ihr zurückzusehen, lief ich den Pfad nach oben zum Anwesen meines Kumpels, der irgendwie vergessen hatte, mir zu sagen, dass noch ein Gast in Cornwall einziehen würde.

Nachdem ich das Surfbrett im Schuppen verstaut hatte, ging ich ins Haus und suchte nach meinem Handy. Es lag im Wohnzimmer auf dem Couchtisch. Dave ging nach dem zweiten Klingeln ran.

»Hey, Kumpel, alles klar bei dir?« Er ließ den Australier raushängen.

»Wenn man davon absieht, dass sich hier eine tollwütige Katze herumtreibt«, meinte ich.

»Eine Katze?«

»Du wusstest also nicht, dass Meghan Ramsay hier auftauchen würde?«

»Was?«, entfuhr es ihm überrascht, und ich glaubte ihm, dass er es nicht gewusst hatte. »Warte mal.« Er schien das Handy wegzulegen, denn ich hörte gedämpft, wie er nach seiner Frau rief und sich die beiden unterhielten, ohne dass ich die Worte verstehen konnte. Schließlich meldete er sich wieder bei mir. »Tut mir echt leid, Bro. Da gab es ein kleines Missverständnis mit Nora. Ich hatte ihr nicht gesagt, dass du die nächsten Wochen im Anwesen verbringen würdest.«

»Und hätte er es getan, hätte ich Meghan auch nicht hingeschickt«, hörte ich Nora im Hintergrund rufen.

»Ich wollte keine große Sache daraus machen.« Er seufzte.

Und dafür war ich ihm wirklich dankbar. »Ist schon okay.«

Mit dem Handy am Ohr ging ich ans Fenster und versuchte, etwas im Garten zu erkennen. War das Weibsbild immer noch unten am Strand? Der Wind frischte auf, und ich hoffte doch innigst, dass sie nicht baden gehen würde. Die Wellen waren viel zu gefährlich.

Aber warum machte ich mir darum überhaupt Sorgen? War doch ihr Problem, wenn sie nicht auf mich hören und lieber absaufen wollte. Andererseits hätte ich wohl kaum Erholung, wenn man eine Leiche aus dem Meer fischen würde.

»Nora sagt, sie wollte nur eine Woche bleiben«, erklärte Dave nun. »Meinst du, du kannst es so lange mit ihr aushalten?«

»Keine Ahnung«, maulte ich. »Sie ist schon ... anstrengend. Aber wenn es nicht anders geht, suche ich mir ein Hotel oder so was, solange sie hier ist. Wird schon gehen.«

»Wenn du was brauchst, melde dich«, bat mich mein Freund.

»Mache ich. Aber im Moment habe ich alles, was ich brauche. Ich muss duschen gehen. Bis bald.«

»Erhol dich gut.« Dave verabschiedete sich.

Ich hatte das Handy weggelegt und dachte ernsthaft darüber nach, noch einmal runter an den Strand zu gehen, als ich eine Person sah, die sich von den Böschungen durch den Garten kämpfte. Kämpfen war der richtige Begriff, denn in einer Hand hielt sie ihr Handtuch, das ihr von der nächsten Windböe fast entrissen wurde, und in der anderen ihre Tasche, während ihre Haare wie wildgeworden um sie herumflatterten.

Ich konnte an ihren Mundbewegungen erkennen, dass sie fluchte, und ich grinste zufrieden. Jetzt konnte ich ohne schlechtes Gewissen unter die Dusche gehen.

Erfrischt, sandfrei und mit einer Jogginghose und einem weißen T-Shirt bekleidet begab ich mich später in die Küche.

Rose hatte einkaufen gehen wollen. Jetzt wusste ich auch, warum. Nora hatte ihr bestimmt gesagt, dass noch ein Gast auftauchen würde. Rose war wirklich noch ganz jung, gerade mal Anfang zwanzig, hatte den Haushalt aber perfekt im Griff.

Tatsächlich war sie gerade vom Einkaufen zurück, als ich in die Küche kam, und ich half ihr dabei, die Nahrungsmittel in den Schränken zu verstauen.

»Ist Miss Ramsay angekommen?«, erkundigte sie sich, während sie eine Packung Mehl ganz oben in den Vorratsschrank räumen wollte. Sie war höchstens eins sechzig und kam an das Regalbrett nicht ran, obwohl sie sich auf die Zehenspitzen stellte.

Schmunzelnd nahm ich ihr die Mehlpackung ab und stellte sie oben in den Schrank. Es hatte seine Vorteile, größer als der Durchschnitt zu sein.

»Japp, Miss Ramsay ist angekommen«, bestätigte ich.

Irgendwas in meinem Gesicht musste verraten haben, dass ich mich darüber nicht freute.

»Hmm, aber mögen Sie denn Miss Ramsay nicht?«

Stirnrunzelnd sah ich Rose an. »Wieso sollte ich sie mögen? Oder auch nicht mögen?«

Sie legte den Kopf schief wie ein Küken und sah mich prüfend an. »Ich dachte, Sie wären ein Paar und würden hier einen romantischen Urlaub verbringen.«

Belustigt schnaufte ich und nahm einen Apfel aus dem Obstkorb. »Nein, das sind wir nicht. Ich kenne sie kaum. Und ich hatte auch nicht mit ihrer Ankunft gerechnet.«

Rose zuckte mit den Achseln und verstaute die Einkaufstaschen in der entsprechenden Schublade. Zufrieden sah sie sich um. Alles war weggepackt.

In den wenigen Tagen, die ich hier war, hatte ich die junge Frau bereits in mein Herz geschlossen. Sie erinnerte mich an meine kleine Schwester Josy, die mittlerweile in Neuseeland lebte und dort studierte. Nur dass Rose' Haar die Farbe von nassem Sand aufwies und ihre Augen so grau waren wie der englische Himmel die meiste Zeit, während meine Schwester genauso dunkles Haar wie ich selbst und eine ähnliche Augenfarbe hatte.

»Aber Sie müssen schon zugeben, dass Miss Ramsay sehr hübsch ist«, meinte Rose nun.

Sie hatte sie sicher auf Davids und Noras Hochzeit gesehen und erinnerte sich daher an sie.

»Das ist sie allerdings«, sagte ich seufzend.

»Kann ich etwas helfen?«

Ich zuckte zusammen.

Meghan stand in der Tür.

Na toll, hatte sie gehört, was wir gerade besprochen hatten?

Sie hatte sich umgezogen. Nun betonte eine enge Jeans ihre wohlgeformte Figur und ein weißes Tanktop, das jedoch einen Blick auf den Ansatz ihrer Brüste bot.

Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Ich war nicht sehr begeistert über ihr plötzliches Auftauchen.

»Wir sind gerade fertig geworden«, verkündete Rose gut gelaunt. »Und ich denke, ich werde Ihnen beiden ein ganz tolles Abendessen kochen. Haben Sie denn Hunger?«

»Klar, ich hab immer Hunger«, erwiderte Meghan ebenso heiter und kam herein.

Mir wurde es plötzlich zu eng, obwohl die Küche wirklich sehr geräumig war. »Hab noch was zu erledigen«, murmelte ich und ließ die Ladys hinter mir.

Mir stand der Sinn danach, eine Runde mit dem Bike zu fahren. Möglichst weit weg, das würde mir hoffentlich einen klaren Verstand verschaffen. Den brauchte ich unbedingt, wenn ich mit Meghan Ramsay unter einem Dach wohnen sollte.

5. Meghan

Rose bestand darauf, das Essen allein zu kochen, denn immerhin hätte ich nun Urlaub und sollte meine freie Zeit genießen. Ich hatte das Gefühl, dass es der jungen Frau Freude bereitete, für uns zu sorgen, zumal ja sonst nicht viel auf diesem Anwesen los war, außer wenn Dave und Nora herkamen.

Also ließ ich sie in der Küche allein und machte einen kleinen Rundgang durchs Haus. Es hatte sich nicht viel geändert in den letzten Monaten. Die Möbelstücke, einige davon antik, schienen dieselben zu sein wie vor der Renovierung. Die Wandfarben waren neu. Das Wohnzimmer war nun dunkelpetrol gestrichen. Das gefiel mir, weil es so einen altmodischen und doch gleichzeitig modernen Charme hatte.

Der Fernseher war allerdings neu. Für gewöhnlich hatte ich nicht viel Zeit, um fernzusehen. In diesem Urlaub aber würde ich vielleicht die Gelegenheit nutzen, ein paar Filme anzusehen, die ich bisher verpasst hatte, von denen aber alle redeten.

Außerdem gab es zwei Regale mit Büchern, die ich mir interessiert ansah. In dem einen befanden sich Klassiker, wie Jane Austen, Mary Shelley und Shakespeare. Das andere Regal beherbergte modernere Literatur, von Thrillern über Liebesromane bis zu Science-Fiction. Eine interessante Mischung.

Sobald ich mein mitgebrachtes Buch zu Ende gelesen hatte, war für weiteren Lesestoff also ausreichend gesorgt.

Ich schlenderte weiter durch den Flur und hielt vor einer Tür, die zum Arbeitszimmer führte, wenn ich mich recht erinnerte. Und gab es dort nicht diese Sammlung von Whiskeys? Ich wollte einen Blick hineinwerfen, um festzustellen, ob ich recht hatte, aber die Tür war abgeschlossen.

Nun gut, die Besitzer wollten also nicht, dass man hier einfach hineinging. Das war natürlich vollkommen in Ordnung. Ich hätte auch nicht gewollt, dass jemand meinen ganzen Privatkram durchforstete.

Da ich meinen Rundgang im Haus beendet hatte, ging ich hinaus in den Garten. Wieder bewunderte ich die blühende Pracht. Der Frieden, den dieser Ort ausstrahlte, entfaltete schon jetzt seine Wirkung auf mich.

Natürlich hatte ich sofort Nora angerufen, als ich vom Strand zurückgekommen war. Sie hatte sich tausendfach bei mir entschuldigt, weil sie nicht gewusst hatte, dass Dave bereits Jeremy nach Cornwall geschickt hatte. Jeder der beiden hatte einem guten Freund einen Gefallen tun wollen. Hätten die beiden sich mal dabei abgesprochen ...

Aber nun gut, das Anwesen war groß genug. Ich würde diesem Griesgram aus dem Weg gehen können. Eigentlich hätte es durchaus ein angenehmer Zufall sein können. Jeremy Woods sah verboten gut aus. Er hatte eine sehr männliche Ausstrahlung, dazu noch ein leicht exotisches Aussehen und einen wirklich absolut traumhaften Körper. Ein erotisches Abenteuer wäre quasi das Sahnehäubchen für meinen Urlaub gewesen.

Ich hatte mich in den letzten Jahren so sehr in meine Arbeit vertieft, dass ich mich kaum noch daran erinnerte, wie es sich anfühlte, von einem Mann in den Armen gehalten zu werden. Bei dem Gedanken lachte ich über mich selbst.

Früher hatte ich den ein oder anderen One-Night-Stand gehabt, der nicht gerade umwerfend gewesen war. Beziehungen waren viel angenehmer, da man länger Zeit hatte, sich aufeinander einzustellen. Andererseits waren sie auch viel zeitaufwendiger. Womöglich war ich eher der Typ für eine zwanglose, aber doch fortdauernde Affäre. So konnte jeder seinen Freiraum genießen, und für die Bedürfnisse des Körpers war dennoch gesorgt.

Meine Haut kribbelte bei der Vorstellung, von Jeremys kräftigen Händen gestreichelt zu werden. Einen kurzen Eindruck davon, wie es war, von ihm berührt zu werden, hatte ich bekommen, als er mich am Strand an den Schultern gepackt hatte.

Oh yes, Jeremy war sehr attraktiv. Aber was nutzte die perfekte Verpackung, wenn sich darin ein schlecht gelaunter Inhalt verbarg?

Natürlich wäre es eine Herausforderung, diesen Inhalt dazu zu bringen, sich nicht mehr von seiner tristen Seite zu zeigen. Ihn zum Lachen zu bringen, wäre ein Anfang. Wenn ich es dann auch noch schaffte, dass er mich interessant fand, hätte ich mir selbst bewiesen, dass ich als Frau durchaus noch begehrenswert und nicht nur die toughe Geschäftsfrau war.

Ich würde meinen Plan sofort beim Abendessen angehen. Mit einer Flasche Wein und einem hübschen Kleid sollte das ja wohl kein Problem sein.

In meinem Gepäck befanden sich hauptsächlich legere Sommersachen. Ich hatte nicht vorgehabt, groß auszugehen. Aber eines der Kleider war ein kleines Schwarzes, was zu jeder Gelegenheit passte. Es war aus einem angenehmen Stretchmaterial, passte sich also jeder meiner Rundungen an und brachte das Dekolleté hervorragend zur Geltung. Eigentlich hatte ich vorgehabt, es etwas sportlicher mit einer Jeansjacke zu tragen.

Für mein heutiges Vorhaben wählte ich einfach nur meine Goldkette mit dem Anhänger, der einer Rosenknospe glich. Mit meinem Haar musste ich zum Glück nicht viel anstellen. Dank eines hervorragenden Friseurs, der meiner Mähne einen praktischen Stufenschnitt verpasst hatte, brauchte ich es nur durchzuschütteln, sodass es mir sanft gewellt über die Schultern fiel.

Zum Abschluss trug ich noch etwas Make-up auf, nur ein wenig Puder für die glänzenden Partien, Wimperntusche und einen Lidstrich. Auf die Lippen tupfte ich farbloses Lipgloss. Gelassen betrachtete ich mein Spiegelbild.

Ich war mehr als zufrieden mit dem, was ich sah. Wenn Jeremy hierauf nicht ansprang, würde ich wohl noch öfter im Bikini durch die Gegend laufen.

Der Gedanke brachte mich zum Schmunzeln, und ich begab mich auf die Suche nach ein paar Schuhen, die zum Outfit passten. Pumps wären absolut drüber gewesen. Ich hieß nicht Julia Roberts und wollte keinen Millionär verführen. Für Sandalen wurde es allmählich aber zu frisch. Also entschied ich mich für meine schwarzen Sneaker.

Der Geruch von Essen begrüßte mich, als ich mein Zimmer verließ. Er lockte mich hinunter in die Küche, in der ich eine vor sich hin summende Rose vorfand.

»Ist gleich alles fertig, Miss Ramsay.« Sie hob den Blick und stieß einen Pfiff aus. »Meine Güte, Sie sehen toll aus!«

»Ach was, das alte Kleid. Kann ich behilflich sein? Den Tisch decken?«

Rose schüttelte den Kopf und legte ihre geblümte Schürze ab. »Alles schon erledigt. Sobald Mr Woods zurückkehrt, können Sie gemeinsam essen. Ich habe im Salon alles bereitgestellt.«

Der Salon befand sich direkt neben dem Wohnzimmer und war nur durch eine breite Schiebetür davon getrennt.

Rose hatte es wirklich gut gemeint und sogar einen Kandelaber mit Kerzen aufgestellt. Es fehlten allerdings Weingläser.

Also kehrte ich zurück in die Küche.

»Rose, können Sie mir sagen, wo die Weingläser sind? Gibt es Rotwein oder weißen?«

Die junge Frau lächelte entschuldigend. »Es gibt keinen Wein zum Abendessen.«

»Oh«, entfuhr es mir.

»Aber ich habe einen sehr guten Apfelsaft bekommen, von einem Kelter aus dem Dorf. Er steht im Kühlschrank. Möchten Sie, dass ich ihn bereits serviere?«

»Schon gut, ich nehme ihn selbst mit.«

Apfelsaft zum Abendessen. Wie alt waren wir? Zwölf? Aber gut, es würde bestimmt auch ohne Wein ein schöner Abend werden.

»Es ist nun alles vorbereitet, Miss Ramsay. Wenn es okay für Sie ist, werde ich Feierabend machen.« Eine zarte Röte überzog ihr junges Gesicht. »Mein Freund hat mich ins Kino eingeladen, und ich wollte mich noch frisch machen.«

»Natürlich«, sagte ich rasch. Sie war weder meine Dienerin noch meine Angestellte. Sie war mir keinerlei Rechenschaft schuldig. »Ich wünsche dir einen angenehmen Abend, liebe Rose. Und nenn mich doch bitte Meghan.«

Erleichterung zeigte sich auf ihrem Gesicht. »Danke, Ihnen ebenso. Aber ich würde Sie trotzdem gerne beim Nachnamen nennen. Das hat mir meine Großmutter so beigebracht.«

Ich wunderte mich ein wenig über die Umgangsformen der Engländer, die mir manchmal doch sehr veraltet vorkamen, und wartete noch, bis sie das Haus verlassen hatte, bevor ich einen Küchenschrank nach dem anderen öffnete. Es war tatsächlich kein Tropfen Alkohol in diesem Haus zu finden. Interessant. Nun gut, ich brauchte keinen Alkohol, um gute Laune zu haben.

Ob das auch für meinen heutigen Dinnerpartner galt, wagte ich nicht zu sagen. Eigentlich hatte ich mir vorgestellt, dass ein Glas Wein, die Stimmung etwas auflockern würde. So musste ich allein mit meinem Charme punkten.

Immerhin roch das Essen wirklich köstlich. Ich warf einen neugierigen Blick in den Ofen, in dem sich ein Auflauf befand.

Es fehlte nun nur noch Jeremy. Wenn er nicht bald auftauchte, wäre der Auflauf dahin. Und meine Laune auch.

Das wollte er ganz bestimmt nicht erleben.

6. Jerry

Es war dunkel, als ich in die Auffahrt einfuhr. Ein Kleinwagen kam mir entgegen, und ich musste einen scharfen Schlenker fahren, um eine Kollision zu vermeiden. Fluchend stellte ich das Bike ab und sah in die Richtung, in der das Auto verschwunden war. So ein Trottel, den Führerschein hatte er wohl auf dem Rummelplatz gewonnen.

Mit dem Helm unter dem Arm betrat ich den Seitengang des Hauses. Der Duft von Rose' Cottage Pie empfing mich, und mein Magen knurrte lautstark. Ein Blick in den Ofen offenbarte mir, dass er nun perfekt war, um gegessen zu werden.

Dann fehlte nur noch das Weibsbild, mit dem ich das Essen teilen sollte. Die Fahrt mit dem Motorrad, hatte meine Gedanken klarer werden lassen. Ich sollte einen großen Bogen um Meghan Ramsay machen. Ich hatte keine Lust, in ein kleines Zimmer in einem winzigen Bed and Breakfast zu ziehen. Ich war immerhin zuerst hier gewesen, und das Anwesen sollte groß genug sein, dass wir uns nicht alle fünf Minuten über die Füße laufen mussten.

Wir würden uns schon irgendwie einigen können, wir waren immerhin erwachsene Menschen.

Ich fand die erwachsene Frau, wie sie vor der Tür von Davids Arbeitszimmer hockte und versuchte, mit einer Haarnadel das Schloss zu knacken.

»Was zur Hölle machst du da?«, entfuhr es mir.