Der Autor:

Hans-Arved Willberg

Jahrgang 1955, Trainer, Dozent, Publizist.

Er wohnt in Etzenrot bei Karlsruhe.

www.life-consult.org

E-Mail: willberg@life-consult.org

Hans-Arved Willberg

Rom sehen und doch
nicht sterben

Ein satirischer Reisebericht

Edition Life Consult

Books on Demand

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN: 978-3-7322-1258-3

Fotografien: Petra Gebhardt, H.A. Willberg. Quelle des Zitats auf S. →: Marc Aurel, Selbstbetrachtungen, aus d. Lat. v. O. Kiefer, mit einem Vorwort v. K. Sallmann (Insel: Frankfurt a.M., 1995).

© 2013 Life Consult SPS KG, Pforzheimer Str. 186, 76275 Ettlingen.

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Herstellung und Verlag: BoD - Books on Demand, Norderstedt.

Inhaltsverzeichnis

1.

Auch dieses Mal reisten wir billig. Fast kam uns das teuer zu stehen. Das deutete sich schon vor der Reise an. Ich hätte nämlich das Onlineticket des Billigfliegers so genommen, wie es war. Ich wäre am Flughafen mit dem Ausdruck zum Schalter gegangen und hätte erst mal Strafe zahlen dürfen. Dann wäre der Flug nicht mehr so günstig gewesen. Petra las wohl noch ein Kleingedrucktes. Darum quälte sie sich und mich durch das Zusatz-Online-Formular zur Zusatzbestätigung. Es dauerte eine Weile. Ich weiß nicht, was sie da alles von uns wissen wollten, auf jeden Fall zu viel. Der Flug wäre dann wunderschön gewesen; so wolkenlos habe ich die Alpen bei der Überquerung noch nie gesehen.

Aber der Billigflieger hatte ein finanzielles Problem. Deswegen war er in Panik. Manche Leute reden ohne Ende, wenn sie in Panik geraten. Der Billigflieger hatte mehrere synthetische und wahrscheinlich auch ein paar echte Menschen an Bord, die das für ihn besorgten. Die neunzig langen Minuten, die wir ihm nicht entrinnen konnten, beschmeichelte und bebettelte er uns durch die Sprechanlage. Wir sollten uns doch auf gar keinen Fall seine allerbesten und allerbilligsten zollfreien Köstlichkeiten entgehen lassen. Wir würden es sonst bitter bereuen. Und außerdem gebe er uns die einmalige Chance, uns als gute Menschen zu erweisen. Wir dürften nämlich freundlicherweise Lose kaufen. Damit würden wir seinen armen Kindern helfen. Es machte mich etwas betroffen. Ich wusste nicht, dass der Billigflieger auch arme Kinder hatte. Seine Not schien sehr groß zu sein.

Der Billigflieger war sehr bemüht, dass auch nicht eines seiner Worte ungehört verklang. Darum sagte er immer alles hintereinander in drei Sprachen. Auf einem Langstreckenflug hätte er sicher noch viel mehr Sprachen eingesetzt, aber leider nimmt das zu viel Zeit in Anspruch, wenn so viel anzupreisen ist und nur neunzig Minuten zur Verfügung stehen. Da muss man schon gut kalkulieren.

In den wenigen Sprechpausen packte die Crew ihre Vorräte aus, stapelte sie turmhoch auf ihre Wägelchen, presste sie durch den Gang und bot sie feil. Es ist klar, dass es verkaufstechnisch nicht günstig ist, gleichzeitig feilzubieten und über die Sprechanlage Durchsagen zu machen. Dadurch entstanden die Sprechpausen.

Im Nachhinein verstehe ich nun auch, warum sie so viel Gewicht auf das Gewicht unseres Handgepäcks beim Einchecken legten. Da waren sie richtig streng und ich sah manche Passagierin, die leichenblass und zitternd unter dem erbarmungslosen Blick eines bedrohlich uniformierten Sicherheitsmenschen mitten in der Eincheckschlange, kurz bevor man zum Bus geht, auf dem Boden kniete und verzweifelt ihr Handgepäck durchwühlte, um dem Billigflieger ihre Opfergabe darzureichen. Auch Petra hatte davor große Angst. Wahrscheinlich tat der Billigflieger das aus zwei Gründen: Zum einen wollte er sicherstellen, dass im Handgepäck noch viel Platz für seine zollfreien Köstlichkeiten übrig sei. Und zum anderen sammelte er die Opfergaben, um sie auf dem Flohmarkt für seine notleidenden Kinder zu verkaufen. Vielleicht wollte er auch das Trostbedürfnis seiner Passagierinnen dadurch fördern, als Kaufanreiz gewissermaßen, denn wer Trost braucht, lässt sich leichter zu seinem Glück nötigen.

Und außerdem: Sehr viel essen und trinken sollten wir! Der Billigflieger schien sehr um uns besorgt zu sein, dass wir die lange Zeit in seiner Billigmaschine sonst nicht unbeschadet überstehen würden. „Es sind doch nur neunzig Minuten!“ rief ich Petra zu, die mich aber nicht verstehen konnte, weil uns gerade die nächste Durchsagewelle tosend überrollte. Ich versuchte ohne Petra darüber nachzudenken, aber es fiel mir schwer bei diesem Lärm. Mir dämmerte etwas. Der Billigflieger hatte schon vor dem Start auffallend eindringlich auf die Möglichkeit einer Notlandung im Meer hingewiesen und darauf, was wir dann zu tun hätten. Zum Beispiel sollten wir gleich mal die Schwimmwesten testen, die befänden sich unter den Sitzen. Ich fand beides schwierig: Weder würden wir meines Wissens über das Meer fliegen noch war es mir möglich, an meine Schwimmweste heranzukommen, denn die Sitze in der Billigmaschine des Billigfliegers waren eigentlich nur für sehr kleine Menschen mit sehr kleinen Beinen gemacht. Irgendwie hatte ich mich doch hineinzwängen können, aber danach klemmte ich. Jetzt erst kam mir, dass sie uns mit der Wasserlandung nur Angst machen wollten. „Stell dir mal vor“, war die subtil latente Botschaft, „du schwimmst da tage- und nächtelang einsam auf dem Meer herum in deiner blöden Schwimmweste. Und hast dich zuvor hier nicht vollgefressen - zu unserem einzigartig billigen Billigfliegerextratarif! Und dann verhungerst du da einsam auf dem Mittelmeer, kurz vor der Rettung. Aber die andern, die auf uns gehört und sich vorsorglich vollgefressen haben, die überleben. Wie bitter wirst du es bereuen!“ Da fiel mir wieder ein, dass eine dieser Billigfliegermaschinen gerade eben dieses Billigfliegers neulich fast abgestürzt wäre, weil der Pilot sich ein bisschen in der Höhe verrechnet hatte vor dem Landen, ein bisschen arg. Die Billigfliegerpiloten hätten halt manchmal auch ziemlich viel Stress, hieß es in den Nachrichten, weil sie, damit dem Billigflieger bloß kein Cent entgeht, die ganze Zeit hin und her fliegen müssen. Was, wenn es nun diesem hier auch so ginge? Rom liegt gar nicht weit vom Meer entfernt. Vielleicht verrechnen die sich wirklich öfter? Das erste Mal in meinem Leben bekam ich Flugangst. Ich rang nach Atem, um in letzter Not die Schwester zu rufen, ach Quatsch, Stewardess sagt man natürlich in diesem Fall. Ich sei bekehrt und sähe alles ein und sie möge sich doch bitte erbarmen und mir noch ganz schnell ein ganz großes Essen und vor allem einen zollfreien doppelten Whisky servieren. Egal, zu welchem Preis. Aber da waren wir schon angekommen.

Mein Fazit: Dieser Billigflieger scheint sehr, sehr arm zu sein.

Ciao Roma!

2.

Am nächsten Morgen wollten wir uns ein bisschen an den neuen heiligen Franziskus herantasten, den sie vor ein paar Wochen erst zum Papst gemacht hatten, und dafür bei seinem schönen großen Museum beginnen. Es war sehr kalt und nass, aber dafür können die Römer nichts. Wir merkten gleich, wie einfach die Stehplatzsuche in der Metro ist: Man stellt sich in den Menschenwust, der aus dem Bahnsteig in die Gänge quillt. Man kann ja auch gar nicht anders. Das Übrige geht automatisch. Der Wust drückt dich irgendwie rein.

Wichtiger Überlebenshinweis für Romreisende!