Stand 05. Juni 2011
Von Peter hatte ich, Ingeborg, zum Geburtstag 2003 das Buch mit dem Titel „Samarkand - eine Reise in die Tiefen der Seele“ [Olga Kharitidi – List-Verlag] geschenkt bekommen. Irgendwann, ich weiß nicht mehr, wann genau ich es gelesen habe: Aber auf jeden Fall hatte es mich so angesprochen, wie die Hügel des Afrosiyob, die Basare in Samarkand beschrieben waren – ein „glanzvolles Antlitz der Erde“ - dass wir beschlossen, uns aufzumachen, das uralte Wissen um die Energie-Orte (aber auch die Orte der Zerstörung) tiefer zu ergründen. Viele Szenen spukten in meinem Kopf herum, mal mehr oder weniger präsent, bis aus der Idee tatsächlich eine Reiseplanung wurde.
Mit einigem Material – dem Reiseführer von Judith Peltz: „Usbekistan entdecken“. und einer Straßenkarte Zentralasien im Maßstab 1:1 700 000 und einigen Internetrecherchen hatte ich über Weihnachten eine mögliche Route abgesteckt, die Plätze die wir unbedingt sehen wollten und die ungefähre Zeitdauer. Aus den erst einmal geplanten drei Wochen waren dann im Endeffekt 15 Reisetage geworden. Dies war auch der Grund dafür, dass wir vorwiegend auf der „Touristenroute“ unterwegs gewesen waren und nicht fernab davon Menschen begegnet sind, die uns von unseren Gesprächspartnern als besonders liebenswert beschrieben wurden.
Zu diesem Buch ist es gekommen, weil wir mehrfach angesprochen wurden, ob wir nicht unsere Aufzeichnungen zu einem „Gesamtwerk“ zusammenfassen wollten. Peter schreibt nämlich zu jeder seiner Reisen Impressionen auf, die er danach einem kleineren Kreis von Lesefreunden per email zuschickt. Ich schreibe regelmäßig mein „Reisetagebuch“, eigentlich nur für mich / für uns, damit ich auch nach Jahren nochmals nachlesen kann, wo wir wann gewesen sind und was wir so alles gemacht haben.
Also: nun wagen wir einmal diesen Schritt eines gemeinsamen Projektes: Meine Aufzeichnungen sind tagebuchartig und chronologisch geschrieben – mit eigenem Bildmaterial angereichert - Peter´s Aufzeichnungen finden sich eingeschoben in einzelnen Boxen wieder; sie greifen einzelne Eindrücke kommentierend auf.
Ingeborg Pauli, Mai 2011
Unser „Projekt“ ist auf „Nachfrage“ entstanden, weil etliche Bekannte von uns wissen wollten, wie es denn so gewesen sei. Es ist also kein Reiseführer und auch keine Beschreibung Usbekistans als Bildatlas; es ist ein persönliches Reisetagebuch, das – vielleicht – vor dem Antritt einer Reise Land und Leute näher bringt.
Peter M. Kunz, Mai 2011
Direktflüge nach Tashkent gibt es ab Frankfurt nur mit der Usbekistan Airline, die im Winterhalbjahr zweimal wöchentlich direkt fliegt; ansonsten gibt es noch Möglichkeiten mit Lufthansa über Istanbul bzw. über Moskau nach Tashkent zu kommen (und natürlich noch viele auf dem Landwege). Da ich nicht so gerne fliege, war mir ein Non-Stop-Flug mit 6 Stunden weniger stressig – außerdem genießt die usbekische Fluggesellschaft einen ganz guten Ruf und nachträglich erfahre ich von einem Piloten, mit dem wir an unserem letzten Tag im Hotel in Tashkent ins Gespräch kamen, dass eine Fluggesellschaft, die Frankfurt anfliegen darf, schon über einige wesentliche Sicherheitsstandards verfügen muss, damit Sie überhaupt Start- und Landeerlaubnis bekomme. Also buchen wir Uzbekistan Airlines non stop.
Die Zeit vor der Abreise ist wie immer für mich hektisch und am Arbeitsplatz müssen alle Altlasten weg und Neulasten vorausschauend abgearbeitet werden, so dass ich von Glück sagen kann, dass ich doch noch gerade mal drei Tage vor dem Abflug in den Usbekistan-Reiseführer (Reise-Know how 2008) unter Reisetipps von A bis Z schaue und mir die Empfehlung, „US-Dollars mitzunehmen“ ins Auge springt. Es gäbe zwar Banken, aber die haben so gut wie keinen Cash, der Euro sei in Usbekistan fast nicht bekannt, Geldautomaten gäbe es so gut wie gar keine im Land und die Bevölkerung, vor allem außerhalb der Hauptstadt, akzeptiere nur Bares und zwar in Landeswährung dem SUM. Oh je: Wo kriege ich auf die Schnelle jetzt noch Dollars her? Bei meiner Online-Bank welche zu bestellen, war definitiv zu spät, das würde einen Tag vor Ostern per Post nicht mehr ankommen. Also habe ich die Sparkassen in der Umgebung abtelefoniert, ob es dort noch gut bestückte Barbestände an Dollars gäbe. Und tatsächlich: Bei der Kreissparkasse, gegen eine Bearbeitungsgebühr von 12 kann ich 1.000 € gegen 1.266 US-Dollar tauschen (was viel zu viel gewesen war, ich kann’s an dieser Stelle schon verraten, so viel Dollars hätten wir gar nicht gebraucht).
Karfreitag, 10 April 2009, Feiertag, wir haben ab heute Urlaub und freuen uns schon mächtig auf >irgendwie< ein „Abenteuer“: Ich kann in Ruhe meinen Koffer zuhause in Vaihingen an der Enz packen, meine Aquarien und die Zimmerpflanzen versorgen, um dann ganz gemütlich nach Mannheim zu fahren und gelassen auf „meiner“ „Insel“ – bei Peter „Am Oberen Luisenpark“ den Rest des Tages zu verbringen. In meiner „Oase“ mit schönem Blick auf einen mit alten Bäumen bewachsenen, trotzdem aber noch lichten Garten fühle ich, dass mein Urlaub beginnt, es kehrt Ruhe in mir ein.
Ausblicke und Einblicke – Weitblicke?
Bilder, die Karl May mir in meinen jugendlichen Kopf hineingeboren hatte (das wilde Kurdistan etwa), verbunden mit einigen Schwarz-Weiß-Filmen aus dem Vorabendprogramm als es erst zwei Fernseh-Programme gab, und jüngere Erinnerungen an wuselige, arabische Märkte im Maghreb, schienen in mir auf und blitzten wieder ab, je länger ich mich in Usbekistan umgetan hatte: ich konnte die Phantasie in keiner Weise mit der Realität übereinander legen. Insofern war die Reise glatt ent„täuschen“d.
Eingetauscht habe ich aber dafür viele reale Bilder einer weiteren zentral-asiatischen, ehemaligen Sowjetrepublik (ich war 2003 bereits einmal in Kirgisistan und kurz in Kasachstan gewesen). Ich habe einen Stachel gesetzt bekommen, einmal mehr darüber nachzudenken, wie politische Systeme kulturelle Eigenheiten übertünchen können. Usbekistan war für mich wie ein Film mit Untertiteln, zusammengesetzt aus farbigen und schwarz-weißen Szenenausschnitten, wie man es kennt, wenn der Regisseur historische Einblendungen vornimmt.
Das lebendige Usbekistan sind überwiegend „junge Menschen“, deren Gesichtszüge Zukunftsoffenheit ausstrahlen.
Sie werden diese Orientierung „offen für die Zukunft“ auch brauchen, besonders rosig sieht sie nämlich aktuell nicht aus.
Können sie sich ihr Lächeln im Gesicht bewahren? Und bringen sie ihre Handy-Kultur mit der Plumpsklo-Kultur und der Diktatur unter einen Hut? wird eine zentrale Frage sein.
Transfer zum Flughafen Frankfurt Main
Direktflug mit Uzbekistan Airways HY232 ab FRA 11:40 Uhr nach Tashkent TAS 20:40 Uhr
Übernachtung im Hotel Intercontinental Tashkent
So steht es im Reiseplan. Die Nacht war etwas unruhig – Reisefieber, aber das ist ganz normal. Wir wachen ohne Wecker auf. Das Taxi zum Bahnhof ist auf 8.10 Uhr bestellt und eine halbe Stunde später sitzen wir im ICE von Mannheim nach Frankfurt Flughafen. Wir sind früh, so dass wir noch genügend Zeit haben, uns mit einem Rührei-Frühstück zu stärken. Von hier haben wir einen schönen Blick auf die startenden und landenden Flugzeuge … und einen frühlingshaften, blauen Himmel.
Wir checkten pünktlich ein, müssen allerdings in der Maschine noch auf Fluggäste aus dem Transit warten. Die Maschine war halb leer, so dass jeder von uns einen Fensterplatz nutzen konnte. Nach 6 Stunden Flugzeit und 3 Stunden Zeitverschiebung kamen wir um 21.05 Uhr in Tashkent an. Durch die Passkontrolle waren wir schnell durch, unser Gepäck war auch vollständig angekommen. Am Ausgang trafen wir einen freundlichen, auf mich schüchtern wirkenden jungen Mann mit einem Täfelchen mit unseren Namen, der uns zum Hotel bringen würde. Der „Reiseführer“ hatte recht: Nicht einmal am Flughafen sehe ich einen Bankautomaten oder Geldwechselschalter.
Wir fuhren in gut 15 Minuten durch das nächtliche Tashkent, das im ersten Eindruck aufgeräumt wirkte und mich an Bischkek, Hauptstadt von Kirgisien, erinnerte, das wir vor fünf Jahren besucht hatten. Angesichts der ähnlichen Plattenbau-Bauten sehen wohl alle ehemaligen russischen, eigentlich korrekt: sowjetischen Städte für mich ähnlich aus. Im Hotel Intercontinental (5*) hatten wir ein richtig schön großes Zimmer, mit Badewanne zum Ausspannen vom Flugzeugsessel. Rasch ging es aber dann ins Bett, da die Nacht nur kurz für uns gewesen war.
Die Geldfrage
Es heißt zwar bei uns „Sum-Sum-Sum, Bienchen flieg herum“, doch die usbekischen Zahlungsmittel kann man in Deutschland nur sehr aufwändig organisiert bekommen, obwohl sie –man staune – in deutschen Notendruckereien hergestellt werden.
Wie wir auch in Erfahrung bringen konnten (es gibt eine deutsch-usbekische Gesellschaft, deren Präsidentin geduldig Auskunft über meine gestellten Fragen per email und Telefon gegeben und mir auch sonst noch wichtige Hinweise und Ansprechpartner vermittelt hatte), kann man am Flughafen nur Sum (Name der Landeswährung) schwarz kaufen, wovon sie uns abriet. Es gibt keine Automaten, wo man mal eben eine Plastikkarte reinsteckt und Geldnoten ausgelesen werden. US-Noten sind zwar im Umlauf, man darf oder soll damit aber nicht bezahlen (beispielsweise machen Folder auf Hotelrezeptionsdresen darauf aufmerksam, dass nur Sum cash genommen werden).
Ungewohnt für uns zwar, aber nun denn, sind wir quasi „ohne Geld“ von einem Fahrer der von uns beauftragten Reiseorganisation (wir organisieren unsere Reisen über LESSER in Baden-Baden, der uns nach unseren Wünschen von lokalen Reiseunternehmen Entsprechendes individuell zusammenstellen lässt) ins Hotel Intercontinental gebracht worden. Nach dem etwas langwierigen Einchecken am Counter, was ich Phlegma, jugendliche Unerfahrenheit gepaart mit geistiger Uniformiertheit in Hoteluniform zugeschrieben habe, hatten wir zwei Zimmerplastik-Kärtchen in Händen – aber immer noch kein Geld.
Also wechselten wir den Counter, man zeigte uns, dass es hinter einer der tragenden Säulen des Hotels hinter einer Glasfront „money“ gäbe. Der IKEA-Rollo war aber heruntergelassen, obwohl angeschrieben stand, dass erst von 1 bis 2 Uhr in der Früh wieder eine Bankpause eingelegt werden würde. Sozialismus hin oder her – ich klopfte an die Scheibe und ein Maunzen von zwei bildhübschen Geldzählerinnen bedeuteten mir, dass wir gleich unsere 300 $ in Sum tauschen dürfen können würden.
Angesichts des Schatzes Fata Morgana hinter der Glasscheibe geduldeten wir uns und mussten auch gar nicht so lange vor den uniformierten staatlichen Bankdamen stramm stehen, um nach endlicher Zeit einen „Backstein“ mit ca. 25 mal 50 Zentimeter Geldscheinen á 1.000 Sum vor uns zu haben, die insgesamt 584.000 Sum zählten. Wir hatten keine Plastiktüte oder Ähnliches dabei, so dass ich notgedrungen – und kam mir vor wie Dagobert Duck – mir die Bündel á 100.000 Sum in die Manteltaschen stopfte, aus denen sie hervorquollen wie bei den Panzerknackern nach einem gelungenen Coup. Schnell verschwanden wir mit dem gläsernen Fahrstuhl in unser Zimmer und legten die Bündel – ohne nachzuzählen (ich glaub´, das war bisher das erste Mal) – in den Safe und gingen schlafen. Seit dieser Nacht kann ich dem Dagobert nachfühlen, dass viele Scheine das Gemüt beruhigen.
Wenn ich jetzt noch aufschreibe, dass wir nach 15 Tagen am Ende der Reise im Flughafen unsere restlichen Sums nicht los geworden waren und immer noch davon ein paar Sums im Reisegepäck angekommen in Deutschland hatten, dann korreliert der Mathematiker unter den Lesern, dass – zumindest manches Mal – viel Schein auch Sein ist.
Nichtsdestotrotz hat es eine Weile gedauert, bis wir ein „Gefühl“ für das Geld hier bekommen haben: wir haben in Nukus auf dem Basar eingekauft wie die Paschas, da die Schätze der Lebensmittelanbieter einfach viel zu verlockend waren: geschälte ganze Walnüsse, getrocknete Aprikosen, Zitrusfrüchte aus dem Ausland kosteten ein Vermögen und uns fast nichts.
Ich denke, dass usbekische Menschen in unseren Spielcasinos gute Arbeitsmarkt-Chancen finden würden –mit welcher Geschwindigkeit sie manuell Geld durch ihre Finger gleiten lassen und Geld zählen können, zeugt von hoher Sportlichkeit und mathematischer Brillanz. Und wo diese fehlt, gibt es Zählmaschinen: Wir standen mal wieder (am Ende der Reise) vor dem Counter der geistig etwas unter genügend Licht herangewachsenen Livrierten mit der Macht von Hilfs-Sheriffs und warteten darauf, dass wir die Hotel-Check-Ins unterschrieben bekamen, die man bei der Ausreise am Zoll vorzeigen muss. Im Hintergrund dazu spielte sich die folgende Szene ab: eine junge Frau im blauen Kostüm schleppte eine Maschine an den Tresen und brachte einen Pappkarton herbei, der bei uns jenen handlichen Supermarkt-Kunststoff-Klappkisten vom Volumen her entspricht, nur dass dieser mit einem undurchsichtigen Material abgeschirmt war. Vor dem Tresen stand ein netter Mann im Anzug mit zwei dicken Plastiktüten, aus denen er im Rhythmus eines Walzertänzers stapelweise Geldscheine auf den Tresen hiefte, welche die besagte Blaue in einen Zählautomaten legte, um das Gekröpf des Automaten anschließend in der Box zu verstauen.
Angesichts der Übernachtungspreise von über 200 US-$ pro Nacht im Doppelzimmer fantasierte ich mir zusammen, dass hier ein Vertreter eines deutschen Reiseunternehmens die Hotelrechnung für 10 oder 20 Reisende (GEBECO, STUDIOSUS und wie sie alle heißen, sind uns Kohortenweise begegnet) cash bezahlt hat – auch ein Art, wie man ein abendfüllendes Programm gestalten kann.
Transfer zum Flughafen, Check in 05:15 Uhr, Flug HY1001, Inlandsflug nach Nukus. Ankunft 09:45 Uhr. Abholung durch Fahrer
Fahrt nach Moynak (210 km, ca. 3 Std mit Auto) 2 Übernachtungen im Gästehaus.