And my Dank goes to …

Seit ich bewusst alle Danke-Seiten von Büchern lese, träume ich davon, auch einmal eine eigene zu verfassen. Hier ist sie:

Ich danke neben den üblichen Verdächtigen wie Kindern, Partnern, Eltern, Freunden, Kollegen, Verlagsmitarbeitern (ernsthaft, die sind alle ganz großartig) und Verwandten vor allem:

Eugen Roth, der mich mit seinen „Ein Mensch …“-Gedichten schon früh beflügelt hat, eine innerfamiliäre Reimkultur aufzubauen.

Mark Twain und Oscar Wilde, stellvertretend für alle Zitatengeber, die in der Lage sind, in kurzen Sätzen eine ganze Weltanschauung zu verpacken.

Bill Watterson, denn Calvin und Hobbes sind das beste Team seit Dick und Doof.

Derek Landy, dessen Bücher über den Skelettdetektiv Skulduggery mich seit Band 1 nahezu täglich begleiten.

Der besten Geschichtenerzählerin der Welt: Katze Krümel. Sie ist mir nicht nur Inspiration und Muse und daher in verschiedenen meiner Geschichten verewigt, sondern auch unser wichtigstes vierbeiniges Familienmitglied, das uns selbstverständlich alle in der Pfote hat.

Den (Un-)Kräutern in meinem Garten, die mir stetig und verlässlich vor Augen führen, was vergebliche Liebesmüh ist. Und warum das gar nicht schlimm ist.

Den wortgewaltigsten Schriftstellern, die ich kenne, Walter Moers und Patrick Rothfuss, die mich aus jeder Schreibblockade holen, sowie dem Känguru (von Marc-Uwe Kling), dem witzigsten Philosophen aller Zeiten.

Und nicht zuletzt den fröhlichen Mitarbeitern unserer Discounter-Filiale, wo ich zunehmend mehr Bioprodukte für mein Gewissen und meine Überzeugung und ausreichend Schokolade für meine Weltschmerztage finde.

Anhang

Alphabetisches Verzeichnis der Geschichten

Auch Krokodile können küssen 69

Das Baumkrokodil 86

Das Delfinschwein 39

Das Eichhörnchen 58

Das Gießkannenprinzip 40

Das Kriegsbeil verstecken 91

Das Motschekiebchen 77

Das ph-f 83

Das Regal oder: Die unendliche Geschichte 72

Der Ameisenplanet 80

Der gelassene Drache 91

Der Geschichtenerzähler 73

Der Geysir 90

Der Grummelbauchbär 49

Der Schulterkobold 61

Der Taucher 52

Die Bienenheizung 47

Die Bordmöwe 84

Die Kuscheldecke 67

Die Rennschildkröte 65

Die Verwechslung 42

Fliege und Löwe 59

Frisch gewaschen 13

Gewohnheitstier 76

Hefekucheneffekt 64

Ich will so bleiben, wie ich bin 62

Jetzt erst recht! 75

Katzenkrallen 94

Muggs, das neugierige Murmeltier 54

Schildkröten pflanzen 40

Seelenflug 79

Tranceinduktionen 100

Vorgeschlagene Indikationen

Abhängigkeit 72

Abschied 79

Achtsamkeit 47, 77

ADHS 47, 64, 80

Aggression 90

Akzeptanz 78

Anderssein 40, 84

Ängste 52, 83, 91

Asthma 52

Aufmerksamkeit 61

Bauchschmerzen 49

Chance 73

Eigenverantwortung 62

Einsamkeit 13

Enttäuschung 90

Fehlerkultur 83

Freundschaft 94

Frust 65

Geduld 47, 64

Glück 40

Herausforderungen 40

Hoffnung 47

Höhenangst 86

Identität 52, 73

Impulskontrolle 90, 47

Konzentration 61, 64

Krisen 73

Loslassen 69, 72, 78

Lösungssuche 76

Minderwertigkeitsgefühle 39, 40

Mobbing 59, 62, 64, 67, 80, 83

Motivation 40, 58, 72

Musterunterbrechung 76

Mut 86

Neuanfang 13, 79

Perfektionismus 52, 54, 78

Perspektivwechsel 77, 84, 86

Phobie 47

Problemstabilität 76

Psychosomatische Beschwerden 49

Schlafstörung 54

Schulangst 67

Schulunlust 65

Selbstbewusstsein 40, 59, 86

Selbsteinschätzung 40, 42

Selbstsicherheit 39, 73, 86

Selbstvertrauen 13

Selbstwert 39, 40, 52, 62, 67, 73, 80

Selbstwirksamkeit 40

Sinn 40

Sorgen 67

Tinnitus 61

Trauer 13, 79

Trauma 91

Überforderung 52

Übergänge 69

Unbeherrschtheit 91

Unentschlossenheit 42, 72

Ungeduld 65

Unruhe 54

Unsicherheit 39, 40, 59, 62, 91

Unzufriedenheit 42

Veränderung 77

Verhaltensauffälligkeit 91

Verletzungen 94

Verlust 69

Vertrauen 62

Vision 73, 80

Wut 90, 91

Ziele 58

Zwang 78

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1 Das therapeutische Erzählen

„Interessante Selbstgespräche setzen einen klugen Gesprächspartner voraus.“ (Walter Whitman)

Therapeutisches Erzählen: Wer, wie, was, wieso, weshalb, warum?

Einmal fragte mich ein Leser: „Was genau ist eigentlich eine Geschichte“? Ich konnte so spontan keine eindeutige Antwort darauf geben. Meist, wenn wir an Geschichten denken, fallen uns Märchen ein. Oder ein Band mit Kurzgeschichten. Oder erfundene Geschichten, die wir unseren Kindern oder Enkeln sonntags morgens im Bett erzählen. In der Regel verbinden wir mit dem Wort „Geschichte“ eine relativ kurze abgeschlossene Erzählung.

In der Literaturwissenschaft ist eine Geschichte eine mündliche oder schriftliche Schilderung, die auf Tatsachen oder Fiktion beruht.

Nicht nur andere Menschen erzählen mir Geschichten, sondern ich erzähle sie mir auch permanent selbst. Oder genauer, ein Teil von mir erzählt sie einem anderen. Jede Erinnerung, die ich in meinem Kopf abrufe und damit auch neu konstruiere, ist eine Geschichte. Jedes Selbstgespräch, jede Vorstellung von Zukunft, Pläne, die ich mache. Eigentlich fabriziere ich Geschichten am laufenden Band.

Geschichten wurden schon immer erzählt, und zwar lange bevor wir begannen, die Welt zu vermessen. Die australischen Aborigines erschufen ihre Welt sogar, indem sie sie erst erträumten und dann ersangen. Auch in Europa zogen Erzähler durchs Land und sorgten dafür, dass sich mithilfe von Geschichten, Sagen, Mythen und Märchen Wissen und Erfahrungen verbreiten konnten und sich so eine gewisse Orientierung in den frühen Tagen unserer Welt herstellte.

Das Geschichtenerzählen hat eine alte Tradition in allen Teilen der Welt, und die setzt sich bis in die heutige Zeit fort. Wer von uns erinnert sich nicht an die berühmten Märchen der Brüder Grimm, die Erzählungen von Hans Christian Andersen oder Wilhelm Hauff! Interessant ist im Zusammenhang mit Märchen auch, dass sich sehr ähnliche oder gar identische Motive in den Märchen einander völlig fremder Kulturen finden. So begegnen wir auch in der Märchenforschung Psychoanalytikern wie Carl Gustav Jung, der dieses Phänomen mit einem „kollektiven Unbewussten“ zu erklären versuchte, welches besagt, dass alle Menschen eine ähnliche psychische Grundlage haben müssten. So etwas wie ein weltumspannendes psychisches Erbgut. Und da hätten wir schon die ersten Verbindungsfäden zwischen Geschichten und Psychotherapie.

Die Prophetentexte des Alten Testaments, die Gleichnisse Jesu und die Geschichten der Rabbiner verknüpfen Unterhaltung mit spirituellen, pädagogischen und sozialtherapeutischen Anliegen. Durch die gesamte christliche, jüdische und muslimische Geschichte hinweg wurden Metaphern zielgerichtet verwendet, um effektive Impulse zum Lösen von Problemen zu setzen. Eine gut erzählte Geschichte – und denken Sie hier an die jüdischen Witze, die in aller Kürze oft ein ganzes Bündel von Weisheiten beinhalten – kann sich der Aufmerksamkeit der Zuhörer ziemlich sicher sein. Menschen versuchen stets, den Sinn hinter einer Metapher zu erfassen, den Kern des Erzählten zu begreifen und so die darin enthaltene Botschaft zu verstehen.

In dieser schönen Geschichte besucht Mosche seinen Rabbi, weil er wissen möchte, was genau denn eine Alternative sei. Der Rabbi freut sich, weil er mal wieder eine Geschichte erzählen kann und bittet Mosche sich vorzustellen, er habe einen Hahn und eine Henne. Mosche sagt sofort, das sei kein Problem und nun verstünde er, was eine Alternative sei. Aber der Rabbi schüttelt den Kopf und meint, Mosche solle mit Huhn und Hahn in die Eierproduktion einsteigen. Das leuchtet Mosche auch gleich als Alternative ein, denn die Eier kann er ja dann verkaufen. Umso überraschter ist er, als der Rabbi erneut den Kopf schüttelt und vorschlägt, dass, statt mit den Eiern einen schwunghaften Handel zu beginnen, er sie lieber ausbrüten lassen solle, um so eine große Hühnerzucht zu starten. Da strahlt Mosche, bedankt sich beim Rabbi, sagt, nun sei ihm das mit der Alternative so richtig klar und wendet sich ab, um nach Hause zu eilen und Hahn und Henne zu besorgen. Der Rabbi aber hält ihn am Ärmel fest und bedeutet ihm, nicht ganz so schnell zu sein denn, wenn die Hühnerfarm erst mal stünde, käme eine große Flut und alle Tiere würden ersaufen. Mosche ist entsetzt, das sei ja furchtbar, sagt er, die armen, armen Hühner und was soll denn jetzt bitteschön die Alternative sein? Darauf antwortet der Rabbi trocken, das seien doch ganz klar „Enten, lieber Mosche, Enten! (Die Geschichte in aller Länge findet sich z. B. hier: http://www.nlp.de/exp_com/alternative.shtml)

Aber natürlich dienen Märchen und Sagen auch der Unterhaltung und dem Zeitvertreib. Sie geben eine Gelegenheit für das soziale Miteinander, bieten Gesprächsstoff oder verzaubern uns einfach. Und das Ganze ohne Werbeunterbrechungen!

Und was ist nun der Unterschied zwischen einer „normalen“ und einer „therapeutischen“ Geschichte? Was genau sind therapeutische Märchen oder Geschichten? Warum soll man sie erzählen? Was für einen Effekt haben sie? Wer braucht sie? Sind sie nur für Beratungssituationen geeignet oder profitiert jeder davon? Und sind sie ganz grundverschieden von den Märchen und Geschichten, die wir bereits kennen?

Geschichten und Metaphern wirken auf die Seele, denn sie sprechen unsere unbewussten Instanzen an. Es kann sein, dass sie einfach als Beispiele dienen, nach dem Motto: Ach, so könnte ich’s ja auch mal machen. Oft enthalten sie aber, besonders wenn sie für bestimmte Thematiken erzählt werden, implizite Angebote an den Leser oder Zuhörer. Einladungen, sich unbewusst das aus den Geschichten herauszupicken, was für die jeweilige Situation gerade dienlich sein könnte. So kann es passieren, dass man einige Zeit später aus derselben Geschichte ganz andere Bedeutungen herausliest, je nachdem, worauf die eigene Aufmerksamkeit gerade fokussiert ist und wie der aktuelle Lebenskontext sich im Moment gestaltet.

Die Urform aller therapeutischen Geschichten sind unsere Träume. Sie begleiten uns und sind die ursprünglichste Art, mit der wir unser Leben sortieren und nach Lösungen suchen. Im Traum ordnen wir unser psychisches und soziales tägliches Erleben. Unser Kopfkino hilft uns, Eindrücke zu verarbeiten, Fragen zu stellen und Lösungen spielerisch (oder „träumerisch“) zu erproben, mögliche Wege zu prüfen und so, nachts und ganz ohne das Zutun unseres Bewussten, nach Impulsen zu suchen, die uns auf den einen oder anderen Weg bringen können.

Träume lassen sich nach verschiedenen Funktionen einteilen. Es gibt Träume, denen eher eine Suchhaltung zugrunde liegt, wie ein Fischer, der früh am Morgen seine Netze auswirft und nach Krabben, Verzeihung: Lösungen fischt. Es gibt Albträume, die uns vor Gefahren warnen wollen. Und dann gibt es die wunderbaren Träume, die das stärken, was uns als Ressource zur Verfügung steht und im Leben gut gelungen ist, und die lautstark nach „mehr davon“ rufen.

Manche Träume dienen der Nachbereitung, manche der Vorbereitung auf ein Ereignis. Vielleicht haben einige von Ihnen schon erlebt, dass künftige Dinge, wie Prüfungen oder große Feste, zum Beispiel eine Hochzeit, nicht nur ihre Schatten, sondern auch ihre Träume vorausschicken?

Träume und Geschichten sind aber nicht so verschieden, wie wir vielleicht denken. Genauso wie es die verschiedenen Grundformen oder Funktionen von Träumen gibt, gibt es diese bei Metaphern und Erzählungen. Und das lässt sich therapeutisch nutzen. Geschichten repräsentieren die Zielrichtung, Stärkendes zu verstärken, vor Schädlichem zu warnen und sich auf die Suche nach neuen Lebensmöglichkeiten zu machen. Sie regen an nachzudenken, die Gedanken frei und ungezwungen herumspazieren zu lassen und sich auch einmal mit ganz und gar ungewöhnlichen Dingen und Ideen auseinanderzusetzen.

So enthält das Lesen – und Vorlesen – von Geschichten magische Momente. Ganz wie von selbst kann ein Klima erzeugt werden, das eine gewisse Erwartungshaltung begünstigt und Magie in unser Leben lässt. Leser und Zuhörer tragen dazu bewusst und unbewusst bei. Kinder und alte Menschen lassen sich besonders gern verzaubern und in wundersame Welten entführen. So kann das Magische zwischen allen Beteiligten hin und her schwingen, sozusagen im Raum herumwabern. Man könnte auch „schwabern“ sagen. Das Erfinden neuer Wörter oder das Verwenden von altertümlich anmutenden Begriffen trägt übrigens vortrefflich zur Verzauberung bei. Man entwirft und gestaltet so nebenbei gemeinsam eine eigene, besondere Welt. Dies schafft Zugehörigkeit und Bindungsgefühl. Vielleicht gibt es ja in Ihrer Familie auch Begriffe, die sonst niemand kennt? Bei denen andere nur verwundert und ratlos den Kopf schütteln, die für Sie und Ihre Lieben aber selbstverständlich sind? Häufig überleben Wörter, die Kleinkinder geprägt haben, als das Aussprechen von schwierigen Begriffen noch nicht so leichtfiel, ganze Jahrzehnte und gewinnen einen festen Platz im Familienwortschatz. Bei uns ist das der „Mammele“, der heute noch im Badezimmer hängt. (Ich vermute, Sie haben eine ganz gute Vorstellung davon, was das sein könnte.) Sollte Ihnen, liebe Leserin, gerade so ein Begriff in den Sinn kommen, könnten Sie die Augen schließen und voll Neugier schauen, welche Bilder und Erinnerungen Ihr Unbewusstes Ihnen schickt und welche Gefühle und Körperempfindungen damit verbunden sein könnten.

Diese eigene, besondere Welt unterscheidet sich zwar häufig ganz grundsätzlich von unserer Alltagswelt, weist aber doch auch ebenso häufig Parallelen auf – und das mag ein Grund dafür sein, dass es uns leichtfällt, uns verzaubern zu lassen. Diese magischen Momente nutzt unser Unbewusstes, öffnet gewissermaßen die Türen zu den verborgenen Kammern, in denen all unser Wissen und unsere Fähigkeiten liegen. Beim Zuhören, und manchmal auch beim Erzählen geraten wir in einen Trancezustand. Wir sind entspannt und dem Allerweltsgeschehen ganz wortwörtlich ent-rückt. So können Inhalte der Geschichten noch tiefer aufgenommen werden, und meist wirken sie im Unbewussten noch lange weiter.

In unserer Familie ist Lesen und Vorlesen fester Bestandteil unseres täglichen Lebens. Als meine Kinder noch kleiner waren, spielten Geschichten daher eine große Rolle, und alle Großeltern beteiligten sich leidenschaftlich. Dabei unterschieden sie sich in ihren Gewohnheiten gewaltig: Während Opa Reiner lieber selber die wunderschönsten Geschichten über die Wühlmaus und ihre Freunde erfand – bis hin zu den in unserer Familie berühmten und bis heute praktizierten, in den Nacken gepusteten Wühlmausküsschen –, liebte Opi die Bilderbücher von Pettersson und Findus. Und er konnte sich so sehr in die Zeichnungen vertiefen (in eine Trance geraten), dass die Kinder ihn mehrfach anstupsen und bitten mussten, nun doch auch endlich weiterzulesen!

Im Gegensatz zu unserem bewussten Alltag erwarten wir in Märchen und Geschichten keine Logik. Sonst so rational und aufgeklärt unterwegs, kommen wir bei einer Geschichte eher selten mit einem „Ja, aber“ um die Ecke. Unter leichter Umgehung des bewussten Denkens, mit seiner Tendenz, sich vom Gewohnten, dem Befürchteten und allem, was man so zu wissen glaubt, lähmen zu lassen, haben „bloße“ Geschichten einen direkten Zugang zu unseren unbewussten Lösungsinstanzen. Und diese haben sehr viel reichhaltigere Suchmöglichkeiten und Vorstellungswelten, als der kognitive Anteil unseres Hirns sich vorstellen kann.

In Geschichten spielen Humor, Optimismus und Neugier oft eine große Rolle. Das hilft, mit aktuellen Problemen anders umzugehen, da die Aufmerksamkeit unwillkürlich auf etwas weitaus Angenehmeres gerichtet ist. Wenn wir mit dem Begutachten und Beurteilen uns problematisch erscheinender Situationen beschäftigt sind, sind wir in einer Art Problemtrance gefangen. Da verengt sich unser Denken, es entsteht der berüchtigte Tunnelblick. Und wen wundert es, wenn wir da die blühenden Landschaften um uns herum nicht mehr sehen können! Geschichten öffnen hier sozusagen Fenster im Tunnel, durch die wir auf einmal bisher nicht sichtbare Lösungs- und Verhaltensmöglichkeiten entdecken können.

Vielleicht kann man daher sagen, dass das Therapeutische an Geschichten und Märchen so etwas wie ein Guckloch ist, durch das wir in andere Möglichkeitswelten hineinblicken können. Was genau wir aber daraus machen, das kann sowohl von unserem inneren Zustand als auch von äußeren Ideen oder Interventionen abhängen.

Magische Momente für Kinder und Jugendliche nutzbar machen

„Das haben wir noch nie probiert, also geht es sicher gut.“ (Pippi Langstrumpf, Astrid Lindgren)

Nicht umsonst beginnen wir bereits früh damit, unseren Kindern das Lesen und Schreiben beizubringen. Beide Fähigkeiten sind nicht nur bildungspolitisch relevant, sie bestimmen auch die Qualität der Begegnung mit unserer Umwelt und mit uns selbst. Viele von uns haben vermutlich als Teenager Tagebuch geschrieben – Gedanken und Gefühle mitzuteilen und sei es lediglich einem Stück Papier, kann zur Klärung, Verarbeitung und dem Entwickeln von Lösungen entscheidend beitragen. Ähnliches gilt für das Gespräch mit Freunden und Familie. Ich kann mich noch gut an lange „Quatschrunden“ mit meinen Freundinnen erinnern: Früher über die Probleme mit Lehrern, Eltern und der ersten großen Liebe, heute über Probleme mit Lehrern, Kindern und der letzten großen Liebe! Und damals wie heute wiederholen wir immer wieder das Thema, das uns gerade bewegt; man könnte auch sagen, wir „vergeschichten“ es. So wird es greifbarer, plastischer, farbiger und verstehbarer und erhält zusätzlich eine spielerische und fantastische Umhüllung, die dem Ganzen ein wenig an Schrecken und Schwere nimmt.

Es verwundert daher nicht, dass es etliche Studien zur therapeutischen Wirksamkeit von Geschichten und Tagebuchschreiben gibt. Als Beispiel möge hier die Studie von Tobias Blechinger und Gunther Klosinski dienen, die mithilfe eines Fragebogens in kinder- und jugendpsychiatrischen Organisationen im deutschsprachigen Raum nach Methoden und Wirkungsweise der Bibliotherapie (aus dem Griechischen: biblion = Buch und therapeia = Pflege, Heilung) gefragt haben (Blechinger / Klosinski 2011).

Die am häufigsten in den Kliniken gebräuchliche Methode ist demnach zunächst das Vorlesen, dem ein eigenständiges Weiterlesen folgt. In der therapeutischen Arbeit wird anschließend auf die Wahrnehmungen und Vorstellungen der Kinder, welche beim Lesen entstanden sind, Bezug genommen. Durch den Einsatz von Stimme, Umgebung und das Schaffen einer magischen Atmosphäre kann eine besondere Intensität der Begegnung des Kindes mit dem Therapeuten erreicht werden. Auch Jugendliche nehmen das Angebot auf freiwilliger Basis meist gerne an. Ganz allgemein könnte man daher sagen, dass die Begegnung in und mit Geschichten die Beziehungsgestaltung mit Kindern und Jugendlichen erheblich erleichtert und vereinfacht. Dadurch werden sie dann vielleicht sogar schöner, lustiger, tiefer, befreiender, erkenntnisreicher und und und …

Es ist einfach, aber nicht leicht: die Macht der inneren Bilder

„Man kann die Welt oder sich selbst verändern. Das Zweite ist schwieriger!“ (Mark Twain)

Wenn unser Geist alle Wahrnehmungen, egal, ob erinnerte, momentane oder zukünftige, grundlegend gestaltet, dann kann er sie auch umgestalten. Ein Haus, das ich selber baue, kann ich im Inneren und Äußeren so einrichten, wie ich das möchte. Und diese Einrichtung kann ich auch immer wieder ändern.

Auf unser Erleben bezogen heißt das, dass es willkürlich und unwillkürlich (also bewusst und unbewusst) modelliert werden kann. Und deshalb haben wir unendlich viele Gestaltungsmöglichkeiten. Gleichgültig, ob es sich um Erinnerungen an die Vergangenheit oder unsere Erwartungen an die Zukunft handelt, wie wir die Dinge deuten, welchen Glaubenssätzen wir anhängen, welche wir behalten oder hinterfragen, all das bestimmen wir sozusagen minütlich selbst.

Die Fähigkeit, die wir dafür benötigen, heißt Imagination. Vorstellungskraft. Und die wird in unserer westlichen Welt leider immer noch oft abgewertet. Der „Wolkenkuckucksheimer“ wird bestenfalls noch bis zum Kindergartenalter toleriert. Spätestens in der Schule fällt negativ auf, wer aus dem Fenster hinausträumt. Statt nach diesen Fantasiereisen gefragt zu werden, hagelt es schlechte Noten und Notizen an die Eltern. Wir vergessen dabei, dass diese schöpferische Kraft uns aus dem Neandertal in das digitale Zeitalter hineinkatapultiert hat. Und während wir manche Start-ups begeistert als visionär feiern, weil sie durch ihren Erfolg aus der Menge der Träumenden herausragen, vergessen wir, dass es doch auf dem Weg zu bahnbrechenden Visionen und Entwicklungen hat es immer tausende andere kleine Fantastereien gegeben, die sich gegen unsere Nun-sei-mal-realistisch-Einstellung durchsetzen mussten. Keine leichte Aufgabe!

Wir können uns sowohl unsere Vergangenheit auf andere, neue Art und Weise in Erinnerung rufen als auch alles Unvorstellbare mit Leichtigkeit vorstellen. Das kann ausgesprochen lösungsorientiert sein, und wer weiß, wo wir heute wären, wenn wir uns erlaubten, diese Fähigkeit sehr viel intensiver zu nutzen als bisher!

Aus der Hirnforschung wissen wir, dass die Unterschiede zwischen Wahrnehmung und Imagination gering sind – im Gehirn herrscht immer die Wahrhaftigkeit der Bilder, die wir darin spazieren tragen. Der erste Schluck Kaffee am Morgen ist Sekundenbruchteile, nachdem Sie ihn hinuntergeschluckt haben, bereits Erinnerung. Und damit von uns beeinflussbar: Ob wir ihn eher bitter, zu süß oder gerade richtig fanden, das können wir nachträglich verändern.

Das meiste, was wir als Wahrnehmung und damit als „real“ empfinden, ist insofern eine Imagination, als wir etwas in das Wahrgenommene hineindeuten, das abhängig von unseren Vor(ein)stellungen ist. Und wenn das so ist, dann sind Vorstellung und Realität nur vage voneinander zu unterscheiden. So kommt es, dass einige Therapeuten (wie zum Beispiel Gunther Schmidt) bereits von „Wahrgebung“ statt „Wahrnehmung“ sprechen.