SCHILD UND SCHWERT – Sir Morgan, der Löwenritter # Band 1: Blut ist eine seltsame Farbe
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von Tomos Forrest
Der Kreuzfahrer-Zyklus Teil 1
IMPRESSUM
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© Roman by Author/ Titelbild:
Lektorat: Kerstin Peschel
Ceated by Thomas Ostwald, Alfred Bekker und Jörg Martin Munsonius
Cover: Nach einem Motiv von N.C.Wyeth, 2018
© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
www.AlfredBekker.de
postmaster@alfredbekker.de
Im Heer der Kreuzfahrer unter König Richard, dem man den Beinamen Löwenherz gegeben hatte, ziehen auch die Freunde Morgan of Launceston, Johel de Vautort und Baldwin of Dartmoor mit. Auf dem Weg zu der wichtigen Hafenstadt Akkon werden die Christen immer wieder von den Sarazenen unter Sultan Saladin angegriffen und in heftige Gefechte verwickelt. Nach einer solchen Begegnung wird der hünenhafte Sir Baldwin vermisst. Die geheimnisvolle Nazeera spricht die Sprache der Engländer und nimmt bald eine wichtige Rolle bei den Kreuzfahrern ein. Doch ist ihr zu trauen?
Und dann kam der Tag, an dem die Hölle auf Erden war …
Die Langbögen wurden gespannt, dicht an dicht standen die Bogenschützen und hoben ihre weit tragenden Waffen. Nur ein leiser Befehl genügte, und in einer todbringenden Wolke stiegen die Pfeile hoch in die gleißende Wüstensonne, schienen für einen kurzen Moment den Himmel zu verdunkeln und prasselten dann auf die Sarazenen hernieder. So überraschend kam dieser Angriff, dass die meisten Pfeile auf ungeschützte Körper trafen, sich durch gepolsterte Jacken und netzartige Kettengeflechte bohrten und ein Blutbad anrichteten. Doch dieser ersten, furchtbaren Pfeilwolke folgte sofort eine zweite, dritte, vierte nach. Jeder der Bogenschützen hatte den zweiten oder dritten Pfeil abgeschossen, noch bevor der erste sein Ziel fand.
Aber die dunkelhäutigen Gegner in ihren oft einfarbigen, blauen oder schwarzen Gewändern, den spitzen Helmen oder auch nur mit Turbanen auf dem Kopf, den gebogenen, scharfen Klingen und den runden, kurzen Schilden blieben nicht lange untätig. Schon die nächsten Pfeile trafen auf eine Wand von Rundschilden, die von den Kriegern über ihren Köpfen gehalten wurden. Noch immer lichteten sich ihre Reihen unter dem ununterbrochenen Pfeilhagel, und Schritt für Schritt wichen die Sarazenen zurück.
Plötzlich bildete sich zwischen ihren stark gelichteten Reihen eine Gasse, und Staub wirbelte hoch auf, erreichte selbst die Linie der englischen Bogenschützen und legte einen grauen Schleier auf Gesichter, Helme und Waffenröcke.
Für einen Moment unterbrach der Hauptmann den Beschuss, um festzustellen, was beim Feind geschah.
Mit wilden Schreien stürmten Reiter zwischen den feindlichen Fußsoldaten heran, die Lanzen eingelegt, die Schilde erhoben. Auch ihnen galt der nächste Beschuss, aber immer mehr Reiter folgten den ersten, der Wüstenstaub wirbelte hoch auf und ließ keine freie Sicht mehr auf den Feind zu. Doch das war auch nicht mehr nötig, denn auf ein Hornsignal traten die Bogenschützen zur Seite, um Platz für den Vorstoß der Ritter zu machen.
„Remember Hattin! – Denkt an Hattin!“, brüllte ein unglaublich großer Ritter, dessen rotblondes Haupthaar unter seinem Nasalhelm hervorquoll und sein bis auf die Brust reichender Bart ihn wie einen Dämon erscheinen ließ. Er sprengte mit seinem Pferd nach vorn und wiederholte seinen Ruf, der gleich darauf von den hundert nachfolgenden Reitern aufgenommen wurde und die dahinter marschierenden Kriegsknechte erreichte.
„Remember Hattin!“, erklang der Schlachtruf nun schon aus hunderten von Männerkehlen wie ein einziger Schrei, während die Ritter ihre Lanzen einlegten und auf die Schar der Sarazenen zusprengten, mitten hinein in die Staubwolke.
„Allahu akbar!“, antwortete ihnen der kehlige Schlachtruf der Sarazenen, und was in den nächsten Minuten vor den Toren von Akkon geschah, lässt sich kaum beschreiben.
Lanzen durchstießen die Körper des Gegners, Stahl schlug auf Stahl, dumpfe Schläge krachten auf Schilde, und noch immer regneten Pfeile auf die Sarazenen herab. Doch der Beschuss wurde nach dem Lanzenangriff abgebrochen, um die eigenen Kämpfer zu schonen.
Neben dem an der Spitze reitenden Rotbart ritt geradezu sein Ebenbild mit langen, blonden Haaren. Auch er ein breitschultriger Ritter, ausgerüstet und gewandet wie die meisten der Kreuzfahrer. Nasalhelm, Kettenhemd, Waffenrock mit dem steigenden roten Löwen, dazu Schwert, Lanze, Schild und ein kampferprobtes Schlachtross, das die mühselige Reise in den Bäuchen der schwerfälligen Schiffe mitgemacht hatte.
„Tötet die Ungläubigen!“, schrie der Blonde und hieb einem Sarazenen das Schwert so heftig über den von einem spitzen Helm geschützten Kopf, dass das Metall auseinander klaffte und die scharfe Schneide die Schädeldecke des Mannes zertrümmerte.
Sand knirschte unangenehm zwischen den Zähnen, verklebte die Augen und nahm den Kämpfenden den Atem. Zwar hatten sich die Kreuzfahrer mit dünnen Tüchern gleich nach ihrer Landung in Tyros die freie Gesichtshälfte unter den Helmen abgedeckt, aber der feine Wüstensand drang durch jede Ritze, kroch in die Nase und behinderte die Atmung.
„Baldwin!“, schrie der Blonde seinem Nachbarn zu, als er aus dem Augenwinkel eine hastige Bewegung erkannte. Ein Bogenschütze der Sarazenen sprengte heran und feuerte seinen Pfeil auf den Ritter ab, noch bevor der seinen Gegenangriff starten konnte.
Doch der Rothaarige schien davon wenig beeindruckt, und als er mit dem Schwert einen wuchtigen Oberhau durchführte, der den Arm des Bogenschützen abtrennte und den Mann mit einem gurgelnden Schrei aus dem Sattel stürzen ließ, war der andere schon wieder im Kampf mit einem sehr hartnäckigen Gegner verstrickt. Der Pfeil war von seinem Kettenhemd abgeprallt.
Glück gehabt, alter Freund!, dachte Morgan, als er sich seinem nächsten Gegner zuwandte.
Schwarze, glutvolle Augen blickten ihn unter einem Helm mit darunter liegendem Kettengeflecht voller Hass an. Es gelang dem Blonden im letzten Augenblick, sein Schwert hochzureißen und den gewaltigen Hieb des Sarazenen zu parieren. Aber von der Wucht des Schlages war sein Schwertarm kurze Zeit wie gelähmt, und das erkannte sein Gegner sofort. Dessen Pferd war durch eine geflochtene Matte vor den gröbsten Schnittverletzungen geschützt, und er setzte es jetzt als Waffe ein. Mit einem Schrei schlug er seine Fersen in die Weichen des Tieres, das ein schrilles Wiehern ausstieß und gegen das Pferd des Blonden prallte.
Der geschwächte Arm ließ keine richtige Abwehr zu, sodass die gekrümmte Klinge seines Gegners gefährlich dicht an seinem Gesicht vorüberfuhr, als der Mann zustieß. Aber blitzschnell hatte sich der Ritter gedreht, wechselte die Schwerthand, riss zugleich sein Pferd herum und traf den Angreifer im oberen Schulterbereich, wo der Mann ebenfalls gepolstert war und darüber einen Kragen aus fein geflochtenen Kettenringen trug.
Der Sarazene wirbelte ebenfalls herum und führte dabei sein Schwert mit einer geschickten Aufwärtsbewegung, die dazu angelegt war, den Blonden von unten herauf aufzuschlitzen. Mitten in der Bewegung stockte der Angreifer jedoch und starrte auf seine Brust herunter. In einem dunklen Kreis erschien dort plötzlich eine eiserne Spitze. Noch bevor der Mann überhaupt erfasste, was ihn da getroffen hatte, spürte er einen fürchterlichen Schmerz. Der Ritter, der ihm die Lanze in den Rücken gestoßen hatte, riss sie gerade wieder zurück, was aber nicht sofort gelang. Vielmehr stürzte der Getroffene rückwärts aus dem Sattel und sein Gegner verlor die Lanze, als der Sarazene tot zwischen die Hufe der Pferde stürzte.
Auch der Mann mit der Lanze geriet nun in Not, aus der ihn sein Nachbar nicht sofort retten konnte. Ein weiterer Sarazene war heran und verwickelte ihn in einen schnell geführten Schwertangriff, während der Knappe spürte, dass er ebenfalls langsam den Halt verlor. Aus irgendeinem Grund rutschte sein Sattel zur Seite, und erst im letzten Moment gelang es ihm, sich aus den Steigbügeln zu lösen und glücklich auf dem Boden zu landen.
Sofort war er zwischen den Pferdeleibern eingekeilt, musste vor Hufen zurückweichen und stolperte gleich darauf über einen Toten. Das jedoch rettete ihm in diesem Augenblick das Leben, denn noch mit einem Luftzug dicht über seinem Kopf spürte er den gefährlichen Hieb seines Gegners. Aber der Kämpfer hatte nicht umsonst seit seinem sechsten Lebensjahr eine harte Ausbildung hinter sich gebracht. Die Waffenmeister hatten die angehenden Knappen auf jede Gegebenheit vorbereitet und ihnen gezeigt, was in einer solchen Situation im Kampfgetümmel zu tun war.
Vor Schmerz laut wiehernd stieg das Pferd des Sarazenen auf die Hinterhand, als das Schwert des Ritters tief im Bauch des Tieres verschwand und gleich darauf in einer drehenden Bewegung herausgerissen wurde. Er war unter dem Pferd verschwunden, als dessen Reiter einen neuen Schlag gegen ihn ausführte. Das war seine letzte Möglichkeit, den verhassten Feind auszuschalten. Das Pferd brach auf den Vorderbeinen ein und warf ihn im hohen Bogen über den Kopf ab. Der Mann schlug hart auf dem Boden auf, versuchte benommen, sich aufzurappeln und wurde gleich darauf von einer Lanze durchbohrt.
„Jago, hierher!“, schrie eine Stimme dem Mann zu, der eben von einem weiteren Reiter angegriffen wurde.
Der Kopf des Knappen flog herum, er sah die Hand seines Ritters, griff zu und spürte, wie er nach oben gerissen wurde. Dichter umschloss die beiden Kämpfer der aufgewirbelte Wüstenstaub, und nun jagte das Pferd mit seiner doppelten Last zwischen wirbelnden Lanzen und Schwertern hindurch.
„Wohin wollt Ihr, Sir Morgan?“, schrie der Knappe seinem Ritter ins Ohr, doch der antwortete nicht, sondern trieb sein Pferd weiter an, bis sie plötzlich die Reihe der zu Fuß kämpfenden Kriegsknechte vor sich sahen.
„Spring!“, schrie Morgan seinem Knappen zu, wendete sein Pferd, kaum dass Jago festen Boden unter den Füßen hatte, und verschwand wieder hinter einem Vorhang aus Staub und Dreck.
„Verdammt, Sir Morgan!“, rief der Knappe vergeblich seinem Ritter nach. Sogleich fand er sich mitten zwischen den vorrückenden Kriegsknechten und reihte sich zwischen ihnen ein, um sich gemeinsam der nächsten Reiterattacke zu stellen. Jeder von ihnen hielt eine Lanze bereit, Jago hatte sein Schwert noch immer in der Hand.
Schon preschten die Sarazenen mit ihren Lanzen auf die Reihe zu, und buchstäblich im letzten Augenblick löste sich der Verband der Fußsoldaten auf. Jago lachte laut auf, als zwischen den dumpf klingenden Hufen plötzlich Menschen in alle Richtungen zu fliehen schienen. Aber die Kriegsknechte beherrschten ihr Handwerk wie der Knappe. Kaum waren die Sarazenen heran, stachen die Soldaten mit den Lanzen von unten in die Pferdeleiber und richteten innerhalb kürzester Zeit ein fürchterliches Blutbad an.
„Warte auf mich, Baldwin!“, schrie Morgan seinem Freund zu, der sich eben, von zwei weiteren Rittern begleitet, auf eine Gruppe Sarazenen stürzte, die sich ihnen in den Weg stellte. „Baldwin, das ist eine Falle! Rechts kommen weitere Reiter heran! Hörst du? Zurück, eine Falle!“
Seine Schreie verklangen jedoch ungehört im Kampflärm, und Morgan biss die Zähne zusammen, spürte das Knirschen von Sand und spuckte gleich darauf angewidert aus. Da war der erste Angreifer heran, Morgan schlug auf die ihm bedrohlich nahekommende Lanze und duckte sich seitlich weg, um im Vorbeireiten dem Angreifer sein Schwert in den Nacken zu schlagen. Zwar trug dieser Mann ebenfalls ein Kettengeflecht, aber Morgan spürte, wie die Klinge hindurchfuhr und der Mann nach vorn kippte. Gleich darauf stolperte sein Pferd, wurde langsamer und brach so unvermutet zusammen, dass er keine Gelegenheit mehr fand, sich abzurollen. Hart schlug er auf und schien in einen dunklen Schacht zu fallen. Sein letzter Gedanke galt dem Sand, der sich auf so unangenehme Weise als sehr hart erwiesen hatte.
Morgan schwamm um sein Leben. Welle auf Welle spülte über seinen Kopf und nahm ihm den Atem. Er hatte schon sehr früh das Schwimmen gelernt, zuerst im Fluss Tamar, später sogar im Meer. Aber das war zu viel, es ging über seine Kräfte. Ein erneuter Wasserschwall ließ ihn nach Luft ringen. Er riss den Mund weit auf und musste schlucken. Mit Händen und Armen schlug und trat er um sich, um über Wasser zu bleiben.