Irish Players
Keine Zeit für Spielchen
Roman
Ins Deutsche übertragen von
Maike Hallmann und Cherokee Moon
Rugby-Superstar Bryan Leech hat genug von seinem Playboy-Dasein und vor allem seinen wöchentlichen Auftritten in Irlands Klatschpresse. Von einem Tag auf den anderen beschließt er sein Leben zu ändern. Keine Partys und keine Orgien mehr. Kein Alkohol, keine One-Night-Stands, keine Filmrisse, keine Groupies mehr. Das einzige Problem: Niemand glaubt ihm! Doch als er Eilish Cassidy begegnet, der neuen Physiotherapeutin des Rugby-Teams, kommt ihm der perfekte Plan, wie er der Welt beweisen kann, dass er sein Leben endlich im Griff hat. Wenn er sich nur erinnern könnte, warum ihm die hübsche Eilish so bekannt vorkommt …
In unbestimmter Reihenfolge gewidmet: Vogelbeobachtungen, Oberschenkelknochen und dem Teilen peinlicher Geschichten. Und der Stadt Seattle, wo eine Autorin die andere dazu herausforderte, eine Geschichte über ein geheim gehaltenes Baby zu schreiben.
@ECassChoosesPikachu: An die erbärmlichen Würstchen, die meine PM-Karte geklaut haben: Ihr könnt mir vielleicht meine EX wegnehmen, aber niemals meine FREIHEIT!
@SeanCassinova an @ECassChoosesPikachu: Für was steht PM? Premierminister?
@ECassChoosesPikachu an @SeanCassinova: Natürlich Pokémon.
@SeanCassinova an @ECassChoosesPikachu: Wie alt bist du? 10?
*Eilish*
Ich bin ein kluges Mädchen.
Hätte mich jemand vor dem gestrigen Abend gefragt, ob ich an die Liebe auf den ersten Blick glaube – ich hätte mit einem klaren Nein geantwortet.
Vielleicht sogar: Nein, auf gar keinen Fall.
Ich war ganz sicher nicht immun gegen das männliche Geschlecht, natürlich schmachtete ich manchmal einen heißen Typen an und hegte gewisse Fantasien. Über die Jahre hatte ich auch für den einen oder anderen Promi geschwärmt und mir sein Poster an die Wand gehängt. Könnte sogar sein, dass ich schon mal das Männerschwimmen der Olympischen Sommerspiele aufgenommen hatte, um besonders prächtige Exemplare mit breiten Schultern und muskulösen Oberschenkeln zu begaffen.
Aber ich war noch nie eine Romantikerin mit Sternchen in den Augen gewesen, die an ein Happy End glaubt. Der Begriff »Lebenspartner« klang für mich nach lebenslänglicher Haftstrafe.
Vielleicht kam das durch meine Zeit am katholischen Mädcheninternat. Meine zwei besten Freundinnen drehten schon durch, wenn sie einen süßen Jungen auch nur sahen.
Mich hingegen erinnerten alle Jungs, die ich traf, an meine Brüder. Und meine Brüder waren allesamt biedere Arschlöcher, die bei ihrer Heirat nur auf Geld und Ansehen geschaut hatten. Meine Schwager waren übrigens genauso.
Abgesehen von einem meiner Cousins, den ich mehr als Bruder empfand als meine richtigen Brüder, war ich noch nie einem Mann unter sechzig begegnet, den ich wirklich respektierte. Und erst recht keinem, der es wert gewesen wäre, dass man seinetwegen alberne Ohnmachtsanfälle bekam und wie verrückt kicherte, wie es meine Schulfreundinnen immer taten. Ich war nicht asexuell. Es war mir bisher bloß keine Gelegenheit – oder ein Mann, der das ganze Gesabber wert war – über den Weg gelaufen.
Jedenfalls bis gestern Nacht.
Bevor ich Bryan Leech persönlich getroffen hatte. Sein Poster hing an meiner Wand, seit ich dreizehn war. Ich hatte sein Auftreten und seine Fähigkeiten schon immer bewundert, doch aus der jugendlichen Bewunderung war im Laufe der letzten sechs Jahre weibliches Interesse geworden. Ich freute mich, ihn kennenzulernen, denn er war ein brillanter Rugby-Spieler und – um ehrlich zu sein – extrem heiß. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass er sich für mich interessieren könnte.
Aber das tat er. Er interessierte sich für mich. Und sein Interesse stieg mir geradewegs zu Kopf. Einmal kicherte ich sogar … der Horror!
Und dann tanzte ich unter Alkoholeinfluss im Kerzenschein mit seinen muskulösen Oberschenkeln und seinen breiten Schultern. Er verglich mich mit einer Rose und sah mich an, als sei ich makellos. Wir gingen in den Garten und küssten uns, bis mir schwindelig wurde. Er spreizte meine Beine und verwöhnte mich mit seinen Lippen und seiner Zunge. Er verführte mich unter dem Sternenzelt. Dann nahm er mich mit in seine Suite, wo wir uns liebten.
Und ich verlor meine Jungfräulichkeit.
Nein. Ich verlor sie nicht. Ich schenkte sie ihm.
Und jetzt, am nächsten Morgen, nach der schönsten, bedeutungsvollsten, tollsten Nacht meines Lebens, war ich hoffnungslos verliebt.
Als ich erwachte, war ich verwirrt und fragte mich, ob alles nur ein Traum gewesen war. Aber dann sah ich Bryan und spürte einen leichten Schmerz zwischen den Beinen. Mein Herzschlag setzte kurz aus, sehnsuchtsvolle Wärme und Erleichterung strömten durch meinen Körper. Er schlief noch, sein athletischer Körper schmiegte sich an ein Kissen.
Ich konnte nicht anders, ich stieß einen verträumten Seufzer aus und unterdrückte das Verlangen, die Hand auszustrecken, um ihm das zerzaustes Haar glatt zu streichen. Er sah perfekt aus, wie er so dalag im sanften Sonnenlicht.
Meine Güte! Er war wunderschön. Es waren nicht nur sein perfekter, durchtrainierter Körper, seine prägnanten Gesichtszüge oder das hypnotische Jadegrün seiner Augen. Es war einfach alles. Er war alles.
Ich war zu dem geworden, was ich in der Vergangenheit immer verspottet hatte. Aber jetzt verstand ich es. Und wie ich es verstand.
Er sah mich an, als sei ich die einzige Frau auf der ganzen Welt. Die Art, wie er mir Fragen stellte und zuhörte. Wirklich zuhörte.
Ich versuchte, so zu tun, als hätte ich bereits Erfahrung. Sagte ihm, er brauche keine Angst haben, zu grob zu mir zu sein; dass ich härter im Nehmen sei, als ich aussah. Aber er durchschaute mich. Wie er mich berührte und mit angehaltenem Atem meine Reaktionen beobachtete – als könne er nicht genug davon bekommen. Gestern Nacht war er so einfühlsam gewesen, so geschickt und sanft. Er hatte mein erstes Mal zu etwas ganz Besonderem gemacht.
Wie er mich danach geküsst und festgehalten hatte, mir sagte, dass er mich liebe, dass ich makellos sei.
Wie hätte ich da widerstehen können?
Ich hatte die seltsamsten Gedanken. Seine Seele war mein fehlendes Puzzlestück. Unsere Herzen hatten zueinander gefunden. Er war meine zweite Hälfte. Er war für mich bestimmt.
Ich musste mir selbst eingestehen, dass diese eine gemeinsame Nacht mich in eine hoffnungslose Romantikerin verwandelt hatte. In seinen Armen fühlte ich mich so lebendig. Wer hätte gedacht, dass die Berührungen und die Aufmerksamkeit eines Mannes die Welt schöner und besser machen könnten?
Ich konnte es kaum erwarten, dass er endlich aufwachte. Ich wollte mich in seinen Augen spiegeln. Sie waren der Spiegel meiner Liebe, die ich kaum noch zügeln konnte.
Ich berührte seine Schulter und ließ meine Hand an seinem beeindruckenden Bizeps entlanggleiten. Er war so stark. Ihn zu berühren, ließ mich erzittern, es brachte mein glückliches Herz zum Tanzen.
Bryan zuckte, atmete tief ein und öffnete blinzelnd die Augen. Ich grinste. »Guten Morgen.«
Beim Klang meiner Worte wurde mein Lächeln noch breiter – immerhin war es das erste Mal, dass ich einem Liebhaber guten Morgen sagte. Meine Stimme klang rauchig. Älter. Wie die Stimme einer Frau. Natürlich war mir klar, dass ich mit meinen neunzehn Jahren schon vor den Ereignissen der letzten Nacht eine Frau gewesen war, aber man konnte den Sex in meiner Stimme hören. Das gefiel mir.
Mein erstes Mal hatte mich überrascht. Alle meine Freundinnen hatten mir erzählt, es täte höllisch weh, seine Jungfräulichkeit zu verlieren. Mir hatte es nicht wehgetan. Es war wundervoll gewesen.
Vielleicht hatte Bryan einen magischen Penis. Was hatte ich nur für ein Glück! Mein erstes Mal mit einem Typen zu erleben, der einen magischen Penis hatte. Vielleicht hatte er hier irgendwo eine Tasche mit endlos viel Geld herumliegen, oder eine Gans, die goldene Eier legte. Es hätte mich nicht gewundert.
Seine wohlgeformten Augenbrauen vollführten einen kleinen Tanz, während er darum kämpfte, die Augen zu öffnen. Als es ihm schließlich gelang, wenigstens eins aufzubekommen, schloss er es sofort wieder. »Himmel! Ist das grell hier drin. Kannst du die Vorhänge zuziehen? Ich habe schreckliche Kopfschmerzen.«
Ich spürte, wie mein Lächeln verblasste, sagte aber: »Ähm, okay.«
Als ich aufstehen wollte, fiel mir ein, dass ich nackt war, und ich zögerte. Ich war ziemlich verklemmt, aber Bryan hatte mir versichert, das sei normal. Durch ihn hatte ich mich letzte Nacht so schön gefühlt, dass ich keine Hemmungen mehr gehabt hatte.
Aber jetzt fühlte ich mich wieder unsicher.
»Hallo? Bist du noch da?«, fragte er und bedeckte seinen Kopf mit einem Kissen. »Machst du jetzt die Vorhänge zu oder nicht?«
»Entschuldigung.« Das Wort kam mir ganz automatisch über die Lippen, obwohl es mir gar nicht leidtat. Zumindest nicht wirklich. Ich brauchte einen Moment, um mich zu orientieren. Statt noch länger zu zaudern, beschloss ich, die Bettdecke um mich herumzuwickeln.
Als ich an der Decke zog, schnaufte Bryan genervt, ließ sie dann aber los. Ich war verunsichert und völlig desorientiert und brauchte eine Weile, bis ich die Schnur gefunden hatte, um die Vorhänge zuzuziehen.
»Fertig?«
»Ähm, ja.« Ich starrte das Bett an und wusste nicht, was ich jetzt tun sollte.
Heute Morgen klang er anders.
Vielleicht war ich auch einfach nur wieder verklemmt und stellte mich an.
Am liebsten hätte ich mich einfach an ihn gekuschelt, aber ich brauchte zuerst irgendein Zeichen von ihm.
Er hob das Kissen an und linste zu mir herüber. Vielleicht wollte er nur sichergehen, dass ich die Vorhänge zugezogen hatte. Jedenfalls wirkte er erleichtert und nahm das Kissen vom Gesicht, klappte es in der Mitte zusammen und steckte es hinter seinen Kopf. Das diffuse Licht, das unter den Vorhängen hindurchdrang, umspielte seine definierten Muskeln.
Er lächelte mich an und sagte: »Hallo.« Sein Blick wanderte über meinen Körper.
»Hi.« Ich winkte und fummelte am Laken herum, das ich vor der Brust zusammenraffte. Ich fühlte mich kindisch, wusste aber nicht genau, warum.
»Du hast rote Haare.« Sein Lächeln wurde breiter, aber seine Augen verengten sich.
Reflexartig strich ich mir eine Strähne hinters Ohr, und mein Herz hüpfte vor Freude, weil er das letzte Nacht schon einmal gesagt hatte. Er hatte gesagt, Rot sei die Farbe der Leidenschaft.
Und dann ebbte das freudige Hüpfen ab, denn dass meine Haare die Farbe der Leidenschaft hatten, klang bei Tageslicht sehr kitschig. Sehr kitschig und sehr abgedroschen.
»Ja, Rot ist die Farbe der Leidenschaft«, sagte ich trocken, da ich dachte, wir würden uns beide besser fühlen, wenn ich seine Worte als Witz wiederholte.
Er verzog das Gesicht und rümpfte die Nase, als fände er mich komisch oder als würde ich stinken. Der Moment wurde unerträglich, meine Unsicherheit steigerte sich ins Zehnfache. Ich fragte mich, ob er vielleicht vergessen hatte, was er gesagt hatte, verwarf den Gedanken aber sofort wieder. Wahrscheinlich hatte ich ihn beleidigt, weil ich mich über seine Worte lustig gemacht hatte.
Ich wollte mich schon wieder entschuldigen.
»Wie auch immer …« Er sah mich noch einen Moment an, presste sich dann die Hände auf die Augen und stöhnte. »Verdammte Scheiße, mir platzt der Schädel.«
Ich runzelte besorgt die Stirn. »Geht es dir gut? Soll ich einen Arzt rufen?«
Er kicherte, schielte kurz zu mir herüber und nahm die Hände von den Augen. »Ach was. Sobald ich einen Drink habe, wird es schon wieder gehen. Mach dir keine Sorgen.«
Ich legte die Stirn noch tiefer in Falten. Noch immer stand ich dumm neben dem Bett und versuchte, aus seinen Worten schlau zu werden.
Er meint keinen Alkohol, oder doch? Er war letzte Nacht nicht betrunken.
»Ich kann dir ein Glas Wasser holen, ich habe eine Kopfschmerztablette in meiner Tasche«, bot ich an und ging Richtung Badezimmer.
»Die Tablette würde ich nehmen, aber such lieber nach der Minibar. Wodka wirkt da Wunder.«
Ich starrte ihn an, wusste nicht, was ich sagen oder tun sollte, denn wenn er nicht mitten in der Nacht aufgestanden war und eine halbe Flasche Schnaps getrunken hatte, gab es keinen Grund, warum er heute Morgen einen Kater haben sollte. Gestern Nacht war er komplett nüchtern gewesen. Während der ganzen Zeit, die wir zusammen verbracht hatten, hatte er drei – nein, vier – Drinks gehabt. Vier Drinks in vier Stunden waren völlig in Ordnung.
»Hm, ich glaub nicht, dass du die Sch-Schmerztablette zusammen mit A-Alkohol nehmen solltest.«
»Wer bist du? Meine Mutter?«, fauchte er und schielte wieder zu mir herüber. »Wenn du mich nur nerven willst, kannst du jetzt gehen.«
Ich schnappte nach Luft. »Bryan …«
»Hör auf, meinen Namen zu sagen. Ich weiß verdammt noch mal, wie ich heiße. Wie heißt denn du?«
Wieder schnappte ich nach Luft und taumelte zurück. »W-Was?«
»Bist du etwa taub?«, brummte er und presste sich die Hände gegen die Stirn. »Scheiße, tut das weh.«
»Du k-k-kennst m-m-meinen N-N-Namen n-n-n…«, stotterte ich und presste die Lippen zusammen, weil ich mich nicht noch mehr blamieren wollte.
Was ist hier los? Wie … Ich starrte ihn an, in der Hoffnung, er würde scherzen. War das ein Witz? Hoffentlich hatte er nur einen seltsamen Sinn für Humor. Ansonsten …
Ansonsten gab es zwei Möglichkeiten: Entweder hatte Bryan Leech, Profisportler, einen Gehirnschaden erlitten, der sein Kurzzeitgedächtnis beeinträchtigte, oder er war gestern Nacht betrunken – sturzbesoffen – gewesen, ohne dass ich es gemerkt hatte.
Er amtete genervt aus und bemühte sich anscheinend, nett zu sein, doch stattdessen klangen seine Worte bevormundend und abweisend. »Hör zu, es tut mir leid. Ich bin einfach … mein Kopf bringt mich verdammt noch mal um. Du bist bestimmt ein nettes Mädchen, und ich nehme an, dass du gestern Nacht Spaß hattest.«
Das kann nicht wahr sein.
Ich presste mir die Hand auf den Mund, denn ich konnte jetzt unmöglich sprechen, ohne zu weinen oder zu stottern, also sagte ich lieber gar nichts.
Anscheinend erwartete er auch keine Antwort. »Es ist schon ziemlich spät, und ich würde gern noch ein Nickerchen machen, bevor ich losmuss. Also würdest du bitte …«, er machte eine Handbewegung Richtung Tür und drehte sich weg. »Lass dir eine Massage geben oder sonst irgendwas im Spa. Die Rechnung geht auf mich.«
Ich konnte mich nicht bewegen.
Ich stand da wie angewurzelt, in meinem Kopf herrschte totales Chaos. Es war wie in einem schlechten Film, in dem die Frau aufwacht und sich in einer alternativen Realität befindet.
Hatte man mich unter Drogen gesetzt?
Nein, ich konnte mich an jedes Detail erinnern. An jeden Blick, jede Berührung, jedes Wort, jeden wundervollen Moment.
Mein Magen meldete sich. Heftige Übelkeit überkam mich, ich spürte, dass ich mich übergeben musste. Ich rannte ins Bad, warf die Tür hinter mir zu und schaffte es gerade noch, den Klodeckel zu heben, bevor sich mein Mageninhalt in die Schüssel entleerte.
Als ich spülte, hörte ich Bryans Stimme von nebenan: »Verdammt noch mal! Ich hoffe, du hast nicht den ganzen Boden vollgekotzt. Verschwinde einfach, wie auch immer du heißt.«
Ich bin ein dummes Mädchen.
Ein dummes, dummes, dummes …
Drei Monate später
»Eilish? Hey, lass mich rein. Ist es schon so weit? Was ist rausgekommen?«
Ich presste mir die Hand auf den Mund, um ein Schluchzen zu unterdrücken, schloss die Augen und hoffte, dass die Zeit um drei Monate zurückgedreht war, wenn ich sie wieder öffnete, zum Abend von Ronans und Annies Hochzeit. Die Nacht, in der ich so große Scheiße gebaut hatte, dass ich offenbar die Superkraft erworben hatte, die Farbe eines Schwangerschaftstests mit meinem Pipi zu verändern.
MIT MEINEM PIPI!
Das bedeutete, dass da ein kleiner Mensch in meinem Bauch war.
Was all meine anderen Superkräfte erklärte, wie zum Beispiel, dass ich mich die ganze Zeit wie eine Furie aufführte, wegen nichts und wieder nichts losheulte und mich zweimal am Tag übergeben musste.
Ich hatte Scheiße gebaut – und jetzt saß ich in der Tinte.
»Was soll ich bloß tun?«, flüsterte ich mir selbst zu, jedes meiner Nervenenden brannte vor Panik.
Moment, das stimmte nicht, ich war nicht allein im Badezimmer. Wir waren zu zweit. Einer von uns war so groß wie eine Erdnuss. Vielleicht auch schon so groß wie eine Zitrone – und schwamm im Fruchtwasser.
IN MEINEM UTERUS!
Keine Ahnung, warum all meine Gedanken aus Großbuchstaben bestanden. Außerdem fügte ich jedem Gedanken ein
Nein, nein, NEIN!
hinzu.
»Ich will dich nicht hetzten, Liebes. Aber du machst mich nervös«, hörte ich meinen Cousin Sean auf der anderen Seite der Tür sagen.
Süßer Sean. Netter Sean. Wundervoller Sean.
DANKE DIR, GOTT, FÜR SEAN!
… nein nein NEIN!
Ich brach in hysterisches Lachen aus. Das hier passierte gerade nicht wirklich. Nicht mir. Meine Freundin Josey war diejenige von uns, die ihr Herz zu leichtfertig verschenkte. Nicht ich. Niemals.
Nadia war die mit dem gewaltigen Selbstvertrauen, Josey die Romantikerin, und ich die Rebellin, die Klugscheißerin. Josey weinte sich bei uns aus, nicht umgekehrt.
Du wirst dich nicht bei ihnen ausheulen, weil du es ihnen nicht erzählen kannst.
Ich öffnete die Augen und starrte auf den weißen Teststreifen mit den zwei pinken Strichen, die erbarmungslos zurückstarrten. Es war kein Traum gewesen. Das hier passierte wirklich. Und es war ein absoluter Albtraum.
»Ich bin sch-sch-sch-schwanger.«
Lange Zeit sagte Sean nichts, so lange, dass ich mich schon fragte, ob er mich gehört oder ob ich überhaupt etwas gesagt hatte.
Ich wollte es gerade wiederholen, als er rief: »Mach auf, Liebes. Lass mich rein.«
Also ließ ich ihn rein. Er nahm mich in den Arm und drückte mich an seine starke Brust. Ich weinte nicht, mein Kopf war leer.
Wir standen eine ganze Weile so da, keine Ahnung, wie lange, bis Sean schließlich das Wort ergriff: »Du musst es dem Vater sagen.«
Ich wurde stocksteif. Ich hatte zwar gehört, was er sagte, und wusste, dass er – rational betrachtet – recht hatte, aber jede Faser meines Körpers sträubte sich dagegen.
WIE VERRÜCKT DAGEGEN.
… nein nein NEIN!
Seit diesem furchtbaren Morgen hatte ich Bryan Leech weder gesehen noch mit ihm gesprochen, aber ich hatte verfolgt, was er trieb – oder besser gesagt, mit wem er es trieb. Er hatte eine neue Freundin. Sie waren seit zwei Monaten ein Paar. Sie war Schauspielerin – und sie hatte rotes Haar.
Offensichtlich stand er auf Rothaarige.
Bryan hatte nie versucht, mich zu kontaktieren, er hatte ja nicht einmal gewusst, wie ich hieß – also hatte ich beschlossen, dass er mir egal war. Dieses mir egal sah so aus, dass ich mit meinen zwei besten Freundinnen auf Konzerte ging, zu viel trank und mit fremden Typen rummachte.
ICH WERDE DIE SCHLIMMSTE MUTTER ALLER ZEITEN SEIN.
… nein nein NEIN!
Ich konnte nicht denken, denn es gab zu vieles, worüber ich nachdenken musste. Ich schickte ein Stoßgebet zum Himmel und machte Gott ein Angebot: Wenn es meinem Kind gut ging und es von meiner Trinkerei und Feierei keinen Schaden abbekommen hatte, dann würde ich nie wieder ein Glas Alkohol auch nur anrühren.
Bitte, bitte, bitte …
»Hast du mich gehört, Eilish? Du wirst es dem Vater sagen müssen.« Sean nahm mich noch fester in den Arm.
Ich nickte geistesabwesend. Ich war mir sicher, Bryan Leech hatte bereits vergessen, dass ich überhaupt existierte. Ich wusste mit absoluter Sicherheit, dass er kein Interesse an meinem Kind haben würde.
»Aber jetzt muss erst mal gar nichts entschieden werden.« Sean gab mir einen Kuss auf die Stirn, nahm mir den Pinkeltest aus der Hand und legte ihn vorsichtig aufs Waschbecken. »Komm, wir trinken erst mal einen Tee. Lucy hat einen Pfefferminztee aus New York geschickt. Aus dem Laden, den du so gern magst, Tea und Sympathie.«
Lucy war Seans Freundin und einer meiner liebsten Menschen auf der Welt. Sie lebte in New York und Sean in Dublin, außer wenn er mit seinem Team unterwegs war. Sean und Bryan waren Teamkollegen und gehörten beide zur Irischen Rugby-Nationalmannschaft. Sie waren nicht befreundet, aber sie verstanden sich gut.
Ich hatte Sean nichts von Bryan erzählt, vor allem weil ich wusste, dass er ziemlich fies werden konnte und bei Leuten, die er als Feind betrachtete, schnell die Selbstbeherrschung verlor. Und ich wollte nicht, dass er Bryan wehtat.
Das war eine Lüge.
Ein Teil von mir wollte ihm seinen magischen Penis abschneiden und ihn verbrennen.
Ich hatte die letzten drei Monate viel zu viel über diese eine Nacht nachgedacht und gab vor allem mir selbst die Schuld.
Ich war nüchtern gewesen. Ich hatte gewollt, dass er mich verführte, und – betrunken oder nicht – er war ein unglaublich guter Verführer gewesen. Seit Jahren war ich in ihn verknallt gewesen und hatte mir immer wieder vorgestellt, wie er mich im Sturm eroberte. Um Himmels willen – ich hatte seit Jahren von ihm geträumt. In dieser Nacht war ich selbst zu einem der Mädchen geworden, die ich immer verachtet und heimlich verspottet hatte.
Er hatte mein kaltes, pragmatisches, sarkastisches Herz zum Schmelzen gebracht. Auch wenn ich am nächsten Morgen alles bereut hatte – das, was in dieser Nacht zwischen uns geschehen war, passierte in gegenseitigem Einverständnis.
Zumindest war ich damit einverstanden gewesen. Aber Bryan war anscheinend zu betrunken gewesen, um sich auch nur an meinen Namen zu erinnern. Vielleicht war er überhaupt nicht in der Lage gewesen, sein Einverständnis dazu zu geben. Vielleicht hatte ich mich an ihm vergangen. Vielleicht hatte ich ihn verführt …
Pfui Teufel! Wie ich diese Endlosschleife aus Schuldgefühlen und Selbstzweifeln satthatte. Ich ließ mich aufs Sofa fallen, stützte die Ellbogen auf die Knie und schlug die Hände vors Gesicht.
»Eilish.« Sean stupste mich an. »Sagst du mir, wer er ist?«
Ich schüttelte den Kopf. Ich konnte nicht. Dieser Morgen war so furchtbar gewesen, so erniedrigend. Bryans Gleichgültigkeit und seine Ablehnung hatten ein Loch in meinem Herzen hinterlassen. Ein großes, klaffendes Loch. Ich war naiv gewesen, zu vertrauensvoll. Zu ehrlich. Zu hemmungslos. Zu unvorsichtig. Zu dumm.
Nie wieder würde mir ein solcher Fehler passieren. Ich brauchte einen Plan, und zwar einen guten.
Ich war entschlossen. Egal, was es kosten würde, Bryan Leech würde niemals von meinen neuen Superkräften erfahren.
ER WIRD ES NIEMALS ERFAHREN!
… nein nein NEIN!