Das wunderbar witzige, überraschende und romantische Debüt aus den USA.
Als Jack auf einer Party Kate trifft, ist er hin und weg. Schließlich kann man nicht mit jedem Mädchen eine Nacht lang auf der Treppe sitzen und über Cap’n Crunch und das Leben reden. Es ist der perfekte Beginn ihrer gemeinsamen Geschichte … bis Kate stirbt und alles endet. Oder nicht? Denn plötzlich sitzt Jack wieder auf der Treppe und Kate taucht auf, gesund und munter! Jack kann es nicht glauben, aber egal. Dies ist seine Chance, Kates Tod zu verhindern. Das Problem: Bei Zeitreisen hat jede Veränderung ungeahnte Folgen.
»Lest dieses Buch, lest es noch mal und drückt es dann ganz fest an euer Herz.«
Becky Albertalli, New-York-Times-Bestseller-Autorin von Nur drei Worte (verfilmt als Love, Simon)
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Für k und b,
mit aller Liebe meines Herzens,
und für die Lieben, die wir verloren haben
Also.
Kennt ihr den Spruch: »Die Zeit gewinnt immer«?
Tja, einmal hat sie eben doch verloren. Ich bin der lebende Beweis.
Mein Gesicht ist seitlich gegen den Kofferraum eines Streifenwagens gepresst, als Kate zum dritten Mal stirbt. Die Schachtel, die ihr das Leben hätte retten sollen, liegt zerknüllt am Boden.
Ein paar Sachen habe ich mittlerweile gelernt.
Zum Beispiel: Outfit-Wechsel sind Zeitverschwendung.
Es ist kalt draußen, mindestens Pulli-Wetter. Ich trage ein T-Shirt, karierte Pyjamashorts und die abgelatschten Chucks, die ich immer zum Rasenmähen anziehe. Innen sind sie feucht, und in meinem rechten Schuh ist ein Klumpen Gras, das zwischen den Zehen kratzt, aber für Socken hatte ich keine Zeit. Socken und zum Wetter passende Klamotten sind Luxus. Sie kosten Zeit. Und die habe ich nicht.
Nicht heute.
Überhaupt nie.
Lektion Nummer eins lautet nämlich: Keine Zeitreise der Welt kann die Menschen retten, die du liebst.
Die Polizei ist schon da.
Vor dem Eingang zur Notaufnahme steht ein Streifenwagen im Leerlauf. Kann sein, dass sie meinetwegen hier sind, aber umkehren ist nicht drin. Jede Nanosekunde zählt. Ich schnappe mir das Päckchen vom Beifahrersitz und springe aus dem Auto. Reiße die Schachtel auf und schiebe den Inhalt in meinen Sneaker. Sprinte los.
Ich hätte früher losfahren sollen.
Zig Sachen hätte ich diesmal anders machen sollen.
Ich stoße die Tür auf, denke noch: Schnell zum Aufzug, hoch in den dritten Stock, und renne volle Kanne gegen eine Betonmauer aka einen 150-Kilo-Bullen mit Schlagstock.
Aha. Das muss der Fahrer sein.
Um ein Haar knalle ich auf den nassen Boden. Der Bulle packt mich gerade noch am T-Shirt.
»Hab ihn«, brummt er in das Funkgerät, das an seine Schulter geschnallt ist. »Raus mit dir«, befiehlt er mir, drückt die Tür auf und legt die andere Hand an seine Knarre. »Na los, Kleiner. Abmarsch.« Mir schießen alle möglichen Dinge durch den Kopf – mutige Heldentaten. Ich sehe vor mir, wie ich mich dem Griff des Polizisten entwinde und die Treppe hochflitze oder in den Aufzug hechte, kurz bevor die Türen schließen. Aber dann stehe ich doch mit gespreizten Beinen da, während mir im Rücken Handschellen angelegt werden.
Ein Teil von mir denkt, überlegt, hofft: Vielleicht ist es das. Vielleicht ist das die Lösung. Ich sollte nicht da oben sein. Wenn ich nicht da bin, überlebt sie.
Sie rattern meine Verbrechen runter, und nach »mit Gewalt Einlass verschafft« höre ich schon nicht mehr zu. Ich versuche erst gar nicht, es ihnen zu erklären, denn wie soll man erklären, dass man aus der Zukunft kommt?
»… Verstehst du deine Rechte«, sagen sie, obwohl es nicht wie eine Frage klingt.
Ich nicke, das Aluminium des Kofferraums drückt kalt und klebrig an meine Wange.
»Hast du irgendwas am Körper versteckt? Waffen, Drogen?«, fragt der Riesenkerl.
»Nein«, lüge ich. Weil ich die Wahrheit nicht sagen kann. Nicht jetzt. Raue Hände tasten an mir hoch und runter. Meine Schlüssel klirren, als er sie aus meiner Tasche fischt. Dann nimmt er mein Portemonnaie an sich.
»Nichts von Belang«, sagt der Riesenkerl zu seiner Kollegin.
»Soll er nicht seine Schuhe ausziehen?«, fragt sie.
Und mir sacken fast die Knie weg.
»Bitte«, flehe ich, »bitte lassen Sie mich da reingehen. Meine Freundin liegt im Sterben. Sie können die Ärzte und Krankenschwestern fragen. Bitte. Nur fünf Minuten. Bitte. Haben Sie doch ein Herz. Lassen Sie mich fünf Minuten zu ihr, dann können Sie mich ins Gefängnis stecken, den Schlüssel wegwerfen, ganz egal. Bitte. Denken Sie an Ihre Kinder. Haben Sie Kinder? Wenn die im Sterben lägen, würden Sie wollen, dass sie allein sind? Bitte. Bitte.«
Ich versuche, auf die Knie zu gehen, um sie anzubetteln, aber das ist gar nicht so leicht, wenn einem die Hände gefesselt sind. Der Beamte, der mir die Handschellen angelegt hat, schaut seine Kollegin an, eine dunkelblonde Frau mit blutunterlaufenen Augen, und sie seufzt so demonstrativ, wie es wohl alle Mütter am ersten Tag ihrer Mom-Ausbildung lernen. Doch dann nickt sie. Und die Handschellen klicken auf.
Was total der Wahnsinn ist.
»Keine Faxen, Kleiner«, sagt er mit einer Stimme, die sich anhört, als rechnete er damit, dass ich Faxen mache.
»Fünf Minuten«, sagt sie. »Mehr nicht.«
Sie nehmen mich in die Mitte, und während wir über den speckigen Linoleumboden gehen und mit dem Wir-versuchen-den-Pissegestank-mit-Bleiche-zu-übertünchen-Aufzug in den dritten Stock fahren, lassen sie mich wissen, dass ich was in die Fresse kriege, wenn ich Dummheiten mache. Aber ich habe nicht vor, abzuhauen. Ich schaue auf die Uhr. Es könnte noch klappen.
Wenn bloß die Aufzugtür nicht zwanzig Sekunden brauchen würde, bevor sie endlich zur Seite ächzt. Und wir nicht einen Umweg machen müssten, weil ein Putzmann den Boden vor uns wischt und seine Bodenwischerei anscheinend so ernst nimmt, dass er anfängt zu brüllen und auf und ab zu springen. Die Beamten murmeln eine Entschuldigung, aber der Mann zeigt nur wütend auf eine alternative Route, auch bekannt als Der umständlichste Umweg der Welt.
Ich versuche zu erklären, dass wir keine Zeit für Umwege, lahme Aufzüge oder »Vorsicht, rutschig«-Schilder haben. Aber keiner hört mir zu. Und als wir endlich da sind, ist es beinahe zu spät.
Kate ist schon fast tot.
»Ach, wen haben wir denn da«, sagt sie, als sie langsam die Augen aufschlägt. Der Stuhl in der Ecke, wo ihre Mutter sonst immer sitzt, ist leer. Auf dem Boden daneben eine zerknüllte Decke. Auf dem Fensterbrett ein Pappbecher mit Lippenstiftrand.
»Hey«, sage ich. Kurz bringt es mich aus der Fassung, wie klein sie aussieht. Es ist still im Zimmer, bis auf das Rauschen des Sauerstoffs, der in ihre Nase gepumpt wird, und das Puckern der intravenösen Infusion, die in ihren Arm läuft.
»Wie spät ist es?«, fragt sie blinzelnd. Selbst um drei Uhr nachts in einem Krankenhausbett ist sie wunderschön.
»Uns bleibt nicht mehr viel Zeit.«
Irritiert verzieht sie das Gesicht. »Wovon redest du?« Sie beugt sich im Bett vor, lugt über meine Schulter und erschrickt. »Und diesmal hast du die Polizei mitgebracht. Interessanter Move. Du weißt echt, wie man einen großen Auftritt hinlegt, Jack King.«
Ich werfe einen Blick zu den Beamten. »Tut mir leid wegen den beiden.«
»Du bist total irre, weißt du das?«
»Ich kann nachvollziehen, dass man auf diesen Gedanken kommen könnte, ja«, sage ich grinsend.
»Fünf«, erinnert mich die Beamtin.
Kate schüttelt den Kopf. »Jack, was machst du hier? Ich kapiers nicht. Hast du eine morbide Vorliebe für Krankenhäuser? Oder stehst du auf kranke Frauen?«
»Ich bin hier, weil ich dir sagen will …« Ich verstumme, weil ich eigentlich nicht gekommen bin, um etwas zu sagen.
»Was, Jack?«
»Ich glaube, ich weiß jetzt, was ich zu tun habe. Ich glaube, ich habe es raus. Endlich.«
»Okaaaaay«, sagt sie mit hochgezogenen Augenbrauen. Ich verwirre sie eindeutig nur noch mehr. Logisch. Ergibt ja auch alles keinen Sinn.
»Du wirst wieder gesund, Kate. Alles wird wieder gut.«
Sie dreht sich weg. »Das sagen sie alle, aber das ist gelogen. Lüg mich nicht an, Jack. Nicht wie …« Sie bricht ab, als sie sieht, was ich in der Hand halte.
Denn in den letzten zwanzig Sekunden habe ich meine Finger ganz vorsichtig in den Schuh geschoben. Und jetzt habe ich sie.
»Jack«, sagt Kate, und lauter: »Jack, was um alles …?«
Doch bevor sie den Satz beenden kann, reiße ich ihre Decke zurück und stoße die Spritze in ihren Oberschenkel. Kate zuckt nach vorn, als hätte ich ihr eine Million Stromstöße versetzt.
Die Polizisten werfen mich zu Boden, brüllen mir Flüche ins Ohr und in den Raum. »Was soll der Scheiß? Was hast du da gerade gemacht, Junge? Was zum Teufel war das?«
»Wir brauchen Hilfe hier drin«, schreit die Polizistin und stürzt auf den Stationsflur. »Einen Arzt! Wir brauchen einen Arzt!«
So brutal, wie der Polizist mein Gesicht auf das Linoleum presst, ist es ein Wunder, dass mir das Gehirn nicht aus den Augenhöhlen quillt. Füße kommen ins Zimmer gerannt. Es wird gebrüllt und geschrien, und immer wieder schüttelt mich wer an der Schulter und fragt, was ich ihr gespritzt habe, was das für ein Zeug war, und wenn ich ehrlich bin, könnte ich es gar nicht genau erklären, selbst wenn ich es wollte. Aber ich will es nicht erklären. Denn das war das Einzige, was ich tun konnte. Das war die einzige Möglichkeit.
Während die Ärzte sich um sie scharen, um sie zu retten, schleifen mich die Beamten über den nassen Boden, durch den Eingangsbereich und wieder raus in die Nacht.
Ich weiß, wenn ich mich das kleinste bisschen wehre, wenn ich auch nur zu tief Luft hole, knallen sie mich wahrscheinlich ab. Oder schlagen mich zumindest k. o. Aber das ist egal. Denn als sie mich aus Kates Zimmer gezerrt haben, konnte ich einen Blick auf die Uhr an der Wand werfen. Und wenn es so läuft wie die Male davor, dann kommt Kate entweder durch, oder gleich fängt alles wieder von vorne an.
Der Bulle hat es irgendwie auf mein Gesicht abgesehen, denn er quetscht es schon wieder gegen den Streifenwagen. Ich schätze, diesmal wird er bei der Durchsuchung etwas gründlicher sein.
»Wenn das Mädel stirbt, dann …«
Bevor er seinen Satz beenden kann, erwischt es mich schon. Ich schließe die Augen. Die Luft wird weggesaugt, die Schwerkraft reißt an mir wie ein offener Fallschirm. Diesmal sind die Zuckungen besonders schlimm. Ich kann mich kaum auf den Beinen halten. Mein ganzer Körper wird von einem heftigen Zittern erfasst.
»Junge, was ist mit dir?« Der Polizist blafft seine Kollegin an, sie soll drinnen Hilfe holen, und sie rennt los, aber das bringt jetzt auch nichts mehr. Sie wird es nicht rechtzeitig schaffen. Wenn ich sprechen könnte, würde ich ihnen sagen, dass sie sich keinen Kopf machen sollen. Dass ich nicht sterbe, sondern nur puffere. Dass ich versucht habe, Kate zu retten. Verstehen würden sie das nicht, klar. Ich verstehe es ja selbst nicht. Beim ersten Mal dachte ich auch, dass ich hopsgehe. Und jetzt ist es wieder so weit.
Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll: Es ist, als würde mein Körper sich zum Start klarmachen. Als wäre er ein hoch entwickeltes Raumschiff und würde durch die Zeit reisen statt ins Weltall.
»Junge, hörst du mich? Sag doch was! Ich glaube, er hat einen Anfall. Junge! Junge!«
Ach ja, Lektion Nummer zwei:
Durch die Zeit reisen tut weh.
Wie heißt es so schön: »Jeder Topf findet seinen Deckel.«
Das ist so ein typischer Spruch, mit dem dir deine Mom kommt, wenn deine Beziehung in die Brüche gegangen ist, oder den dein sonst so wortkarger Vater brummelt, bevor er dir mit einem »Gut, dass wir mal geredet haben« auf die Schulter klopft. Ganz verkehrt kann das eigentlich nicht sein. Wenn man überlegt, wie viele Leute auf unserem Planeten rumlaufen, muss es doch jemanden geben, der perfekt zu einem passt, oder? Den einen Menschen, der dein Herz dazu bringt, so krasse Sachen zu sagen wie: »Ich werde dich für immer lieben«, und: »Ich kann es gar nicht erwarten, deine Eltern kennenzulernen«, und: »Na klar, wir sollten uns unbedingt unsere Namen auf den Hals tätowieren lassen.« Das Problem ist nur, dass wir einen Großteil unseres armseligen Lebens damit verbringen, dem Deckel eines anderen Topfes nachzulaufen. Und deswegen bleibt uns dann höchstens – wenn wir Glück haben – noch ein Drittel der Zeit, die wir mit dem eigentlich für uns auserkorenen Menschen hätten haben können. Wenn wir ihn nicht sowieso ganz verpassen.
Wie ich zum Beispiel.
Ich bin Spezialist für verpasste Gelegenheiten – beim Mädchen meiner Träume, bei der Wahl zum Schulabschlussredner, bei der Qualifikation für jegliche Art von Sportmannschaft. (Ich habs bei allen versucht. In einer besonders verzweifelten Aktion habe ich mich sogar als Maskottchen beworben. Aber wer hätte das gedacht, Larry »Zottel« Koviak hat den Purzelbaum viel besser drauf als ich.) Und die freien Nachmittags-AGs? Jepp, da hab ich’s auch probiert, kam aber nirgendwo rein. Was schon komisch ist, weil ich immer dachte, dass jeder bei so einer AG mitmachen kann (ein weiterer Punkt auf der Liste der größten und dämlichsten Irrtümer des Jack King). Will heißen: Ich habe es immer geschafft, meine Chance zu verpassen. Und meistens war es sauknapp. In Sachen »Fast geschafft« bin ich mittlerweile eine absolute Koryphäe. Immerhin kann ich bald achtzehn Jahre praktische Erfahrung vorweisen.
Wenn ihr noch nicht überzeugt seid, schaut euch einfach mal auf unserem Dachboden um. Der ist so etwas wie ein begehbares Archiv des Scheiterns, oder wie ich es gern nenne: »Jacks kurioses Kabinett der Dinge, aus denen fast was geworden wäre«. Da gibt es ein Skateboard in nagelneuem Zustand – aus dem Sommer, in dem ich fast ein Halbprofi-Skater geworden wäre. Da steht eine Nähmaschine, von der ich allen erzählt habe, dass sie meiner Mom gehört, obwohl sie in Wirklichkeit meine war – aus meiner Project Runway-Phase, die ein paar Staffeln angehalten hat. Da liegen das Discgolf-Set, die antike Murmelsammlung, ein Elektronik-Baukasten mit lauter unverbundenen Einzelteilen, eine Kiste mit sämtlichen jemals erhältlichen Super-Nintendo-Spielen, ein sargähnlicher Behälter, der mein erster (und einziger) Versuch war, eine Zeitmaschine zu bauen (fragt nicht), und ein nie benutztes Set Ninja-Wurfsterne ohne Sammlerwert (bitte fragt nicht!).
Fast, fast, fast, fast, fast …
Müsste jetzt klar sein, oder?
Ich witzele gern, dass meine Eltern mich nicht Jack Ellison King, sondern Jack Wannabe King hätten nennen sollen.
Ein König, aber halt nur fast.
Allerdings erinnert Mom mich ständig daran, dass ich nach Jackie Robinson benannt bin, dem ersten schwarzen Baseballspieler in der US-Profiliga, und nach Ralph Ellison, dem schwarzen Schriftsteller und Gelehrten, der mit dem Roman Der unsichtbare Mann berühmt wurde.
Ich bin Einzelkind. Meine Eltern bekamen mich ziemlich spät, nachdem sie es jahrelang versucht hatten, und gerade als sie alle Hoffnung aufgaben, tja, da schwamm ich daher. Mom wollte mich Miracle nennen, doch Dad (der normalerweise nicht die Stimme der Vernunft ist, hier aber mal von seiner Linie abwich) legte ein Veto ein: Bist du wirklich so wild darauf, dass Miracle jeden Tag gemobbt wird, mein Schatz?
Also wurde es Jackie Ellison.
Was wohl das perfekte Beispiel für besonders gute und besonders schlechte Erziehungsentscheidungen ist.
Denn einerseits ist es schon cool, zu wissen, dass ich nach so beeindruckenden Männern benannt bin. Eine Ehre. Ein Privileg.
Andererseits ist es gut möglich, dass meinen Eltern nicht bewusst war, was für ein abartig großer Druck dadurch auf meinen lächerlich schmalen Schultern lastet.
Also ja, damit schleppe ich mich auch noch rum.
^-^-^
Wie auch immer.
Ich bin Jack King. Der Typ mit dem Bartschatten und der alten Flanelljacke, der auf einer rappelvollen Party auf den unteren Stufen der Wohnzimmertreppe hockt, sich an einem leeren Glas festhält und so halb ein Basketballspiel verfolgt, das im Fernsehen läuft, meistens aber in die Küche starrt, zu …
Es ist immer dasselbe Mädchen.
Jillian.
Als wir uns zu diesem College-Schnupperwochenende angemeldet haben, hatte ich mir vorgestellt, dass Jillian und ich endlich mal allein miteinander sind. Dass wir die Zeit zusammen verbringen und sie endlich merkt, wie (halbwegs) süß und (einigermaßen) cool und (ansatzweise) interessant ich bin. Dass sie mehr als nur Jack-den-guten-Kumpel in mir sieht, versteht ihr?
Stattdessen sitze ich hier seit dreißig Minuten alleine rum – na ja, ganz alleine nicht, ich werde immer mal wieder angerempelt, wenn jemand die Treppe hoch- oder runterkommt. Ich schwöre, normalerweise bin ich nicht so eine verdruckste Spaßbremse.
Ich kann das erklären.
Jillian und ich sind beste Freunde. Wir kennen uns seit dem ersten Jahr an der Highschool, als wir einander im Schulflur buchstäblich über den Haufen gerannt haben (was für ein schlimmes Klischee, oder?) und sich der Inhalt unserer Rucksäcke über den ganzen Boden verteilt hat. Ich habe ihr geholfen, ihre Bücher aufzusammeln, wir haben uns vorsichtig aufgerappelt, um nicht mit den Köpfen zusammenzustoßen, und dann trete ich Idiot auf den Gurt ihres Rucksacks und reiße sie noch mal um. Auf der Peinlichkeitsskala war das eine glatte 10 von 10. Ein paar Mitschüler glotzten und lachten, und ich stand da und stammelte eine Entschuldigung nach der anderen.
Jillian dagegen sprang einfach wieder auf die Füße, blaffte die Schaulustigen an, sie sollten nicht so blöd gucken, und stellte sich mir vor.
»Jack und Jill«, sagte ich ungläubig. »Wie die beiden in dem Kinderreim.«
»Ha.« Sie lächelte. »Das Schicksal hat uns zusammengeführt.«
»Tut mir leid, dass ich nicht hinter dir hergepurzelt bin.« Ich war so stolz auf meinen scharfsinnigen Kommentar, dass mir erst Stunden später einfiel, dass in dem Gedicht Jill hinter Jack herpurzelt und nicht umgekehrt.
Aber mein Fehler schien Jillian nicht zu jucken. »Was nicht ist, kann ja noch werden«, sagte sie. Ihr Lächeln legte noch ein paar Lux zu, als sie hinzufügte: »Das mit dem Purzeln, meine ich.«
Da wusste ich, dass wir auf etwas ganz Großes zusteuerten. Aber weil ich meiner Fast-Tradition treu blieb, wurde nichts daraus. Sprich, drei Wochen später hatte Jillian einen Freund.
Ihr denkt jetzt vielleicht: Ist doch scheißegal, dass sie einen Freund hat, Jack. Sag ihr einfach, was du empfindest. Lass sie entscheiden. Schöne Idee, bloß gab es bei dieser ganzen »Ich habe einen Freund«-Sache eine für mich unüberwindliche Hürde. Und damit meine ich eine komplette Abwehranlage mit Sniper auf dem Dach, Bewegungssensoren, abgerichteten Raubdinos und einem Burggraben voller geschmolzener Lava – keine Chance, da durchzukommen.
Weil, Achtung, Plot-Twist: Jillians Freund, Francisco »Franny« Hogan, ist mein anderer bester Freund.
Ich weiß, ich weiß.
Ich würde euch ja zu gern eine Geschichte erzählen, in der ein ätzender Boyfriend (Franny) überhaupt keine Ahnung hat, wie glücklich er sich schätzen kann, so eine Freundin (Jillian) zu haben, sie scheiße behandelt und sie nicht verdient. Oder in der er mir heimtückisch in den Rücken gefallen ist, indem er sich die Frau meiner Träume schnappt. Nur: Franny wusste nicht mal, dass ich sie mag.
Es ist nämlich so, dass Franny voll in Ordnung ist – wirklich schwer in Ordnung. Wenn ich mir jemanden für Jillian aussuchen müsste – zum Beispiel wenn Jillian und ich zusammen wären und dieses Spiel spielen würden, wo du einen Freund bestimmst, der im Falle deines verfrühten Ablebens deinen Platz einnimmt –, dann würde ich für Jillian definitiv Franny aussuchen. Er würde sich um sie kümmern. Er würde sie lieben. (Das ist irgendwie ein krankes Spiel, oder? Das spielen wir besser nicht.)
Jedenfalls sind sie ein Paar. Ein echt cooles Paar. Und ich freue mich für sie. Ich würde nie auch nur daran denken, etwas zu tun, was ihre Beziehung gefährden könnte. Nein, ich bin bei der Jillian-Franny-Connection voll dabei. Das ultimative dritte Rad, der unterschätzte elfte Zeh, der überflüssige dritte Nippel.
Bis heute Abend.
Eventuell.
Vielleicht.
Wahrscheinlich nicht.
Niemals.