Tutanchamun


Danksagung, Autor und Vorwort


Danksagung

Prof. Dr. Francesco M. Galassi, M. D.

Dott.ssa Elena Varotto

Dr. Wolfgang Wettengel

Dr. Nicola Nina Dümmler-Schmid

Antiquariat Gert Heil Schaffhausen

Renate Siegmann

Dr. Barbara Lüscher

Marie Elisabeth Habicht

Andreas von Rétyi

Renee Rott, Dream Design

G. F. L. Stanglmeier


Über den Autor

Dr. Michael E. Habicht hat an den Universitäten Zürich und Basel Klassische Archäologie und Ägyptologie studiert. Ein Studienabschluss Dr. Phil I. (Ph. D. im englischsprachigen Raum) hat er an der Flinders University in Adelaide, South Australia in Bioarchäologie erworben mit dem Thema der multidisziplinären Untersuchung und Datierung von Mumien mit zahlreichen Fachartikeln [1–4]. Die Zeit von Tutanchamun und seinen Eltern hat Habicht in verschiedenen Monographien behandelt, so das Buch „Nofretete und Echnaton: Das Geheimnis der Amarna-Mumien [5,6] und zum geheimnisvollen Nachfolger von Echnaton, König Semenchkare [7]. Zudem war er bei wichtigen Chronologiestudien zum Alten Ägypten [8,9], mit Beiträgen in Enzyklopädien [10] und forensischen Rekonstruktionen von Mumien als Experte beteiligt [11]. Einige davon sind in diesem Buch besprochen. Im Rahmen der weltweiten Covid-19 Pandemie hat er auch zu historischen Epidemien der Vergangenheit Facharbeiten vorgelegt [12]. Sein Hauptwerk ist die Geschichtsreihe über das pharaonische Ägypten in vier Bänden: Das Monumentale Ägypten [13], das Literarische Ägypten [14], das Imperiale Ägypten [15] und das Fremde Ägypten [16], welches die gesamte Kultur von der Frühzeit bis zur griechischen Epoche behandelt. Zu Tutanchamun liegt von ihm auch ein Buch zu der wichtigsten Literatur vor [17]. 


Vorwort

Das vorliegende Buch ist einerseits die Weiterführung, zum anderen auch Ergänzung der Publikation „Nofretete und Echnaton. Das Geheimnis der Amarna-Mumien“ [5]. Beide Bücher können aber auch ohne Kenntnis des anderen Buches für sich alleine gelesen werden. Außer zwei wichtigen Quellentexten (Atonhymnus und der Restaurierungsstele) sind die Texte verschieden. Das Buch Tutanchamun konzentriert sich auf die Entdeckungsgeschichte des Grabes KV 62, die Herkunft, Leben und Tod des jungen Königs. Im zweiten Teil wird die Kunst aus der Epoche Tutanchamuns betrachtet und mit anderen Kunstwerken der ägyptischen Kultur verglichen. Der dritte Abschnitt ist der historischen Einordnung des Königs in die Spätamarnazeit gewidmet.

Für die E-Buch-Ausgabe wurden die Endnoten von der Harvard-Zitierweise auf Vancouver-Zitierweise geändert um die Lesbarkeit auf Tablets zu verbessern. 





Einleitung

Anmerkung zur Namensschreibweise

In der ägyptologischen Fachliteratur werden ägyptische Namen und Begriffe oft unterschiedlich wiedergegeben. Dies rührt von der semitischen Sprachfamilie her, zu der neben Hebräisch und Arabisch auch das Ägyptische dazugehört. Diese Sprachen schreiben nur die Konsonanten (und manchmal sogenannte Halbvokale). Da in den meisten Fällen die Vokalisation nicht gesichert ist, müßte man sich eigentlich auf die Konsonantenabfolge beschränken. Um die Namen aussprechbar und lesbarer zu machen, werden schwache Konsonanten als Vokale ausgesprochen (Aleph als A, Jod als J oder Y) und bei Bedarf zwischen jeden Konsonanten ein E eingeschoben. Von den Griechen sind zudem gräzierte Namensaussprachen überliefert, welche besonders im deutschsprachigen Raum beliebt sind. Die englische Transkription der Namen ist viel näher am ägyptischen Original. Von Tutanchamun sind verschiedenste Schreibweisen anzutreffen: Tutanchamun (Deutsch), Tutankhamun (Englisch), Tutankhamen (Englisch, eher ältere Schreibweise), Tut-Anch-Amun (Deutsch), Toutankhamon (Französisch). Für seine Vorgänger sind die Bezeichnungen Amenophis III. (Deutsch), Amenhotep III. sowie Echnaton oder Akhenaton, Nofretete oder Nefertiti anzutreffen.

Im Falle von Echnaton und Nofretete konnte durch Gerhard Fecht die Vokalisation nachgewiesen werden [18].  Echnaton wurde offenbar als „Achanjati“ und Nofretete als „Nafteta“ ausgesprochen. Diese Rekonstruktionen haben sich in den Fachpublikationen nicht durchgesetzt.


Die verschiedenen Aspekte des Königs

Das Phänomen Tutanchamun kann auf unterschiedliche Weisen betrachtet werden, welche ein recht gutes Bild dieses Königs zeichnen. Zum einen die Entdeckungsgeschichte und die Ausgrabung von Howard Carter, dann den historischen Tutanchamun, der uns in Bildwerken und Texten wie der Restaurierungsstele überliefert ist. Die kunstgeschichtliche Betrachtung seines Grabschatzes rundet das Bild ab, die Idee, Tutanchamun von verschiedenen Perspektiven zu betrachten wurde erstmals von Christine El-Mahdi realisiert  [19]: Sie unterschied zwischen dem archäologischen, dem historischen und dem wirklichen Tutanchamun.

Inwieweit sich eine Person der Antike wirklich fassen läßt ist unsicher. Im Vergleich mit anderen Pharaonen wissen wir aber von Tutanchamun doch erstaunlich viel und sind im Ausnahmefall sogar im Besitz von persönlichen Gegenständen des Königs wie seine Kleider, Möbel, Perücken und anderem. Inwieweit sich aus solchen Objekten Aussagen über den König ableiten lassen ist eine hochkomplexe Thematik.


Manetho und die Königslisten

In ptolemäischer Zeit erstellte der Priester Manetho (griechisch: Μανεθώς, von Mane-Thot, „Die Wahrheit des Thot“)  eine Königsliste [20]. Der Priester stammte aus Sebennytos in Unterägypten und lebte vermutlich unter den Königen Ptolemaios I. Soter, Ptolemaios II. Philadelphos und Ptolemaios III. Euergetes. Seine bekannteste Schrift ist die in drei Büchern erschienene Aegyptiaca, welche die Geschichte der Pharaonen von den ältesten ihm bekannten König bis zur Eroberung Ägyptens durch Alexander III. den Grossen behandelt. Über die Person des Manetho ist wenig bekannt, auch sein Werk Aegyptiaca ist schon lange verlorengegangen und nur über spätere antike Autoren inhaltlich überliefert. Nur etwa ein Drittel aller Herrschernamen sowie die Dynastieeinteilungen sind in Abschriften erhalten geblieben (vermutlich mit Verfälschungen) aus denen die Autoren Josephus Flavius, Iulius Africanus und Eusebius von Caesarea ihre Informationen schöpften.

Flavius Josephus (geboren 37 oder 38 n. Chr.  als Joseph ben Mathitjahu ha Kohen, hebräisch יוסף בן מתתיהו , in Jerusalem. Er starb nach 100 n. Chr. vermutlich in Rom) war ein Historiker des 1. Jahrhunderts und schrieb meist auf Altgriechisch, teilweise auch auf Aramäisch. Die Aegyptiaca des Manetho zitierte er in seinem Werk Contra Apionem „Gegen Apion“ das auch als „Über die Ursprünglichkeit des Judentums“ bekannt ist.

Sextus Iulius Africanus (geboren um 160/170 n. Chr., gestorben nach 240 n. Chr.) Er begründete die christliche Chronographie.

Eusebius von Caesarea (geboren 260/64 n. Chr. in Palästina, gestorben 339/340 n. Chr.) Seine Chronik umfasst verschiedene Chronologie von Völkern (Erstes Buch der Chronik).

Auch ihre Werke sind fragmentarisch und in Bearbeitungen erhalten. Das Werk von Manetho ist folglich sehr schlecht überliefert, stellte aber lange Zeit trotzdem die wichtigste Quelle für die Abfolge der ägyptischen Könige dar. Seine Königsliste war in drei Bücher unterteilt:

Die Dynastienunterteilung und die Zuordnung der Könige in dieselbigen ist bis heute in der Ägyptologie beibehalten worden, obwohl sie keineswegs unproblematisch ist. Mit der Entzifferung der Hieroglyphen und der fortschreitenden wissenschaftlichen Erforschung Ägyptens kamen in der Neuzeit ägyptische Originallisten zum Vorschein. Dazu zählen:

Der Königspapyrus Turin aus der Zeit von Ramses II. Die Liste ist in Hieratisch auf die Rückseite einer Abgabenliste geschrieben. Der Papyrus wurde 1820 von Drovetti in Luxor gefunden und kam 1823 nach Turin. Sie reicht von den Göttern bis zu den Königen der 17. Dynastie.

Der Palermostein ist ein Analenstein aus der 5. Dynastie und reicht von den Königen der prädynastischen Epoche bis zur 5. Dynastie. Der Block ist in Fragmente zerbrochen, welche in verschiedenen Museen aufbewahrt werden. Das Hauptstück wird in Palermo, regionales Archäologisches Museum aufbewahrt. Weitere Teilstücke befinden sich in Kairo, Nationalmuseum („Kairostein“ genannt) und ein Fragment P1 im Petrie Museum of Egyptian Archaeology in London.

Die Königsliste von Sakkara wurde 1881 im Grab des Königsschreibers und obersten Vorlesepriesters Tjuneroy gefunden. Er war ein Beamter unter Ramses II. Die Liste nennt 58 Könige, davon sind heute noch 50 Namen erhalten. Es gibt eine Abschrift der Liste aus dem Jahre 1904. Die Liste ist nur eine Auswahl von Königen, die Ramses II. besonders verehrte und sie sind auch nicht chronologisch aufgereiht. Für die 18. Dynastie werden aufgelistet:

Die Königsliste von Abydos, erschaffen unter Sethos I. und die sehr ähnliche Königsliste von Ramses II., ebenfalls in Abydos, hatten ebenfalls alle Könige der Amarnazeit aus der Geschichte herausgefälscht. Die Liste von Sethos I. befindet sich heute noch in situ im Osiristempel von Abydos. Die Königsliste von Ramses II. wird im British Museum aufbewahrt. Sie wurde 1837 erworben und ist nur fragmentarisch erhalten, während diejenige von Sethos I. einen hervorragenden Erhaltungszustand aufweist.

Nr.         

Thronname auf der Liste  

Eigenname

 

66          

Neb-Pehti-Ra                       „Herr der Stärke, ein Ra“

Ahmose

 

67          

Djoser-Ka-Ra                      „Heiliger Ka, ein Ra“                       

Amenhotep I.

 

68          

Aa-Cheper-Ka-Ra              „Gross an Erscheinung des Ka, ein Ra“

Thutmose I.

 

69          

Aa-Cheper-en-Ra               „Mit grosser Erscheinung von Ra“

Thutmose II.

 

70          

Men-Cheper-Ra                  „Mit dauernder Erscheinung, ein Ra“

Thutmose III.

 

71          

Aa-Chepru-Ra                     „Mit grossen Erscheinungen, ein Ra“

Amenhotep II.

 

72          

Men-Chepru-Ra                  „Mit dauernden Erscheinungen, ein Ra“

Thutmose IV.

 

73          

Neb-Maat-Ra                      „Herr der Maat, ein Ra“                  

Amenhotep III.

 

74          

Djoser-Chepru-Ra                             

Setep-en-Ra                         „Heilig sind die Erscheinungen des Ra, Auserwählt von Ra“

Horemheb

  

75          

Men-Pechti-Ra                    „Von dauernder Stärke, ein Ra“     

Ramses I.

 

76          

Men-Maat-Ra                     „Dauerhaft ist die Maat, ein Ra“

Sethos I.

 

Die frühen Könige der Ramessidenzeit hatten die Amarnazeit gründlich aus den Annalen der Geschichte getilgt, die Könige gab es schlicht nicht. (Auch die Königin Hatschepsut taucht nicht auf.) Dadurch geriet diese Epoche in Vergessenheit. Auch die Antiken Grabräuber suchten bald nicht mehr nach deren Gräbern. Auch Statuen und Reliefs wurden usurpiert und mit neuen Namen beschriftet. Erst im 19. Jahrhundert tauchte die Epoche langsam wieder auf. So fand Giovanni Belzoni 1816 das Grab von Pharao Aja (Grab WV 23 im westlichen Tal der Könige). Die Hieroglyphen waren aber noch nicht entziffert und daher konnte der König damals noch nicht sicher zugewiesen werden. Von Echnaton hatte man in Tell el-Amarna bereits 1714 erste Spuren gefunden. 1824 und 1826 wurde die Stadt erstmals oberflächlich untersucht. Karl Richard Lepsius stellte in seinen Ausgrabungskampagnen 1843 und 1845 fest, daß Echnaton und seine Nachfolger Semenchkare, Tutanchamun und Aja in den Königslisten fehlten. Alle Personen die mit der Sonnenscheibe und dem Gottesnamen Aton verbunden waren, sind einer damnatio memoriae anheimgefallen [5]. Etwas Außerordentliches mußte sich in dieser Zeit ereignet haben. In den 1880er Jahren hatten Einheimische das Grab von Echnaton in Tell el-Amarna gefunden, die Behörden bekamen 1890 davon Kenntnis und räumten in den Folgejahren das Grab. Howard Carter kam 1893 als Zeichner nach Tell el-Amarna. Er war Teil des Grabungsteams von Sir Flinders Petrie, welcher dort in der verlassenen Stadt ungestört durch spätere Überbauungen wie bei den meisten anderen Orten graben konnte. Achet-Aton, so der antike Name von Tell el-Amarna war frei von Epochenvermischungen. Ab dieser Zeit war klar, daß es weitere Könige der 18. Dynastie gab. Nur, wo lagen ihre Gräber? In Achet- Aton, wie das des Echnaton oder im Tal der Könige wie Aja? 




Das Tal der Könige

Das abgelegene Wüstental auf der Westseite der heutigen Stadt Luxor ist der Schauplatz wo sich wichtige Episoden von Tutanchamun und seiner Entdeckungen abspielen. Mit dem Beginn des Neuen Reiches (18. bis 20. Dynastie) wurde ab Pharao Amenhotep I. das Tal als Bestattungsort der Könige ausgewählt. Das Tal diente aber auch einigen Königinnen und verdienten Beamten oder nahen Verwandten der Könige als privilegierter Bestattungsplatz. Die Ägypter empfanden die Gräber aber nicht als das, was wir heute darin sehen, nämlich als Ruhestätte für Tote, sondern als Orte der Wiedergeburt. Die Gräber erfüllten in ihrer Architektur und Dekoration genau diese Aufgabe. Daher finden sich bei den Grabdekorationen auch keine biographischen Episoden, sondern kultische Texte, die dem König den Weg ins Jenseits ermöglichen sollen. In früheren Dynastien hatten sich die Könige in Pyramiden, welche Totentempel und Taltempelkomplexe aufwiesen, bestatten lassen. Alle wurden ausgeplündert, dies war auch den Königen bewusst geworden: Im Neuen Reich wollte man der Grabstörung vorbeugen und trennte die Tempelanlage vom Grab. Die Totentempel lagen am Westufer am Rande des Fruchtlandes. Viele davon sind bis heute erhalten geblieben. Die Gräber befanden sich nun versteckt im abgelegenen Wüstental, das überwacht wurde. Über dem Tal thront eine Gebirgsspitze, genannt el-Qurn (arabisch „Das Horn“) welches in seiner Form an eine natürliche Pyramide erinnert.

Mit dem Ende des Neuen Reiches kehrte zunächst für über fünfhundert Jahre Ruhe im Tal ein. Die Könige der 3. Zwischenzeit ließen sich im Norden in Gräbern bestatten die in Tempelarealen lagen. Das Tal der Könige wurde nur noch für Nachbestattungen von Privatpersonen nachgenutzt (Viele gefundene Mumien gehören dieser Nachbelegung an). Erst in der Zeit der Griechen gegen Ende des 3. Jahrhunderts v. Chr. und bis in Römische Zeit wurde das Tal von antiken Touristen besucht. Einige Gräber standen damals bereits offen, wie Graffiti der antiken Besucher beweisen.

KV 1 Ramses VII: 132 Graffiti
KV 2 Ramses IV: 656 Graffiti
KV 4 Ramses XI: 58 Graffiti
KV 6 Ramses IX: 46 Graffiti
KV 7 Ramses II: 4 Graffiti, nur im Eingangsbereich
KV 8 Merenptah: 121 Graffiti, nur im Eingangsbereich
KV 9 Ramses V und VI: 995 Graffiti
KV 10 Amenmesse: 7 Graffiti, nur im Eingangsbereich
KV 11 Ramses III: 19 Graffiti, nur im Eingangsbereich
KV 15 Sethos II: 59 Graffiti

 

Die meisten damals offenen Gräber gehören der 20. Dynastie, wenige der 19. Dynastie an. Diese waren in ihrer Architektur sichtbarer angelegt worden. Chronologisch wurde die Entdeckung quasi von hinten her aufgerollt. Das früheste datierbare Graffito stammt aus dem Jahr 278 v. Chr. das jüngste der antiken Inschriften aus dem Jahr 537 n. Chr. [21].

Die christliche und die islamische Epoche in Ägypten interessierten sich kaum für das Tal. Erst ab dem 17. Jahrhundert kamen wieder Reisende ins Tal, welche davon in einem Reisebericht Kunde vom Tal ablegten. Einer der ersten Berichte stammt von Pater Claude Sicard, dem Leiter der Jesuiten in Kairo, welcher das Tal 1708 besuchte und von Gräbern im Tal berichtete. Einen genaueren Bericht vom Tal lieferte der englische Reisende Richard Pococke, der 1739 im Tal war und den Reisebericht unter dem Titel „Observations on Egypt“ im seiner Buchreihe „Description of the East, and some other countries“ 1743 publizierte.

Gräber bei Pococke Heutige Nummer
A KV 1 Ramses VII.
B KV 2 Ramses IV.
C KV 7 Ramses II.?
D KV 8 Merenptah
E KV 9 Ramses V. und VI.
F KV 12
G KV 13 Kanzler Baja
H KV 14 Königin Tausret & Pharao Sethnacht
I KV 15 Sethos II.
K KV 11 Ramses III.
L KV 10 Amenmesse
M KV 18 Ramses X.
N KV 6 Ramses IX.?
ohne Nummer KV 4 Ramses XI.
O KV 3 Sohn von Ramses III.?

 

Vom Schotten James Bruce stammt die berühmt gewordene Beschreibung des Grabes KV 11 von Ramses III, welches seither auch unter dem Namen „Bruces Grab“ bekannt ist. Die Darstellung der Harfenspieler publizierte er, sehr frei romantisierend, in seinem Buch „Travels to Discover the Souce of the Nile“ im Jahre 1790 [21]. 


1. Juli 1798: Napoleon kommt

Der Ägyptenfeldzug von Napoleon Bonaparte brachte für die Ägyptologie entscheidende Impulse: Neben den 40‘000 Soldaten setzten auch 139 Gelehrte den Fuß auf Ägyptischen Boden. Beim Festungsbau in Rosetta wurde ein Inschriftenblock mit drei Sprachen gefunden, welcher die Entzifferung der Hieroglyphen ermöglichen sollte. Die Expedition war militärisch ein Fehlschlag: Nach dem Sieg bei den Pyramiden konnte Napoleon zwar als Sieger in Kairo einziehen, kurz darauf vernichtete aber Nelson die französische Flotte bei Abukir. Vom Rückzug nach Europa zunächst abgeschnitten blieb den Franzosen nichts als der Vormarsch tiefer nach Ägypten. So erreichten sie am 26. Januar 1799 Theben, das heutige Luxor. Den Wissenschaftlern blieben nur wenige Stunden im Tal der Könige für die Anfertigung einiger Zeichnungen und einen schon stark verbesserten Plan vom Gebiet. Die Franzosen listeten 16 Gräber auf, und waren die Ersten, welche das Westtal erkundeten, denn dort fanden sie das isoliert von den anderen liegende Grab WV 22. Die Forschungsergebnisse wurden im Monumentalwerk „Description de l’Égypte“ in 19 Bänden publiziert (erschienen zwischen 1809 bis 1828). Diese Bücher beeinflussen die Ägyptologie bis heute, da sie viele Objekte in einem guten Zustand abbilden, welche heute stark beschädigt oder vollkommen zerstört sind [22]. 


Die Schatzgräber: Drovetti und Belzoni

Der Ägyptenfeldzug löste in Europa eine erste Ägyptomanie aus. Die Fürstenhäuser und auch die Museen wollten Objekte dieser faszinierenden Kultur besitzen. Mit diplomatischer Immunität geschützt, wurden Agenten ausgesandt, sie zu beschaffen. Für die Franzosen agierte der Italiener Bernardino Drovetti (1776 -1852) als französischer Generalkonsul. Beim Sammeln von Altertümern war er sehr erfolgreich, seine Methoden freilich waren rabiater Art. Er scheute auch vor dem Einsatz von Sprengstoff nicht zurück. Sein britisches Pendant war der Gelehrte Henry Salt (1780-1827). Salt war weniger „offensiver Natur“ mußte aber, um mit Drovetti mithalten zu können, mit denselben Methoden vorgehen. Beide betrachten die Kunstwerke der Pharaonen als ihren persönlichen Besitz und teilten sich Ägypten regelrecht auf. Es wurden quasi „Goldgräberclaims“ abgesteckt. Die Ägypter waren einerseits an der heidnischen Vergangenheit nicht wirklich interessiert, die Fremden zahlten gut für die alten Dinge und zudem hatten die Einheimischen den aufstrebenden Kolonialmächten Europas nichts entgegenzusetzen.

Henry Salt suchte einen Mann fürs Grobe vor Ort und fand ihn in der Person von Giovanni Battista Belzoni (1778-1823). Der aus Padua stammende Wasserbauingenieur war fast zwei Meter groß und trat eine zeitlang im Zirkus als Kraftmensch auf. Er war 1815 nach Ägypten gereist, um dem Vizekönig von Ägypten Mohammed Ali Pascha eine neuartige Wasserhebemaschine zu verkaufen. Dieser war aber nicht interessiert und Belzoni mußte sich nach einer anderen Erwerbsmöglichkeit umsehen. So begann er für Henry Salt zu arbeiten, der ihn damit beauftragte, den kolossalen Statuenkopf von Ramses II. aus dessen Totentempel (Ramesseum) zum Nil zu transportieren und nach London zu verschiffen. Drovetti hatte es als unmöglich eingestuft. Belzoni erledigte die Aufgabe in Rekordzeit.

Nun wandte sich Belzoni dem Tal der Könige zu. Aus dem Grab von Ramses III. (KV 11) barg er den Sarkophag und führte ihn der Sammlung von Salt hinzu, welcher das Stück an Ludwig XVIII von Frankreich verkaufte [21]. Belzoni wollte fortan aber auf eigene Rechnung arbeiten und zerstritt sich mit Salt. Seine erste Entdeckung als selbständiger „Schatzjäger“ war das Grab von Pharao Aja im Westtal (WV 23) Ende des Jahres 1816. Das Grab war bei der Napoleonischen Expedition 1799 von Jollois und de Villiers erstmals lokalisiert worden. Da die Hieroglyphen noch nicht entziffert waren, dürfte Belzoni noch nichts von der Amarnazeit geahnt haben. Belzonis Erfolge kamen in schneller Folge: Schon im August oder September 1817 folgte im Westtal die Entdeckung des unvollendeten Grabes WV 25. Auch im häufiger genutzten Osttal konnte er neue Gräber aufspüren.  Am 10. oder 11. Oktober 1817 fand Belzoni Grab KV 16 von Ramses I. das zwar sehr klein, aber prachtvoll dekoriert ist. Das Grab enthielt noch Reste von hölzernen Grabstatuen, sowie zwei Mumien, die aber aus einer späteren Nachnutzung stammen. Belzoni scheint ein natürliches Gespür für das Auffinden von Grabanlagen gehabt zu haben, da er bereits am 16. Oktober 1817 eines der größten und unbestritten das prachtvollste aller Königsgräber im Tal fand: Das Grab Sethos I. (KV 17). Die Wände waren fast durchgängig in wunderschön ausgeführtem, bemaltem Relief gehalten, welche bei der Entdeckung in tadellosem Zustand waren. Waren, denn heute sind sie durch unsachgemäße Behandlung und Massentourismus stark beschädigt.  Aus dem Grab konnte er den Alabstersarkophag von Sethos I. bergen und ihn nach London verschiffen. Heute völlig unverständlich lehnte das British Museum das Verkaufsangebot ab und der Sarkophag kam in den Besitz des Architekten Sir John Soane. Er ist noch heute das Prunkstück des Soane Museums. Als Belzoni das Tal der Könige aufgab, weil er meinte, daß es nichts mehr zu finden gäbe, trat Henry Salt auf den Plan. Auch er wollte Ruhm ernten und grub ebenfalls im Tal der Könige. Seine Erfolge waren aber bescheiden: Er fand nur die beiden Privatgräber KV 30 und 31. Giovanni Battista Belzoni starb am 3. Dezember 1823 auf dem Weg nach Timbuktu an der Ruhr. Vier Jahre später (29. Oktober 1827) starb auch Henry Salt. Die Zeit der reinen Schatzsucher begann sich dem Ende zuzuneigen. Denn etwa zeitgleich mit Salt und Belzoni tauchte einer der Väter der modernen Ägyptologie auf. John Gardner Wilkinson. Er beschäftigte sich zunächst mit dem sorgfältigen Kopieren von Bildern und Inschriften in den thebanischen Gräbern. Die Ergebnisse sind in 56 großformatigen Büchern aufbewahrt (heute im Bodleian Library Oxford). Zu Wilkinsons Zeit kam der akademische Durchbruch als Champollion die Hieroglyphen entzifferte. Wilkinson erkannte die Bedeutung des Tals der Könige für die Chronologie der Geschichte und der Kunstentwicklung. Er war es, der im Tal herumging und an jeden ihm bekannten Eingang eine Nummer malte. Die Nummerierung nach Wilkinson wird mit leichten Modifikationen und Ergänzungen durch Neufunde bis heute verwendet. Ein anderer Ausgräber, James Burton, klassifizierte die Gräber mit einem Buchstabensystem, dies erwies sich als unpraktisch und setzte sich nicht durch. Burton grub auch in Gräbern welche sich als hoch problematisch für die Ausgrabung erwiesen: So mühte er sich am Grab von Hatschepsut und Thutmosis I. (KV 20) ab, das einen unglaublich langen und engen Korridor hat, welcher zudem durch eine instabile Schieferschicht führt. Burton mußte wegen zu schlechter Luftversorgung aufgeben. Dann führte er die erste Ausgrabung am Kollektivgrab der Söhne von Ramses II. (KV 5) durch. Er grub nur oberflächlich an, ehe er aufgab. An dieser Anlage, die sich als unerwartet riesig erweisen sollte, gräbt der aktuelle Ausgräber Kent Weeks nach vielen Jahren noch immer. James Burton hat seine Ergebnisse nie publiziert, die Zeichnungen und Notizen ruhen in 63 Bänden im Archiv des British Museum.

heutige Nummern Wilkinson Burton Hay
KV 1 1 O 1
KV 2 2 N 2
KV 3 3 P 3
KV 4 4 Q 4
KV 5 5 M 8
KV 6 6 L 9
KV 7 7 K 10
KV 8 8 I 14
KV 9 9 H 15
KV 10 10 G 16
KV 11 11 F 17
KV 12 keine Nummer - 18
KV 13 13 E 19
KV 14 14 D 20
KV 15 15 C 21
KV 16 16 X 11
KV 17 17 W 12
KV 18 18 V 13
KV 19 19 S 6
KV 20 20 R 7
KV 21 21 T -
KV 26 - keine Nummer 22
KV 27 - - -
KV 28 - - -
KV 30 - keine Nummer 23
KV 31/32 - - 24
KV 33 - keine Nummer -


Adresse: Hotel Ramses VI.

Ein anderer Forscher der 1820er und 30er Jahre, Robert Hay, ein entfernter Verwandter von James Burton zeichnete sich besonders dadurch aus, daß er sein Wohnquartier im Grab von Ramses IV. aufschlug. Die Idee ein Grab als Arbeitsstätte zu nutzen, wird Howard Carter später neu aufleben lassen, indem er das nahe Grab von Sethos II. als Konservierungsdepot nutzte, wo die Objekte zuerst von Restauratoren stabilisiert wurden, ehe man sie abtransportierte. Die Gräber sind auch bei großer Hitze relativ kühl und spenden zudem Schatten.

Nun setzten die großen Forschungsexpeditionen ein. Jean-François Champollion bereiste Ägypten in den Jahren 1828 bis 1829 zusammen mit Ippolito Rosellini. Auch Champollion wohnte in einem Königsgrab (Ramses VI.) und kopierte diverse Wände. Sie beließen es nicht nur beim Abzeichnen: Champollion sägte die Reliefs von zwei Pfeilern im Grab von Sethos I. ab. Die beiden Platten wurden nach Florenz verschickt, wo sie heute noch sind. Einerseits ist dieser Vandalismus aus heutiger Sicht zu verurteilen, doch andererseits sind dies heute die beiden am besten erhaltenen Platten. Sie waren schon im Museum, ehe der Tourismus ins Tal einsetzte. Während die Touristenmassen die Reliefs abscheuern, zeigen diese beiden Platten als einzige noch die Farbenpracht, wie sie einst im ganzen Grab herrschte...

Teil der Champollion-Rosellini-Expedition war auch Champollions Schüler Nestor L’Hôte. Nach dem Tod seines Lehrers kehrte er ins Tal der Könige zurück und vertrat in seinen Memoiren die Ansicht, daß das Tal noch weitere Geheimnisse berge. Die damaligen Forscher wohnten im Grab Ramses VI. Ironischerweise waren sie somit nur wenige Meter von Tutanchamuns Grab entfernt.

In den Jahren 1842 bis 1845 traten die bisher untervertretenen Deutschen auf den Ägyptologieschauplatz auf, spät - dafür prominent: An der Spitze einer preußischen Expedition forschte Carl Richard Lepsius mit zwei Hauptzielen: zum einen eine Bestandaufnahme der erhaltenen Monumente und dem Sammeln von Altertümern, dieses Mal für das Königreich Preußen. Lepsius war äußerst erfolgreich und sandte rund 15‘000 Objekte nach Hause und er veröffentlichte ein zwölfbändiges Werk „Denkmäler aus Ägypten und Äthiopien (1849-1859). Auch seine Grabungen richteten Schäden in den Gräbern an. Er publizierte eine Karte mit 25 Gräbern mit der Nummerierung nach Wilkinson. 


Die Professionalisierung

Die Franzosen konnten sich in den Jahren nach 1850 in den Altertumsbehörden eine langandauernde Machtposition einrichten. Denn so langsam zeichnete sich das Ende der Materialbeschaffungskampagnen ab. Auch die Karriere von Auguste Mariette (1821-1881) begann wie die der anderen Schatzgräber: Der Louvre sandte ihn nach Ägypten um koptische Papyri für das Museum einzusammeln. Mariette fand aber in Sakkara, der Wüstennekropole bei Memphis das Serapeion (die Begräbnisstätte der heiligen Apisstiere) und grub dieses aus. Die Zweckentfremdung des Budgets ärgerte den Louvre, brachte Mariette aber großen Ruhm. Darum ernannte der Khedive (Vizekönig von Ägypten) ihn zum Direktor der Ägyptischen Monumente. Mariette schuf den „Service des Antiquités“ und gründete 1863 das Bulaq Museum. Es war das erste ägyptologische Museum und demonstrierte, daß auch die Ägypter einen Teil ihrer Vergangenheit für sich beanspruchten.

Nachfolger von Mariette wurde der Franzose Gaston Maspero (1846-1916), der die Ausgrabungen während seinen zwei Amtszeiten (1881-1886 und 1899-1914) mit großem Elan vorantrieb. Maspero katalogisierte als erster die Bestände des Ägyptischen Museums in Kairo. Zusammen mit Emil Brugsch entdeckte er 1881 die Pyramidentexte, den ältesten religiösen Textkorpus der Welt. Der Wechsel zeigte sich deutlich: Statt Material suchte die Ägyptologie nun nach Wissen, Information.

Bis jetzt hatte man im Tal vor allem die Gräber gefunden, teilweise mit späteren Nachbestattungen. Nun war die Zeit der Cachettes gekommen. Die Wissenschaftler fanden die Mumienverstecke der Könige, welche die Priester des Amun in der 3. Zwischenzeit angelegt hatten um wenigstens die Körper der ausgeplünderten Könige des Neuen Reiches zu retten [5,23–25]. Im Sommer 1881 erfuhr der Service des Antiquités, daß Einheimische in den Gebirgsklippen des Talkessels von Deir el-Bahari, wo der Totentempel der Königin Hatschepsut steht, eine Entdeckung gemacht hatten. Im Cachette DB-320 waren die Mumien von über 50 Königen, Königinnen und Priestern gefunden worden. Die Grabräuberfamilie von Abd el-Rassul hatte das Versteck zufällig gefunden, als ein Familienmitglied bei der Suche nach einer verirrten Ziege in den Grabschacht stolperte, wo die Ziege eingebrochen war. Dies muß in den 1870er Jahren geschehen sein und die Familie lebte eine Zeitlang davon, daß es die „Privatbank“ in den Bergen langsam ausplünderte. Denn obwohl die Könige stark beraubt waren, gab es doch noch etliche Schmuckstücke die sie auf dem Antikenmarkt verkauften. Doch die Behörden erfuhren davon und setzten dem ein Ende. Schließlich führte ein Familienstreit zum Verrat des Verstecks und Gaston Maspero beorderte seinen Assistenten Brugsch zum Fundort. Am 6. Juli 1881 traf dieser dort ein und war ob des Fundes sprachlos vor Erstaunen. Er schrieb 1887 folgendes darüber:

„Bald trafen wir auf Kisten voller Grabbeigaben aus Porzellan (gemeint ist Fayence, Anm. des Autors), Gefäße aus Metall und Alabaster, Draperien und Geschmeide, bis an der Biegung des Ganges eine ganze Traube von Mumienbehältern in solcher Zahl in Sicht kam, daß mir der Atem stockte. Ich riß mich zusammen, untersuchte den Fund so gut es ging, im Schein meiner Fackel und sah sofort, daß sie die Mumien königlicher Personen beiderlei Geschlechts enthielten – aber das war noch nicht alles. Ich überholte meinen Führer, rannte weiter in die (End-)Kammer... und fand dort an der Mauer stehend oder auf dem Boden liegend eine noch größere Zahl von Mumienbehältern vor horrender Größe und unglaublichem Gewicht. Ihr Goldüberzug und die polierten Oberflächen spiegelten mein erregtes Gesicht so deutlich wider, daß es mir schien, als blicke ich meinen eigenen Vorfahren ins Antlitz.“ [21].

Viele Geschmeide gehörten allerdings dem Hohepriester Pinodjem II. aus der 22. Dynastie und seinen Angehörigen, die sich hier mit den Königen in ihrer Familiengruft bestatten ließen. Die Mumien wurden in einer Eilaktion aus dem Versteck geholt und ins Museum nach Kairo verbracht.

Der Fund brachte aber für die Forschung große Probleme mit der Zuweisung mit sich. Denn die Särge waren sekundär verwendete Särge die neu für die Könige beschriftet wurden und die Mumienbündel hatten ebenfalls Aufschriften, welche die Identität der Mumie verrieten. Die Namen auf den Särgen stimmten aber nicht immer mit den Namen der Bündel überein.

Im Cachette DB 320 wurden folgende Königliche Mumien oder zuweisbare Objekte gefunden: Nach einigen Königen und Königinnen der 17. Dynastie (2. Zwischenzeit) fand man aus dem früheren Neuen Reich (18. Dynastie) die Mumien von Ahmose, Amenhotep I., einen Holzkasten mit einem mumifizierten Organ der Königin Hatschepsut, Thutmosis II. und der III. sowie aus der 19. und 20. Dynastie die Ramessidenkönige Sethos I., Ramses II., Ramses III. Daneben sind einige Könige sehr unsicher: Der angebliche Thutmosis I. lag im Sarg von Hohepriester Pinodjem I. und Ramses IX. lag auch im Sarg einer anderen Person. Damit hatte die Forschung rund einen Drittel aller Könige des Neuen Reiches gefunden. 


Victor Loret und das Grab KV 35

Einer der Nachfolger von Maspero war Victor Loret, welcher das Amt des Chefs des „Service des Antiquités“ 1897 antrat. Er war im Gegensatz zu Maspero nicht beliebt und hatte nur eine kurze aber sehr produktive Amtszeit. In zwei Jahren (1898 und 1899) konnte er die Gräberliste um sensationelle 16 weitere Gräber erweitern.

KV 26 1898 gefunden
KV 27 1898 gefunden
KV 28 1898 gefunden
KV 30 1898 gefunden
KV 31 1898 gefunden
KV 32 1898 gefunden
KV 34 Grab des Thutmosis III, 1898 gefunden
KV 35 Grab Amenhotep II. mit Cachette, 1898 gefunden
KV L-M  
KV 29  
KV 36  
KV 37  
KV 38 Sekundäres Grab von Thutmosis I.
KV 39 Eventuell das Grab von Amenhotep I.
KV 40  
KV 41  

 

Während Loret bei den Ausgrabungen sehr produktiv war, ist seine Liste von Veröffentlichungen enttäuschend: Es gibt nur zwei vorläufige Berichte über zwei seiner Entdeckungen (über KV 35 von Amenhotep II. und seine Mumienversteck und KV 34 von Thutmosis III.). Die Forschungsmethodik von Loret kann allenfalls erschlossen werden [26]. Es gibt auch noch eine umfangreiche Serie von Photographien (in seinem Archiv in Lyon). Die Einträge im Journal d’Entrée des Museums Kairo deuten zudem darauf, dass Loret auch die Gräber KV 2 (Ramses IV.), KV 17 (Sethos I.) und WV 22 (Amenhotep III.) untersucht haben könnte [21]. Im Grab KV 35 hinterließ Loret ein Rastersystem, in welches er die Funde eintrug, sie wurden aber nie veröffentlicht und sind inzwischen verlorengegangen [21]. Die Ausgrabungsarbeiten von Victor Loret im Grab KV 35 wurden von Dr. Joann Fletcher detailliert aufgearbeitet [27]. Wie schon andere bekannte Ausgräber hatte Loret mit dem Kopieren von Inschriften und Wänden begonnen und sich fundierte Kenntnisse der Landschaft erworben. 1898 arbeitete er parallel in den Gräbern KV 34 und 35. Die für die Geschichte von Tutanchamun wichtige Entdeckung machte er im Grab von Amenhotep II. Denn das Grab enthielt nicht nur eine Mumie im Steinsarkophag, welche zunächst einmal als Amenhotep II. galt, sondern in den Nebenkammern auch noch weitere königliche Mumien. Im Nebenraum Jb wurden neun beschriftete Mumien gefunden, welche die Priester der 3. Zwischenzeit hier deponiert hatten. Es waren die Mumien von Thutmosis IV, Amenhotep III, Sethos II, Merenptah, Siptah, Ramses IV, Ramses V und Ramses VI, sowie eine unbekannte Frau (als Mumie D bezeichnet, die heute teilweise als Mumie der Königin Tausret gilt). Im Vorraum war zuvor schon eine Mumie in einem kleinen Boot liegend gefunden worden. Sie wird teilweise für die Mumie des Pharao Sethnacht aus der 20. Dynastie gehalten [28]. 

Im Nebenraum Jc wurden zudem drei nackte Mumien entdeckt, Loret identifizierte sie als ältere Dame mit lockigem Haar, einen Jüngling von etwa 15 Jahren und einen jungen Mann mit Glatze. Sie galten um 1900 als drei „Menschenopfer“ und als natürlich ausgetrocknet oder aber als irgendwelche Familienmitglieder von Amenhotep II [3,27]. Die Forschung kümmerte sich lange kaum um sie. 1899 folgte auf Loret erneut Gaston Maspero als Antikendirektor. Die Rückkehr vom Maspero war ein Wendepunkt in der Ägyptologie. Maspero legte von nun an größeren Wert auf die Erhaltung der Gräber und er sollte es sein, der die Karriere eines jungen Engländers namens Howard Carter in Schwung brachte.


Die Suche nach Tutanchamun

Die Entdeckung des Grabes von Tutanchamun stellte den Höhepunkt aller ägyptologischen Erfolge dar [29]. Es war auch ein Wendepunkt der Archäologie: Die Zeit der selbsternannten „Dilettanten“ ging zu Ende – von nun an etablierte sich die Ägyptologie als „wirklich seriöse“ Wissenschaft. Systematik – dieses Wort ist bezeichnend für Howard Carters Arbeit – ist seither vorherrschend. Es waren drei Personen, die bis zum 4. November 1922 der Weltöffentlichkeit weitgehend unbekannt waren, welche die Geschichte der Altertumswissenschaften für immer veränderten: Tutanchamun galt bis dahin als wenig bedeutende Figur im Schatten von Echnaton und ein wenig geeigneter Kandidat für eine Sensation [30]. Ein exzentrischer Lord, dem von seinem Arzt nach einem schweren Autounfall, Ägypten zur Erholung und Ägyptologie als Beschäftigungstherapie empfohlen wurde, bildet die zweite Figur. Und ein Ägyptologe namens Howard Carter der gerade einen Karriereknick hatte, bildete das Personendreieck dieser Entdeckung. Zunächst ist es daher interessant einen Blick auf die Biographien und die Persönlichkeitsstrukturen der Hauptakteure zu werfen [31]. Neu waren auch die internationale Unterstützung und Zusammenarbeit. Zuvor war der Neid der Fachkollegen und Mißgunst der Behörden die Regel gewesen [29]. Um die Entdeckung und Erforschung ranken sich unzählige Geschichten und Theorien. Der sogenannte „Fluch des Pharaos“ ist dabei nur die Spitze dieser Geschichten. Denn auch über die Nacht der Graböffnung gibt es Widersprüche, die eine andere Version, als die offizielle, zumindest nahelegen [30]. Oft ist zu hören, Howard Carter hätte Tutanchamun fast zufällig gefunden. Eine seriöse Recherche zeigt aber, daß Carter sehr gezielt und systematisch danach gesucht hat [30].


Die Ausgräber: Lord Carnarvon, Carter, Davis

George Herbert Earl of Carnarvon


Auch George Stanhope Molyneux Herbert, 5. Earl of Carnarvon und Viscount Porchester, war außerhalb seiner Gesellschaftsschicht bis 1907 weitgehend unbekannt [32]. Bis zu seinem 41. Lebensjahr hatte er eigentlich nichts Besonderes zustande gebracht. Die Familie hatte im 18. Jahrhundert den zuvor mehrfach vergebenen und erloschenen Titel „Earl of Carnavon“ erhalten. Sein Vater, der 4. Earl of Carnarvon war Kolonialminister im Kabinett von Benjamin Disarelli gewesen, jedoch hatte er keinerlei Ehrgeiz, da er reich genug war, auf die politische Karriere zu verzichten. Der Vater war aber sehr gebildet, er sprach und schrieb Latein und Griechisch und war ein Kenner der klassischen Antike. Von diesen Talenten vererbte er nur die Trägheit auf seinen Sohn.

 

Die Earl of Carnarvon (5. Neuverleihung des Titels an die Familie Herbert)

1.       Henry Herbert, 1st Earl of Carnarvon (1741–1811).

2.       Henry George Herbert, 2nd Earl of Carnarvon (1772–1833).