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© 2021 Pačić, Harun
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7534-6945-4
Die ERWÄGUNGEN ZUM ARBEITSVERTRAG sind die Zusammenfassung einer Heranführung an die Arbeitsvertragsgestaltung, die dem KU VERTRAGSGESTALTUNG IM ARBEITSRECHT an der Universität Wien und der ILV VERTRAGSGESTALTUNG UND NEUE ARBEITSFORMEN an der Fachhochschule des BFI Wien zugrunde liegt.
Einem Wesenszug von Lehrbehelfen entsprechend sind alle nachfolgenden Lehrsätze dadurch charakterisiert, dass sie nicht abgeschlossen sind, denn sie sind zum Nach-, Durch- und Weiterdenken gedacht.
Das Arbeitsverhältnis gründet insofern auf dem Arbeitsvertrag, als er es nicht nur begründet, sondern auch einen Rechtsgrund für seine Ausgestaltung darstellt.1
Ehe wir das Arbeitsverhältnis arbeitsvertraglich zu gestalten beginnen, sollten wir klären, ob es ein Arbeitsverhältnis ist, das wir gestalten möchten, inwieweit wir dazu ermächtigt sind und inwiefern wir daran interessiert sind.2
Setzen wir voraus, dass wir einen Arbeitsvertrag schließen wollen, so dürfen wir diesen nicht so ausgestalten, dass er am Ende keiner ist, weshalb wir das im Blick behalten müssen, was ihn ausmacht:
Verpflichtet sich ein Mensch so zur Arbeit für eine Person, dass dem Grunde nach sie allein das Beschäftigungsverhältnis auszugestalten befugt ist, so begründet diese seine rechtliche Unterordnung ein Arbeitsverhältnis; verhält es sich so, dass er im Grunde frei ist, über seine Arbeitskraft zu verfügen, so ist der eingegangene Vertrag aufgrund rechtlicher Gleichordnung als freier Dienstvertrag anzusehen.3
Dem Arbeitsvertrag – oder Dienstvertrag – und dem freien Dienstvertrag ist gemein, dass die Arbeitskraft: Dienstleistung für gewisse Zeit geschuldet wird, sodass dann, wenn sich aus einem Rahmenvertrag für eine geschäftliche Beziehung keine Arbeitsverpflichtung ergibt, weder ein Arbeits- noch ein freier Dienstvertrag vorliegt;
darauf gestützte Übereinkünfte über die Ausführung von Arbeitseinsätzen sind gesondert zu beurteilen.4
Die zuvor angesprochene rechtliche Unterordnung zeigt sich als feste Einbindung in den Betrieb bei Bindung an persönliche Weisungen; das sind solche, die Arbeitszeit und Ort der Arbeit, Arbeitsabfolge und arbeitsbezogenes Verhalten betreffen.5
Die Vorgaben hierzu reichen im Arbeitsverhältnis infolge organisatorischer Eingliederung des Arbeitenden weiter als bei freier Mitarbeit, welche durch lockere funktionelle betriebliche Anbindung gekennzeichnet ist.
Persönliche Abhängigkeit ist der überkommene Begriff für die überwiegend fremdbestimmte Arbeitsweise der typischen Arbeitnehmenden: Sie liegt dann vor, wenn ihre Merkmale als Elemente eines beweglichen Systems bei einer Auswertung der Sachlage überwiegen.6
Das wirtschaftliche, unternehmerische Betriebsrisiko trägt die Arbeit-gebende Person, die dieses nicht durch übermäßige Kostenbelastung auf den Arbeitnehmenden überwälzen darf.7
Atypische Arbeit mit weithin stark gelockerten Vorgaben zu Arbeitszeit, -ort oder -abfolge steht einem Arbeitsvertrag bei gewahrter funktionaler – stiller – Autorität der Arbeitgebenden nicht entgegen, die sich an ausgeprägten Kontrollrechten oder in gesteigerten Nebenpflichten zum arbeits- oder betriebsbezogenen Verhalten bemerkbar macht.8
Wer – ohne im Arbeitsverhältnis zu stehen – im Auftrag und für Rechnung bestimmter Personen arbeitet, gilt bei wirtschaftlicher Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnlich und ist in den Geltungsbereich einzelner Schutzgesetze einbezogen, insb ins DHG, AÜG und GlBG.9
Ein arbeitnehmerähnliches Beschäftigungsverhältnis liegt bei Menschen vor, die regelmäßig in koordinierter Anbindung an einen fremden Betrieb: fremde Betriebsmittel hauptsächlich persönlich derart Arbeit leisten, dass ihr Arbeitsergebnis nicht (substanziell) im eigenen Unternehmen verwertet wird.10
Eine neuere Arbeitsform ist Plattformarbeit, wobei eine größere Zahl von Menschen – die crowd – über eine – zumeist internetbasierte – Plattform auf Nachfrage Dritter ausgelagerte Aufträge ausarbeitet.
Dabei kann es sich um analoge Dienste – zB Transportleistungen – oder um digitale Arbeit – zB Softwareerstellung, Übersetzungen oder Textbearbeitung – handeln.11
Diese Arbeit in der sog Gig-Economy erfolgt nicht selten so , dass sich zB für Aufbau und Wahrung digitaler Reputation – ungeachtet des oft geringen Lohns und latenter Zahlungsunsicherheit – eine längere Arbeitsbeziehung zur Plattform, ihrem Inhaber bzw ihrer Inhaberin entwickelt; tatsächlich wird nicht selten ein Arbeitsverhältnis vorliegen und falls ein solches nicht naheliegt, liegt ein arbeitnehmerähnliches Beschäftigungsverhältnis nicht fern.12
Zu den neueren Entwicklungen am Arbeitsmarkt sind neben Plattformarbeit zB auch zu zählen: die Arbeit auf Abruf, eine koordinierte kontinuierliche Zusammenarbeit von Kleinunternehmenden;
die gemeinsame bzw informell geteilte Beschäftigung von Arbeitnehmenden, eine Arbeitsplatzteilung, Projektarbeit, mobile Dienste oder Gutscheinarbeit.13
Zurück zur Vertragsgestaltung:
Rechtliche Unterordnung haben wir zu beachten, damit sie nicht abhandenkommt, aber es ist auch darauf zu achten, dass das Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis – es wird auf Zeit eingegangen – nicht zum Zielschuldverhältnis wird; darauf kommen wir beim Leistungslohn zurück.
Wir achten sonach von Beginn an auf die Merkmale der sog persönlichen Abhängigkeit, mithin auf persönliche Weisungen; es geht zwar für die Arbeit-gebende Person nicht darum, ihre Weisungsbefugnis auszuüben, sondern darum, zur Anweisung, zur einseitigen Ausgestaltung, zur näheren Konkretisierung des Vertragsverhältnisses befugt zu sein, doch nimmt das Gewicht dieser Befugnis im Rahmen der in der Judikatur angestrengten Gesamtabwägung ab, wenn dem Arbeit-nehmenden Menschen weitrechende Freiheit bzgl Ort, Zeit und Abfolge der Arbeit eingeräumt wird; der eingeräumte Freiraum kann mitunter durch gesteigerte Kontrollrechte, Berichts- oder auch Nebenpflichten kompensiert werden.14
Da wir die Neben pflichten angesprochen haben:
Treue und Fürsorge sind anerkannt, aber umstritten, weil es oft schwierig zu erschließen sein kann, was sie beinhalten und wie weit sie reichen; diesbezüglich wird die Rede davon sein, was wechselseitig erwartet oder nicht erwartet werden darf.15
Es könnte sich daher anbieten, sie – soweit es geht und Sinn macht – vertraglich vorwegzunehmen, doch braucht man nicht zu versuchen, schlechthin alles zu regulieren, denn das kann nicht nur, sondern wird voraussichtlich Anwendungsprobleme verursachen. Stattdessen sollte man sich darauf beschränken, womit zu rechnen ist: was bei sorgfältiger Planung einkalkuliert werden kann und müsste.16
Da wir es mit einem Vertrag zu tun haben, dürfen überdies zivilrechtliche Anforderungen an eine rechtliche Verbindlichkeit nicht außer Acht gelassen werden, vor allem: Konsens.17
Arbeitsverträge können formfrei geschlossen werden, doch ist dann ein Dienstzettel nach § 2 AVRAG auszustellen, das ist eine schriftliche Aufzeichnung über Hauptrechte und -pflichten, wie zB darüber, wann das Arbeitsverhältnis beginnt, wo sich der gewöhnlichen Arbeitsort befindet oder wie die Arbeitskraft eingesetzt werden soll.18
Wir haben aber ohnedies vor, uns dem schriftlichen Vertrag zuzuwenden; freilich sind bei der Abfassung eines solchen die Vorgaben für Dienstzettel als Mindestinhalt zu berücksichtigen.
Versetzen wir uns in die Position der Arbeitgebenden, denn sie ist es, die idR den Arbeitsvertrag ausformuliert.
Wenn ein Arbeitsvertrag für eine Vielzahl Arbeitnehmender vor formuliert wird, dann haben wir es mit allgemeinen Arbeitsbedingungen – AAB zu tun, die nach gängiger Ansicht wie AGB (Vertragsformblätter) zu behandeln, deshalb einer Inhalts- und Geltungskontrolle zu unterziehen sind.19
Eine Bestimmung mit ungewöhnlichem Inhalt in AAB wird nicht Vertragsbestandteil, wenn sie für den Arbeitnehmenden nachteilig ist und er damit nicht zu rechnen brauchte, außer er wurde darauf hingewiesen.20 Für ihn gröblich benachteiligende Nebenabreden in AAB sind jedenfalls nichtig.21
Zu berücksichtigen sind bei der Vertragsgestaltung auch die Vertragsauslegungsregeln, dh der Umstand, dass nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks gehaftet wird, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen, der Vertrag so zu verstehen gesucht werden wird, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht.22 Im Zweifel werden undeutliche Äußerungen zum Nachteil der Person ausgelegt, welche sich ihrer bedient hat.23
Bei der Frage nach der Rechtmäßigkeit des Arbeitsvertrages sind nicht nur Gesetze im formellen Sinne und Verordnungen, sondern auch Kollektivverträge sowie Betriebsvereinbarungen zu berücksichtigen. Obschon diese normativ wirken, handelt es sich um Verträge, doch wird ihr normativer Bestandteil wie ein Gesetz ausgelegt.24
Wir müssen uns fragen, welche von ihnen anwendbar sind, wie die Norm auf unser Arbeitsverhältnis einwirkt – zweiseitig oder einseitig zwingend oder dispositiv; gegebenenfalls haben wir Normenkollisionen aufzulösen.25
Mitzudenken sind auch sozialversicherungsrechtliche Folgen und steuerrechtliche Implikationen. Wir werden darauf jedoch in der Folge nicht eingehen, sie – wenn überhaupt, dann – nur streifen und uns auf typische vertragliche Regelungen aus dem Gefilde des Arbeitsrechts konzentrieren.
1 Vgl Rebhahn in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 31 ff.
2 Vgl Reissner/Neumayr in Reissner/Neumayr (Hrsg), Zeller Handbuch Arbeitsvertrags-Klauseln2 [zit: ZellHB AV-Klauseln] Rz 0.01 bis 0.167.
3 Vgl Pačić, Arbeits- und Sozialrecht3 (2020) Rz 21.
4 Vgl Reissner, Abhängiger Arbeitsvertrag versus freier Dienstvertrag, DRdA 1992, 93; Wachter, Der sogenannte freie Dienstnehmer, DRdA 1984, 405.
5 Vgl Rebhahn, Der Arbeitnehmerbegriff in vergleichender Perspektive, RdA 2009, 154; Gerhartl, Charakteristika des Arbeitsvertrages, ASoK 2005, 321; Tomandl, Die Rechtsprechung des VwGH zum Dienstnehmerbegriff, ZAS 2016,260; Wolf, Der Arbeitnehmerbegriff im Arbeits-, Sozial- und Gemeinschaftsrecht, DRdA 2011, 467; Klein, Beschäftigung im Rahmen von „Pflegepools“ – freiberufliche Tätigkeit oder Arbeitsvertrag? DRdA 2006, 431.
6 Vgl Pačić, Das Recht der Arbeit in Europa (2020) 26.
7 § 879 Abs 1 ABGB; vgl Reiner, Der OGH, das Arbeitsrecht und das Unternehmerrisiko: Ein erster Befund, ZAS 2008, 203.
8 Vgl Pacic/Pajalic in Pacic, Atypische Beschäftigung (2016), 37 ff.
9 Vgl Tomandl, Wie tragfähig ist der Arbeitnehmerbegriff? Dargestellt am Beispiel von Crowdwork, ZAS 2018, 174.
10 Vgl Rebhahn, Arbeitnehmerähnliche Personen – Rechtsvergleich und Regelungsperspektive, RdA 2009, 236.
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