Richard Deiss

Latte, Lettern, Literaten

111 Cafés, 99 Zeitungen

Books on Demand

Adresse des Autors:

Saarbrückener Str 71

D-53 Bonn

Richard.Deiss@web.de

Anregungen und Kommentare sind willkommen und werden in der nächsten Auflage berücksichtigt.

Mitarbeit: Johanna Jarde (Wangen i. Allgäu)

Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt

Erste Auflage 2010, Originalausgabe

©Richard Deiss, Bonn 2010

Printed in Germany

ISBN 978-3-732-2281-02

Der Inhalt dieses Buches entspricht ausschließlich der Privatmeinung des Autors.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar

Inhalt

Vorwort

Der Konsum von Getränken spiegelt sozialen Status und gesellschaftliche Entwicklungen wieder. Dies gilt auch für Trendgetränke wie neuartige Limonaden – für das sich verbürgerlichende einstige Berliner Trendviertel Prenzlauer Berg wurde bereits der Begriff Bionade-Biedermeier bzw. Bionade-Bohème kreiert. Beim Kaffee geht der Trend zu höherem Milchanteil, es gibt bereits den Begriff Lattemachiatisierung, der für Gentrifizierung bzw. Yuppisierung steht. In Hamburg ist im ebenfalls trendigen aber noch nicht ganz gentrifizierten Schanzenviertel ein portugiesischer Milchkaffee so beliebt, dass man vom Galao-Strich spricht. Die Entwicklung des Kaffeekonsums ist also ein Trendanzeiger, auch für die Entwicklung eines Stadtviertels. Erst hat die schnelle Expansion von Starbucks gezeigt, wie groß der Markt für Kaffeekonsum in modernem Ambiente geworden ist. Die Krise, in die Starbucks schließlich geraten ist, hat wiederum gezeigt, dass der Markt so anspruchsvoll geworden ist, dass er sich langfristig nicht mit einer standarisierten Filalbedienung abspeisen lässt. Die Nachfrage nach Cafés, die Charakter haben, guten Service und gutes Essen bieten und eine Insel der Ruhe in einer sich beschleunigenden Zeit darstellen, ist gewachsen.

In einem sich schnell wandelnden Markt muss jeder für sich selbst die besten Cafés entdecken. Das vorliegende Taschenbuch hat deshalb nicht die Intention, die besten Cafés aufzulisten, was einen großen Rechercheaufwand bedeuten würde, sondern lediglich die berühmtesten. Während Top 10 Listen der berühmtesten Cafés im Internet zirkulieren, fehlen doch etwas längere Listen mit breiter geographischer Abdeckung. Diese Lücke versucht dieses kleine Bändchen ein bisschen zu schließen, in dem es 111 mehr oder weniger berühmte Cafés auflistet. Angeführt wird auch, welche Intellektuelle und Künstler sich einst dort aufhielten.

Cafés, die einst bedeutende Treffpunkte von Schriftstellern waren (oder es heute noch sind), sind mit einem markiert. Tabellen im Anhang zeigen die Stammcafés berühmter Schriftsteller.

Früher ging man auch ins Café um Zeitung zu lesen und manche Cafés bieten noch heute eine reiche Auswahl von Tageszeitungen. Zu manchen dieser Zeitungen gibt es interessante Geschichten und Anekdoten. Die Liste der bekannten und berühmten Cafés wird deshalb durch eine Sammlung von Trivia, Anekdoten und Redensarten zu 99 Zeitungen abgerundet.

Ich hoffe, dass diese kleine Zusammenstellung berühmter Cafés und interessanter Zeitungsanekdoten für den einen oder anderen Leser interessant oder nützlich ist. Das Buch soll jährlich aktualisiert werden.

Bonn, im Oktober 2010

Richard Deiss

1. Die bekanntesten Cafés

1.1 Berühmte Wiener Cafés

Café Hawelka

Dorotheergasse 6

Das Wiener Café Hawelka sieht sich als eines der letzten großen der zentraleuropäischen Tradition entsprechenden Literaten- und Künstlerkaffeehäusern. Eröffnet wurde es im Mai 1939 von Leopold und Josefine Hawelka, doch im September desselben Jahres musste es durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und die Einberufung des 1911 geborenen Leopolds bereits wieder schließen. Als die Hawelkas 1945 nach Wien zurückkamen, stellten sie fest dass das Café wie ein Wunder überlebt hatte. Nicht mal eine Glasscheibe war zerbrochen, während etliche der umliegenden Gebäude stark beschädigt waren. So hatte das Hawelka einen guten Start in die Nachkriegszeit und wurde bald zu einem beliebten Treffpunkt in Wien. Als die Alliierten 1955 aus Wien abzogen, wurde das Hawelka schnell zu einem Schriftstellertreffpunkt, unter anderem verkehrten hier Friedrich Torberg, Heimito von Doderer, Hilde Spiel und Hans Weigel. 1961 wurde das Café Herrenhof geschlossen und der sich dort etablierte Schriftstellerzirkel wanderte ins Hawelka ab. Das Hawelka war zum unangefochtenen Künstlercafé Wiens geworden. Zu den Stammgästen der 1960er und 1970er Jahre gehörten der Dichter H.C. Artmann, der Schauspieler Helmut Qualtinger, der Sänger Georg Danzer und der Künstler André Heller. Zu den Gästen aus dem Ausland gehörten Elias Canetti, Arthur Miller, Henry Miller und Andy Warhol. Der Gründer des Cafés, Leopold Hawelka, feierte im April 2010 seinen 99. Geburtstag. Trotz seines hohen Alters ist er noch jeden Tag im Café zu sehen. ‚Wenn der Chef nicht da ist, geht’s ja nicht‘, sagen die Kellner, die ihn ’Opa‘ nennen.

Café Central

Ecke Herrengasse / Strauchgasse

Das Wiener Café Central gilt manchen als ‚berühmtestes Caféhaus der Welt‘.

1860 wurde in Wien das prachtvolle Palais Ferstel erbaut, damals galt es als ‚modernstes Gebäude Wiens‘. Erst mietete sich die Wiener Börse im Gebäude ein, in welchem auch die Österreichisch-Ungarische Nationalbank ihren Sitz hatte. Als die Wiener Börse 1876 in ein neues Gebäude umzog, eröffneten die Gebrüder Pach im Erdgeschoss das Café Central. Ab 1900 etablierte sich das Café Central immer mehr als Treffpunkt für Künstler und Gelehrte. Zu den Stammgästen, die sich selbst ‚Centralisten‘ nannten, gehörte der Schriftsteller Peter Altenberg (1859-1919), der das Café sogar als seine Wohnadresse angab und es als Arbeits- und Wohnzimmer nutzte. Eine lebensgroße Figur Altenbergs erinnert heute am Eingang an den treuesten Fan des Cafés. Andere berühmte Gäste waren unter anderem Sigmund Freud, Arthur Schnitzler, Leo Trotzki, Robert Musil und Hugo von Hofmannsthal. 1943 wurde das Café geschlossen, das Palais Ferstel erleidet im Krieg große Schäden, fast die gesamte Inneneinrichtung wird zerstört. Nach vier Jahrzehnten Unterbrechung eröffnet das Café Central nach der Renovierung des Arkadenhofes 1982 wieder seine Pforten. Gleichzeitig wird es in einem ORF Studio für die Diskussionssendung ‚Café Central‘ nachgebaut. 1986 kann es vom Arkadenhof in die ursprünglichen Räumlichkeiten, den Säulensaal, umziehen.

Café Bräunerhof

Stalburggasse 2

Das Café Bräunerhof liegt etwas abseits der Touristenströme und war einst Stammlokal berühmter Persönlichkeiten, wozu Hugo von Hofmannsthal, Alfred Polgar, Paul Wittgenstein und später Thomas Bernhard gehörten. Den Charakter des eher spärlich möblierten Cafés prägen hohe Decken, Spiegel und Kugelleuchten.

Frauenhuber

Himmelpfortgasse 6, 1010 Wien

Das 1824 eröffnete Frauenhuber sieht sich als Wiens ältestes Café. Dabei ist es als Restaurant sogar noch älter. Im November 1788 wurden die Gäste mit Tafelmusik von Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven verwöhnt. Im März 1791 trat Mozart zum letzten Mal in den Räumlichkeiten auf.

Kleines Café

Franziskanerplatz 3, 1010 Wien

Das Kleine Café wurde 1970 vom österreichischen Schauspieler Hanno Pöschl gegründet und etablierte sich bald als eines der ersten alternativen Künstler-Szenetreffs der Stadt, was damals eine Hippie-Szene bedeutete. Weil das Café wirklich klein ist, ist es meist auch ziemlich voll.

Café Kunsthalle

Treitlstr. 2, Karlsplatz, 1040 Wien

Das Café Kunsthalle gilt als eines der Szene-Treffs von Wien und als einer der kulinarischen und gastronomischen Anziehungspunkte im Museumsquartier.

Café Landtmann

Dr. Karl Lueger-Ring 4

Das 1873 von Franz Landtmann an der Wiener Ringstraße gegründete Café galt bei seiner Eröffnung als größtes und elegantestes Caféhaus Wiens. 1929 wurde das Café vom Architekten Erst Meller, der damals zahlreiche Wiener Cafés gestaltete, renoviert und bekam seine noch heute vorhandene Inneneinrichtung. Die Webseite des Cafés nennt unter anderem folgende berühmte Gäste: Peter Altenberg, Sigmund Freud, Gustav Mahler, Max Reinhardt, Marlene Dietrich, Romy Schneider, Hans Moser, Burt Lancaster und Hillary Clinton.

Im März 2009 eröffnete in Tokio ein Café Landtmann

Café der Provinz

Maria-Treu-Gasse 3

Im kleinen aber modernen Wiener Café der Provinz gibt es die Bücher des Verlags Bibliothek der Provinz zum Lesen und Kaufen.

Café Museum (wegen Umbau geschlossen)

Operngasse 7

Die Innenausstattung des 1899 eröffneten Café Museum gestaltete der berühmte Wiener Architekt und Pionier des modernen Baustils Adolf Loos (1870-1933). Bei seiner Eröffnung war sein schlicht sachlicher Stil mit Stühlen der Firma Thonet ein starker Gegensatz zum damals vorherrschenden opulent-dekorativen Stil. Der ungarisch-österreichische Schriftsteller Ludwig Hevesi fühlte sich zum Beinamen Café Nihilismus provoziert. Nichtsdestotrotz zog das Café illustre Gäste an, darunter die Maler Oskar Kokoschka, Gustav Klimt, Egon Schiele, den Komponisten Franz Léhar und den Architekten Otto Wagner. 1930 wurde das Café neu gestaltet, 2003 die Gestaltung von Loos aber rekonstruiert. 2009 wurde das Café geschlossen, soll aber im Oktober 2010 nach erneutem Umbau wieder eröffnet werden.

Weitere Cafés (siehe Kapitel Konditoreien)

Sacher

Demel

1.2 Bekannte Cafés - Deutschland

Café Prinzess, Regensburg

Rathausplatz 2

Das Café Prinzess in Regensburg wurde bereits 1686 als erstes Café-Haus in Deutschland geöffnet. Französische Kaufleute brachten damals den Kaffee nach Regensburg. Durch den immerwährenden Reichstag, der sich regelmäßig in Regensburg versammelte, bestand Nachfrage nach kultivierter Geselligkeit. Bereits zehn Jahre vorher hatte man mit der Produktion von Pralinen begonnen. Später wurde das Café zum Hoflieferanten des Fürsten von Thurn und Taxis.

Kranzler, Berlin

Kurfürstendamm 18

Das Berliner Café Kranzler gehört zu den bekanntesten Cafés Deutschlands. Bereits 1835 an der Ecken Friedrichstrasse/Unter den Linden als Erweiterung einer vom Wiener Zuckerbäckergesellen Johann Georg Kranzler 1825 eingerichteten Konditorei eröffnet, war es einst Treffpunkt der Berliner ‚Oberen Zehntausend‘. Im Jahr 1932 eröffnete das Kranzler am Kurfürstendamm eine Filiale. 1944 wurde das Stammhaus und 1945 die Charlottenburger Filiale durch Bomben zerstört. Das Kranzler am Kurfürstendamm wurde 1951 aber in einem modernen Flachbau wieder eröffnet, der jedoch 1957 abgerissen wird, um einem repräsentativeren Bau zu weichen. 1958 wird dort das Kranzler wieder eröffnet. Am Ende des Jahrtausends ist das Kranzler wieder durch einen Neubau bedroht, dem neuen Kranzler Eck. Der 1950-Jahre-Bau bleibt jedoch bestehen, eine Filiale des Modekonzerns Gerry Weber zieht ein. Dieser belässt das Café in der Rotunde, die auf dem Flachbau sitzt. Das Café Kranzler verkleinert damit

seine Fläche, doch die rot-weißen Markisen, das Markenzeichen des Cafés, bleiben zumindest erhalten.

Coffebaum, Leipzig

Kleine Fleischergasse 4

Das Coffebaum gilt als eines der ältesten durchgehend betriebenen Café-Restaurants Europas. Bereits 1720 erhielt das Haus, in welchem das Café sitzt, nach der schmückenden Portalplastik den Namen ‚Zum Arabischen Coffe Baum‘, was heute als Gründungsdatum interpretiert wird.

Kaffeehaus Riquet, Leipzig

Schuhmachergäßchen 1

1908 erbaut der Architekt Paul Lange für die Firma Riquet in der Innenstadt Leipzigs ein Geschäftshaus, das damals zu den originellsten Neubauten der Stadt gehörte. Um auf die Handelstradition der Firma Riquet mit Ostasien hinzuweisen setzt er dem Gebäude Dachtürmchen im chinesischen Stil auf. Die Eingangstür flankieren kupferne Elefantenköpfe. Noch heute zeichnet sich der Innenraum des Cafés durch denkmalgeschützte Gestaltung der vorletzten Jahrhundertwende aus.

Café Einstein, Berlin