Über dieses Buch:
Jo Slater – ihres Zeichens die ungekrönte Königin der New Yorker High Society – liebt es, sich mit funkelnden Diamanten zu schmücken … und lieber nicht mit ihrer eigenen mörderischen Vergangenheit. Vielleicht ist ihr gerade deshalb die ebenso junge wie mysteriöse Carla ein Dorn im Auge? Die italienische Schönheit hat innerhalb kürzester Zeit einen milliardenschweren Playboy um den Finger gewickelt, geheiratet und gleich wieder bei einem tragischen Unfall in den Flitterwochen verloren – was Jo reichlich suspekt vorkommt. Während die frisch gebackene Milliardärswitwe mit atemberaubender Geschwindigkeit die Stufen der New Yorker High Society erklimmt, beginnt Jo, sie heimlich zu beschatten – und muss mit Erschrecken feststellen, dass zur gleichen Zeit jemand versucht, ihre eigene unangenehme Vergangenheit publik zu machen …
»Wunderbar böse – Jane Stanton Hitchcock trifft voll ins Schwarze!« People Magazine
Über die Autorin:
Jane Stanton Hitchcock, in New York geboren und aufgewachsen, ist erfolgreiche Autorin von Bühnenstücken, Filmproduktionen und preisgekrönten Romanen. Neben dem Schreiben ist das Pokerspiel ihre große Leidenschaft: Jane Stanton Hitchcock nimmt regelmäßig an der World Poker Tour sowie den World Series of Poker teil.
Bei dotbooks erscheinen ihr mörderisch guter High-Society-Roman »Park Avenue Killings, sowie ihre psychologischen Spannungsromane »Deine Schuld wird nie vergeben« und »Das schwarze Buch«.
***
eBook-Neuausgabe Dezember 2020
Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 2005 unter dem Originaltitel »One Dangerous Lady« bei Miramax Books, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 2006 unter dem Titel »Süßes Gift« im btb Verlag.
Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 2005 by Jane Stanton Hitchcock
Copyright © der deutschen Erstausgabe 2006 btb Verlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München
Copyright © der Neuausgabe 2020 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Epifantsev und AdobeStock/TimebirdArt
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (CG)
ISBN 978-3-96655-168-7
***
Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: info@dotbooks.de. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags
***
Sind Sie auf der Suche nach attraktiven Preisschnäppchen, spannenden Neuerscheinungen und Gewinnspielen, bei denen Sie sich auf kostenlose eBooks freuen können? Dann melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an: www.dotbooks.de/newsletter.html (Versand zweimal im Monat – unkomplizierte Kündigung-per-Klick jederzeit möglich.)
***
Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort »Park Avenue Murders« an: lesetipp@dotbooks.de (Wir nutzen Ihre an uns übermittelten Daten nur, um Ihre Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)
***
Besuchen Sie uns im Internet:
www.dotbooks.de
www.facebook.com/dotbooks
www.instagram.com/dotbooks
blog.dotbooks.de/
Jane Stanton Hitchcock
Park Avenue Murders
Roman
Aus dem Amerikanischen von Hans Pfitzinger
dotbooks.
»Wer sich in der Gesellschaft bewegt,
findet keine Ruhe.«
Satchel Paig
Es wird allgemein angenommen, dass eine Witwe mit einem großen Vermögen gewöhnlich nach einem Ehemann sucht. Jedenfalls erzählen mir das meine Freundinnen immer. Da ich so eine Witwe bin, sehe ich die Sache etwas skeptischer. Genauso wie ich jenen skeptisch gegenüberstehe, die sagen, wenn man etwas einmal getan hat, ist es beim zweiten Mal leichter. Das mag für Dinge wie Fallschirmspringen oder den Einkauf eines Haute-Couture-Kleides gelten. Bei Mord trifft es nicht zu. Glauben Sie mir, ich weiß es. Aber lassen Sie uns dort beginnen, wo für mich alles wieder anfing.
Ich heiße Jo Slater, und ich bin froh, wieder zurück zu sein an der Spitze jener winzigen privilegierten Welt, die man die New Yorker Gesellschaft nennt – eine erhabene, manche sagen hohle Welt –, aus der ich auf Grund der Betrügereien meines verstorbenen Ehemannes (er möge in der Hölle schmoren) mehrere Jahre lang ausgeschlossen worden war. Ich bezweifle, dass ich jemals wieder heiraten werde, trotz der Hoffnungen und ständigen Bemühungen meiner Freundinnen. Wie könnte ich einem Mann je wieder trauen? Aber nur weil ich den Bund fürs Leben nicht mehr schließen will, heißt das nicht, dass ich mich ins Kloster zurückgezogen habe. Ich bin offen dafür, mein Glück bei der Partnersuche noch einmal zu probieren, auch wenn die Auswahl in Manhattan eher begrenzt ist. Das gilt besonders für Frauen wie mich, die, wie meine Freundin Betty Waterman es ausdrückt, »unbestimmten Alters« sind.
Romantische Liebe war nicht der Hauptgrund, warum ich Betty und Gil Watermans Einladung annahm, mit ihnen in Barbados die Hochzeit ihrer einzigen Tochter Missy zu feiern. Betty gehörte schließlich zu meinen allerengsten Freundinnen, und ich kannte Missy seit ihrer Geburt. Dennoch war die Möglichkeit, mich wieder einmal zu verlieben, auf jeden Fall verlockend, und Betty hatte mich bereits wissen lassen, dass zu denen, die zur Hochzeitsparty eingeladen waren, auch Lord Max Vermilion gehörte, den sie als »internationalen Fang« bezeichnete. Max, wegen seiner vielen Ehen bekannt als »Herr der Ringe«, war wieder zu haben, weil er sich gerade von seiner sechsten oder siebten Frau hatte scheiden lassen – so genau konnte das niemand sagen, nicht einmal Max. Betty meinte, er wäre perfekt für mich geeignet, wenn nicht als Ehemann, dann wenigstens als »scharfer Begleiter«, wie sie es nannte.
Kurz nach zehn Uhr am Morgen vor dem Hochzeitstag frühstückten Betty und ich auf der Terrasse der schönen, alten Villa aus Korallenstein an dem Strand, den die Watermans für die Festivitäten des Wochenendes gemietet hatten. Wir redeten so gut wie gar nicht miteinander, weil wir beide vom Abend vorher fürchterlich verkatert waren. Ich trug einen Badeanzug und einen der flauschigen weißen Frotteebademäntel, den Betty umsichtig in meinem Gästezimmer bereitgelegt hatte, goss mir eine Tasse starken, schwarzen Kaffee ein und schaute auf das blassblaue Meer hinaus. Obwohl es Spaß machte, war die Reise bisher nicht so verlaufen, wie ich es erwartet hatte. Ich war schon vor ein paar Jahren einmal in Barbados gewesen, mit meinem verstorbenen Ehemann Lucius Slater, und ich war mir sicher, dass die weiche, tropische Luft und das geruhsame Leben auf der Insel eine willkommene Abwechslung zum hektischen Leben der New Yorker Society bringen würde. Ich lag vollkommen daneben. Seit unserer Ankunft waren wir nicht zur Ruhe gekommen. Die ständige Aufeinanderfolge von Mittag- und Abendessen und Ausflügen bisher ließ Manhattan im Vergleich hierzu geradezu klösterlich erscheinen. Das Abendessen gestern in einem örtlichen Restaurant war irgendwann gegen zwei Uhr morgens zu Ende gegangen.
»Es könnte sein, dass ich diese Hochzeit nicht überlebe«, sagte Betty schließlich. Sie nahm einen Schluck von ihrem mit Wodka verstärkten Papayasaft und verfiel wieder in Schweigen.
»Und was steht heute auf dem Plan?«, fragte ich sie.
»Nun, es gibt einen Ausflug nach Cockleshell. Da willst du sicher mitfahren, oder?«, sagte sie mit einer Leidensmiene.
Cockleshell, eine ausladende Strandvilla, gehörte Freddy und Mina Brill, den Eltern von Woody Brill, Missy Watermans Verlobtem. Dort sollte Missy heiraten. Mina Brill, eine mit einem Briten verheiratete Amerikanerin, war Gartenexpertin, und die Gärten von Cockleshell wurden in einem Buchklassiker mit dem Titel Das wiedergefundene Paradies – die Herrlichkeit tropischer Gärten vorgestellt. Betty interessierte sich nicht für Gärten, aber sie kannte meine Schwäche für Gartenbau.
»Ich würde sie gern anschauen«, sagte ich.
»Gut, ich fahr dich hin. Ich will mal nicht so sein. Aber ich warne dich, wenn du anfängst, mit Mina über Rabatten zu plaudern, reiße ich euch beiden die Köpfe ab.«
»Keine Sorge, ich bin zu verkatert, um mich überhaupt zu unterhalten, nicht einmal über Blumen.«
»Max ist gerade angekommen. Er wird wahrscheinlich dort sein. Und dann ist heute Abend das Brautdinner auf der Cole-Jacht«, sagte sie mit einem Anflug von Munterkeit. »Und morgen ist natürlich die Hochzeit. Offen gestanden, ich bin froh, wenn es vorbei ist. Warum Missy nicht wie alle anderen auch in New York heiraten und eine Party im Plaza oder auf dem Dach des St. Regis haben konnte, kapiere ich einfach nicht.«
Damit stand Betty vom Stuhl auf und stakste zu einem der blauweiß gestreiften Liegestühle hinüber, die dem Meer zugewandt waren. Dort legte sie sich hin und schlummerte ein. Ich blieb allein am Tisch sitzen und dachte an Max und an Beziehungen im Allgemeinen. Ich war wirklich noch nicht jenseits meiner besten Jahre, und es wäre schon nett, einen ständigen Gefährten zu haben, jemand, mit dem ich Reisen unternehmen und gemeinsame Interessen teilen konnte. Aber um die Wahrheit zu sagen, hatte ich weniger Hoffnung für mich und Max als Betty.
Max, der achte Earl Vermilion, stand im Ruf, einer der reichsten, intelligentesten und elegantesten Männer Englands zu sein. Über seinem persönlichen britischen Weltreich war die Sonne niemals untergegangen – und das würde auch niemals passieren, wenn es nach Max ging. Taunton Hall, der Sitz seiner Vorfahren, war nicht nur für seine unbezahlbaren Gemälde alter Meister berühmt, darunter zwei Tizians und ein zweifelhafter Vermeer, sondern auch für die weltgrößte Sammlung chinesischer Bronzefiguren. Forscher und Sammler kamen von überall her, um unter den Rundbögen des Gebäudeflügels aus dem 16. Jahrhundert zu sitzen oder die berühmte Sammlung zu studieren. Sie war im 19. Jahrhundert von Max' Urgroßvater zusammengetragen worden, während er in China gelebt und das Familienvermögen aufgefrischt hatte, indem er auf ganz unaristokratische Weise sein Geld mit Handel verdiente. Nachdem sie ein Vermögen mit dem Import von Tee und Seide verdient hatte, wurde die Familie Vermilion zu einer wichtigen gesellschaftlichen und der Wohltätigkeit verpflichteten Kraft in England.
Ich hatte Max tatsächlich vor Jahren in London getroffen, als ich mit Lucius verheiratet war, aber ich zweifelte daran, dass er sich an mich erinnern würde. Wir waren alle Gäste auf einer großen Gesellschaft gewesen. Ich erinnerte mich an Max als einen großen, gut aussehenden Mann mit langem, schmalem Gesicht, hellblauen Augen, schon etwas lichtem grauem Haar und einem schlaksigen, aber doch athletischen Körperbau. Er sprach mit einer tiefen, schleppenden Stimme, die Frauen sexy fanden. Er stand in dem Ruf, dass man ihm nur schwer widerstehen konnte, wenn er einen mit seinem Charme bedachte. Max war überaus höflich und geistreich, aber er hatte einen Hang zum Boshaften, so dass diejenigen, die ihn kannten, sich vor seinem Charme in Acht nahmen. All seine Ehefrauen und Geliebten sagten, dass seine Frechheiten sie zuerst verführt, schließlich aber zur Entfremdung geführt hätten. Nein, er war in vielerlei Hinsicht nicht mein Typ, und die Liste seiner Ehen verhieß auch nichts Gutes.
Es war allgemein bekannt, dass er ein großer Schürzenjäger war. Es gab sogar das Gerücht, dass Henrietta, Max' vorletzte Frau, von seiner ständigen Untreue ins Grab getrieben wurde. Dennoch wusste ich, dass es in einer Welt, in der reiche, allein stehende, heterosexuelle Männer rarer sind als 90-Karat-Brillanten, tatsächlich Hunderte von Frauen gab – verheiratet und allein stehend, auf beiden Seiten des Atlantiks –, die jetzt darauf brannten, die nächste Lady Vermilion zu werden – vor allem die Frauen, mit denen Max bereits eine Affäre gehabt hatte. Obwohl einige dieser Wünsche aus den mittleren Jahrgängen zweifellos unrealistisch waren, hatte das Rennen begonnen, und es würde interessant sein zu sehen, wer ihn sich schnappen würde. Betty war sicher, dass ich den goldenen Pantoffel bekommen würde, wenn ich den Fuß in den Ring stellte, denn Max hatte immer reiche, prominente Frauen aus der Society geheiratet – mit einer großen Ausnahme. Es gab Gerüchte, dass Max einmal sehr kurz mit einer viel jüngeren Frau verheiratet gewesen war, die niemand kannte. Sie wurde als »die fragwürdige Lady Vermilion« bezeichnet.
Trotz all meiner Vorbehalte musste ich zugeben, dass Max eine gewisse Anziehungskraft hatte. Die meisten Männer in meinem Alter waren an Frauen interessiert, die halb so alt waren wie ich, was mein letzter Abgang bei einem Milliardär aus Chicago endgültig bewiesen hatte. Nachdem er in Aspen einen Dreier mit unserer zwanzigjährigen Skilehrerin vorgeschlagen hatte, packte ich meine Koffer und dachte, dass galantes Benehmen nicht nur tot, sondern auch noch zerstückelt worden war. Und da ich immer ältere Männer vorgezogen habe, wurde mein Horizont enger. Meine Freundinnen versuchten ständig, mich mit der ramponierten Truppe der »Kandidaten« in der Stadt zusammenzubringen. Ich widersetzte mich ihren Versuchen, weil ich, offen gesagt, nicht einmal einen einzigen Abend damit verschwenden mochte, mich höflich mit irgendeinem gleichgültigen Casanova zu unterhalten, der an mir nur interessiert war, weil er sich Zugang zur Gesellschaft verschaffen wollte oder eine Einladung zu einem begehrten Ereignis erwartete. Da blieb ich lieber zu Hause und las oder schaute mir einen Film an. Von den Vorbehalten mal abgesehen, war Max tatsächlich eine Möglichkeit. Und ich gebe zu, ich war ziemlich aufgeregt bei dem Gedanken, ihn wieder zu sehen.
Betty erwachte schließlich aus ihrer Betäubung und sah auf die Uhr.
»Wenn du diese Gärten sehen willst, sollten wir lieber losfahren«, sagte sie. »Ich habe gerade geträumt, dass du Max heiratest und die Herrin von Taunton Hall wirst.«
»›Die Herrin von Taunton Hall‹ klingt wie ein Kitschroman, in dem eine Frau aus der New Yorker Gesellschaft den Titel erwirbt, nur um auf dem Besitz von einem wilden Haufen englischer Debütantinnen angegriffen und in Stücke gerissen zu werden«, sagte ich.
»Oder von Max«, sagte Betty und ging mit federnden Schritten ins Haus.
Wir kamen gegen Mittag in Cockleshell an. Die weitläufige, pinkfarbene Stuckvilla mit zwei Tennisplätzen, einem riesigen Swimmingpool und separaten Unterkünften für die Bediensteten lag spektakulär unter hoch aufragenden Palmen auf einem zweieinhalb Hektar großen Strandgrundstück. Sie war so groß, dass sie eher wie ein Hotel als ein Privathaus aussah. Als wir durch das üppige Gelände mit all den exotischen Blumen, Büschen und duftenden Bäumen gingen, erklang ein hohes, affektiertes Lachen und übertönte die zwitschernden Vögel und raschelnden Palmen.
»Das ist Mina«, sagte Betty genervt. »Sie ist aus Hagerstown in Maryland, aber jetzt lacht sie sogar schon wie die Königin von England.« Betty mochte die zukünftige Schwiegermutter ihrer einzigen Tochter nicht besonders.
Wir änderten die Richtung und folgten den gedämpften Lauten. Betty führte uns durch eine Allee hoch aufragender Bananenstauden zu einem kleinen Wald, in dem sich ein künstlich angelegter Teich zwischen große, moosbewachsene Steine schmiegte. Tief hängende Äste bogen sich über die kleine Lagune wie dicke, schwarze Schlangen. Trübe Sonnenstrahlen schimmerten durch das dichte Blattwerk und vergoldeten das dunkle Wasser mit hellen Flecken. Mina Brill, eine große Frau mit zerzausten dunklen Haaren stand am Rand des Teiches. Sie trug khakifarbene Safarishorts, die ihre dünnen Beine betonten, und ein weißes T-Shirt, das ihren großen Busen betonte. Umgeben von der zur Genüge bekannten Menge betuchter Partygäste, die wir bei allen Gelegenheiten die Woche über gesehen hatten, deutete sie in die Bäume hinauf. Alle Blicke konzentrierten sich angestrengt auf etwas hoch oben in dem Gewirr der Zweige.
»Ach nee, nicht schon wieder dieser Scheißaffe«, stöhnte Betty, als wir uns näherten. Sie kannte die Nummer offenbar schon.
Als Mina Betty und mich aus den Augenwinkeln erblickte, machte sie uns ein Zeichen, zu der Gruppe rüberzukommen, und deutete mit dem Zeigefinger an, wir sollten ganz leise sein. Die gespannte Atmosphäre war spürbar. Betty und ich trotteten vorsichtig über den Rasen. Niemand wagte, sich zu bewegen.
»Der grüne Affe«, sagte Mina leise, als wir näher kamen. »Seid ganz ruhig, sonst verscheucht ihr ihn.«
»Wenn wir Glück haben«, murmelte Betty.
Es wurde weiter beobachtet. Betty überflog die Gruppe.
»Ich sehe Max nicht«, flüsterte sie. »Oh, warte! Da ist er! Da drüben!«
Sie deutete diskret – oder zumindest für Bettys Verhältnisse diskret – auf einen großen, attraktiven Mann, der mit verschränkten Armen etwas abseits stand und mit leicht amüsiertem Gesichtsausdruck in die Bäume hinaufschaute. Max war einer von jenen Männern, die in der Jugend erwachsen und als Erwachsene jung aussehen. Mit sechzig war er sogar noch attraktiver, als ich ihn in Erinnerung hatte. Er wirkte auf eine großartige Weise abgeklärt, was vermutlich kultivierte Frauen mit einem leichten Hang zum Masochismus anziehend fanden. Ich weiß nicht warum, aber als ich ihn anschaute, spürte ich sofort, dass er einer dieser Männer war, die gefühlsmäßig unerreichbar sind. Seine Distanziertheit hatte einen weichen Glanz, wie eine lang getragene Rüstung.
»Er sieht ganz gut aus für einen komischen alten Kauz, findest du nicht?«, sagte Betty und deutete mit dem Kopf auf ihn.
»Betts, wenn er ein alter Kauz ist, was sind wir denn dann?«, fragte ich.
»Alte Schrullen«, gab sie zur Antwort und ging weiter.
Ich muss zugeben, dass die ausgedehnte und ernsthafte Betrachtung von Affen, wie selten und exotisch sie auch sein mögen, nicht meine Sache ist und die von Betty schon gar nicht. Aus Höflichkeit starrte ich jedoch weiter in die Bäume hinauf wie alle anderen auch. Doch nach einer Weile war ich nicht mehr bei der Sache, weil ich lieber die Leute beobachtete. Ich sah hauptsächlich dieselben Gesichter, die ich die ganze Woche über gesehen hatte, darunter Missy, die künftige Braut, die mit ihrem langen Gesicht und den langen Haaren einem afghanischen Windhund glich; Woody Brill, ihr Verlobter, ein kurz geschorener Börsenmakler Ende zwanzig, und meine alten Freunde, Ethan Monk, der jetzt Kurator für Gemälde Alter Meister beim Municipal Museum war, und Miranda Somers, die schöne und alterslose Chronistin der New Yorker Gesellschaft. Miranda schrieb die »Daisy«-Kolumne für die Zeitschrift Nous, und ihre Anwesenheit bei einem Ereignis signalisierte, dass es der Ort war, wo man sein musste. Miranda, Ethan und ich hatten am Vorabend alle am gleichen Tisch gesessen, und wie ich auch wirkten sie beide etwas angeschlagen. Als ich ihre verhärmten Gesichter sah, wünschte ich mir, ich würde Max in einem weniger gnadenlosen Licht als dem hellen Tropensonnenschein begegnen.
Heute waren auch ein paar Neuankömmlinge in der Menge, einige weitere gute Bekannte, einige Leute, die ich überhaupt nicht kannte, und ein Paar, das ich seit Jahrhunderten nicht mehr gesehen hatte, Russell und Carla Cole. Russell Cole war der milliardenschwere Patenonkel von Missy Waterman, und er und seine Frau gaben am Abend das Dinner für die Braut an Bord ihrer spektakulären, fünfundsiebzig Meter langen Jacht The Lady C.
Carla Cole war Russells umstrittene zweite Ehefrau. Ich kannte sie nicht besonders gut, aber ich hatte sie immer gemocht. Die beiden waren eine weithin gefeierte, stürmische Verbindung eingegangen.
Jeder, der mit der Geschichte kostspieliger Trennungen in New York vertraut war, wusste, dass Russell Cole fast so teuer wie Heinrich der Achte dafür bezahlen musste, um aus seiner ersten Ehe herauszukommen. Diese historische Trennung wurde in unserem gesellschaftlichen Kreis in einer Version für Tourneetheater nachgespielt und verursachte einen tiefen Riss. Lulu – die erste Mrs. Cole – ging nicht gerade sanft in die Scheidung, sie tobte mit der Wut von tausend verschmähten Frauen. Ich erinnere mich, dass Betty damals scherzte: »Wenn Russell gewusst hätte, dass Lulu zu so viel Leidenschaft imstande ist, hätte er sie vielleicht nicht verlassen.«
Ich beobachtete die Coles, wie sie nebeneinander standen, in farblich abgestimmter Kleidung. Mit ihrem aufgesetzten Lächeln und der leicht geistesabwesenden Haltung stellten sie auf subtile Art eine verwöhnte und privilegierte Existenz zur Schau, ein abgehobenes Leben, weit entfernt vom Kampf ums Dasein. Sie sahen beide unheimlich gepflegt aus, sauber und makellos, in schickem, rasiermesserscharf gebügeltem Leinen, mit glänzenden, frisch frisierten Haaren. Ihre gepflegte Erscheinung war wunderbarerweise immun gegen die Luftfeuchtigkeit. Es war, als sei ihre Präsentation ein guter Maßstab für ihr Zusammenleben. Die Accessoires des Reichtums – die maßgefertigte Freizeitkleidung, die teuersten Uhren, die aktuellsten Sonnenbrillen et cetera – waren alle zu sehen, aber sie wirkten untertrieben, nicht grell oder offensichtlich, nur für die gedacht, die Bescheid wussten.
Russell Cole, Ende fünfzig, war kein attraktiver Mann. Er hatte eine schmächtige Figur und war nur wenig größer als seine viel jüngere Frau. Aus seinem Jungengesicht schaute ein Paar melancholische graue Augen. Er hatte sandfarbenes Haar, das auf einer Seite perfekt gescheitelt war, und die rigide Haltung von jemandem, der früher entweder auf eine Militärschule gegangen ist oder bei den Streitkräften gedient hat. Er trug ein blassblaues Voile-Hemd und hatte, schick und etwas schräg, einen blauen Schlips durch die Bundlaschen seiner cremefarbenen Leinenhose gezogen und seitlich lose zusammengebunden. Sah stark nach Fred Astaire aus.
Carla, eine schlanke, eindrucksvolle Frau Ende dreißig, hatte asymmetrische Gesichtszüge und wirkte exotisch. Sie war das, was die Franzosen jolie laide nennen, eine »schöne Hässliche«. Ihre Nase war etwas zu lang, ihre Augen standen zu nah beieinander, und ihre Lippen waren dünn, wie zwei Striche. Und doch ergab alles zusammen ein faszinierendes Gesicht, verstärkt durch ihr Temperament und ihren leicht kehligen, fremdländischen Akzent. Sie hatte eine strahlende Haut, die trotz der Tatsache, dass sie die meiste Zeit auf einem Schiff verbrachte, von elfenbeinfarbener Blässe war, als ob sie nie die Sonne sehen würde.
»Oh, sieh mal! Da sind Russell und Carla«, sagte Betty. »Ich muss mit Carla wegen heute Abend reden. Komm mit.«
Als wir uns leise in Richtung der Coles bewegten, war plötzlich ein Rascheln in den Zweigen über uns zu hören. Mina schaltete auf höchste Alarmstufe.
»Da!«, sagte sie und deutete nach oben. »Da ist er!«
Betty und ich blieben stehen. Ich sah die Andeutung von etwas, das man als affenartiges Gesicht wahrnehmen konnte – oder, was wahrscheinlicher war, einen Astknoten, der zum Vorschein kam, wenn ein Windstoß die umliegenden Blätter auseinander blies. Ich konnte nicht sagen, was es war, und ich bezweifelte ernsthaft, dass es sonst jemand konnte. Und, möchte ich hinzufügen, es war uns auch egal.
»Schaut, da ist er! Da!«, rief Mina aus.
Betty und ich schauten uns die Augen aus dem Kopf und bemühten uns, zu sehen, was andere offenbar sahen, bis schließlich der junge Woody Brill verzweifelt die Hände in die Luft warf und mit den Worten davonstürmte: »Vergiss es, Mutter! Dieser blöde Affe existiert nur in deiner Fantasie!«
Damit war der Zauber wirksam gebrochen, und alle, offensichtlich erleichtert, fingen an durcheinander zu schnattern. Betty und ich setzten unseren Weg fort, hinüber zu den Coles und Max, der in der Nähe stand.
»Carla, Liebling!«, kreischte Betty. »Du hier!«
»Aber sicher, Liebling«, sagte sie mit ihrem heiseren italienischen Akzent. »Wir können dich doch das Dinner für die Braut nicht im Wasser abhalten lassen.«
Gezwungenes Gelächter in der Runde.
»Und ihr kennt ja beide sicher Jo Slater«, sagte Betty.
»Jo!«, rief Carla. »Das ist aber schön, Sie wieder zu sehen! Wir waren ganz aufgeregt, als Betty uns gesagt hat, dass Sie kommen.«
Carla und ich hauchten einander einen Kuss auf beide Wangen. Ich hatte die jüngere Frau immer Russells erster Ehefrau Lulu vorgezogen. Lulu hatte mich in der Sekunde fallen lassen, als ich mein ganzes Geld verlor, und sie hatte sich sogar mit der Geliebten meines verstorbenen Exmannes angefreundet. Aber das ist eine andere Geschichte.
»Hallo, Carla, schön, Sie zu sehen. Und Russell. Wie geht es Ihnen?«
»Hi, Jo«, sagte Russell mit der gewohnten Zurückhaltung.
»Man sieht euch beide nie in New York«, sagte Betty. »Ihr seid so sehr damit beschäftigt, euch mit eurem großen, schönen Pott auf der Welt herumzutreiben.«
Russell antwortete mit einem dünnen Lächeln. Jeder wusste, dass er seine Jacht The Lady C. anbetete.
Betty beugte sich vor und flüsterte Carla verschwörerisch zu: »Kennst du Max Vermilion?«
»Nun, wir sind uns selbstverständlich vorgestellt worden«, sagte Carla. »Aber ich könnte nicht behaupten, dass wir ihn kennen, nein.«
Mir fiel auf, dass Carla von sich in Wir-Form sprach, als wären sie und Russell eine Person. Dann sagte Betty etwas, wofür ich sie hätte umbringen können.
»Ich will Jo mit Max zusammenbringen. Er ist ein so fabelhafter Kandidat, und wir wissen alle, wie sehr er attraktive, reiche und kultivierte Frauen mag!«
Ich biss die Zähne zusammen, während ich vor lauter Verlegenheit zusammenzuckte. »Bettiiiiie ...«, sagte ich leise.
Betty gehörte zu den Leuten, die glauben, das Liebesleben aller allein stehenden Frauen stünde als Gegenstand der allgemeinen Unterhaltung zur freien Verfügung – auch unter relativ Fremden. Das gehörte zu ihren unangenehmsten Zügen.
»Ach, komm schon, Jo, jetzt sei bloß nicht so schüchtern«, fuhr sie fort, ärgerlicherweise ohne mein Unbehagen zur Kenntnis zu nehmen. »Ich nehme dich jetzt augenblicklich mit hinüber und stelle dir Max vor.«
Sie packte meinen Arm, aber ich weigerte mich.
»Jetzt gerade nicht«, sagte ich und schüttelte sie ab. Ich konnte mir nichts Schlimmeres vorstellen, als mich von Betty zu Max hinüberschleppen zu lassen, wie ein Mauerblümchen beim Ball, das darum gebeten hat, den beliebtesten Jungen aus der Abschlussklasse kennen zu lernen. Es dauerte aber nicht lange, bis Max mit schelmisch blitzenden Augen zu uns herüberkam. Er tippte Betty auf die Schulter und sagte mit seinem lockeren englischen Upper-class-Akzent:
»Sagen Sie mal, ist das die Braut oder die Mutter?«
Betty wirbelte herum.
»Max!«, rief sie und warf ihre Arme um ihn. »Wie geht's Ihnen, mein Junge?«
»Es ist die Mutter! Ich konnte Sie kaum unterscheiden. Betty, meine Liebe, wie schön, Sie zu sehen. Sie sehen hinreißend aus!«
»Sie sehen auch nicht übel aus. Die Scheidung scheint Ihnen zu bekommen.«
»Die nicht, aber die Einigung«, sagte er trocken.
»Kennen Sie alle hier? Russell und Carla Cole? Meine beste Freundin, Jo Slater?«
Max verbeugte sich leicht vor den Coles. »Wir haben einander schon kennen gelernt«, sagte er. »Aber diese charmante Dame habe ich sehr lange nicht gesehen.« Er deutete einen Handkuss an. »Ich frage mich, ob Sie sich an mich erinnern, Jo. Wir haben uns vor Jahren bei einem privaten Rundgang durch die Tate Gallery kennen gelernt.«
»Daran erinnere ich mich gut, Max. Sie mögen die Möbel von Ludwig XVI. genauso gern wie ich, soweit ich mich erinnere.«
»Stimmt. Wie schön, Sie nach all der Zeit wieder zu sehen.« Unsere Blicke trafen sich. Sogar hier in der Menschenmenge gab er mir das Gefühl, dass es ihn wirklich interessierte, mit mir zu reden.
Max hatte das Flirten nicht verlernt. Was bei einem anderen Mann ziemlich schmierig gewirkt hätte, trug bei ihm nur zusätzlich zu seinem Charme bei. Ich glaube, das kam daher, dass er immer etwas spöttisch wirkte, als ob er nichts ernst nehmen würde, am wenigsten sich selbst. Es war klar, weshalb die Frauen auf ihn flogen.
»Und wo ist mein guter Freund Gil? Durchstöbert die Insel nach verborgenen Kunstschätzen?«, fragte Max in Anspielung auf Bettys Ehemann, den Kunsthändler.
»Auf dem Golfplatz, wo denn sonst? Herr im Himmel, wenn Sie glauben, ich könnte Gil dazu bringen, sich Gärten und unsichtbare Affen anzuschauen, müssen Sie verrückt sein.«
Max lächelte nachsichtig über Bettys Unverblümtheit. Er sah aus, als ob er etwas Abfälliges sagen wollte, wie: »Ach, ihr Amerikaner ...«, aber er hielt sich zurück.
Dann kam Mina angestakst, hakte sich bei Max unter und zog ihn zur nächsten Sehenswürdigkeit, ihren Orchideen. Es kam mir vor, als würde er mir einen ziemlich gefühlvollen Blick zuwerfen, so als ob er lieber dageblieben wäre. Betty und Carla gingen zusammen hinter ihnen her, in eine angeregte Unterhaltung vertieft über das bevorstehende Dinner am Abend. Ich blieb mit Russell Cole zurück. Ich wollte nicht, dass es aussah, als wäre ich hinter Max her. Dazu kam, dass Russell sich von den anderen fernhielt, und ich merkte, er wollte mit mir reden.
»Wirklich schön, dich wieder zu sehen, Jo«, sagte er. »Ein freundliches Gesicht aus alten Zeiten.«
Mit den »alten Zeiten« meinte er das New York vor der Jahrtausendwende, als Russell mit Lulu verheiratet war und ich mit meinem ersten und einzigen Ehemann, diesem Schwein, dem verstorbenen Lucius Slater – eine Zeit, die mir jetzt so fern und unkompliziert vorkam wie die Steinzeit. Wir plauderten über dies und das, wie die Zeit vergeht, wie sich die Menschen verändern – oder auch nicht, je nachdem. Ich fragte Russell, ob er das Wanderleben und ständige Unterwegssein als Jachtbesitzer genieße. Er sagte, dass er »ziemlich gern« auf Weltreise sei, »man entscheidet erst unterwegs, wo man hinfährt«. Dann beschrieb er ein Leben mit unendlichen Wahlmöglichkeiten.
Den Anker zu lichten, wenn einem danach zumute ist, und spontan irgendwohin auf der Welt zu segeln, mag idyllisch klingen, aber ich hatte beobachtet, dass diese Art ewiger Ziellosigkeit einen leicht ausbrennen konnte, und schließlich führte sie nur zu einem Ziel: Langeweile. Und tatsächlich, als Russell und ich dahinschlenderten und er geistesabwesend mit der Hand ein paar Blätter berührte, spürte ich, dass seine alte, tief sitzende Müdigkeit zurückgekehrt war. Er hatte seinen Überschwang verloren, und er kam mir ein bisschen so vor wie in den letzten Ehejahren mit Lulu – höflich, aber distanziert, leicht geistesabwesend, mit einer Spur Melancholie und einer Abneigung gegen Menschenansammlungen.
»Was Lucius dir angetan hat, war eine schlimme Sache«, sagte er plötzlich zu mir.
»Ja, das kann man wohl sagen«, sagte ich leise, als wir weiterschlenderten.
»Und du hast überhaupt nichts davon gewusst? Keine Ahnung, dass er dich betrogen hat?«
»Keinen Schimmer. Ich kann dir sagen, es war ein ganz schöner Schock. Aber Ende gut, alles gut, wie man so schön sagt. Und da bin ich wieder.«
Diese Episode meines Lebens kam mir jetzt wie ein böser Traum vor. Russell spielte natürlich darauf an, dass mein verstorbener Ehemann, der ein Jahr lang hinter meinem Rücken eine Affäre gehabt hatte, die Unverschämtheit seines Betrugs auch noch gesteigert hatte, indem er sein ganzes Geld der Geliebten hinterließ, als er starb. Ich nahm an, das war der Grund, weshalb Russell zurückblieb, um mit mir zu reden, um mir sein Mitgefühl mitzuteilen für das, was ich durchgemacht hatte. Aber es war jetzt vorbei, und ich wollte mich nicht mehr damit aufhalten.
»Glaubst du, dass man einen anderen Menschen jemals wirklich kennen kann?«, fragte mich Russell.
»Nun, nach meiner Erfahrung muss ich Nein sagen«, gab ich halb im Scherz zurück und dachte daran, wie sehr mich mein Ehemann getäuscht hatte.
»Nein, ich glaube es auch nicht. Weil nur wenige Menschen sich selbst kennen, weißt du. Und wenn wir uns nicht einmal selbst kennen, wie können wir dann auch nur annehmen, dass uns ein anderer kennt?«
»Da hast du wohl Recht«, antwortete ich, obwohl ich Russell ansah, dass er mehr mit sich selbst als mit mir sprach.
Dann sagte er: »Wie gut kennst du dich, Jo?«
Eine ziemlich schwere Frage für einen Nachmittagsspaziergang, dachte ich.
Mir fiel wieder ein, was ich alles durchgemacht hatte, und ich sagte: »Nun, ich glaube, ich kenne mich jetzt besser als früher. Und du?«
»Ich?« Er schien von der Frage überrascht zu sein. Er überlegte eine Weile und sagte schließlich: »Ich bin irgendwie wie dieser Affe im Baum.«
Seine verblüffende Antwort brachte mich zum Lächeln: »Wie das?«
»Nun, manchmal denke ich, ich kann einen Blick auf mich werfen. Aber ich bin nicht sicher, ob ich es bin oder nicht. Und dann ...« Er hielt plötzlich inne, als wäre er in Gedanken versunken.
»Und dann ...?«
»Dann verschwinde ich«, sagte er mit leichtem Achselzucken.
»Also, was hältst du von Max?«, fragte Betty aufgeregt, als wir von den Brills nach Hause fuhren.
»Nach dem Wenigen zu urteilen, was ich von ihm gesehen habe, ist er ziemlich gut aussehend.«
»Er mag dich, das kann ich sehen.«
»Wie um alles in der Welt kannst du das sagen? Wir haben kaum zwei Worte miteinander gewechselt.«
»Ach komm, zier dich nicht so, Jo. Er konnte seinen Blick nicht von dir abwenden.«
»Nun übertreib mal nicht, Betts. Ich glaube, das ist eher ein Reflex als ein wirkliches Gefühl für mich.«
»Na ja, ich werde euch bei der Hochzeit nebeneinander setzen. Und Carla habe ich gesagt, sie soll ihn auf jeden Fall beim Dinner für die Braut neben dich platzieren.«
»Betty, du übertreibst. Hallo!«
»Hör zu, Schatz, du weißt so gut wie ich, dass man sie sich schnappen muss, solange sie zu haben sind! Man muss sich sehen lassen, darauf kommt es an. Vergiss nicht, Max ist ein unverheirateter Mann, dem eine Horde von Schreckschrauben in Designer-Klamotten auf der Spur ist. Man muss schnell sein und stark und bereit, zuzuschlagen. Als Gil und ich uns kennen lernten, habe ich ihn mit hochgenommen, um ihm meine Briefmarkensammlung zu zeigen. Kein Scherz. Ein zaghaftes Herz hat noch nie einen reichen Kandidaten gewonnen.«
»Was ist eigentlich aus der Vorstellung geworden, dass die Männer hinter den Frauen her sind?«, fragte ich sie.
»Was ist eigentlich aus dem Federkiel geworden?!«, sagte sie aufgebracht. »Hör zu, Jo, diese Kerle dazu zu bringen, lange genug stillzusitzen, um sie wirklich kennen zu lernen, ist heute fast eine Unmöglichkeit. Hier hast du also nicht nur einen, du bekommst zwei Schüsse auf einen der begehrtesten Junggesellen der Welt. Ich sage dir, nütz es aus.«
Betty hatte schon Recht. Ich mochte Max, oder zumindest mochte ich das, was ich von ihm gesehen hatte, und als ich mich für das Brautdinner am Abend anzog, achtete ich besonders auf meine Erscheinung, so wie man es macht, wenn ein Hauch von Verliebtheit in der Luft liegt. Die Feuchtigkeit der Tropen verträgt sich jedoch nicht besonders mit gepflegtem Aussehen, und mein kurzes blondes Haar machte auch nicht so mit, wie es sollte. Es ähnelte weniger einem glatten Helm als einem Strohhut. Als ich dann aber mein Make-up aufgetragen, mein cremefarbenes, eng anliegendes Etuikleid aus Seide angezogen und einige kostbare Schmuckstücke angelegt hatte, schaute ich in den Spiegel und dachte: Na ja, gar nicht schlecht.
Ich habe mich gut gehalten. Ich bin etwa eins fünfundsechzig groß und nicht gerade das, was man eine Schönheit nennt, gewiss nicht, aber meine blauen Augen stehen weit auseinander, und ich habe feine, ebenmäßige Gesichtszüge. Als ich jung war, wurde ich als ganz hübsch eingeschätzt. Und auch wenn das Alter bereits seinen Tribut gefordert hat, habe ich immer noch ein gutes Stilgefühl, was auf lange Sicht wichtiger ist als das Aussehen. Ich mag einfach geschnittene Kleider, und ich bin wieder in Form, trainiere viermal die Woche mit einem Trainer und achte gewöhnlich auf das, was ich esse. Manchmal spiele ich mit dem Gedanken, mich im Gesicht liften zu lassen, aber ich warte noch, bis sie eine Art Sekundenkleber erfinden, mit dem man einfach zu Hause sein Gesicht so weit hochkleben kann, wie man will, und es dann an der Stelle fixiert.
Ich glaube, Bettys Aufregung bezog sich mehr auf die Frage, ob ich und Max zusammenkommen würden, als auf die Hochzeit ihrer eigenen Tochter am nächsten Tag. Als ich auf die Terrasse hinaustrat, inspizierte sie mich mit kritischem Blick.
»Hättest du nicht etwas anziehen können, das ein bisschen sexyer ist? Ich meine, du siehst toll aus, aber du siehst aus wie eine Säule«, sagte sie.
Sie musste gerade reden! Betty, die berühmt für ihren wahrhaft schrecklichen Kleidergeschmack war, würde die Lästerzungen heute Abend nicht enttäuschen. Sie sah wie ein riesiges Bougainvillea-Spalier aus mit ihrem langen Kleid, das mit winzigen Fuchsienblüten aus Chiffon bedeckt war. Die Farbe stieß sich nicht nur mit ihrem roten Haar, das Kleid ließ sie auch wesentlich fülliger aussehen, als sie tatsächlich war.
»Also, ich finde, Jo sieht göttlich aus. Wirklich, ihr seht beide göttlich aus«, sagte Gil, immer der galante Ehemann.
»Du bist selbst so was von todschick«, sagte ich zu Gil, als er mir einen seiner gefürchteten Rum-Cocktails in die Hand drückte.
Gil Waterman war ein großer, athletischer Mann Mitte fünfzig, gut aussehend, mit zerfurchtem Gesicht und vorspringendem Kinn. Mit seiner dicken schwarzen Hornbrille wirkte er immer sehr ernst. Am Vorabend der Hochzeit seiner einzigen Tochter sah er besonders elegant aus mit seinem maßgeschneiderten Smoking und den schwarzen Schuhen, die mit seinen Initialen in Rot bestickt waren.
»Das also ist sie«, sagte Gil und deutete aufs Meer hinaus. »Ich kann es nicht glauben, dass ich sie endlich zu sehen bekomme.«
Eine große, weiße Jacht lag in einiger Entfernung vor Anker und schimmerte in der Dämmerung auf dem Wasser.
»Wow«, sagte ich bewundernd. »Ist das ein großes Schiff.«
»Nach heutigem Standard ist es gar nicht mal so groß, aber très luxuriös. Russell hat es für Carla gebaut«, sagte Betty. »Es ist ihr richtiges Zuhause.«
»Haben sie nicht eine Wohnung in New York?«, wollte ich wissen.
»Schon seit Jahren nicht mehr. Russell hasst New York«, sagte Gil. »Er geht da so wenig wie möglich hin.«
»Das liegt daran, dass Lulu da ist«, sagte Betty. »Die Stadt ist nicht groß genug für die drei. Da reicht der ganze Kontinent nicht.«
»Nein«, sagte Gil nachdenklich. »Ich glaube, Russell hasst ganz einfach die Stadt. Er legt keinen Wert auf Gesellschaft, weißt du.«
»Klar, aber ich verstehe nicht, wie Carla das die ganze Zeit auf dem Pott aushält. Es ist mir egal, wie schön es ist. Kannst du dir vorstellen, dein Leben auf einem Schiff zu verbringen? Ich würde völlig verrückt werden«, sagte Betty.
Ich pflichtete ihr bei. »Wer hat noch mal gesagt, ›Schiffe sind Gefängnisse, auf denen man ertrinken kann‹?«
»Ich!«, rief Betty.
In diesem Augenblick trat Missy Waterman auf die Terrasse heraus. Die siebenundzwanzigjährige Braut war, entgegen ihrer sonstigen Nachlässigkeit, ausgefallen gekleidet und hatte gepflegtes Haar, sie trug ein elegantes blaues Abendkleid aus Seide und eine Saphir- und Brillanthalskette, ein Familienerbstück, das Hochzeitsgeschenk von Betty und Gil für ihr geliebtes einziges Kind. Missy, die sich als »Videokünstlerin« bezeichnete, hatte jahrelang immer noch wie ein Teenager zu Hause gewohnt, einen seltsamen Tagesrhythmus und Freundschaften mit noch seltsameren Menschen gepflegt, hatte eine harte Experimentierphase mit Drogen und Alkohol durchgemacht, die ihr Vater, der Kunsthändler, taktvoll als »Missys blaue Periode« bezeichnete. Gil und Betty waren verständlicherweise entzückt, dass ihre unkonventionelle Tochter endlich eine Familie gründen wollte und sie ihren Ehemann nicht aus den Reihen der gemarterten, tätowierten und gepiercten Freunde gewählt hatte, die sie in der Vergangenheit bevorzugt hatte, sondern Woodson »Woody« Brill, einen netten jungen Mann mit adrettem Haarschnitt, der aus einer hoch angesehenen Familie stammte.
Gil, offensichtlich gerührt vom Anblick seiner Tochter, nahm Missy in die Arme. Seine Augen wurden feucht, dann sagte er: »Na, ich glaube, wir ziehen lieber los.«
»Und viel Spaß heute Abend, Liebling«, sagte Betty. »Genieße deine Freiheit, denn ab morgen wirst du eine alte Kette mit Kugel dran herumschleppen, wie wir anderen auch.«
Betty fielen sentimentale Augenblicke schwer.
»Ich kann es kaum erwarten, die Cole-Sammlung zu sehen«, sagte Gil, als wir zum Dock hinuntergingen.
»Ach Gil, du denkst immer nur an die Kunst«, sagte Betty missbilligend.
»Das stimmt nicht. Ich denke an Golf ... aber egal, ihr könnt euch auf etwas gefasst machen.«
Gil erklärte uns, dass die Cole-Sammlung von Russells Vater angelegt worden war, zu einer Zeit, als noch einige der größten impressionistischen und postimpressionistischen Bilder auf dem Markt waren. Russell, ein Kunstliebhaber, hatte das Erbe nach dem Tod seines Vaters bedeutend ergänzt. Er erweiterte die Sammlung um Meister des zwanzigsten Jahrhunderts wie Pollock, Rothko, Jasper Johns, de Kooning und Lucien Freud, um nur ein paar wenige zu nennen. Anders als manche Sammlungen, die nur ein Katalog bedeutender Signaturen auf mittelmäßigen Werken sind, war die Cole-Sammlung wegen der überragenden Qualität jedes einzelnen Bildes wirklich bemerkenswert.
»Russell hat die drei Dinge, die ein wichtiger Sammler braucht, ein großartiges Auge, ein großartiges Vermögen und einen großartigen Händler – mich!«, sagte Gil mit einem Augenzwinkern.
Missy, die ihren Paten als »Onkel« bezeichnete, fragte: »Du hast Onkel Russell doch eine Menge Bilder verkauft, oder nicht, Papa?«
»Aber sicher«, sagte Gil stolz. »Die Lady C. ist ein schwimmendes Museum. Ich hoffe nur, Russell macht mit uns noch einen privaten Rundgang vor dem Essen. Kaum zu glauben, dass ich das Schiff noch nie gesehen habe.«
»Weil du so ein alter Langweiler bist, Liebling. Gott weiß, wie oft sie uns auf einen Segeltörn eingeladen haben. Aber du willst ja nicht. Du willst immer nur nach Southampton«, sagte Betty.
»Ich gehe nach Lyford«, rechtfertigte sich Gil.
»Die einzige Möglichkeit, Dad eine Zeit lang auf ein Schiff zu bringen, wäre, wenn sie einen Golfplatz an Bord hätten, stimmt's, Dad?« Missy lachte und stupste ihren Vater sanft.
»Was gibt's denn gegen Golf zu sagen?«, fragte Gil.
»Das langweiligste Spiel, das jemals erfunden wurde, vielleicht mit Ausnahme von Curling!«, knurrte Betty. »Dazu kommt, dass es etwas zutiefst Freudianisches haben muss, einen kleinen Ball immer wieder in ein kleines Loch bringen zu wollen. Glaubst du nicht?«
»Ehrlich gesagt, es ist dasselbe wie dauernd einen Ball über ein Netz bringen zu wollen«, gab Gil zurück. »Ich meine, früher habe ich Tennis schon gemocht. Aber eines Tages hatte ich ein geradezu überwältigendes Gefühl der Sinnlosigkeit bei diesem Spiel. Ich sah den Ball auf mich zufliegen, und ich dachte: ›Wart mal, habe ich den kleinen Scheißkerl nicht gerade weggeschlagen?‹ Ich habe den Schläger hingelegt und nie wieder angerührt.«
»Ach, das ist ja eine faustdicke Lüge!«, sagte Betty ärgerlich. »Ich habe letzten Sommer zweimal mit dir gespielt und dich beide Male geschlagen.«
Betty und Gil waren wie das sprichwörtliche alte Ehepaar, aber hinter ihrem Geplänkel stand echte Zuneigung.
Endlich erreichten wir das Dock. Da lag schon ein großes Beiboot bereit, um uns zur Jacht hinauszubringen. Zwei Crew-Mitglieder halfen uns einem nach dem anderen an Bord des Motorboots. Sie trugen weiße T-Shirts, auf denen diskret in Rot The Lady C. mit einem kleinen Wellenkamm gestickt war. Der Motor wurde angelassen, und wir glitten über das dunkler werdende Wasser auf das große, weiße Schiff zu, das in einem fast außerirdisch anmutendem Licht strahlte. Allein auf dem Meer, vor dem Hintergrund des purpurfarbenen Himmels, sah das massige Schiff aus wie ein surreales Apartmentgebäude. Als wir näher kamen, wehte der beschwingte Rhythmus einer berühmten, eigens aus New York eingeflogenen Salsa-Band zu uns heran und brachte alle in Stimmung für einen vergnügten Abend. Missy drückte die Hand ihres Vaters und legte liebevoll ihren Kopf an seine Schulter, als wir über das Wasser dahinglitten.
Auf der Lady C. war der Platz begrenzt, was bedeutete, dass nur hundert Gäste an dem Dinner teilnehmen konnten. Nachdem wir an Bord gegangen waren, schoben wir uns alle eine Treppe zum Hauptdeck hinauf, wo uns Carla Cole, mit Türkisen und funkelnden Brillanten behängt, überschwänglich begrüßte.
»Willkommen! Willkommen allerseits in unserem kleinen Heim!«, sagte sie.
»Sie meint ihr kleines Haus auf der Wasserprärie«, flüsterte Betty mir zu. Einige der anderen Gäste waren schon da, unter ihnen Ethan Monk und Miranda Somers. Ethan kam auf mich zu und sagte: »Glaubst du, wir können einen Blick auf die Sammlung werfen?«
»Ich weiß es nicht. Frag Gil. Der kann's gar nicht erwarten, sie zu sehen.«
Carla war eine gute Gastgeberin, sie stellte alle einander vor und gab uns das Gefühl, willkommen zu sein. Ich schaute mich nach Max um, sah ihn aber nicht. Stewards in eleganter weißgoldener Borduniform gingen mit Silbertabletts herum und verteilten ein grandioses Gebräu aus Champagner, frischem Mangosaft und irgendeinem anderen nicht identifizierbaren alkoholischen Getränk, von dem Betty und ich später dachten, dass es Absinth gewesen sein musste, weil es so stark war. Ich nippte zweimal daran, und schon fing mein Kopf an, sich zu drehen. Betty war bereits bei ihrem zweiten Glas, als ich sie zur Vorsicht mahnte.
»Diese Sachen sind tödlich!«, sagte ich.
»Na schön, ich brauch was Tödliches, sonst stehe ich den Abend nicht durch. Wo zum Teufel ist Max?«
Immer mehr Gäste, die in Zehnergruppen herübergefahren wurden, kamen an. Bald war eine große Menge versammelt, darunter einige neue Gesichter – viele junge Leute, Freunde von Missy und Woody, dazu Freunde der Watermans und der Brills, die für die Hochzeit extra eingeflogen worden waren. Die meisten Gäste kamen aus New York, manche auch aus England, dem europäischen Festland und Südamerika, und immer wieder konnte man Freudenschreie von Freunden hören, die sich seit langer Zeit nicht mehr unter die Augen gekommen waren.
Ich begrüßte Russell, der allein in einer Ecke stand. Er kam mir sehr distanziert und geistesabwesend vor. Er hielt einen der tödlichen Drinks in der Hand, und einmal hob er das Glas in meine Richtung und sagte: »Auf grüne Affen – menschliche und andere.«
Ich hatte keine Ahnung, was er meinte, und hielt ihn für leicht angetrunken.
Gil kam mit Carla zu uns herüber. Sie sagte: »Russell, Liebling, Gil will unbedingt die Sammlung sehen. Können wir ihn nicht ein bisschen herumführen?«
Russell schaute sie missmutig an. »Ich denke schon.«
»Wir verdrücken uns für ein paar Augenblicke ... Niemand wird uns vermissen«, sagte Carla.
Gil war außer sich vor Aufregung. Er wollte vor allem, dass wir Russells Neuerwerbung sahen, das Porträt einer Frau mit rotem Hut von Cézanne, das er für die Coles aus einer Privatsammlung in Frankreich erworben hatte. Man hatte geglaubt, dass es im Krieg verloren gegangen war, und es galt als eines der großartigsten Bilder des Malers. Ethan, Miranda und ich begleiteten die Coles und die Watermans bei der schnellen Privatführung. Wir gingen ins Schiffsinnere und liefen durch Gänge, Suiten und Kabinen der Jacht, bewunderten die kompakte Eleganz des Bootes und die großartige Kunstsammlung. Erstklassige Exemplare von Künstlern wie Monet, Renoir, Matisse, Picasso, dazu noch eine Anzahl von weniger Herausragenden wie Vlaminck, Van Dongen und Sisley hingen in befestigten Rahmen, die, wie wir gleich erfuhren, mit Alarmanlagen gesichert waren. Von unsichtbaren Lampen angestrahlt, leuchteten die Gemälde auf dem dunklen Hintergrund der Wandverkleidung aus Mahagoni wie Juwelen und verliehen dem Inneren des Schiffs eine tiefe und unerwartete Schönheit. Russell, ein scheuer Mensch, der offensichtlich seinen Reichtum oder auch nur die Sammlung, auf die er so stolz war, ungern vorführte, trieb uns ohne Kommentar zur Eile an, so dass Gil nur ab und zu verstohlen auf verschiedene Werke hinweisen und flüstern konnte: »Das habe ich ihnen verkauft«, und »Das haben sie von mir.«