© Auflage 4, 3, 2, 1: 2019, 2014, 2011, 2007 by Horst Hanisch

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Die Ratschläge in diesem Buch sind sorgfältig erwogen, dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Eine Haftung des Autors und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.

Aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit wird auf das geschlechtsneutrale Differenzieren, zum Beispiel Mitarbeiter/Mitarbeiterin weitestgehend verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung für alle Geschlechter.

Idee und Entwurf: Horst Hanisch, Bonn

Lektorat: Alfred Hanisch, Bonn; Annelie Möskes, Bornheim (ab 3. Auflage)

Buchsatz: Guido Lokietek, Aachen; Horst Hanisch, Bonn

Umschlag: Christian Spatz, engine-productions, Köln; Horst Hanisch, Bonn

Fotos/Zeichnungen: Horst Hanisch, Bonn

Herstellung und Verlag: BOD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 978-3-7481-6175-2

Inhaltsverzeichnis

Grußworte zur 2. und 1. Auflage

„Wir Deutschen können ein Wirtschaftswunder machen …

Achim Dederichs

Küchenchef AXA Konzern AG Köln

… aber keinen Salat“

spottete Johannes Mario Simmel in seinem Bestseller „Es muss nicht immer Kaviar sein“.

Das Thema Essen und Trinken beschäftigt uns alle, und das Schöne daran: „Jeder kann mitmachen“. Durch eine große Auswahl an Kochsendungen im Fernsehen bringt man sich schnell auf den aktuellsten Stand: Honigmelone mit Avrugakaviar und japanischem Bergpfeffer.

Oder bei 70 Grad, 12 Stunden gegartes Ibericoschwein im Vakuum – kein Problem.

Es ist ja auch einfach, die Zutaten gibt es im Internet – die Bezugsquellen werden gleich mitgenannt. Nie waren wir so aufgeklärt, nie so experimentierfreudig.

Es macht Spaß mit Anapurnacurry, Wachteln, Spitzkohl und Olivenölemulsion zu kochen. Natürlich gibt es noch die Molekularküche: Man beschäftigt sich mit Texturen, Aromen und Aggregatzuständen.

Jetzt ist Kochen nicht mehr nur Tradition und Handwerk, sondern auch Wissenschaft und Kunst. Sphärisierung, Gelifikation und Emulsifikation – von Ferran Adria entwickelte Verfahren der Molekülküche, die es ermöglichen mithilfe sogenannter Texturgeber neuartige Formen und Oberflächen zu schaffen: falschen Kaviar aus Melonensaft, bunt gelierte Würfel oder Grieß aus verschiedensten Flüssigkeiten.

Mittlerweile gibt es aber immer weniger Restaurants, die ausschließlich Molekularmenüs anbieten. Zum Glück, denn Essen ist mehr als schlürfen, schlecken und lutschen.

Eine gesunde Mischung von Molekular- und Traditionsküche auf handwerklich hohem Niveau hat im Moment den größten Erfolg.

Dennoch spielen Exoten eine wichtige Rolle in der täglichen Ernährung.

Kiwis, Litschis, Straußenfilets und Mangos sind nicht mehr wegzudenken. Es muss ja nicht dschungelgeprüfter Heuschreckeneintopf sein. Die Lust auf alles was ‚exotisch‘ und somit anders ist, liegt, glaube ich, in den Genen eines jeden motivierten (Hobby) Kochs.

Als ich in Südafrika Mitte der Neunziger Jahre in einem 5 Sterne Hotel mit Kudu, Springbock und Krokodil konfrontiert wurde, hatte ich Riesenspaß bei der Verarbeitung jener Produkte. Der Reiz des Unbekannten und die Motivation meines damaligen Küchenchefs machten diese Zeit zu etwas Außergewöhnlichem.

Zitronengras, Crème Brulée, feines Kompott und Relishes von Kumquats sind für mich heute unverzichtbar.

Lieber Leser, ich kenne Horst Hanisch seit über 10 Jahren und schätze seine vielfältigen Betätigungsfelder und seinen Perfektionswillen.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen der überarbeiteten 2. Auflage, beim Ausprobieren und Experimentieren mit Exoten.

Achim Dederichs, 2011

Tafelfreuden und …

„Die Tiere fressen, der Mensch isst, aber nur der Mensch von Geist versteht zu essen.“

Friedwolf Liebold

Präsident der Brillat Savarin-Stiftung und der Gastronomischen Akademie Deutschlands

Tafelkultur

Diesen Satz von Jean Anthelme Brillat-Savarin möchte ich sozusagen als Leitmotiv vor die folgenden Ausführungen setzen. Beide Zeitgenossen, Brillat- Savarin und der Freiherr von Knigge, hatten etwas gemein.

Sie waren belesene, auf vielen Gebieten dem Zeitgeist vorauseilende Schriftsteller und universell gebildet.

Heute, etwas zu Unrecht auf die Tafelfreuden und das sogenannte gute Benehmen reduziert, ist ihr Einfluss gerade hier nach wie vor ungebrochen.

Ihre Anmerkungen zur Gastfreundschaft, Tafelkultur, Gastlichkeit haben Generationen von Tafelfreuden beeinflusst.

Die Kunst des Gastgebers und auch des Gastseins hat Knigge vortrefflich beschrieben in einem kurzen Kapitel seines Bestsellers ‚Weltton und Weltsitte‘ mit der Überschrift „Über das Verhältnis zwischen Wirt und Gast“. Hier merkt er an, was auch noch heute Gültigkeit haben sollte: „Ehrliche Gastfreundschaft und gute Gespräche sind der Angeberei und Imponiersucht vorzuziehen.“

Die notwendige Sicherheit und Gelassenheit, die hilft, die Situation richtig einzuschätzen, kann man, muss man – üben, lernen, begreifen. Die Lebensfreude beruht zu einem großen Teil auf dieser Sicherheit.

Wir von der Gastronomischen Akademie Deutschlands und der Brillat Savarin-Stiftung haben uns die Erfahrungen und Lebensweisheiten dieser beiden Persönlichkeiten und Vorbilder für den Umgang der Menschen miteinander zu eigen gemacht; im Allgemeinen und im Besonderen ihre Lust an der Tafelkultur.

Möge Ihnen, lieber Leser, der vorliegende Ratgeber im täglichen Umgang miteinander ein Stück dieser Sicherheit geben. Denn, „Eine gute Tafel“, sagte der ‚alte Fritz’, „ist mir allemal mehr wert als eine gewonnene Schlacht.“

Friedwolf Liebold, 2007

Vorwort zur aktuellen Auflage

Was der Bauer nicht kennt …

Wenn ich den Appetit verliere, verliere ich den Verstand.

Lucius Licinius Lucullus, röm. Feldherr

(117 - 56 v. Chr.)

… das isst er nicht

Sie sind eingeladen. Eine festlich gedeckte Tafel erwartet Sie. Der erste Speisengang wird serviert. Und schon stellen sich Schwierigkeiten ein: Wie wird die Rindfleisch-Essenz mit Blätterteighaube richtig ‚behandelt‘? Wie wird die gebratene Forelle korrekt filiert? Und dann die vielen exotischen Früchte! Von der Optik her unschlagbar; aber ist mit Besteck zu arbeiten oder direkt mit den Fingern?

Einige Früchte haben Sie noch nie gesehen, geschweige denn gegessen. Um sich nicht zu blamieren, greifen Sie lieber auf die Ihnen bekannte Kiwi zurück. Schade drum.

Bewegen Sie sich doch einmal gedanklich in die farbenprächtige Welt der exotischen Früchte. Klar, Ananas, Banane und Kiwi sind für uns heute kaum noch etwas Besonderes. Wie werden Ihre Gäste schauen, wenn Sie ihnen zum Menüabschluss einen Obstteller mit Pitahaya, Kiwano und Tamarillo anbieten?

In diesem Ratgeber wird auch auf diese Früchte eingegangen. Wie sie zum Genuss vorbereitet werden, wie sie serviert werden und wie sie schmecken.

Gibt es doch so viel Ausgefallenes, immer wieder neue Kreationen, ja sogar Exotisches auszuprobieren. Es muss ja nicht gleich echtes Gold sein, das verzehrt wird. Vielleicht auch nicht Hirn oder Hoden. Vielleicht eher einmal eine Heuschrecke, ein Seeigel oder ein Stückchen vom Krokodilschwanz? Oder Feigenkäse, Veilchen und Kakteen?

Die Welt bietet eine unglaubliche Vielfalt an Genießbarem. Wo immer die Chance besteht zu probieren, sollte sie genutzt werden. Ungeahnte Gaumenfreuden können sich dabei auftun. Manchmal begeben sich die Köche dann auch in Bereiche, die als grenzwertig angesehen werden können.

So waren Hervé This (frz. Physik-Chemiker) und Nicholas Kurti (brit. Physiker) angeblich die ersten, die um 1990 den Begriff Molekulargastronomie geprägt haben sollen. Diese befasst sich mit den biochemischen und physikalisch-chemischen Prozessen in den Produkt-Prozessen bei der Zubereitung von Speisen. Serviert wird gerne mal in Reagenzgläschen oder anderen kleinen Darreichungsformen, wobei das genießbare Produkt äußerst geschmacksintensiv wahrgenommen wird.

Allerdings stellen nicht nur Exoten die Herausforderung im Restaurant dar, sondern auch anscheinend banale Dinge, wie ein Teller Spaghetti. Schneiden, Aufwickeln oder Schlürfen? Wie wird eine Forelle so filiert, dass die nervigen Gräten beim Essen nicht stören?

Lassen Sie sich fallen in die schier unendliche Welt der kulinarischen Sinnesfreuden. Tasten, riechen und schmecken Sie. Haben Sie keine Bedenken, Speisen – da wo es angebracht ist – direkt mit den Händen zu bearbeiten.

Und wenn Sie einmal nicht wissen, wie etwas bei Tisch richtig ‚bearbeitet’ wird, dann lassen Sie es sich zeigen oder vormachen.

Nichts gegen die erwähnten Bauern. Aber: Halten wir es lieber mit Jean Anthelme Brillat-Savarin, der aus der gewählten Speise Rückschlüsse auf die Person beziehungsweise die Berufsgruppe zulässt.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Bereicherung im Umgang mit ungewöhnlichen und exotischen Gerichten.

Horst Hanisch

Teil 1 – Leckeres,
Ungewohntes,
schwierig zu Essendes

Essen mit Händen und Besteckteilen

Schwierig zu essende Speisen

Ein eitles Lehrbuch träumt, wie eine Speisekarte studiert zu werden.

Manfred Hinrich, dt. Journalist

(1926 - 2015)

Von Exoten, Sushi und Hummer

Oh Schreck, da liegt sie – die Forelle. Wie muss sie nun filiert werden? Und dann die exotischen Früchte! Kaum eine habe ich je davon gesehen. Woher soll ich wissen, wie sie zu ‚bearbeiten’ ist?

Auf den folgenden Seiten wird über schwierig zu bearbeitende Speisen geschrieben. Die Aufzählung kann natürlich nicht vollständig sein, sondern gibt einen Einblick in das zurzeit mögliche Angebot in der Gastronomie.

Viele der angegebenen Speisen sind in einer Menüfolge so zubereitet, dass sie ohne Problem mit dem üblichen Besteck, also Messer, Gabel oder Löffel, verzehrt werden können. Ist das nicht der Fall, zählt das Gedeck als Spezialgedeck.

Sollten Sie einmal nicht wissen, was Ihnen vorgesetzt wurde oder wie die Speise verzehrt wird, zögern Sie nicht, den Gastgeber oder das Servicepersonal im Restaurant zu befragen.

Es wäre schade, wenn Sie etwas liegen ließen, nur weil Sie nicht wissen, wie Sie es fachgerecht zu sich nehmen sollen.

Die Fingerbowle

Einige der folgenden Speisen lassen sich direkt mit den Fingern bearbeiten. In der Regel wird dann eine Fingerbowle gereicht.

Dies ist eine kleine Glas-, Porzellan- oder Metallschale, die mit oder Wasser zu höchstens zwei Drittel gefüllt wird. Sie steht auf einem Mittelteller links oben in Ihrem Gedeck.

Je nach Einsatz gehört in die Fingerbowle kaltes oder warmes Wasser: Bei fettigen Speisen wird warmes Wasser und eine Zitronenscheibe, die das Fett besser bindet, bereitgehalten. Kaltes Wasser wird bei nicht fettigen Speisen gereicht.

Zwischen der Fingerbowle und dem Mittelteller liegt eine Mundserviette.

Benutzen Sie diese Serviette, um Ihre feuchten Finger abzutrocknen. Benutzen Sie dazu nicht die Serviette, die auf Ihrem Schoß liegt, da sie zu schnell verschmutzt würde.

Finger- und Füße waschen