Über dieses Buch:
Was, wenn ein Stubentiger auf einmal beschließt, ab sofort ein freier Kater zu sein? Weg von den ungeliebten Herrchen und auf zu neuen Abenteuern! Sein neues Zuhause ist ein Bergdorf im Tessin. Sein Programmpunkt Nummer 1 – Katzendamen natürlich. Programmpunkt Nummer 2 – leben wie im Schlaraffenland. An Einfallsreichtum fehlt es ihm nicht und so wickelt er mal charmant, mal turbulent am Ende jeden um die Samtpfote! Kein Wunder, dass auch die Schauspielerin Nora seinem Charme erliegt – und dies ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft …
Über die Autorin:
Nora von Collande, Schauspielerin in vierter Generation, wurde 1958 in Berlin geboren. Noch während ihrer Schauspielausbildung wurde sie für die Titelrolle des UFA-Spielfilms »Maria Morzeck« entdeckt, der mit dem Jacob-Kaiser-Preis ausgezeichnet wurde. Nach einigen Jahren als festes Ensemblemitglied an verschiedenen Staatstheatern ist sie heute in zahlreichen Spielfilmen und Serien zu sehen. Sie lebt und arbeitet mit dem Schauspieler Herbert Herrmann zusammen. Sie leben in Deutschland, in der Schweiz und in Südfrankreich.
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eBook-Neuausgabe März 2019
Copyright © der Originalausgabe 2001 by Marion von Schröder Verlag, München
Copyright © der Neuausgabe 2019 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Marcin Shutterstock und Adobe Stock/Mamut Vision
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (aks)
ISBN 978-3-96148-422-5
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Nora von Collande
Turbolenzo – Ein Kater zum Verlieben
Roman
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Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
EPILOG
Lesetipps
Ein Heim ohne Katze,
ohne eine gutgenährte,
oft gestreichelte Katze,
mag vielleicht ein perfektes Heim sein.
Aber wie wollte es das schon beweisen?
Mark Twain
Es war im Tessin, kurz nach Weihnachten, als mich ein Satz traf wie eine Donnerkeule.
Es war nur ein Satz, ein einziger Satz. Aber er veränderte mein ganzes Leben.
Ich lag auf Fiorina Ravani, wie fast jeden Abend, und genoß ihre Zärtlichkeiten. Und wie fast jeden Abend, starrte sie in eine Kiste, in der viele kleine Menschen lebten.
Ich lag also gerade auf Fiorina, genauer gesagt auf ihrem Schoß, und schnurrte. Um Mißverständnissen vorzubeugen: Ich bin ein Kater. Mein Fell ist rot, ich habe vier weiße Pfoten und eine weiße Nase. Ich bin unbeschreiblich schön.
Es war ein verdammt kalter Winter. Giovanni Ravani, Fiorinas Mann, zu dem ich keine erwähnenswerte Beziehung hatte, warf ein Stück Holz in den Kamin, und es versprach, ein gemütlicher Abend zu werden. Ein Abend, wie schon so viele in meinem angenehmen, aber langweiligen Leben.
In mir hatten sich Unruhe und Abenteuerlust angesammelt. Täglich mehr. Aber an diesem Abend war mir das noch nicht bewußt. Ich war intensiv damit beschäftigt, Fiorina daran zu hindern, ständig ihr Streicheln zu unterbrechen. Ohne Zweifel war die Ursache ihrer mangelnden Aufmerksamkeit ein Kerl in der kleinen Kiste. Sie war wie hypnotisiert. Der viel faszinierendere Typ lag doch gerade auf ihrem Schoß. Das galt es, ihr klarzumachen. Ich verstand es meisterhaft, indem ich mich von Zeit zu Zeit sehr umständlich um einen Stellungswechsel bemühte. Ich sah ihr tief in die Augen und ließ mich mit einem herzzerreißenden Seufzer in eine neue Position fallen. Sie streichelte tatsächlich weiter, und ich schnurrte belohnend. Der Erfolg war allerdings nur von kurzer Dauer, denn schon verfiel sie wieder diesem lächerlichen Kistenkerl. Ich beschloß, ein Auge auf ihn zu werfen, um in Erfahrung zu bringen, warum sie sich so bescheuert benahm.
Der Grund hieß Alexis Sorbas. Ich dachte gerade, was hat der nun, was ich nicht habe, als er den Satz sagte, der alles veränderte:
»Man soll das Leben genießen, ohne an die Konsequenzen zu denken!«
Rums! Das war die Donnerkeule!
Das war's! Das war's, was ich suchte. Das war ich. Das war mein Film. Das war ein Film über mich.
Mein Entschluß stand fest: Ich mußte mein Leben ändern. Auf der Stelle.
Mich beschäftigte schon länger ein Problem, das ich so schnell zu lösen nie gehofft hätte. Seit einiger Zeit unterhielten sich meine Ravanis darüber, demnächst vielleicht nach Italien übersiedeln zu wollen. Was immer sie damit meinten, ich spürte dabei ein leichtes Ziehen im Bauch und beschloß zu handeln. Man verläßt mich nicht! Ich verlasse! So sieht es aus.
»Man soll das Leben genießen!«
Die Donnerkeule!
Um Fiorina und Giovanni die kolossale Bedeutung des Augenblicks, meines Abschieds für immer, zu verheimlichen, sprang ich vom Sofa und tat unendlich gelangweilt. Diese Aktion unterstrich ich mit einem Gähnen, das mir vielleicht ein wenig zu übertrieben geriet, um nicht zu sagen total mißlang. Glücklicherweise bemerkten sie das nicht. Ich ging zur Tür und sagte: »Mau!«
Um mich nicht künstlich zu erweichen, schaute ich mich nicht noch einmal nach Fiorina um. Sie war es, die mir die Tür öffnete und schnell wieder schloß, um die Kälte nicht ins Haus zu lassen. Der Erinnerung wegen hätte ich sie gerne noch einmal angesehen, aber ich brachte es einfach nicht fertig.
Ich war entschlossen, ein freier Kater zu werden, ohne an die Konsequenzen zu denken. Gefühlsduseleien durfte ich mir nun nicht mehr erlauben.
Mir standen alle Möglichkeiten offen. Gerade eben noch drohte aus mir ein absoluter Laschi zu werden. Noch vor ein paar Minuten wären meine unzähligen Fähigkeiten für immer ungenutzt verkommen. Eine Sekunde kann das ganze Leben verändern. Eine Sekunde – und ein einziger Satz!
Plötzlich überwältigte mich ein solches Glücksgefühl, daß ich sogar meine kleine Mulmigkeit vergaß, die sich gerade eben noch in mir breit machen wollte. Immerhin war dies ein erhebender Augenblick, und ich war mir dessen durchaus bewußt.
Daß Alexis aus der Kiste staturmäßig so erstaunlich klein geraten war, flößte mir grenzenlosen Mut ein. Die ganze Kiste, in der diese winzigen Gestalten rumliefen und sich wichtig vorkamen, war nicht mal so groß wie ich, wenn ich mich streckte. Aber Alexis schien mir besonders klein. Vielleicht weil ich seinen Satz als so groß empfand. Mich hat selten so-was Kleines derart beeindruckt; ich hätte ihn gerne mal kennengelernt.
Mein Ziel war klar. Weiber standen immer an erster Stelle in meinem Leben. Programmpunkt Nr. 1: meine neue Freundin.
Ich schüttelte mich noch einmal, in der Hoffnung, meine Vergangenheit endgültig von mir abzuschütteln, und machte mich auf den Weg. Es war saumäßig glatt, aber nun war ich unterwegs, der erste Schritt, der schwerste, wie ich damals annahm, war getan. Ich war in einem Rausch. Mich konnte nichts mehr aufhalten.
Ich verabschiedete mich von meinem Garten, meiner Mauer, meinen verschneiten Bäumen. Mit gehörigen Markierungsschüssen, versteht sich. Ich markiere mit Inbrunst. Ich mach das wirklich gern. Im Winter ist es besonders geil, weil man's auch sehen kann.
Auch dem Tal sagte ich ciao, in dem ich so viele Jahre verbracht hatte. Und ich stieg die steile Schlucht hoch, ins nächste Dorf, ein Bergdorf, das ich erst vor kurzem auf einem Nachtspaziergang entdeckt hatte.
Ciao Fiorina, ciao ragazza! Tut mir leid ...
»Ciao«, so habt ihr mich genannt. Zum ersten Mal fiel mir auf, daß der Name wirklich zu mir paßte.
Obwohl ich vor Autos allergrößten Respekt hatte – aber sehr intelligent mit diesem Problem umzugehen wußte – und obwohl der Weg mich zwang, einen reißenden Bach zu überqueren, hatte ich mich seit Wochen allnächtlich diesen Gefahren ausgesetzt.
Das alte Bergdorf war einfach umwerfend. Es hatte nur eine Straße, was die Gefahr, überfahren zu werden, erheblich verringerte, und war sehr viel kleiner und überschaubarer als mein bisheriges Taldorf. Das Tollste aber war: Es gab unzählige verlassene Häuser.
Ohne Freund Alexis hätte ich wohl nie ciao gesagt zu meinen Ravanis, hätte bis zu meinem Ende davon geträumt, einmal im Leben ein ganzes Haus alleine zu bewohnen. Nun lag es mir zu Pfoten und wartete auf mich. Ich hatte vor, Dorfkater zu werden. Auf dem schnellsten Wege.
Damals war ich noch überheblich. Ich ahnte nicht, wie dornenvoll mein Weg noch werden sollte, bis ich mich Dorfkater nennen durfte.
Doch zunächst besuchte ich erst mal federnden Schrittes meine neue Freundin. Ich hatte sie während meiner Bergdorfentdeckung kennengelernt – und es hatte mich voll erwischt! Diese Liebe war es, diese ungeheure Leidenschaft, die mir die Kraft gab, alles durchzustehen.
Sie hieß Micia, was man »Mietscha« spricht, war eine dreifarbige, zierliche Glückskatze und wohnte bei Carletta, einer alten Frau, die ihr nur Abfälle zu fressen gab. Micia konnte im herkömmlichen Sinne nicht als Schönheit bezeichnet werden, aber sie hatte Charme und rührte mich in ihrer nervösen Hilflosigkeit. Sie war die erste und einzige große Liebe in meinem Leben.
Viele Menschen haben mich verkannt, indem sie mir eine solche Gefühlstiefe wegen meiner zahllosen Affären nicht zutrauten. Das eine hatte mit dem anderen jedoch nichts zu tun. Als angehender Dorfkater hatte ich die Pflicht, mich um die vielen kleinen Katzendamen dieses wundervollen Bergdorfes zu kümmern. Ich verschaffte ihnen den Höhepunkt ihres Lebens, aber ich möchte nicht behaupten, es hätte mir nicht auch Vergnügen bereitet.
Am ersten Morgen dieses neuen Lebens, nach einer atemberaubenden Nacht mit Micia, mußte ich mich erst mal sammeln. Die vielen Ereignisse hatten mich derartig ermattet, daß ich völlig vernebelt war. Wo stand das rote Sofa, auf dem ich sonst immer geschlafen hatte? Wo waren meine Näpfe, meine Milch? Es dauerte eine Weile, bis ich mich orientiert und meine Situation erkannt hatte.
Ich hatte mich in einem verlassenen Stall mit einem Nachtlager aus Heu begnügt und wie betäubt geschlafen. Langsam dämmerte es mir: Mit dieser Übersiedlung begann ein neuer Lebensabschnitt. Vielleicht der entscheidende.
Energisch machte ich meine Morgengymnastik. Ich krümmte meinen Rücken und dehnte meine Pfoten, bis sich meine Körpergröße und -länge verdoppelte. Dann verließ ich – sozusagen pfeifend – mein neues Domizil. Den Stall markierte ich mehrfach und von allen Seiten, um klarzustellen, daß dies nun mein Stall war. Denn noch wußte ich nicht, wie groß die Konkurrenz war.
Ich schlenderte lässig Richtung Dorfkern. Als erstes mußte ich einen Menschen finden, der mich anständig fütterte. Ich war nicht im geringsten gewillt, mich in Zukunft bei Micia von Essensresten zu ernähren. Noch hatte ich Reserven, war gesund und kräftig.
Was mir an diesem Tag noch zustoßen sollte – und ich neige nicht zu Übertreibungen –, war das schrecklichste Erlebnis meines Lebens.
Ich war so in Gedanken versunken, während ich durch die vereisten Dorfgassen schlitterte, und derart darauf konzentriert, herauszufinden, wo zum Beispiel Hunde wohnten oder andere Kater, daß ich viel zu spät merkte, daß da lauter Menschen um mich herumstanden und mich anstarrten. Wie aus dem Boden gezaubert, standen sie plötzlich da, glotzten mich an und sprachen über mich. Wohl noch nie einen Kater gesehen, was? dachte ich, aber ich sagte nur: »Mau!«