© Powerlerner Verlag für Bildung und Studium, Frankenthal
Dipl.Hdl. Clemens Kaesler, M.A.
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Folgende Lernziele sollen Sie in diesem Kapitel erreichen:
Die Betriebswirtschaftslehre (BWL) kann verstanden werden als die Wissenschaft vom Wirtschaften der Betriebe (Unternehmen) und deren Beziehungen zu ihrer Umwelt. Es gibt drei unterschiedliche Wissenschaftsausprägungen:
Dank einer kontinuierliche Entwicklung seit ihren Anfängen im 15. Jahrhundert ist die BWL auf ihrem heutigen Stand. Die erste gedruckte doppelte Buchführung geht auf den Mathematiker Luca Pacioli (Venedig, 1494) zurück. Als Vorläufer der BWL gelten Handels- und Rechentechniken von handels- und landwirtschaftlichen Betrieben anzusehen. Im Mittelalter stand die Gestaltung der Staatseinkünfte im Vordergrund, weshalb Volkswirtschafts-, Finanzpolitik und Handlungswissenschaften gelehrt wurden. Der Zweig der Volkswirtschaftslehre verselbstständigte sich im 18. Jahrhundert. Mit der Gründung der Handelshochschulen 1898, beispielsweise in St. Gallen, Leipzig, Aachen und Wien folgte eine Fortentwicklung zur allgemeinen Betriebswirtschaftslehre. Die Probleme der Industriebetriebe wurden in den Fokus von Forschungsarbeiten gerückt. Der damals deskriptiven Richtung der Betriebswirtschaftslehre folgte Anfang des 20. Jahrhunderts eine praktisch-normative Richtung. Als bedeutende Vertreter und Richtungen der BWL im 20. Jahrhundert sind u.a. Schmalenbach, Gutenberg und Heinen zu nennen.
Die BWL gilt als eine Teildisziplin der Wirtschaftswissenschaften, die wiederum den Sozialwissenschaften zuzuordnen ist. Gegenstand der Sozialwissenschaften ist die Erforschung und Erklärung des menschlichen Verhaltens. Zusammen mit den Naturwissenschaften bilden sie die Gruppe der Realwissenschaften.
Die beiden Wissenschaften Betriebswirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre stehen in einem engen Verhältnis zueinander und untersuchen jeweils für sich eine Seite des Gesamtbereichs Wirtschaft. Die Aufgabe der Betriebswirtschaftslehre ist es, das betriebliche Handeln zu beschreiben und zu erklären, um darauf aufbauend Regel- und Gesetzmäßigkeiten zu entwickeln, die einen effizienten und effektiven Betriebsablauf ermöglichen. Die betrieblichen Abläufe dürfen dabei nicht isoliert betrachtet werden. Betriebe stehen in einem engen Zusammenhang mit der Gesamtwirtschaft, z .B. über den Beschaffungs- oder Absatzmarkt. Daher muss die BWL auch die Beziehungen des einzelnen Betriebes zu anderen Wirtschaftseinheiten (z. B. zum Markt) untersuchen. Im Gegensatz zur VWL werden dabei nicht die gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge untersucht, sondern einzelne Teileinheiten.
Im Mittelpunkt der BWL steht der Betrieb als Einzelwirtschaft. Dieser wird in Beziehung zum Umfeld des Unternehmens gesehen.
Nach A. Weber wird die Volkswirtschaftslehre als das „Ineinandergreifen der durch regelmäßigen Tausch miteinander verbundenen und durch gegenseitige Abhängigkeit aufeinander angewiesenen Einzelwirtschaften“ gesehen. Sie beschäftigt sich also mit der Gesamtwirtschaft, den fundamentalen Erkenntnissen über Zusammenhänge und Abläufe volkswirtschaftlicher Art. Die VWL besteht aus zwei Hauptzweigen:
Als weitere Teilgebiete der VWL sind die Außenhandelstheorie, die Finanzwissenschaften und die Wirtschaftspolitik zu nennen.
Die VWL betrachtet fundamentale Erkenntnisse über Zusammenhänge und Abläufe der Gesamtwirtschaft.
BWL betrachtet hauptsächlich Vorgänge, die sich auf den Umgang mit knappen Gütern und deren Verteilung beziehen. Wirtschaftliche Aspekte stehen demnach im Vordergrund. Eine wirtschaftliche Betrachtungsperspektive allein reicht jedoch nicht aus, um alle Vorgänge eines Betriebes erklären zu können, da der Betrieb zugleich ein soziales Gebilde ist, in dem Menschen nicht nur nach dem Rationalprinzip entscheiden und agieren. Entwicklungen in Naturwissenschaften und Technik beeinflussen die betrieblichen Prozesse der Leistungserstellung ebenfalls. Entscheidungen im Betrieb und das Verhalten auf dem Markt werden neben ökonomischen Gesichtspunkten von Rechtsnormen mitbestimmt. Insoweit sind relevante Erkenntnisse aus anderen Wissenschaftsgebieten mit zu berücksichtigen.
Die BWL hat neben ihrer engen Beziehung zur VWL auch enge Beziehungen zu den folgenden Wissenschaften:
Betrachtet man Unternehmen, so fällt auf, dass sie sich in ihrer tatsächlichen Ausgestaltung voneinander auf vielfältige Art und Weise unterscheiden können. Gelegentlich wird die BWL nach Wirtschaftszweigen oder Branchen (z. B. Industrie-, Handels-, Bank-, Versicherungs-, Verkehrsbetriebslehre, Wirtschaftsprüfung und Steuerwesen sowie die BWL der öffentlichen Betriebe und Verwaltungen) unterteilt, in der Regel jedoch nach den betrieblichen Funktionen. Sie stellen, vor allem die Funktionen 1 bis 5 die klassischen Teilgebiete der BWL dar:
Das Gesamtgebiet der BWL lässt sich in zwei Teile gliedern. Zum einen in die allgemeine Betriebswirtschaftlehre und zum anderen in die spezielle Betriebswirtschaftlehre. Die allgemeine BWL versucht die betrieblichen Entscheidungen und Probleme, die alle Betriebe gemeinsam haben, zu beschreiben und zu erklären, unabhängig davon, welchem Wirtschaftszweig sie angehören, welche Rechtsform sie besitzen oder in wessen Eigentum sie stehen.
Die spezielle BWL dagegen beschäftigt sich mit Aspekten und Problemen von Betrieben, die bedingt durch einzelne Wirtschaftszweige, nicht bei allen Betrieben dieselben sind. Zu diesen sog. Wirtschaftszweiglehren gehören u.a. die Industriebetriebslehre, die Bankbetriebslehre, die Handelsbetriebslehre, die Versicherungslehre etc.
Allgemeine BWL:
Erklärung betrieblicher Aspekte und Probleme, unabhängig der Zugehörigkeit zu einem Wirtschaftszweig.
Spezielle BWL:
Erklärung spezieller betrieblicher Aspekte und Probleme, die aufgrund der Zugehörigkeit zu einem Wirtschaftszweig auftreten.
Die Betriebswirtschaftslehre gilt heutzutage überwiegend als angewandte Wissenschaft und geht demnach über die Zielsetzungen einer reinen Wissenschaft hinaus. Man unterscheidet einen theoretischen und einen angewandten (praktischen) Teil. Die theoretische BWL orientiert sich ausschließlich an der theoretischen Forschung, um zu neuem Wissen zu gelangen. Dies geschieht unabhängig von der tatsächlichen praktischen Anwendbarkeit. Die Erklärung der Zustände und Vorgänge des Betriebes als planvoll organisierte Wirtschaftseinheit stehen dabei im Mittelpunkt des Erkenntnisziels.
Erkenntnisziel: Erklärung der Zustände und Vorgänge im Erkenntnisobjekt Betrieb als planvoll organisierte Wirtschaftseinheit
Die Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse erfolgt in zwei Schritten:
Dabei spielt auch das Bilden von Modellen eine entscheidende Rolle. Aufgaben sind dabei:
Beschreibungsmodelle
Erklärungsmodelle
Entscheidungsmodelle
Die angewandte (praktische) BWL dagegen betreibt immer eine praxisorientierte Forschung und ihre Aufgabe liegt in der Beschreibung und Beurteilung von in der Praxis vorgefundenen Entscheidungsprozessen. Ihr Erkenntnisziel besteht in der Gestaltung des Betriebsablaufs. Sie orientiert sich am realen Betriebsgeschehen und versucht, zielgerichtete Handlungsregeln für den Betrieb aufzustellen. Sie nutzt Ergebnisse aus zusätzlichen anderen Wissenschaftsgebieten, um den Betrieb nicht nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu betrachten, sondern auch nicht wirtschaftlichen Verhaltensweisen erklären zu können.
Beispiel:
Untersuchung des Einflusses auf Entscheidungen und Handlungsweisen, die nicht nur ökonomisch geprägt sind, sondern von Menschen getragen werden in ihrer Gesamtpersönlichkeit mit unterschiedlichsten Zielen, Bedürfnissen und Emotionen.
Der Betrieb kann demnach als ein sozio-technisches Gebilde gesehen werden, das durch vielfältige Vernetzungen in sein Umfeld eingebunden ist. Da sich aus den Erkenntniszielen gleichzeitig Handlungsalternativen ableiten für diejenigen, die im Betrieb Entscheidungen treffen, kann die BWL ebenfalls als eine angewandte Lehre gesehen werden. Die BWL bietet somit nicht nur Erklärungs-, sondern auch Prognose- und Entscheidungsmodelle. Beim Entwurf solcher Modelle ist allerdings zu berücksichtigen, dass nicht alle Gegebenheiten der Realität in einem Modell erfasst werden können. Man beschränkt sich auf einige realitätsgetreue Elemente. Dies ermöglicht die Ableitung von Regeln und eine größere Gewissheit, eindeutige Rückschlüsse zu ziehen. Allerdings werden Aspekte, die sich nicht aus rationellen Überlegungen heraus definieren lassen, wie zum Beispiel subjektive Verhaltensweisen von Menschen, nicht in die Modellbildung einfließen. Es ergibt sich eine sog. Realitätslücke, die umso größer ist, je reduzierter die komplexe Wirklichkeit im Modell abgebildet wurde.
Heutige betriebswirtschaftliche Lehren decken zumeist beide Bereiche mit unterschiedlicher Akzentuierung ab. Allgemeingültige Aussagen werden durch theoretisch und methodisch eindeutige Gesetzmäßigkeiten erklärt. Pragmatische und konkrete Handlungsanweisungen dagegen finden jeweils in einem speziellen Kontext ihre Gültigkeit.
Folgende Lernziele sollen Sie in diesem Kapitel erreichen:
Betriebe, also Unternehmen, gibt es in den unterschiedlichsten Formen. Diese können zum Beispiel sein: Industriebetriebe, Handelsbetriebe, Bankbetriebe, Versicherungen, Bergbaubetriebe, Handwerksbetriebe, landwirtschaftliche Betriebe etc. Diese Betriebe weisen zahlreiche Unterschiede auf und zeichnen sich dennoch durch eine Gemeinsamkeit aus: Sie erstellen Produkte und Dienstleistungen, vermarkten diese und dienen damit der Befriedigung von Bedürfnissen.
Im Mittelpunkt der Betriebswirtschaftslehre steht, wie der Name schon sagt, der Betrieb. Die Erstellung von Gütern und Dienstleistungen, sowie deren Absatz und ihr Verbrauch erfolgt zumeist in organisierten Wirtschaftseinheiten. Der Betrieb kann als eine solche planvoll organisierte Wirtschaftseinheit betrachtet werden. Er dient der Kombination von Produktionsfaktoren, mit denen die Eigentümer des Betriebes bestimmte Ziele realisieren wollen, wie zum Beispiel die Maximierung ihres Einkommens oder das Erringen wirtschaftlicher Macht.
Betrieb:
Planvoll organisierte Wirtschaftseinheit zur Erstellung von Gütern und Dienstleistungen sowie deren Absatz und Verbrauch
Gegenstand der Betriebswirtschaftslehre sind also die Entscheidungen über den Einsatz von Mitteln, mit denen die von den Betrieben angestrebten Ziele realisiert werden können.
Mit der Gründung und Führung von Betrieben werden aber nicht nur die egoistischen Ziele der Unternehmer verwirklicht, sondern ebenso die Bedarfsdeckung der Allgemeinheit. Der Betrieb kann demzufolge nicht nur als wirtschaftliches Gebilde gesehen werden, sondern ebenso als eine Art Sozialgebilde. Dies zeigt, dass auch die privaten Haushalte in die Betrachtungsperspektive der Betriebswirtschaftslehre gehören. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die privaten und öffentlichen Haushalte andere Ziele als die Unternehmer verfolgen. Auch die Haushalte erbringen Leistungen. Sie stellen zum Beispiel den Unternehmen ihre Arbeitskraft zur Verfügung. Im Gegensatz zu den Unternehmen versuchen sie jedoch nicht Gewinne mit diesen Leistungen zu erzielen, sondern das durch die Leistung erzielte Einkommen zu maximieren, um damit wiederum ihren Konsum zu decken (Wirtschaftskreislauf).
Im Vordergrund der betriebswirtschaftlichen Theorie stehen jedoch alle von den Unternehmern im Unternehmen zu treffenden Entscheidungen, die der Realisierung der Unternehmensziele dienen. Dabei sind insbesondere die betriebswirtschaftlichen Produktionsprozesse Beschaffung, Produktion, Absatz und Finanzierung zu betrachten.
Der betriebliche Umsatzprozess eines Industrieunternehmens lässt sich in einen güterwirtschaftlichen und in einen finanzwirtschaftlichen Umsatzprozess unterteilen. Beide Prozesse sind eng miteinander verknüpft. An erster Stelle des güterwirtschaftlichen Umsatzprozesses steht die Beschaffung von Produktionsfaktoren (Leistungsstrom).
Dies können sein: Arbeitsleistungen, Potentialfaktoren (Betriebsmittel, die im Umsatzprozess genutzt werden), Repetierfaktoren (Werkstoffe wie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe etc.) sowie Informationen, die für ein zielgerichtetes Handeln notwendig sind. Im Unternehmen selbst erfolgt dann die Produktion bzw. Transformation der beschafften Produkte. Im Anschluss folgt der Absatz der erstellten Erzeugnisse an die Kunden durch das Marketing.
Güterwirtschaftlicher Umsatzprozess:
Beschaffung, Produktion und Absatz von Gütern und Dienstleistungen
Der finanzwirtschaftliche Umsatzprozess (Zahlungsstrom) ist an jedem einzelnen Schritt des güterwirtschaftlichen Prozesses beteiligt. Für die Beschaffung der Arbeitsleistungen, Betriebsmittel, Werkstoffe und Informationen sind ebenso finanzielle Mittel notwendig wie für den Produktionsprozess und den Absatz der Mittel. Mit dem durch den Absatz der Güter und Dienstleistungen erhaltenen finanziellen Mittel ist wiederum, vereinfacht dargestellt, die Beschaffung der Produktionsfaktoren zu finanzieren. Der betriebliche Umsatzprozess ist also ein geschlossener Kreislauf, indem die einzelnen Prozesse und Phasen parallel nebeneinander ablaufen.
Finanzwirtschaftlicher Umsatzprozess:
Beschaffung und Verwendung finanzieller Mittel sowie Sicherung der finanziellen Verhältnisse des Betriebes