Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

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ISBN 9783749427321

© 2019 Gerald Jahl, Gernot Österreicher, Ulrich Guserl

Gesamtlayout: Alois Gmeiner

Covergestaltung: Alois Gmeiner

Coverbild: © Musicman80/Fotolia

Fotos: 2018 © Lorant Buttinger | fotobuttinger.at

Bild S. → © T. Wolf; Bild S. → © S. Morlok

www.ideenmanufaktur.info

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH

Alle Rechte vorbehalten.

INHALT

Der Begriff „der Zahnarzt“ und ähnliche Bezeichnungen beziehen sich sowohl auf Männer als auch auf Frauen und werden hier nur deswegen geschlechtsneutral verwendet, um den Lesefluss zu optimieren.

VORWORT VON TANJA WOLF:

BOHREN SIE ALS PATIENT RICHTIG NACH

Ein Buch für mehr Transparenz beim Zahnarzt

von Tanja Wolf, 2019

Mögen Sie Ihren Zahnarzt? Vertrauen Sie ihm? In Deutschland hielten bei einer Umfrage drei von vier Befragten (75,7 %) ihren eigenen Zahnarzt für vertrauenerweckend und fanden, dass er seinen Beruf versteht. Auf alle Zahnärzte bezogen fand das jedoch nur noch jeder Zweite (49,1 %). Und 41,7 Prozent stimmten der Aussage zu, dass Zahnärzte allgemein „öfter Behandlungen“ anbieten, „die nicht unbedingt notwendig sind“. [1]

Auch wenn die Umfrage nicht neu ist und weniger Befragte als früher „keine gute Meinung“ äußerten, sind das interessante Zahlen. Denn es ist ein widersprüchliches Bild, das man sich von Zahnärzten machen kann. Obwohl die Menschen in Österreich und in Deutschland viel gesündere Zähne haben als etwa vor 30 Jahren, lässt sich mit dem Beruf des Zahnarztes weiterhin Negatives verbinden. Und damit sind nicht nur Zahnschmerzen gemeint.

Die Erfolge in der Zahnmedizin zeigen sich vielerorts in Europa: Weniger Karies, weniger Füllungen, weniger gezogene Zähne, weniger Vollprothesen. Aber es gibt eben auch viele Fragezeichen, und deshalb ist dieses Buch wichtig. Denn vor allem in der Zahnmedizin bezahlen Patienten viel aus eigener Tasche. In Österreich ist die Summe mit 926 Millionen Euro besonders hoch. Fast eine Milliarde Euro gaben die Menschen 2014 hier für Zahnbehandlungen aus, fast genau die Hälfte der Gesamtsumme von gut 1,8 Milliarden Euro.

In Deutschland sind die privaten Gesamtausgaben für Zahnmedizin nicht bekannt. Für Zahnersatz und Zahnreinigung kommt aber einiges zusammen. Vor allem gibt es starke regionale Unterschiede. Der private Versicherungskonzern Ergo hat errechnet, dass die durchschnittlichen Zahnarzt-Kosten in Deutschland in Schwerin mit 347 Euro am niedrigsten sind, in Salzgitter in Niedersachsen mit durchschnittlich 959 Euro dagegen am teuersten. [2] Insgesamt zahlen Patienten in Deutschland jeden vierten Euro privat für Gesundheitsleistungen – 26,8 Prozent von insgesamt 452 Milliarden Euro. [3] In Sachen Eigenanteil beim Zahnarzt ist jedoch die Schweiz Spitzenreiter. Dort müssen Patienten 85 bis 90 Prozent der zahnmedizinischen Behandlungskosten selbst bezahlen. Die obligatorische Krankenversicherung übernimmt zahnärztliche Behandlungskosten nur bei schweren, nicht vermeidbaren Erkrankungen. [4]

Gesunde oder schöne Zähne können also ein teurer Spaß werden. Gerade in Deutschland dominiert die Werbung für Privatleistungen, trotz einer im internationalen Vergleich noch umfangreichen Versorgung durch die gesetzlichen Krankenkassen. Beim Zahnersatz zahlen die Krankenkassen seit 2005 nur noch die Hälfte der Basisversorgung. Eine gerade beschlossene Erhöhung auf 60 Prozent wird erst 2021 in Kraft treten. Und bei Implantaten, dem Kassenschlager der Zahnärzteschaft, wird der Patient komplett zum Privatkunden. Wenn der Heiler aber auch Verkäufer ist, kann einiges in Schieflage geraten. Zum Beispiel, wenn Zahnarztpraxen mehr private Behandlungen anbieten als Basisversorgungen, weil dies finanziell lohnenswerter ist.

Das ist eine Entwicklung, die zu sozialen Ungerechtigkeiten führt. So war schon in der Haushaltsbefragung des deutschen Statistischen Bundesamtes von 2014 zu lesen, dass 48,3 Prozent der Befragten aus finanziellen Gründen auf einen notwendigen Zahnarztbesuch verzichten. Seltsamerweise regt sich darüber kaum jemand auf. Doch Zahnmedizin ist weiterhin Medizin. Niemand käme auf die Idee, Vorbehandlungen zu einer Knieoperation selbst bezahlen zu müssen. Bei einer Parodontitis aber ist das in Deutschland ganz normal.

Es war im Sommer 2014, als ein deutscher Landesjustizminister den Porsche-Vergleich auskramte und unter Zahnärzten einen Sturm der Entrüstung auslöste. Thomas Kutschaty hatte in einem Zeitungsinterview über mögliche Strafen für Steuerhinterziehung gesagt: „Wenn der Zahnarzt sechs Monate seinen Porsche stehen lassen muss, trifft ihn das viel mehr als eine Geldstrafe.“ Der Freie Verband Deutscher Zahnärzte kritisierte in einem offenen Brief, der SPD-Minister benutze „ein lange überholtes Klischee“ und „verunglimpfe einen ganzen Berufsstand“. [5]

Dabei hat das Klischee vom allzu einträglichen Bohren durchaus seine Berechtigung. 1980 lagen die deutschen Zahnärzte beim Einkommen direkt hinter den Radiologen, also ganz oben in der fachärztlichen Gehaltsliste. Damals erreichten sie im Vergleich zum Durchschnitt aller Fachärzte in Deutschland ein Einkommen von rund 150 Prozent. 1997 waren sie hinter die Urologen abgerutscht, lagen aber immer noch über dem Durchschnitt aller Ärzte, also über 100 Prozent. [6] Mit dieser Grafik, die regelmäßig im Jahrbuch der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung auftaucht, möchte die Spitzenorganisation der deutschen Zahnärzte den „langfristigen Schrumpfungsprozess der zahnärztlichen Einkommen“ deutlich machen. Tatsächlich aber steigt der Umsatz, den ein deutscher Praxisinhaber macht, seit Jahrzehnten, auch der Umsatz minus Kosten. Letzterer lag 2016 bei 160.900 Euro.

Und wie gut ist eigentlich die Qualität in den Zahnarztpraxen? Genaues weiß man nicht. Natürlich sprechen die zahnärztlichen Standesvertreter stets von einer guten Qualität. Doch systematisch geprüft wird sie nicht. Die Barmer GEK, eine der großen deutschen gesetzlichen Krankenkassen, untersuchte verschiedene Aspekte anhand der Daten ihrer Versicherten. 2015 ergab der sogenannte „Barmer Zahnreport“, dass nach einer Füllung viele Zähne „nach kurzer Zeit wieder therapiert werden“ müssen. Die Zahnärzte müssten „fast jeden dritten Zahn nach einer Füllung innerhalb von vier Jahren erneut einer Behandlung unterziehen“. Und im „Barmer Zahnreport“ 2017 hieß es, dass die Parodontitis-Therapie offenbar verbesserungswürdig ist: „Nach der Behandlung gehen bei etwa einem Drittel der Erkrankten und damit bei bundesweit 440.000 Personen innerhalb von vier Jahren Zähne verloren“. Dabei ist gerade Zahnerhaltung das Ziel dieser Therapie. [7]

Ohnehin gibt es viel zu wenige Fachzahnärzte für Parodontologie – nämlich nur gut 200 in ganz Deutschland, obwohl rund jeder zweite Erwachsene von dieser Krankheit betroffen ist. Dafür gibt es mehr als 3.000 Fachzahnärzte für Kieferorthopädie. [8]

Hinzu kommt, dass die Patienten sich vermutlich nicht immer gut informiert für die richtige Behandlungslösung entscheiden können. Wie eine repräsentative Umfrage der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen 2017 zeigte, halten sich Zahnärzte nicht durchgängig an die vorhandenen Gesetze zur therapeutischen und wirtschaftlichen Aufklärung. Ein Viertel der Befragten gab an, nicht über die ihnen zustehende günstigere Kassenleistung informiert worden zu sein, 39 Prozent wurden vor Behandlungsbeginn nicht schriftlich über die Kosten informiert und mit 31,5 Prozent fühlte sich knapp ein Drittel nicht über mögliche Nachteile einer Privatleistung informiert. [9]

Die Privatleistungen in der deutschen Zahnmedizin werden trotz jahrelanger Debatte nicht erfasst. Das bedeutet: Niemand kennt die genaue Zahl der gesetzten Implantate, der Zahnspangen, der Misserfolge. Die Möglichkeiten der Versorgung sind zahlreich, die Innovationen unübersichtlich, die Abrechnungen durch eine Mischung aus Sachleistungen, Zuschüssen und Eigenanteilen kompliziert. Die Folge: Viele Patienten können nicht beurteilen, ob sie gerade eine Behandlung bekommen haben, die für sie medizinisch und finanziell optimal ist oder für den Zahnarzt. Dabei sind gerade in einem weitgehend privatisierten Bereich der Medizin eine gute Aufklärung und Beratung besonders wichtig, um sich richtig entscheiden zu können.

Die genannten Probleme ähneln sich im gesamten deutschsprachigen Raum Europas. Die deutschen Zahlen sind hier angeführt, da es aus Österreich kaum Untersuchungen gibt. Natürlich gibt es gute Zahnärzte. Aber dass Sie als Patient kaum eine Chance haben, diese zu finden, ist ein weiteres Problem.

Hätten Sie gedacht, dass jeder Zahnarzt Implantate setzen darf, egal wie gut oder schlecht er diese chirurgische Tätigkeit beherrscht? Dass jeder Zahnarzt sich „Spezialist“ nennen darf, ohne dass daran eine Qualifikation gebunden sein muss? Beides gibt es sowohl in Österreich als auch in Deutschland, und beides kann für Patienten durchaus ein Nachteil sein. In Deutschland wird derzeit nur in kleinen Fachkreisen diskutiert, ob eine chirurgische Qualifikation Voraussetzung sein müsste für das Setzen von Implantaten. Gegner einer solchen Beschränkung sitzen in der Industrie und in der Standesvertretung. Für sie ist es lukrativer, dass alle alles dürfen. Auch „Implantologe“ darf sich jeder Zahnarzt einfach so aufs Schild schreiben. Daran ist keine geprüfte Fachkenntnis gebunden. Teilweise müssen Zahnärzte in Deutschland nicht einmal für die Genehmigung eines offiziellen Tätigkeitsschwerpunktes einer Landeszahnärztekammer besondere Kenntnisse nachweisen. Doch im Studium lernen normale Zahnärzte höchstens im Schweinekiefer, Implantate zu setzen. Und selbst wenn sie sich danach für eine der anspruchsvollsten Fortbildungen anmelden, etwa für das „Curriculum“ der Deutschen Gesellschaft für Implantologie (Kosten: rund 7.000 Euro), müssen sie nur bei fünf Patienten selbst durchgeführte Implantationen nachweisen.

Ein Tipp: Bei komplizierten Operationen, sei es an verlagerten Weisheitszähnen oder bei schwierigen Implantationen, empfiehlt es sich, Zahnärzte mit chirurgischer Kompetenz aufzusuchen. Die kann man immerhin am Titel erkennen: Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen haben Medizin und Zahnmedizin studiert und eine fünfjährige Facharztausbildung absolviert. In Deutschland gibt es zusätzlich den Fachzahnarzt für Oralchirurgie. Für diesen Titel muss ein Zahnarzt eine dreijährige hauptberufliche Weiterbildung mit abschließender Prüfung absolvieren.

Und dann ist da das Thema Fortbildung. Als Patient würde man sicher meinen (oder hoffen), dass die Fortbildungspflicht ebenso kontrolliert und sanktioniert wird wie Hygienevorschriften. Tatsächlich aber bedeutet „die Nichtteilnahme am zahnärztlichen Fortbildungsprogramm der Österreichischen Zahnärztekammer (...) keinerlei Einschränkung der Berufsbefugnis“. Ein zahnloser Tiger ist in Österreich auch die Qualitätssicherungs-Verordnung. Zwar sind seit 2008 alle niedergelassenen österreichischen Zahnärzte gemäß § 22 Zahnärztegesetz verpflichtet, regelmäßig (alle fünf Jahre) eine umfassende Evaluierung der Qualität durchzuführen. Aber dies geht per Internet – als Selbstevaluierung. Ob man bei den 51 Fragen ehrlich antwortet oder flunkert, kontrolliert niemand – obwohl das Zertifikat eine „hohe Qualität“ bestätigt. [10] Ganz schön bequem.

Fazit: Solange es keine Qualitätskontrollen gibt, undurchsichtige Spezialisierungen und kaum neutrale, gut geprüfte Gesundheitsinformationen zur Zahnmedizin, solange nur sehr wenige unabhängige Patientenberatungsstellen existieren und die Krankenkassen Privatleistungen nicht kritisch prüfen, müssen Sie als Patient die Sache leider selbst in die Hand nehmen. Sie müssen sich informieren, bevor Sie beim Zahnarzt einer Behandlung zustimmen. Dieses Buch leistet einen Beitrag zu mehr Transparenz. Je mehr Sie als Patient wissen, desto besser. Fragen Sie beim Zahnarzt immer kritisch nach. Ein guter Zahnarzt wird Ihnen das nicht übelnehmen.

Tanja Wolf ist Medizinjournalistin aus Deutschland mit Schwerpunkt Zahnmedizin. Sie schreibt für Spiegel Online und arbeitet u.a. für den IGeL-Monitor, Medizin Transparent und das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). 2017 leitete sie das Projekt „Kostenfalle-Zahn“ bei der Verbraucherzentrale NRW.

2014 erschien ihr Sachbuch „Murks im Mund. Missstände in der Zahnmedizin“, 2016 ihr „Ratgeber Zähne: Was Patienten wissen müssen“. Mehr unter www.lupetta.de

Quellen:

[1] „Einstellungen und Bewertungen der Bevölkerung zur zahnärztlichen Versorgung in Deutschland – Ergebnisse einer bundesweiten Umfrage 2011“. Repräsentative Imagestudie des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ). Link: https://www.idz.institute/publikationen/idz-information/einstellungen-und-bewertungen-der-bevoelkerung-zur-zahnaerztlichen-versorgung-in-deutschland.html

[2] Ergo, Zahnarztkosten in Deutschland. Link: https://www.ergo.de/de/Ratgeber/zahngesundheit/zahnarztkosten_in_deutschland

[3] Bundeswirtschaftsministerium, Gesundheitswirtschaft, Fakten & Zahlen 2017. Link: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Wirtschaft/gesundheitswirtschaft-fakten-zahlen-2017.pdf?__blob=publicationFile&v=18

[4] Bundesgesetz über die Krankenversicherung KVG, Art. 31, https://www.sso.ch/fileadmin/upload_sso/1_SSO/8_Berufsbilder/SSO_Zahnmed_dt_GzA.pdf

[5] Rheinische Post, Interview mit Landesjustizminister Thomas Kutschaty, 25. Juni 2014, https://www.dentalmagazin.de/news/kritik-an-porsche-zitat-von-nrw-justizminister/

[6] Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung, Jahrbuch 2018, S. 113

[7] Barmer GEK, Zahnreporte. Link: https://www.barmer.de/presse/infothek/studien-und-reports/zahnreporte/zahnreport-70612

[8] BZÄK Mitgliederstatistik 2017. Link: https://www.bzaek.de/ueber-uns/daten-und-zahlen/mitgliederstatistik/fachzahnaertze/

[9] Repräsentative Umfrage des Projektes „Kostenfalle-Zahn“ der Verbraucherzentrale NRW zu kostenpflichtigen Zusatzleistungen beim Zahnarzt (2017). Link: https://www.kostenfalle-zahn.de/projekt-kostenfalle-zahn/gut-zu-wissen/-marktcheck-kostenpflichtige-extras-beim-zahnarzt-13537 (siehe auch Positionspapier des Projektes, März 2018, https://www.kostenfalle-zahn.de/sites/default/files/2018-03/Positionspapier_Zahnmedizin_VZ_nrw_maerz2018_v2.pdf)

[10] Qualitätssicherungs-Verordnung in Österreich. Link: http://wr.zahnaerztekammer.at/fileadmin/content/oezak/qualitaetssicherung/qualitaetssicherung_oezz.pdf

VORWORT DES HERAUSGEBERS

Ein Artikel in der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“ ließ vor einiger Zeit aufhorchen: „Österreicher geben fast eine Milliarde Euro für Zahnmedizin aus“ stand dort als provokante Headline zu lesen. Und weiter: „Gesunde Zähne sind in Österreich ein teurer Spaß, denn mehr als die Hälfte der Leistungen muss privat bezahlt werden.“ Das Besondere der Meldung kam aber zum Schluss: „Rechnungshof übt Kritik an veraltetem Leistungskatalog“.

Das gab es noch nie! Der Rechnungshof selbst zeigt sich verwundert über den Uralt-Leistungskatalog aus dem Jahr 1956, der so gar nicht mehr in die heutige Zeit passt.

Ob sich etwas ändern wird? Man darf gespannt sein.

Hier der Standard-Artikel im Detail:

Österreicher geben fast eine Milliarde Euro für Zahnmedizin aus

20. April 2018, 10:22

Mehr als die Hälfte muss privat bezahlt werden – Rechnungshof-Kritik an veraltetem Leistungskatalog

Wien – Gesunde Zähne sind in Österreich ein teurer Spaß, das Ausmaß zeigt ein aktueller Bericht des Rechnungshofs: Mehr als die Hälfte der Leistungen im Lande muss aus eigener Tasche bezahlt werden, insgesamt fast eine Milliarde Euro. Nicht eingerechnet ist hier, was ohne Rechnung beglichen wurde oder ins benachbarte Ausland floss. Auch sonst sieht der Rechnungshof viel Raum für Kritik.

Mit Stand 2014 sind es 926,1 Millionen von insgesamt 1,815 Milliarden Euro, die privat bezahlt wurden, basierend auf den Einkommensteuerdaten der Zahnärzte. 888,6 Millionen entfielen auf die öffentliche Hand. Welche Leistungen den Honoraren zugrunde liegen, ist offen, denn darüber gibt es laut Rechnungshof keine Aufzeichnungen.

Leistungsfestlegung stammt von 1956

Als veraltet bezeichnen die Prüfer die Gesamtverträge für Zahnmedizin, die regeln, welche Leistungen von den Krankenkassen bezahlt werden. Festgelegt hat der Hauptverband der Sozialversicherungsträger das im Jahr 1956; 1972 und 1992 gab es geringfügige Aktualisierungen. Beratung, Vorsorge und Prophylaxeleistungen sind nur in sehr geringem Ausmaß vorgesehen, neuere technische Entwicklungen bleiben unberücksichtigt, kritisiert der Rechnungshof.

Der Hauptverband habe zwar 2005 ein neues Konzept für die Zahnmedizin vorgelegt, das den Ausgabenanteil für Vorsorge von einem auf 18 Prozent erhöhen sollte. Die Verhandlungen darüber scheiterten aber unter anderem an unterschiedlichen Interessenlagen. Ab 2013 setzten die Versicherungsträger auf die Stärkung der kasseneigenen Zahnambulatorien. Eine signifikante Verbesserung wurde dadurch aber nicht erreicht. Der Rechnungshof schätzt, dass der Marktanteil der Ambulatorien für Privatleistungen 2015 nur bei zwei Prozent lag.

Gesundheitsziele für Zahnbereich fehlen

Auch dass es trotz der Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation in Österreich keine Gesundheitsziele für den Zahnbereich gibt, stört den Rechnungshof. Außerdem mangle es an grundlegenden Daten zu den Krankheitsbildern und den erbrachten Leistungen. „Soweit Indikatoren gemessen werden konnten, zeigte sich, dass die Erreichung der WHO-Zielwerte für 2020 gefährdet erscheint“, heißt es vom Rechnungshof.

Dieser empfiehlt, Zahngesundheits- und Versorgungsziele zu definieren, die Ergebnisse systematisch zu messen und den Leistungskatalog zu aktualisieren und stärker auf Prophylaxe auszurichten. „Von essenzieller Bedeutung ist, ob zeitnah der Abschluss eines modernen Gesamtvertrags erfolgt beziehungsweise wie auf ein weiteres Scheitern reagiert werden kann“, erklärt der Rechnungshof. Außerdem soll die Einführung einer Fachzahnarzt-Ausbildung für Kieferorthopädie geprüft werden. Gemeinsam mit Spanien sei Österreich das einzige europäische Land, in dem es diese nicht gibt. (APA, 20.4.2018)

Quelle: https://derstandard.at/2000078311148/Oesterreicher-geben-fast-eine-Milliarde-Euro-fuer-Zahnmedizin-aus#anleitung

In einem verbürokratisierten Land wie Österreich ist es gar nicht so einfach, Bewegung in ein politisches Thema zu bringen. Wenn dieses Thema auch noch Zahnheilkunde ist und Krankenkassen involviert sind, dann wirkt es oft, als würde man gegen Windmühlen kämpfen.

3 engagierte Zahnärzte aus Niederösterreich haben dennoch den Kampf aufgenommen und ihre Tipps und Forderungen in einem Buch verpackt. Und oh Wunder, die Kritik scheint gehört worden zu sein, denn 4 Forderungen aus „Österreich auf den Zahn gefühlt“ wurden seit Veröffentlichung Ende 2016 bereits umgesetzt.

Die 3 Zahnärzte und Autoren des Buches „Österreich auf den Zahn gefühlt“ Dr. Viviane Österreicher, Dr. Gernot Österreicher aus Hollabrunn und der Kiefer- und Implantatchirurg DDr. Gerald Jahl aus Eggenburg ruhen sich auf ihren Lorbeeren aber nicht aus, sondern kämpfen weiter für bessere Gesundheitspolitik – zum Wohle aller Patienten!

4 Forderungen aus dem Buch „Österreich auf den Zahn gefühlt“ wurden 2018 politisch bereits umgesetzt

Es muss für die politisch Verantwortlichen wohl einer schmerzhaften Wurzelbehandlung geglichen haben, was da an Kritik und Forderungen im Buch der 3 Zahnärzte publiziert wurde, denn es erregte auch die Gemüter von Zahnärzten und Patienten. Tatsache ist, dass es seit Veröffentlichung des Buches zu folgenden Anpassungen und Änderungen in der Zahnmedizin kam:

  1. Amalgamverbot: Seit Juli 2018 darf quecksilberhaltiges Amalgam nicht mehr bei Jugendlichen unter 15 Jahren, ebenso wenig bei schwangeren oder stillenden Frauen als Zahnfüllung verwendet werden.
  2. Mundhygiene gratis für Kinder: Seit 1. Juli 2018 dürfen 10- bis 18-Jährige einmal pro Jahr eine gratis Mundhygiene beim Zahnarzt durchführen lassen, um die Zahngesundheit zu verbessern.
  3. Selbstbehalt bei herausnehmbaren Prothesen wurde halbiert: Zum abnehmbaren Zahnersatz gehören Prothesen aus Metall oder Kunststoff.
  4. Anpassung bei Krankenkassenleistungen für Zahnärzte in allen Bundesländern und Angleichung der Abrechnungen bei den unterschiedlichen Bundeslandkrankenkassen.

Das Buch der 3 Zahnärzte trifft offensichtlich den Nerv von Verantwortlichen in der Politik.

DDr. Gerald Jahl sieht sein Engagement für die Qualität der Zahnversorgung in Österreich als sinnvollen Beitrag: „Wir sind schon ein bisschen stolz, dass wir einen kleinen Anteil an diesen für unsere Patienten wichtigen Verbesserungen hatten. So darf es ruhig weiter gehen, es gibt noch viele Baustellen in unserem Gesundheitssystem.“

Dr. Gernot Österreicher meint dazu: „Wir haben schon Staub aufgewirbelt und bekamen seit Veröffentlichung des Buches viel Zustimmung meist von Patienten, aber auch von Zahnarztkollegen, aber natürlich auch einige böse Kommentare von Seiten der Verantwortlichen in Politik und Kammern. Es gab Radiointerviews, Zeitungsberichte und auch einen TV-Beitrag zu den von uns im Buch kritisierten Themen. Es freut uns besonders, wenn wir etwas ändern konnten und daher arbeiten wir schon an einem neuen Buch.“

Und hier ist es: Das neue Buch!

Wieder sind es 3 Zahnärzte, die sich kritisch mit dem bestehenden Gesundheitssystem auseinandersetzen und viele Informationen rund um Zahngesundheit geben.

Diesmal haben Dr. Gernot Österreicher aus Hollabrunn, der Kiefer- und Implantatchirurg DDr. Gerald Jahl aus Eggenburg und Dr. Ulrich Guserl aus Linz, Entwickler der „Six Senses Methode“ gegen Dentalphobie und Angst beim Zahnarzt, ihre Erfahrungen und ihr fundiertes Expertenwissen in ein Buch gepackt.

Als Kämpfer für eine bessere zahnmedizinische Gesundheitsversorgung in Österreich zeigen sie in diesem Buch Kritikpunkte auf und formulieren Wünsche an Patienten, Kollegen und insbesondere an das System.

Im Vordergrund steht allerdings umfangreiches Wissen für Sie als Patient – ganz nach dem Motto der 3 Zahnärzte: „Wir wünschen uns aufgeklärte und mündige Patienten!“ Daher versorgt Sie dieses Buch mit: Information, Information, Information!

Zahn um Zahn in Österreich – die 3 Zahnärzte wollen einen Beitrag leisten, dass Ihre Zähne lange Zeit gesund bleiben. Denn eines soll möglichst nicht eintreten: dass Sie Zahn um Zahn verlieren!

Als Kind ist es ganz natürlich, die ersten Zähne zu verlieren, damit die zweiten, bleibenden Zähne Platz haben. Die Legende besagt, dass die Zahnfee den Kindern für jeden Zahn eine Münze bringt. Verliert man als Erwachsener oder Jugendlicher einen Zahn, bekommt man keine Münze von der Zahnfee, sondern im Gegenteil: Man bezahlt viele Münzen an den Zahnarzt für Zahnersatz. Mangelhafte Zahngesundheit rächt sich durch Schmerzen und Zahnverlust. „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ – dieser Bibelspruch wird zwar häufig als Rache verstanden, ist aber als Schadensregulierung gemeint.

Zahnersatz ist Schadenersatz. Ein Zahnarzt bemüht sich, Schäden an den Zähnen schonend zu versorgen. Und er unterstützt Sie dabei, dass Ihre Zähne möglichst gesund bleiben.

Die Autoren dieses Buches möchten Ihnen Handwerkszeug geben, damit Sie einerseits selbst für Ihre Zahngesundheit sorgen und andererseits den richtigen Zahnarzt für Ihre zahnmedizinische Versorgung finden können. Dabei setzen sie auf kollegiale Zusammenarbeit – ganz im Dienste der Zahngesundheit!

Viel interessante Lesezeit:

Alois Gmeiner

Herausgeber

„Warum wurde dieses Buch geschrieben?“

Darüber sprechen die Zahnärzte im Video:

https://youtu.be/RO_NBuCMp0c

ZAHNARZT DR. GOOGLE – FLUCH ODER SEGEN?

„Nichts macht den Menschen argwöhnischer,

als wenig zu wissen.“

Sir Francis von Verulam Bacon

DAS HABE ICH DOCH AUCH – ODER DOCH NICHT?

GMEINER: Wie kommen Patienten im Zeitalter von Google zu Ihnen als Zahnarzt? Sind es überwiegend Menschen, die sagen: „Um Gottes Willen, ich habe bei Google gelesen, dass ...“ Oder sagen sie: „Ja, machen Sie mal, ich habe im Internet gelesen, es ist eh nicht so schlimm.“ Was kommt in der Praxis häufiger vor?

DR. GUSERL: Man muss erst einmal festhalten, dass Google ist, was es ist. Es ist nämlich eine Suchmaschine.

GMEINER: Man sucht online – das ist heute der Weg.

Das Problem ist, wie man sucht. Sucht man das Negative oder das Positive? Ich habe eine Freundin, die zu Panik neigt. Wenn sie eine Erscheinung auf der Haut feststellt und im Internet sucht, was es sein könnte, dann meint sie nicht, dass sie Altersflecken oder so etwas hat, sondern sie hat Krebs. Sie sucht also immer das Negative. Andere Leute suchen immer das Positive.

DR. GUSERL: Es gibt natürlich eine Informationsflut im Internet, die den Patienten erst einmal überrollt. Da jetzt zu filtern, was eine Information ist, die ich brauche, die bei mir zutrifft, ist ja schier unmöglich. Wie Sie in Ihrem Beispiel gesagt haben: Altersflecken sind gleich Krebs und ein Jucken in der Nase ist wahrscheinlich schwanger. Das ist oft so.

Trotzdem bietet Google die Möglichkeit für den Laien, sich sehr schnell ein Bild zu machen, sehr schnell Informationen zu besorgen. Das machen wir alle, nicht nur in der Medizin, sondern auch in allen anderen Bereichen. Als Vorinformation ist das Internet gut. Ein informierter Patient ist positiv hervorzustreichen, das ist eine tolle Sache.

„Als Vorinformation ist das Internet gut.

Ein informierter Patient ist eine tolle Sache!“

ZAHNWISSEN IM INTERNET

GMEINER: Machen Zahnärzte Werbung im Internet?

DDR. JAHL: Im deutschsprachigen Raum ist es so, dass in der Schweiz und in Österreich deutlich mehr Zurückhaltung herrscht als in Deutschland, was Internetwerbung für Zahnärzte betrifft. Deutschland ist uns da entweder einen Schritt voraus oder geht einen gänzlich anderen Weg. Werbung von Zahnärzten ist in Deutschland wesentlich aggressiver und die Zahl der Leute, die das vermehrt oder intensiv betreiben, ist wesentlich größer als bei uns. Das fällt mir einfach auf.

Österreich ist da ein wenig wie eine Insel der Seligen, was die Repräsentanz der Mediziner und Zahnmediziner im Internet betrifft, aber das wird sich sicherlich ein wenig an deutsche Verhältnisse annähern. Dort stehen sie wirklich in äußerst starkem Konkurrenzkampf und stecken viel Geld hinein, um die optimale Positionierung ihrer Homepage aufrechterhalten zu können. Das ist natürlich ein finanzieller Kreislauf. Du musst laufend nachliefern, sonst wirst du verloren haben. Die Medizin im Internet ist in einem ständig wachsenden Konkurrenzkampf, der extrem finanziell dominiert ist.

„Die Medizin im Internet

ist in einem ständig wachsenden Konkurrenzkampf,

der extrem finanziell dominiert ist.“

DDR. JAHL: Das Internet gibt jedem Menschen und daher auch dem Zahnarzt die Möglichkeit, sich zu präsentieren. Seine eigene Philosophie auf seiner Homepage zu haben, seine besonderen Methoden, seine Ausbildungen, seine Lieblingsbehandlungen, Schwerpunkte, etc. Das ist ganz gut für den Patienten. Man lernt vielleicht auf gewissen Homepages, über die Art und die Gestaltung, ein bisschen über den Menschen. Was ist der Behandler für ein Mensch? Ist er eher zurückhaltend, kreativ, etc.? Diese Dinge finde ich sehr gut.

Neue Medien eröffnen der gesamten Medizin tolle Möglichkeiten. Das kommt wiederum dem Patienten zugute. Wir können heute über Youtube, Facebook etc. sehr gute und seriöse Information bekommen. Ob es nun um Medizin geht oder nicht, heutzutage besorge ich mir im privaten Bereich Information im Internet. Das hat auch im Bereich der Medizin enorme Vorteile, weil beispielsweise ein Film tausendmal mehr sagt als zwei geschriebene Seiten. Das ist gar keine Diskussion. Das ist nicht nur gut für den Patienten, sondern auch gut für uns Ärzte, weil wir eine gewisse Außendarstellung haben und dadurch viel leichter etwas vermitteln können.

GMEINER: Stichwort Youtube. Wie stellt sich ein moderner Zahnarzt darauf ein? Versucht er selber Videos zu machen? In welche Richtung geht es? In welche Richtung möchte man als Zahnarzt gehen?

DDR. JAHL: Ich finde das Video als Tool sehr interessant. Es eröffnet Wege, weil wir in einem 3-Minuten-Video sehr viel sagen können, was in einem persönlichen Gespräch vielleicht 10 Minuten dauern würde. Das Video ist sehr kompakte Information. Außerdem kann ich durch ein Video viel mehr Menschen bereits vorab erreichen.

Ich beobachte bei meinen Patienten, dass sich viele von ihnen diese Videos vorab angesehen haben. Dadurch haben sie meine Art und Weise, meine Philosophie bereits kennengelernt und kommen mit dieser Vorinformation aus dem Internet zu mir in die Praxis.

„Das Internet kann Ihnen als Patient Information geben –

und einen Eindruck, was der Zahnarzt für ein Mensch ist.“

GMEINER: Ich glaube, man erkennt sehr gut die Chemie.

DDR. JAHL: Genau. Das ist ein ganz toller Punkt. Wenn man sich als Patient die Internetpräsenz eines Zahnarztes ansieht, merkt man Sympathie oder auch Antipathie.

GMEINER: Also auch: Nein, zu dem gehe ich nicht?

DDR. JAHL: Ja, manchmal ist der Eindruck durchaus: Zu dem gehe ich nicht. Auch das ist ein ganz korrekter Weg. Es erspart uns beiden verlorene Lebenszeit, weil wir uns gar nicht kennenlernen. Nicht jeder Mensch passt zu jedem anderen Menschen. Das finde ich sehr gut und das finde ich eine sehr faire Lösung.

WIE VERLÄSSLICH IST DR. GOOGLE?

GMEINER: Wenn ich als Patient bei Google Informationen zu meinen Zahnproblemen oder Themen rund um die Zähne haben möchte: Wie gut sind die Suchergebnisse?

DDR. JAHL: Bezüglich Zahnmedizin ist es ein bisschen schwieriger zu sagen als in der Medizin allgemein. In Bezug auf die Medizin gibt es durchaus schon Untersuchungen, wie das funktioniert.

Laut Studien liefern 20 Prozent der Suchergebnisse wirklich katastrophal falsche Ergebnisse, was die Medizin betrifft. Anders formuliert: Wenn wir eine Diagnose oder ein Symptom in die Suchmaschine eingeben, bekommen wir 20 Prozent komplett falsche Antworten. Die restlichen 80 Prozent der Antworten sind gemischt. Es hängt von der Internetstruktur ab und es hängt von der Webseite an sich ab, wie gut die Suchergebnisse sind. Es ist ein Programmierungstool.

GMEINER: Ist Google ein schlechter Zahnarzt?

DDR. JAHL: Da kann man nur sagen: Ja, weil die Zahnmedizin ganz einfach auch finanziell dominiert wird. Geben wir zum Beispiel das Wort „Zahnimplantat“ oder „Zahnkrone“ oder „Zahnbrücke“ ein, dann werden am Anfang ganz oben erst einmal alle Anzeigen angezeigt, also alle AdWords-Kunden. Die Anzeigen werden natürlich gereiht, je nachdem, welches Budget in AdWords eingestellt ist, sprich wie viel Geld der Anbieter für die Anzeigen ausgeben will, um hier gelistet zu werden.

„Google reiht Anzeigen nach Budget.“

Da beginnt das Problem schon mal, weil diese Anzeigen für den Laien, der darüber stolpert, durchaus interessant sind. Es schaut für den Laien, der zum Beispiel eine Zahnkrone sucht, ganz toll aus, wenn an erster Stelle ein Dr. XY steht. Also wird er das einfach mal anklicken. Da stellt sich die Frage: Ist das der richtige Weg? Oder umgekehrt formuliert: Ist das nicht der falsche Weg?

DR. ÖSTERREICHER: Gibt man beispielsweise „Zahnkrone“ oder „Implantat“ in die Suchmaschine ein, dann wird man als Vorschlag der Suchmaschine die Kombination sehen: Implantat – Preis. Das ist ein Klassiker. Natürlich ist das ein ganz wichtiges Thema für die Menschen: Was kostet das?

Wenn der Mensch bzw. Patient dort anklickt, wird er feststellen, dass er in Österreich keine Preisinformation bekommt, weil es für Zahnärzte rechtlich gar nicht möglich ist, Preise kundzutun. Das heißt, das erste, was ein Interessent bekommt, sind Preise, die aus dem Ausland stammen. Meistens stammen die Preisinformationen aus Ungarn, weil der österreichische Zahntourismus vorwiegend dort hinfährt.

Damit haben wir ein riesengroßes Problem. Der Patient holt sich eine Vorinformation. Wenn er den Weg zu seinem Behandler sucht, sich dort informiert und auf den Patienten abgestimmt einen Preisvergleich anstellt, wird er riesengroße Unterschiede bemerken. Das Problem dabei ist nämlich, dass hier nicht Äpfel mit Äpfeln verglichen werden, sondern Äpfel mit Birnen.

„Preisinformationen stammen aus dem Ausland,

denn Zahnärzte in Österreich dürfen keine Preise publizieren.“

DR. ÖSTERREICHER: Betrachten wir ein klassisches Beispiel: Implantate. Woher kommt der Preisunterschied? Bei gewissen Produkten kann der Preis eigentlich nicht so unterschiedlich sein.

Wenn ich ein Premium-Implantat verwende, und zwar echte Marken, dann hat das einfach seinen Preis. Im Ausland kosten die auch nicht weniger als bei uns, sie kosten in Wirklichkeit das gleiche. Wir haben das verifiziert, uns ausgetauscht, DDr. Jahl ist auch international viel unterwegs und hat sich mit Kollegen unterhalten. Aber im Internet kommen manche Anbieter mit Preisen daher, die für uns nicht nachvollziehbar sind.

Das heißt, der Patient wird über das Internet völlig falsch gesteuert. Er ist durch den Preis getäuscht, bekommt dort aber nicht das, was er zum Beispiel in Österreich für ein Premium-Implantat zahlt. Da ist ein riesengroßer Unterschied. Und so geht das in eine falsche Richtung.

DR. GUSERL: Zur Preisgestaltung und zum Zahntourismus gibt es noch drei wesentliche Punkte zu sagen, was den Unterschied ausmacht, auch in Bezug auf die medizinische Leistung. Da geht es um die Schlagwörter Vorinformation, Vorsanierung und Nachsorge.

Man kann sich vorstellen, dass man bei einem weiten Anfahrtsweg nicht so leicht und nicht so oft hinfahren kann, um sich im Vorfeld zu informieren, sich im Vorfeld beraten zu lassen, verschiedene Möglichkeiten mit dem Behandler zu diskutieren und das Gebiss vorzusanieren. Denn oft ist die angestrebte Lösung nicht gleich machbar, sondern es bedarf einer Vorsanierung.

Das betrifft die Nachsorge ebenso. Wenn man eine hochwertige Versorgung hat, ist man mit dieser hochwertigen Versorgung nicht unverwundbar, sondern es bedarf einer Nachsorge, einer Servicierung des Ganzen.

Das sind drei wesentliche Punkte. Die sind preislich für den Patienten gar nicht so relevant, aber medizinisch sehr relevant. Um eine medizinische Leistung durchzuführen, bedarf es einer Vorsanierung, um ein Ergebnis zu halten, bedarf es einer Nachsorge. Das ist etwas, das durch die Distanz im Ausland oft nicht gewährleistet ist.

„Um eine medizinische Leistung durchzuführen bedarf es einer

Vorsanierung, um ein Ergebnis zu halten bedarf es einer Nachsorge.

Ein weiter Anfahrtsweg erschwert das.“

GMEINER: Stichwort Zahntourismus: Gibt es Patienten, die zu Ihnen kommen, die zuerst in Ungarn oder sonstwo im Ausland waren und sagen: „So, bitte reparieren Sie das jetzt.“ Wenn ja, was macht ein österreichischer Zahnarzt mit so einem Patienten?

DDR. JAHL: Doch, solche Patienten gibt es. In unserer Region kommen durchaus Patienten zu uns, die entweder vorher oder nachher nach Ungarn fahren und das vergleichen. Ich bekomme auch in vielen Fällen das Feedback, dass die Patienten gesehen haben: Wenn sie die richtigen Fragen stellen, wird sich dort ein Heilkostenplan etwa auf demselben Niveau wie in Österreich bewegen. Das ist genau das, was Dr. Österreicher gesagt hat: Wenn wir Äpfel mit Äpfeln vergleichen ist es so, dass die österreichischen Patienten doch lieber in Österreich bleiben, weil die Preise nicht so verschieden sind.

Der Präsident des Zahnärztlichen Interessenverbandes MR DDr. Claudius Ratschew zeigt auf, dass zahnmedizinische Leistungen im Ausland auf Kosten des österreichischen Systems gehen:

„Wenn ein Zahnarzt im Ausland bei einem Zahntechniker im Ausland Kronen anfertigen lässt und der österreichische Patient bei einer der üblichen Husch-Pfusch-Aktionen medizinische Probleme bekommt, die dann im defizitären Kassenambulatorium behandelt werden müssen,

dann zahlen der ausländische Zahnarzt und der ausländische Zahntechniker keine Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in Österreich, die Krankenkassen haben nur Ausgaben, und das Ambulatorium macht ein noch größeres Defizit als vorher.

Wenn aber ein österreichischer Zahnarzt bei einem österreichischen Zahntechniker hochwertige Kronen anfertigen lässt, die zwar aus guten Gründen teurer sind, die aber der Patient problemlos und beschwerdefrei viele Jahre und Jahrzehnte trägt, dann leisten Zahnarzt, Zahntechniker und ihre Angestellten in Österreich Steuern und Sozialversicherungsbeiträge und die Krankenkasse hat keine Kosten, nein, sie profitiert sogar davon.“

Quelle: ZIV-Newsletter 5750-54 vom 19.07.2018 (elektronische Publikation des Zahnärztlichen Interessenverbandes www.ziv.at). (Hervorhebungen im Original.)

GMEINER: Der Preisunterschied ergibt sich also daraus, dass andere, billigere Materialien verwendet werden? Wenn der Patient weniger zahlen will, dann bekommt er billigere Implantate?

DDR. JAHL: Ja. Worauf wir immer hinaus wollen: Wir hätten so gerne mündige Patienten. Wir wollen Patienten, die fragen: Was bekomme ich da? Wie heißt das genau? Was ist das für ein Material? Wo kommt das her? Etc.

„Wir hätten so gerne mündige Patienten.“

DDR. JAHL: Wir fragen heutzutage im Supermarkt, wo ein Produkt herkommt und was drinnen ist. Wir kaufen Fairtrade und wollen alles ganz genau wissen, wir ernähren uns vegan, Bio vom zertifizierten Bauernhof und achten auf alles sehr genau, was wir in unseren Körper über den Mund als Nahrung hineinlassen.

Lustigerweise ist es ein ganz altes Relikt, dass es in der Zahnmedizin – die ein sehr wichtiger Teil der gesamten Medizin ist, das möchte ich betonen – einfach üblich ist, alles über den Preis zu definieren und nicht über die medizinische Fragestellung. Das ist ein Grundproblem und wahrscheinlich ein Relikt der vergangenen Jahrzehnte. Aber die Zahnmedizin hat sich einfach verändert und ist eine Medizin des Mundes geworden. Das ist ein springender Punkt, der in den letzten Jahren passiert ist.

GMEINER: Medizin des Mundes – was bedeutet das?

DDR. JAHL: Wie in der gesamten Medizin hat auch in der Zahnmedizin eine Spezialisierung stattgefunden. Den klassischen Internisten gibt es nicht mehr, es gibt heute den Gastroenterologen, der sich nur um den Magen kümmert, den Hepatologen, der sich um die Leber kümmert, den Kardiologen etc. Das gibt es genauso in der Orthopädie und der Unfallchirurgie. Es gibt Ärzte, die nur noch das Sprunggelenk oder die Schulter operieren.

Dasselbe hat in der Zahnmedizin stattgefunden. Das heißt, wir haben hier verschiedene Themenbereiche und es gibt mittlerweile viele Zahnärzte in Österreich, die sich auf etwas innerhalb der Zahnmedizin spezialisiert haben. Es gibt Zahnärzte, die sich auf Zahnspangen spezialisiert haben, auf Kinderbehandlungen, auf hochwertigen abnehmbaren Zahnersatz etc. Da haben sich viele Untergebiete in der Zahnmedizin entwickelt. Das muss bei den Leuten auch verstärkt ankommen.

„Zahnmedizin ist heute eine Medizin des Mundes.

Viele Zahnärzte haben sich auf etwas spezialisiert.“

GMEINER: Ist die Spezialisierung grundsätzlich positiv zu sehen?

DDR. JAHL: Absolut. Die Spezialisierung finde ich sehr positiv, weil die Zeiten vorbei sind, wo es nur den praktischen Arzt des Mundes oder den praktischen Arzt des Zahnes gab. Den gibt es kaum noch, sondern es hat eine Spezialisierung gegeben, weil die Entwicklung in der Zahnmedizin vor allem aufgrund von digitalen Techniken und aufgrund von neuen Materialien einfach dazu geführt hat. Ich begrüße das auch.

Ich finde, dass das Internet eine gute Vorinformation gibt, aber man muss das auch ein bisschen filtern. Das ist natürlich schwierig für einen Laien. Klassischerweise ist es auch so, dass die Zahnmedizin immer eine sehr finanziell dominierte Medizin ist. Deswegen gibt es auch die automatischen Google-Vorschläge nach Preis und Kosten etc. Davon lassen sich zu viele Leute lenken.

WAS KANN DR. GOOGLE NICHT WISSEN?

GMEINER: Sie haben also nichts gegen einen Patienten, der mit Halbwissen aus dem Internet kommt? Ist das besser als jemand, der gar nichts weiß?

DR. GUSERL: Prinzipiell kann der Patient kommen, wie er will. Er wird von uns, sprich vom Zahnarzt, sowieso informiert und bekommt ohnehin die nötige Fachinformation. Trotzdem merke ich immer wieder bei Vorträgen, dass da sehr detaillierte Fragen kommen, und das finde ich gut. Man kann teilweise auf einem guten fachlichen Niveau mit Patienten diskutieren, möchte ich fast sagen.

Der Patient nimmt das, was der Arzt in der persönlichen Betreuung sagt, schon mehr für bare Münze als das, was Dr. Google sagt, der eben kein Arzt ist, kein Mensch ist, sondern nur eine Suchmaschine. Das heißt, dort werden nur Begriffe und Informationen aufgelistet. Das zu deuten ist sehr schwierig.

„Information im Internet zu deuten ist schwierig. Deshalb ist die

persönliche Betreuung durch den Arzt wichtig.“

DR. GUSERL: Aber noch einmal: Die Information, die Google bieten kann, ist nichts Schlechtes. Allerdings soll es nur als Basis gesehen werden, als Ausgangspunkt, als Information. Dann braucht es einen Behandler, einen Arzt, um wirklich zu sagen: Was ist relevant und was ist Unfug? Wo entwickelt es sich in eine falsche Richtung?

DR. GUSERL: Es funktioniert ja auch so, dass man vielleicht in eine falsche Richtung abbiegt, wenn man nur lange genug googelt, dass Sachen falsch interpretiert werden, dass ein Zuviel oder eine Fehlinformation stattfindet. Ob man dafür Google selbst einen Vorwurf machen will, sei dahingestellt, das ist nicht unsere Aufgabe. Aber Information ist prinzipiell immer etwas Gutes. Es ist eine Ausgangssituation und auf dieser Basis kann man dann weiterdiskutieren.

„Information aus dem Internet ist okay. Nur ein Arzt kann jedoch

einschätzen: Was ist relevant und was ist Unfug?“

DR. ÖSTERREICHER: Das bringt es auf den Punkt. Du kannst dir im Internet eine gewisse Grundinformation holen. Das ist super. Das wird meist von der Industrie selbst auch beworben. Die dürfen das auch bewerben. Die Zahnärzte in Österreich dürfen und sollen das auch nicht.

Wenn aber auf der anderen Seite suggeriert wird: „In soundso vielen Wochen oder Monaten haben Sie wieder gerade Zähne“, dann braucht man das individuelle Gespräch mit dem Zahnarzt, um den Patienten darüber aufzuklären, dass das nicht bei jedem gleich funktioniert. Bei dem einen bewegen sich die Zähne schneller, beim anderen bewegen sie sich viel langsamer. Bei dem einen heilt etwas schneller, beim anderen langsamer. Das sind Dinge, die man aufklären muss, und das geht nur im persönlichen Gespräch.

Das heißt, Vorinformation im Internet ist super, aber am persönlichen Gespräch kommt man nicht vorbei. Denn als Zahnarzt musst du den Patienten im Vorfeld über alle Eventualitäten aufklären, damit er sich darauf einstellen kann, dass es bei ihm eventuell nicht so gut funktioniert wie es beim Nachbarn funktioniert hat. Auch wenn ihm der Nachbar erzählt hat, wie schnell das alles fertig war. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.

„Auch wenn der Nachbar erzählt, wie toll oder wie schrecklich es

war – jeder Patient reagiert anders. Daher ist Aufklärung im Vorfeld

durch das persönliche Gespräch mit dem Zahnarzt wichtig.“