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TAREAN
RITTER DES ERSTEN LICHTS

1. Auflage

Veröffentlicht durch den

MANTIKORE-VERLAG NICOLAI BONCZYK

Frankfurt am Main 2020

www.mantikore-verlag.de

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe

MANTIKORE-VERLAG NICOLAI BONCZYK

Text © Bernd Perplies 2009/2020

Lektorat: Anja Koda

Illustrationen: Hauke Kock

Satz & Bildbearbeitung: Karl-Heinz Zapf

Cover- und Umschlagsgestaltung: Rossitsa Atanassova, Matthias Lück

VP: 277-164-01-02/02-0220

Printed in the EU

Gebundene Ausgabe:

ISBN: 978-3-96188-068-3

Taschenbuch-Ausgabe:

ISBN: 978-3-96188-029-4

eISBN: 978-3-96188-030-0

Bernd Perplies

TAREAN

– RITTER DES ERSTEN LICHTS

Roman

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Für alle zufälligen Musen,
die meine Fantasie beflügeln
.

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INHALT

VORWORT ZU DIESER JUBILÄUMSAUSGABE

PROLOG DAS DUNKEL ERWACHT

1 DER ALTE WALD

2 TESH ILMARIN

3 LICHT UND EWIGKEIT

4 VORZEICHEN DER FINSTERNIS

5 BLICK IN DIE VERGANGENHEIT

6 DIE ORDENSBURG

7 DER GESCHEITERTE BUND

8 FAMILIENBANDE

9 DIE SUCHE BEGINNT

10 IN DEN GRAUEN BERGEN

11 WEHRHALL

12 AUF QUESTOIS SPUREN

13 DER EWIGE WANDERER

14 VON NORLASK IN DIE WOLKENBERGE

15 DER GEIST VON NYRDHEIM

16 WIEDERSEHEN IN BRISTAJA

17 SCHATTEN ÜBER NONDUR

18 DIE ENTFESSELTE DUNKELHEIT

19 DER STURM

20 DIE INSEL OHNE NAMEN

21 DAS ERSTE LICHT

22 WELTENDÄMMERUNG

EPILOG DER NEUE BUND ENTSTEHT

DANKSAGUNG

ZUSÄTZLICHER DANK ANLÄSSLICH DIESER JUBILÄUMSAUSGABE

BONUSMATERIAL

PERSONENREGISTER

THE MAKING OF TAREAN 3

Über die Rückkehr von Moosbeere

Über die Kristalldrachenritter

Über das Erste Licht

Über das Ende des Romans

STATT EINES AUDIOKOMMENTARS

VORWORT ZU DIESER JUBILÄUMSAUSGABE

Da wären wir also, beim letzten Kapitel einer epischen Reise: »Ritter des Ersten Lichts«. Der dritte Band meiner »Tarean«-Trilogie, der hier in seiner Jubiläumsausgabe zum zehnten Geburtstag meines Debütwerks vorliegt, sollte damals die Krönung meines drei Jahre währenden Abenteuers mit Tarean und seinen Freunden werden.

Man sollte denken, das wäre gar nicht so leicht. Immerhin hatte Tarean in »Sohn des Fluchbringers« bereits ein episches Abenteuer gegen den Hexer Calvas überstanden, und dann war er in »Tarean – Erbe der Kristalldrachen« sogar in die legendären Dunkelreiche vorgedrungen, hatte den Herrn der Tiefe herausgefordert und die uralten Kristalldrachen aus ihrem magischen Kerker befreit. Was sollte da jetzt noch kommen?

Doch anders als während der Arbeit am ersten Roman, den ich ursprünglich als Einzelwerk konzipiert hatte, war ich beim Verfassen des zweiten Bandes so schlau, vorauszuplanen. Ich wusste zu dem Zeitpunkt schon, dass ein drittes Buch sehr wahrscheinlich sein würde, und dieses Wissen nutzte ich, um Abenteueraufhänger im Text einzubauen, die im Folgeband spannende Entwicklungen bieten würden. Ich könnte jetzt Beispiele nennen, aber das würde die Geschichte spoilern, weswegen ich darauf lieber im Making-of am Ende des Buches noch einmal zurückkommen werde.

An den Schreibprozess selbst erinnere ich mich seltsamerweise kaum noch. Es war zu diesem Zeitpunkt schon mein viertes Buch, und auch wenn ich damit nicht sagen will, dass Routine und Gewöhnung eingetreten wären, hatte ich bereits eine solche Menge an Höhen und Tiefen in den Monaten zuvor erlebt, dass »Ritter des Ersten Lichts« im Vergleich ein fast entspanntes Projekt war. Ich schreibe »fast«, weil das Schreiben von Romanen für mich eigentlich nie richtig entspannt ist. Viel zu oft geht es mit einem Wechsel aus Hochgefühl und tiefer Abneigung dem eigenen Text gegenüber einher. Aber das kennt vermutlich jeder Kreative.

Am Ende, als ich die letzten Zeilen des Epilogs geschrieben hatte, spürte ich vor allem Wehmut. Nun hieß es wirklich Abschied nehmen von Tarean und seinen Freunden, die im Laufe der vielen Monate auch meine Freunde geworden waren. Das war schon ein sehr eigenartiges Gefühl, und ich fing praktisch instinktiv an, über Fortsetzungen nachzudenken. Diese vagen Ideen geistern mir noch heute durch den Kopf, allerdings hat es sich nie ergeben, das nächste Kapitel der »Tarean«-Saga anzugehen.

In Wahrheit lag diesem Ende jedoch auch in zweifachem Sinne ein Anfang inne. Zum einen wechselte meine Autorenkarriere auf die Überholspur: die erfolgreiche Gaslight-Fantasy-Trilogie »Magierdämmerung«, die mit meinem Studienfreund und Autorenkollegen Christian Humberg verfasste Kinderbuchreihe »Drachengasse 13«, die Mitarbeit an »Perry Rhodan«, zahlreiche Lesungen, der zweimalige Gewinn des »Deutschen Phantastik Preises« … Ich kann mich über das, was folgte, die Dinge, denen »Tarean« den Weg geebnet hatte, wirklich nicht beschweren.

Zum anderen sollte ich zwar nicht zu Tarean selbst, aber doch in Tareans Welt zurückkehren, und das gleich mehrfach. Was in einem winzigen Winkel, auf Burg Dornhall im Almental, seinen Anfang nahm, wurde zum Ausgangspunkt für ein gewaltiges Projekt: meine Geschichte der fantastischen Welt Endar. Bis heute bin ich bereits in vier Romanen – sowohl den zwei »Imperium der Drachen«-Bänden als auch den zwei »Wolkenmeer«-Romanen – wieder dorthin zurückgekehrt, und ich plane in Zukunft weitere Abenteuer dort anzusiedeln, bis sich aus dem Mosaik an Geschichten irgendwann ein episches Weltengemälde ergibt.

Doch zurück zu »Ritter des Ersten Lichts«. Auch für den finalen Band der Jubiläumsedition wurde der alte Text noch einmal komplett durchgesehen. Hier und da wurden behutsam Formulierungen ausgebessert, Fragen beantwortet, die sich die Leser stellen könnten, oder damals übersehene Logikfehler korrigiert. Insgesamt hat sich allerdings erneut wenig geändert. »Ritter des Ersten Lichts« ist kein anderes Buch, als das, was ich im Sommer 2009 geschrieben habe – das betrifft auch das Ende, obwohl das mehr als nur ein paar Lesern damals nicht so gut gefallen hat. (Allerdings entsprach es genau dem, was ich an dieser Stelle des Abenteuers erzählen wollte, und daran hat sich bis heute nichts geändert.)

Beim Drumherum bietet auch dieser Finalband natürlich die gleiche Opulenz wie die Vorgängerbände der Jubiläumsausgabe. Wunderschöne Illustrationen machen Tareans Welt visuell erfahrbar. Gleich zwei Karten erlauben es, die Reisen all unserer Helden nachzuvollziehen. Und im hinteren Teil findet sich alles an Bonusmaterial, was man sich wünschen kann.

So, nun habe ich wirklich genug Worte vorab verloren. Jetzt sollen Taten sprechen, und zwar die von Tarean, Auril, Bromm, Iegi, Haffta und zahllosen anderen. Lehnt euch zurück, entspannt euch und lasst euch auf ein großes Abenteuer mitnehmen – vielleicht das größte, das Tarean je erlebt hat. Ich wünsche viel Vergnügen.

Besigheim, im August 2019

Bernd Perplies

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PROLOG

DAS DUNKEL ERWACHT

Fallrir der Wegfinder floh durch die Steppe, und die Kazzach folgten ihm. Der Nondurier vernahm das wilde Geschrei der Katzenkrieger, die keine Meile entfernt auf ihren gescheckten Pferden durch das hohe, goldbraune Gras hinter ihm her preschten, und er trieb sein eigenes Reittier, ein stämmiges, graues Pony, mit lautem Rufen zur Eile an. Schnaubend galoppierte es auf eine flache Hügelkette zu.

Fallrir war auf der Reise von einer der Wachfesten im Norden Nondurs zu einer anderen tief im Süden gewesen, und weil er furchtlos war und alle Pfade in diesen Breiten kannte, hatte er nicht den Umweg entlang der Küstenstädte gewählt, sondern seine Schritte mitten ins wilde Herz von Nondur gelenkt. Dutzende Male hatte er diese Strecke bereits zurückgelegt, und Dutzende Male war es ihm dank seines Geschicks und seiner Erfahrung als Wegfinder gelungen, sich an den nomadisch die Steppe durchstreifenden Kazzach vorbeizuschleichen und sein Ziel unbehelligt zu erreichen.

Diesmal hingegen war ihm das Glück, das man trotz allen Könnens bei solch einem Unterfangen benötigte, nicht hold gewesen. Vier Tage nach der Überquerung des Abidhar, jenes Flusses, der die nördliche Grenze der wilden Steppe markierte, hatte ihn ein vierköpfiger Jagdtrupp der Katzenkrieger entdeckt. Es war in den Mittagsstunden gewesen, und Fallrir hatte sich gerade ein Nickerchen im Schutz einiger Büsche gegönnt, als ihn sein Reittier, das ihm der Kommandant der Wachfeste überlassen hatte, mit einer merklichen Unruhe vor den sich nahenden Feinden gewarnt hatte. Leider war diese Warnung zu spät gekommen, um Fallrir ein unbemerktes Verschwinden zu erlauben. Dem hundeköpfigen Nondurier war nichts übrig geblieben, als Hals über Kopf die Flucht anzutreten.

Die Kazzach hatten ihn nicht erwischt. Aber obwohl er den ganzen Nachmittag lang alle ihm bekannten Tricks und Kniffe angewandt hatte, war es ihm seinerseits nicht gelungen, seine Verfolger abzuschütteln. Die Katzenkrieger hatten sich so hartnäckig an seine Fersen geheftet, als wollten sie an Fallrirs Beispiel zeigen, was mit denen geschah, die ungebeten ihr Land durchquerten.

Ungebeten … Ha! Als ob all dies Land nicht eigentlich uns gehören würde, dachte Fallrir zynisch, während er sein Pony die sanfte Anhöhe hinauftrieb und sich dabei mit einem raschen Blick über die Schulter vergewisserte, dass seine Feinde nicht näher kamen.

In Wahrheit stellten die Kazzach die Eindringlinge dar und nicht der rothäutige Wegfinder, denn die Steppe gehörte, wie all das sie umgebende Land, zum Hoheitsgebiet des Nondurischen Reichs. Doch die Katzenartigen fielen bereits seit einer halben Ewigkeit Jahr für Jahr auf der Jagd nach Brulls in die grasbewachsene Weite ein und hatten sich bislang jedem Versuch widersetzt, sie dauerhaft in die östlichen Steppen zurückzutreiben, die ihre eigentliche Heimat waren.

Deshalb siedelte schon seit über einem Jahrhundert kein Nondurier, der halbwegs bei Verstand war, mehr im wilden Herzen Nondurs. Stattdessen hatte man Wachfesten am Rand der Steppe errichtet, um zu verhindern, dass sich die Katzenplage ausbreitete, und den Wilden das Land überlassen, über das sie heute mit einer Unerbittlichkeit wachten, als sei es schon immer das ihre gewesen.

Diese Unerbittlichkeit bekam Fallrir nun zu spüren. Sein Pony hatte soeben die Hügelkuppe erreicht, als die Kazzach bereits ihrerseits dazu ansetzten, die flache Steigung zu erklimmen. Sie heulten und fauchten und schwenkten ihre Speere.

»Warum lasst ihr mich nicht ziehen?«, schrie Fallrir in einem Aufwallen von Zorn. Er riss seinen Jagdbogen von der Schulter, legte einen Pfeil auf die Sehne und zog diese in einer ruckartigen Bewegung bis zur Schulter durch. Anstatt jedoch das gefiederte Geschoss abzufeuern, entspannte er die Sehne nach einem kurzen Moment des Zögerns wieder, riss fluchend sein Reittier herum und floh weiter. Bei der gegenwärtigen Entfernung zwischen ihm und seinen Verfolgern wäre der Schuss ohnehin fehlgegangen. Und er würde jeden einzelnen seiner Pfeile noch bitter nötig haben, falls ihm die Katzen so nah kamen, dass er sie auch tatsächlich treffen konnte, wenn er auf sie schoss. Nicht ›falls‹, verbesserte eine Stimme in Fallrirs Schädel düster, sondern ›sobald‹ …

Ringsum ging der Tag langsam zur Neige. Die Sonne senkte sich dem westlichen Horizont entgegen, während von Südosten her dunkle Wolken heranzogen. Wetterleuchten erhellte das dunkelgraue Gebirge am Himmel, und leiser Donner grollte in der Ferne. Fallrir schätzte, dass keine halbe Stunde mehr vergehen würde, bis ihn das Sommergewitter erreichte. Er hoffte, dass zumindest der Regen ausblieb. Die eingeschränkte Sicht und der aufgeweichte Untergrund mochten seine Verfolger zwar behindern, aber sein Pony würde darunter nur noch mehr leiden.

Plötzlich erweckte eine Störung im gleichförmigen Auf und Nieder des hügeligen Grasmeeres seine Aufmerksamkeit. Der Nondurier kniff die Augen zusammen und spähte angestrengt nach Süden. Einen Moment später erschrak er. Gongathar! Bin ich so weit nach Osten geritten?

Wie jeder, der am Rand des wilden Herzens von Nondur lebte, hatte Fallrir von der uralten und gewaltig zum Himmel aufragenden Turmstadt gehört, welche ein – wie man sagte – unbekanntes, längst untergegangenes Volk vor Jahrtausenden errichtet hatte. Schaurige Legenden rankten sich um Gongathar, sodass er in der Vergangenheit stets einen weiten Bogen um diesen einsamen Ort gemacht hatte. Es hieß allerdings auch, dass die Kazzach sich vor den titanischen Türmen und Bauten fürchteten und die Stadtgrenzen von Gongathar niemals überschritten. Vielleicht ist das meine Rettung, dachte er und lenkte sein Pony geradewegs auf die dunkle Masse am Horizont zu. »Vorwärts!«, rief er und ließ die Zügel schnalzen. Sein Reittier machte einen Satz nach vorn und galoppierte dann durch das hüfthohe Steppengras der Geisterstadt entgegen.

Im Rücken des Nonduriers hatten die Kazzach die Anhöhe erreicht. Fallrir hörte, wie sich ihr Geheul verstärkte, als sie erkannten, wohin er zu fliehen gedachte. Er duckte sich in Erwartung der Pfeile und Speere, die sie ihm hinterherschicken würden. Zwar war er sich recht sicher, dass er sich außerhalb ihrer Reichweite befand – aber eben nicht sicher genug, als dass sich die dicken Muskeln in seinem Nacken nicht schmerzhaft angespannt hätten. Nur noch eine Meile. Oder zwei. Dann bin ich in Sicherheit.

Quälend langsam wurde die unheimliche Stadt inmitten der Steppe größer. Aus der steinernen Masse schälten sich die Konturen gewaltiger Türme, die sich, jeder bekannten Baukunst spottend, schwindelerregend hoch in den dunkler werdenden Himmel erhoben. Das Sommergewitter hatte die südlichen Ausläufer Gongathars bereits erreicht, und Blitze zuckten um die abgeplatteten Spitzen der höchsten Gebäude.

Fallrir wagte einen Blick über die Schulter. Die Kazzach waren ihm nach wie vor auf den Fersen, und es schien, als holten sie langsam, aber unerbittlich zu ihm auf. »Schneller«, brüllte der Nondurier seinem vierbeinigen Gefährten zu. Nur noch ein kleines Stück, flehte er innerlich. Es ist fast geschafft.

Er hörte das Geräusch der Sehne nicht, als der Pfeil abgeschossen wurde, auch nicht das Zischen des heranjagenden Geschosses. Aber er spürte den Schlag im Rücken, als es ihn traf.

Fallrir ächzte und sackte im Sattel ein wenig nach vorn. Auf seinem Antlitz zeichnete sich Erstaunen ab. Die verfluchten Katzen hatten ihn erwischt – mitten im Galopp und auf diese Entfernung! Seltsamerweise verspürte er keinen Schmerz. Das Bündel, erkannte er voller Erleichterung. Sie müssen das Bündel auf meinem Rücken getroffen haben. Er schickte ein Dankesgebet an die Ahnen. Sie mochten an diesem Tag nicht einhellig zu ihm herablächeln – ansonsten hätten ihn die Kazzach schließlich gar nicht erst bemerkt –, aber zumindest einer von ihnen schien Fallrir noch zugetan zu sein. Denn nur zwei Handbreit höher, und der Pfeil hätte seinem Leben ein verfrühtes Ende bereitet.

Im nächsten Augenblick hatte der nondurische Wegfinder die Stadtgrenze von Gongathar erreicht, und sein Pony preschte mit klappernden Hufen über die großen Steinplatten, mit denen die Straßen zwischen den himmelstürmenden Bauten ausgelegt waren.

Ein weiterer Blick über die Schulter bewies Fallrir, dass er mit seiner Annahme, die Kazzach würden ihm nicht ins Innere der uralten Metropole folgen, recht gehabt hatte. Im Schatten der ersten Türme hatten sie ihre Reittiere gezügelt und starrten ihm nun hasserfüllt nach. Einer von ihnen, ein drahtiger Krieger mit schwarzen Ringen um die Augen, machte Anstalten, ihm nachzueilen – aller Furcht, welche die Katzen vor dieser unheiligen Stätte empfanden, zum Trotz. Seine Gefährten hielten ihn jedoch fest und redeten eindringlich auf ihn ein.

Fallrir wartete nicht ab, ob der fremde Krieger die Einwände seiner Freunde beherzigte oder in den Wind schlug, sondern floh weiter die Straße hinab.

Einige Worte in einer unbekannten Sprache hallten ihm hinterher. Ob sie einen Fluch oder eine Mahnung enthielten, vermochte der Nondurier nicht zu sagen. Er trieb sein Pony um die Ecke eines Gebäudes und außer Sicht.

Ein Blitz zuckte, und gleichzeitig erschütterte ein gewaltiger Donnerschlag den schwarzen Himmel über Fallrirs Haupt. Das Geräusch wurde von den steinernen Flanken der gebirgshoch aufragenden Bauwerke zurückgeworfen und verstärkt und ließ den Nondurier erschrocken zusammenzucken.

Lautlos fluchte Fallrir in sich hinein. Das Gewitter war nun genau über ihm, und er wünschte sich, irgendwo einen sicheren Unterschlupf zu finden. Doch obwohl überall in den Fassaden der zyklopischen Steinmonumente dunkle Öffnungen aufklafften – manche von ihnen nur schmale Durchgänge, andere gewaltige Portale –, wagte er es nicht, sein ohnehin an diesem Tag schon arg strapaziertes Glück noch einmal auf die Probe zu stellen und ins Innere eines der Türme vorzudringen. Nicht einen Schritt über eine dieser türlosen Schwellen würde er machen. Allein der Anblick der regelrecht stofflichen Schwärze, die ihn dahinter erwartete, ließ seine Ohren zucken.

Der nondurische Wegfinder wusste nicht, wie lange er bereits durch das stumme und von allem Leben aufgegebene Gongathar gewandert war. Zunächst hatte er sich von seinem Pony tiefer ins Herz der verfluchten Stadt tragen lassen. Als das Unwetter sie erreicht hatte, war er abgestiegen, um sein schreckhaftes Reittier am Zügel zu führen. Zu diesem Zeitpunkt war er zu dem Schluss gekommen, dass die Kazzach mittlerweile wohl keine Gefahr mehr für ihn darstellten und er sich auf den Weg zurück in die Steppe machen konnte.

Diesen Weg suchte er nun, sicher eine Stunde später, noch immer. Wie groß kann diese unselige Stadt sein?, fragte er sich missmutig, als er eine weitere Querstraße erreichte, die sich in beiden Richtungen in der Finsternis verlor. Die Dunkelheit am Boden zwischen den Bauwerken war so vollkommen, dass Fallrir die Hand vor Augen nicht gesehen hätte, wäre er nicht im Besitz eines immerleuchtenden Feenfeuers gewesen, das an der Spitze eines kurzen Stabes in seiner rechten Hand glomm. Aber das Licht des Feenfeuers war schwach und erfüllte kaum die Breite der Straße, auf der sich der Nondurier bewegte. Einzig die Blitze, deren grelles Gleißen wieder und wieder die Konturen der Türme aus der Schwärze der Nacht riss, erlaubten es ihm, sich zu orientieren.

Mit weit aufgerissenen Augen starrte Fallrir die Querstraße hinab. Täuschte er sich, oder war die Finsternis zwischen den Steinmassiven zur Linken nicht ganz so schwarz wie die zur Rechten?

Ein weiterer Blitz zuckte, und ein besonders heftiger Donnerschlag krachte und hallte in den Stadtschluchten von Gongathar wider. Fallrirs Pony riss erschrocken den Kopf in die Höhe und warf sich herum. Dem überraschten Nondurier entglitten die Zügel, und er konnte nur noch zusehen, wie das Tier angsterfüllt den Weg zurückgaloppierte, den sie soeben gekommen waren.

»Halt! Bleib stehen, elender Gaul!«, schrie ihm Fallrir nach, doch erfolglos. Wütend stampfte er mit dem Fuß auf und verwünschte sich selbst ob seiner Unaufmerksamkeit. Für einen Augenblick spielte er mit dem Gedanken, dem Pony nachzueilen. Aber dann wurde sein Blick erneut auf die Straße zu seiner Linken gelenkt. Da war ein fahler Flecken Helligkeit in der Ferne, oder nicht? Vielleicht war der Stadtrand nicht mehr fern. Wenn er erst einmal wieder die harte Erde der Steppe unter seinen Stiefelsohlen spürte, würde sich alles andere schon ergeben. Dann befand er sich wieder auf vertrautem Grund und Boden.

Er traf eine Entscheidung und begann die Straße hinunterzuhasten. Tatsächlich nahm die Dunkelheit zwischen den kolossalen Steinbauten ganz leicht ab, während er sich ihrem Ende näherte. Doch gleichzeitig wurde deutlich, dass er sich getäuscht hatte. Es wurde nicht heller, weil Fallrir die Stadtgrenze von Gongathar erreicht hatte und ihn dahinter die weite Steppe erwartete. Vielmehr lag ein schwacher grünlicher Lichtschein in der Luft. Das konnte nun zweierlei bedeuten. Entweder wuchsen auf den Fassaden der vor ihm liegenden Türme irgendwelche Moose, die das Gleißen der Blitze zum Leuchten angeregt hatte. Oder die uralte Metropole war mitnichten so verlassen, wie es allgemein angenommen wurde.

Auf einmal kam Fallrir in den Sinn, was manche greisen Steppenläufer erzählten. Diese Männer hatten mehr als nur ein paar Nächte in Sichtweite der Stadt verbracht, und sie schworen bei den Ahnen, dass sie gelegentlich unheimliche Lichter hinter den Fenstern der riesenhafte Türme erblickt hatten. Sie berichteten außerdem von schaurigen Geräuschen, die aus den Tiefen der Stadt an ihre Ohren gedrungen waren und ihnen Schauer über den Rücken gejagt hatten.

Ich sollte gar nicht hier sein, dachte Fallrir unruhig. Ich sollte vierzig Meilen westwärts auf der Steppe an meinem Lagerfeuer sitzen und gemütlich ein Pfeifchen rauchen. Doch ihm war klar, dass sich dieser Wunsch nicht erfüllen würde.

Mit klopfendem Herzen wechselte er das Feenfeuer von der rechten in die linke Hand. Dann zog er sein Schwert. Ein Teil von ihm schrie danach, kehrtzumachen und in die entgegengesetzte Richtung zu fliehen, und mochte es dort auch so finster sein wie im Magen eines Glutlanddrachen. Gleichzeitig spürte er, wie die Neugierde an ihm nagte. Möglicherweise stand er im Begriff, eines der Geheimnisse Gongathars zu lüften. Alles, was er tun musste, war ein paar vorsichtige Schritte näher zu schleichen. Und wenn er etwas konnte, dann war es schleichen.

Fallrir verzog die Lefzen zu einem grimmigen Lächeln. Er löschte das Feenfeuer und schob es in sein Bündel, aus dem er nach seiner Flucht vor den Kazzach übrigens wie erwartet einen rot gefiederten Pfeil gezogen hatte. Das Geschoss hatte in Fallrirs Buch der Ahnen gesteckt, der in graues Brullleder eingebundenen Chronik seiner Familie, der er nach der heutigen Nacht einen weiteren Eintrag würde hinzufügen können. Der Nondurier packte sein Schwert mit beiden Händen, zog sich in den Schutz der Häuserfassade zu seiner Rechten zurück und glitt dann langsam vorwärts.

Am Ende der Straße lag ein achteckiger Platz, der von einem Ring vergleichsweise flacher Bauwerke umgeben war. Das fahle, grünliche Licht, das ihn erhellte, stammte von einem sicher zehn Schritt hohen Obelisken, der auf der anderen Seite des Platzes vor einem mächtigen Bauwerk aufragte, in dessen Stirnseite ein einzelnes, riesiges Portal klaffte. Die Kanten des Obelisken wirkten scharf, wie mit dem Messer gezogen, und die Flächen waren völlig glatt und von fremdartigen Schriftzeichen bedeckt, die vom Fuß bis zur Spitze reichten. Doch es war nicht der Anblick jenes seltsamen steinernen Artefakts, der dafür sorgte, dass sich eine eisige Klaue in Fallrirs Eingeweide grub. Es waren die …

Kazzach!

Fallrir spürte, wie sich ihm die Kehle zuschnürte, als er die riesige Schar der Katzenkrieger sah, die sich um den Obelisken herum versammelt hatte. Es mussten an die hundert sein, wenn nicht mehr, die dort reglos und schweigend beisammen standen und auf den Obelisken starrten, der ihre hageren Gestalten in sein kränklich grünes Licht tauchte.

Bloß weg hier, durchfuhr es Fallrir, und er wirbelte herum. In diesem Augenblick erhellte ein weiterer Blitz die Straße, durch die er gekommen war. Ein erschrockener Aufschrei entrang sich seiner Kehle. Die Straße war nicht mehr leer! Eine kleine Gruppe Kazzach hatte sich in seinem Rücken angeschlichen und versperrte ihm nun den Fluchtweg. Hölzerne Speere mit scharfen Steinspitzen waren auf seine Brust gerichtet. Und weiße, milchig verschleierte Augen starrten ihm blicklos entgegen. Der grünliche Schimmer des Obelisken lag auf ihren fremdartigen, reglosen Mienen und gab ihnen den Anschein, als seien sie soeben einem kalten, feuchten Grab entstiegen.

Nein, das ist unmöglich, versuchte Fallrir den Anflug von Wahnsinn zurückzudrängen, der sich seines Geistes zu bemächtigen drohte. Gleichzeitig hob er mit zitternden Armen sein Schwert in die Höhe, um sich vor einem möglichen Angriff zu schützen, auch wenn er sich sehr wohl bewusst war, dass er gegen diese Übermacht nicht bestehen konnte.

Aber die Kazzach griffen nicht an. Stattdessen traten sie gemeinsam einen Schritt vor, dann einen weiteren. Dabei drängte ihr Wall aus Speerspitzen den Nondurier Stück für Stück aus dem Schatten der Hauswand und auf den achteckigen Platz hinaus. Knurrend wich Fallrir zurück. Es blieb ihm auch gar nichts anderes übrig, wollte er nicht mitten durch die Speere der Katzenkrieger die Flucht nach vorn antreten.

Ein kurzer Seitenblick setzte ihn darüber in Kenntnis, dass sich seine Lage von Augenblick zu Augenblick immer weiter verschlechterte. Nun waren auch die Kazzach auf dem Platz auf ihn aufmerksam geworden. Mit einer Lautlosigkeit, die dem Nondurier einen Schauer über den Rücken jagte, drehten sie sich zu ihm um und starrten ihm entgegen – auch ihre Augen waren, wie die der Kazzach zuvor, weiße, blind wirkende Kugeln in ihren behaarten Katzengesichtern.

Ohne einen Laut von sich zu geben, umringten die Katzen Fallrir in einem weiten Kreis, und die schiere Masse ihrer Leiber machte jede gewaltsame Flucht unmöglich. Doch sie unternahmen keinen Versuch, seinem Leben ein Ende zu setzen, und dieses vollständige Fehlen jedes offensichtlich feindseligen Verhaltens versetzte Fallrir beinahe noch mehr in Panik, als wenn die ganze Hundertschaft mit wildem Heulen und Fauchen auf ihn losgegangen wäre.

»Was wollt ihr von mir?«, schrie er sie an und drehte sich dabei langsam um die eigene Achse. »Was ist das hier für eine unheilige Versammlung?«

»Keine unheilige Versammlung«, erklang plötzlich eine laute Stimme vom Fuße des Obelisken her. »Ein Gottesdienst!« Die Menge teilte sich und gab den Blick auf den Sprecher frei. Ein Blitz zuckte und machte die Nacht über Gongathar für den Bruchteil eines Herzschlags zum Tage.

Fallrir schwindelte, und er fürchtete, das Bewusstsein zu verlieren, als er das Monstrum sah, das auf den Stufen vor dem gähnenden Schlund in der Fassade des titanischen Bauwerks stand. Es war ein Hüne, sicher drei Schritt groß und breiter als zwei Menschenmänner. Sein gewaltiger Leib war vollständig von dichtem, kohleschwarzem Pelz bedeckt, und der mächtige Schädel erinnerte entfernt an den eines Bären. Seine riesigen Pranken liefen in verwachsene Klauen aus, und in den Tiefen seiner Augenhöhlen lag ein hellrotes Glühen, als tose ein alles verschlingendes Feuer in seinem Inneren.

Der Dämon – denn um was sonst sollte es sich bei diesem Ungeheuer handeln? – trat auf Fallrir zu. Ein Geruch wie von verbranntem Fell umwehte ihn wie eine Übel verheißende Aura. »Es ist ein Gottesdienst, kleiner Nondurier«, wiederholte das Untier grollend. »Sie haben sich alle hier versammelt, um die Ankunft der Meister zu erwarten und von ihnen den Segen für die große Aufgabe zu empfangen, die vor uns liegt.«

Trotz seiner Todesangst gelang es Fallrir zu fragen: »Wovon sprecht Ihr? Welche Aufgabe?«

Der schwarze Bär ließ ein dunkles Lachen hören. »Der Kreuzzug gegen das Licht. Die Vernichtung allen Lebens. Der Sturz Endars in die ewige Finsternis.«

»Das … das ist Wahnsinn. Ihr seid wahnsinnig. Das wird niemals geschehen. Die Kristalldrachen werden es zu verhindern wissen, denn sie sind zurückgekehrt!« Fallrir wusste selbst nicht so genau, woher er den Mut nahm, dem hünenhaften Dämon diese Worte an den Kopf zu schleudern. Vielleicht erhoffte er sich einen schnellen Tod, wenn er den Zorn des Monstrums weckte.

Doch der schwarze Bär lachte nur. »Wir werden sehen. Nun schließ dich uns an und heiße die Meister willkommen. Sie sind erwacht, und ihre Rückkehr wird das Ende der Welt einläuten.«

»Welche Ausgeburten der Dunkelreiche Ihr auch anbeten mögt, sie sind bestimmt nicht meine Meister!«, widersprach Fallrir.

Der Dämon senkte sein mächtiges Haupt und nickte vielsagend. »Doch, das sind sie, kleiner Nondurier. Das sind sie.«

In diesem Augenblick verspürte Fallrir einen heißen, stechenden Schmerz in seinem Oberkörper, und als er den Kopf senkte, bemerkte er mit einem seltsamen Gefühl der Losgelöstheit, dass ein blutiger Kazzachspeer aus seiner Brust ragte. Aber obwohl die Waffe Fallrirs Herz durchbohrt haben musste, starb er nicht. Stattdessen hob er den Kopf, und seine Blicke wurden wie magisch von dem grün leuchtenden Obelisken angezogen, dessen Licht ihm auf einmal tröstend und wunderschön vorkam. Ein kleiner Rest seiner dahinschwindenden Seele wollte entsetzt aufschreien, doch es kam kein Laut über Fallrirs leblose Lippen.

Er schrie auch dann nicht, als Bewegung in die Finsternis jenseits des riesigen Portals kam und sich diese in Gestalt des ersten Meisters auf den Platz hinausschob. Sein Verstand allerdings floh an einen Ort in seinem Inneren, von dem er nicht mehr zurückkehren würde.

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DER ALTE WALD

Über dem Cerashmon brach der neue Tag an. Goldene Sonnenstrahlen fielen durch die lichte weiße Wolkendecke am Himmel und strichen über das schier endlose grün schattierte Meer aus Baumwipfeln, das sich zwischen den Arden im Westen und dem Nebelmoor im Osten, dem Hochland von Norlask im Norden und den Kernlanden von Breganorien im Süden Tausende von Quadratmeilen weit erstreckte. Die Kronen der mächtigen, uralten Bäume rauschten im Wind, der von Osten heranwehte und davon kündete, dass die Welt im Begriff war, sich zu wandeln.

Er erzählte den Bäumen von einem Jungen namens Tarean, der ausgezogen war, um den Namen seines vor vielen Jahren verstorbenen Vaters reinzuwaschen und einen Hexenmeister zu stürzen, der die westlichen Reiche von Endar sechzehn Jahre lang mit eiserner Hand regiert hatte. Und er berichtete ihnen, dass der Junge treue Freunde getroffen und große Abenteuer durchlebt hatte, bevor es ihm am Ende wirklich gelang, den Hexer Calvas zu töten und den Fluch, der auf den Völkern von Undur, Astria, Breganorien und Tahl gelastet hatte, zu brechen.

Doch die Alte Macht, so wusste der Ostwind, sollte Tarean eine weitere Aufgabe aufbürden. Sie ließ ihn den Ruf Kesrondaias, der Mutter aller Kristalldrachen, vernehmen, die von Calvas und seinem Gebieter, dem Herrn der Tiefe, vor hundert Jahren in einer geheimen Kammer tief unter den Mauern der furchtbaren Festung At Arthanoc in Ketten gelegt worden war, um dem Hexer als Quelle der Macht zu dienen. Dies war zur gleichen Zeit geschehen, da der Herr der Tiefe, Ghorca’than, alle übrigen Kristalldrachen mit Calvas’ Hilfe in ihr geheimes Sanktuarium, das Kristalltal, lockte und sie dann dort einfing, indem er den einzigen Zugang mit einem unheiligen Siegel versperrte, das sich von innen nicht öffnen ließ.

Als die Bäume das vernahmen, peitschten sie wütend mit den Ästen und brachten das dichte Blätterdach in Aufruhr, denn von solch einem Frevel hatten sie in ihrem tausendjährigen Leben noch nicht gehört. Sie hatten sich schon gefragt, ob die Kristalldrachen Endar verlassen hatten, so lange ward keiner von ihnen mehr gesehen. Sie hätten dies bedauert, aber damit zu leben gelernt. Doch das Schicksal, von dem ihnen der Ostwind kündete, hätten sie sich niemals auszumalen vermocht. Der Cerashmon, obschon sogar älter als die Kristalldrachen selbst, ehrte die sanftmütigen Riesen als Lebensspender und Bewahrer aller Schöpfung. Und jeder, der Hand an sie legte, verging sich damit zugleich an allem, was gut und schön in der Welt war.

Der Ostwind strich den Bäumen beruhigend über die Kronen. Die Gefangenschaft der Kristalldrachen sollte nicht von Dauer sein. Tarean gelang es, Kesrondaia aufzuspüren, und mit ihrem Herzen, ihrem Sternkristall, im Gepäck machte er sich nach Süden auf, in Richtung der von Stein und Feuer beherrschten Glutlande. Dort fanden seine Gefährten und er den Eingang zu den sagenumwobenen Dunkelreichen, und sie stiegen hinab, um den Herrn der Tiefe herauszufordern und das Siegel zu brechen. Und es sollte ihnen wirklich gelingen, die Kristalldrachen zu befreien. Allerdings war der Preis dafür hoch, wisperte der Ostwind traurig. Einige von Tareans Gefährten überlebten die Reise in die Dunkelreiche nicht, darunter auch Moosbeere, die Tochter des Cerashmon. Tarean ist nun auf dem Weg hierher, um sie zurück in ihre Heimat zu bringen, so wie sie es sich gewünscht hat.

Betrübt ließen die Bäume die Äste hängen, als sie vom Tod Moosbeeres erfuhren. Doch sie versprachen, auf den Jungen aufzupassen, sobald er die Grenzen ihres Reichs überschritten hatte.

Und der Ostwind wanderte weiter nach Westen, um seine Geschichte in den Arden zu verbreiten.

Tarean schlug die Augen auf und sah sich um. Grünliches Zwielicht umgab ihn, so als läge er auf dem Grund eines tiefen Weihers. Vereinzelte Lichtsprenkel huschten verspielt über den sanft abschüssigen Waldboden und über die dicken, borkigen Stämme der Bäume, die ringsum wuchsen. Es waren winzige Überreste des Sonnenlichts, das auf das dichte Blätterdach hoch über seinem Kopf fiel. Pollen und Blütenstaub von Blumen, die in der ewigen Dämmerung gediehen, schwebten träge in der vom schweren Geruch des Waldes geschwängerten Luft. Ein weiterer schöner Morgen im Herzen des Cerashmon, dachte der Junge mit leichtem Widerwillen, während er sich aufrappelte.

Erst vier Tage war es her, dass er seine Freunde – Auril, Bromm und Haffta – am südlichen Waldessaum des Cerashmon zurückgelassen hatte. Aber Tarean schien es, als wandere er bereits seit einer halben Ewigkeit durch die Finsternis des uralten Waldes, auf der Suche nach etwas, von dem er gar nicht wusste, ob es existierte – geschweige denn, wo er es finden sollte. Moosbeeres Heimat …

Bring mich nach Hause, hatte ihm das Irrlicht zugeraunt, während es sich in einer geheimen Kammer tief im Schoß der Dunkelreiche in Gestalt einer Menschenfrau an ihn geklammert und all seine Kraft durch den Leib des Jungen hindurch in Kesrondaias Herz hatte fließen lassen, den Sternkristall, mithilfe dessen Tarean das Siegel, das die Kristalldrachen einsperrte, zu brechen gehofft hatte. Ohne Moosbeeres Beistand wäre dieses Unterfangen gescheitert, denn Ghorca’than, der Herr der Tiefe, hatte das Siegel mit solch furchtbarer Macht ausgestattet, dass selbst das magische Herz eines Kristalldrachen nichts dagegen ausrichten konnte. Nur dank der Kraft des Irrlichts war es Tarean am Ende gelungen, die Kinder Kesrondaias zu befreien.

Aber der Sieg über den Herrn der Tiefe und seinen unseligen Schüler Calvas, den Tarean bereits einmal getötet hatte und der dennoch zurückgekehrt war, hatte einen schalen Beigeschmack gehabt, denn er hatte Moosbeeres Leben gekostet. Schon einmal hatte sich das Irrlicht für Tarean geopfert. Damals im Thronsaal des Hexers während der Schlacht um At Arthanoc, als Calvas den Jungen mit einer tödlichen magischen Entladung umzubringen gedachte, war Moosbeere herangeeilt und hatte den Blitz mit ihrem winzigen Leib abgefangen. Diesmal allerdings, nach der Befreiung der Kristalldrachen, war es dem Jungen nicht möglich gewesen, seine winzige Gefährtin mithilfe der Alten Macht wieder ins Leben zurückzurufen. Diesmal war ihr Opfer endgültig gewesen.

Es ist schon gut, mein Geliebter, hatte sich Moosbeere von ihm verabschiedet. Sie hatte ihn ihren Geliebten genannt – das erste Mal überhaupt, seit sie sich kannten. Welch bittere Ironie des Schicksals, dass wir auseinandergerissen wurden, kaum dass wir zusammengefunden hatten, dachte Tarean – und das nicht zum ersten Mal seit jenem unheilvollen Tag. Wie viele Monde sind wir gemeinsam unterwegs gewesen? Erst habe ich in ihr nicht mehr als ein vorwitziges kleines Ding gesehen. Dann trat Auril in mein Leben. Schließlich erfuhr ich, dass Moosbeere mehr sein könnte als nur ein handtellergroßes Irrlicht.

Danach hatte fortwährende Verwirrung in seinem Herzen geherrscht. Mal hatte er sich zu Moosbeere, mal zu Auril hingezogen gefühlt. Und keine der beiden hatte ihm die Entscheidung leicht gemacht. Beide waren ihm zur gleichen Zeit nah und schier unendlich fern erschienen. Auril war sich ihrer Zukunft mit Tarean nicht sicher gewesen und hatte daher nach ihrem Wiedersehen im Frühjahr achtsame Distanz gewahrt. Moosbeere dagegen … nun, Moosbeere war ein Irrlicht und ähnelte damit in Tareans Augen der sprichwörtlichen Taube auf dem Dach, denn so wunderbar sie auch sein mochte, ein normales Leben war mit ihr nicht möglich. So zumindest war es Tarean lange Zeit vorgekommen.

Und dann hat Gongathar alles verändert …

Während ihrer Reise gen Süden, in Richtung der Glutlande, waren Tarean und seine Freunde inmitten der Steppe von Nondur auf die wilden Kazzach gestoßen. Auf der Flucht vor ihnen hatte Tarean gemeinsam mit Bromm in einem der unheimlichen Türme der verlassenen Stadt Zuflucht gesucht und dabei eine uralte Macht geweckt, die ihn auf unbegreifliche Art und Weise zweigeteilt hatte.

Zunächst hatte Tarean nur bemerkt, dass er seine Liebe für Auril verloren hatte. Als dann jedoch unvermittelt ein Zwillingsbruder von ihm auf der Bildfläche erschienen war, wurde dem Jungen das Ausmaß des Geschehens erst richtig bewusst. Zwei Herzen hatten bis zu diesem Moment in seiner Brust geschlagen. Gongathar riss sie auseinander und pflanzte sie in zwei verschiedene Körper.

Er hatte stets Widerwillen empfunden, das unheilige Wirken der verborgenen Mächte Gongathars gutzuheißen, doch er musste sich eingestehen, dass er für einige kurze Tage tatsächlich beinahe glücklich gewesen war. Sein Zwilling und Auril hatten zusammengefunden. Und er selbst hatte erkannt, dass es ihm gleichgültig war, ob Moosbeere ein Irrlicht war oder nicht und ob sie ihm als Menschenfrau gegenüberzutreten vermochte oder ihn handtellergroß umschwirrte. Er hatte in ihr die Gefährtin erkannt, die ihm immer treu zur Seite gestanden hatte, die ihn mit ihrer Lebhaftigkeit zum Schmunzeln gebracht und mit ihrer Weisheit in Erstaunen versetzt hatte. Und schließlich hatte er ihr in der Siegelkammer in den Dunkelreichen seine Liebe gestanden.

Dann war sie gestorben – genauso wie Tareans Zwilling.

Hab keine Angst. Bring mich nur nach Hause, wenn all das hier vorüber ist. Das waren Moosbeeres letzte Worte gewesen, und Tarean hatte sich geschworen, diesen Wunsch seiner zauberhaften Gefährtin zu erfüllen. Dafür hatte er sogar seine Ernennung zum ersten Ritter des neu gegründeten Kristalldrachenordens abgelehnt, genau wie seine Freunde. Die von ihren Kindern aus den Ruinen At Arthanocs befreite und vollständig geheilte Kesrondaia hatte ihnen daraufhin zwei Monde Bedenkzeit eingeräumt, zwei Monde, in denen Tarean nicht nur Moosbeeres winzigen, leblosen Körper nach Hause zu bringen gedachte, sondern zudem zurück nach Gongathar reisen musste, denn er hatte Bromm versprochen, herauszufinden, ob auch der Bär während ihres schicksalhaften Eindringens in diese uralte und von unvorstellbaren Mysterien und Schrecknissen erfüllte Stätte einen Zwilling geboren hatte.

Beinahe drei Wochen dieser Frist waren mittlerweile verstrichen. Mit dem Abschied von den Kristalldrachen am Rand des gewaltigen Kraters, der einst die Feste des Hexers gewesen war, war auch der Abschied von einigen anderen seiner Freunde einhergegangen. Janosthin, der settische Hüter der Ruinen von At Arthanoc, war mit Câch’drokk, Kiesel und den übrigen Steinernen zurück in Richtung Tiefgestein aufgebrochen, um seine alte Aufgabe wieder zu übernehmen: die Wacht am Kristalldrachenstein unweit der Stadt der Unterirdischen, der nun, da Kesrondaia und die Ihren zurückgekehrt waren, erneut an Bedeutung gewonnen hatte. Iegi hatte sich unterdessen mit den anderen Vogelmenschen nach Airianis aufgemacht, um sich für den Tod von Shariik zu verantworten, den Iegis Vater, König Ieverin, eigentlich ausgeschickt hatte, um seinen Sohn davon abzuhalten, mit Tarean und den anderen in die Glutlande und von dort aus in die Dunkelreiche vorzudringen. Stattdessen war Shariik, der Sohn des einstigen Himmelsmarschalls Shiraik, gezwungen gewesen, Iegi in die Glutlande zu begleiten. Im Kampf gegen einen Glutlanddrachen war er ums Leben gekommen.

Tarean ahnte, dass dem ungehorsamen Taijirin-Prinzen eine schwere Zeit bevorstand, und er hätte Iegi gern begleitet, um für ihn zu sprechen. Aber er hatte seine eigene Bürde zu tragen, und weil Iegi dies auch wusste, hatte er Tareans Herumdrucksen mit der Erklärung ein Ende gemacht, dass ein Prinz für seine Taten selbst gerade zu stehen habe und sich nicht hinter einem anderen, und möge er es noch so gut meinen, verstecken dürfe. So hatten die Freunde einander eine gute Reise gewünscht, und sich in der unausgesprochenen Hoffnung getrennt, in zwei Monden am selben Ort wieder zusammenzukommen.

Auril, Bromm und Haffta waren bei Tarean geblieben und hatten sich erboten, ihn zum Cerashmon zu begleiten. Bromm, weil er anschließend gemeinsam mit Tarean nach Gongathar gehen wollte, Auril, weil sie die tröstende Präsenz ihres bepelzten Gefährten nach dem Verlust von Tareans Zwilling mehr denn je brauchte, und Haffta, weil Tarean und die anderen die einzigen Freunde waren, auf welche die sippenlose Wolflingfrau sowohl diesseits als auch jenseits der Grauen Berge hoffen durfte.

Gemeinsam waren die vier Freunde nach Westen gereist, Tarean und Auril auf den Rücken von zwei Greifen, Ro’ik und einem weiteren namens Ialshi, und Bromm und Haffta auf ihren vier Beinen neben ihnen her. Sie hatten das nördliche Undur durchquert und danach Astria, hatten den Drakenskal-Pass um Hafftas willen in aller Heimlichkeit und von den dortigen menschlichen und Vasthari-Wächtern unbemerkt überschritten und waren schließlich über Altengrund dem Cerashmon entgegengezogen.

Am Waldrand hatte sich Tarean von seinen Gefährten verabschiedet. »Den Rest des Weges muss ich allein gehen«, hatte er ihnen verkündet. Er konnte nicht sagen, woher er diese Gewissheit nahm. Aber er wusste einfach, dass es ihm allein oblag, Moosbeere an den Ort ihrer Geburt zurückzubringen, einen Ort, den keines Menschen Auge je zuvor erblickt hatte.

Natürlich war weder Bromm noch Auril wohl bei dem Gedanken gewesen, Tarean ohne ihren Schutz ziehen zu lassen. Zu viele Geschichten um fürchterliche Gefahren, die in den Tiefen des alten Waldes lauerten, machten in den Kernlanden die Runde. Man munkelte von Trollen, die im ewigen Zwielicht unter den hoch aufragenden Bäumen ihr Unwesen trieben, und von grausigen Riesenspinnen, deren Netzen auch der stärkste Mann nicht zu entrinnen vermochte. Es ging die Kunde von unheimlichen Gestaltwandlern und von Pflanzen, die nach Menschenblut gierten – von solch gewöhnlichen Ungeheuern wie wilden Ebern und hungrigen Wölfen ganz zu schweigen.

Tarean hatte keine Ahnung, wie viele von diesen Schauergeschichten der Wahrheit entsprachen, auch wenn er argwöhnte, dass es immer noch mehr waren, als ihm lieb sein konnte. Immerhin hatte er bereits auf seiner ersten Reise nach At Arthanoc, während der er nur den Alten Wald, jenen südlichen, zwischen dem Almental und Agialon liegenden Ausläufer des Cerashmons, durchquert hatte, die Bekanntschaft dreier Trolle und einer leidlich großen Spinne gemacht.

Doch diesmal sagte ihm ein seltsames Gefühl, dass er keinen zusätzlichen Schutz benötigen würde, sondern vielmehr unbehelligt den Wald durchwandern konnte. Er vermochte es nicht zu erklären, aber er war sich sicher, dass ihn der Cerashmon einlud, ihn zu betreten. Und ebenso sicher war Tarean, dass sich diese Erlaubnis nicht auf seine Gefährten erstreckte.

Nach viel gutem Zureden war es ihm am Ende gelungen, die anderen davon zu überzeugen, am Waldrand auf ihn zu warten. Eine Woche hatte ihm Auril zugestanden, und Tarean war zuversichtlich gewesen, dass das ausreichen würde. Schließlich musste er nur ein einziges Irrlicht finden, das ihm den rechten Weg wies – was zugegeben nach einem Widerspruch in sich klang. Aber wenn Irrlichter tatsächlich so etwas wie ein Zuhause hatten, und Moosbeeres Worten zufolge war das so, sollten sie doch zumindest dorthin zurückfinden können. Das hoffte Tarean zumindest.

Mittlerweile allerdings war der fünfte Tag der gesetzten Frist angebrochen, und er war seinem Ziel nicht näher als am ersten. Denn obschon ihn die Geschöpfe des Waldes bislang nicht behelligt hatten, so hatte sich doch auch keines dazu herabgelassen, ihm bei seiner Suche zu helfen. Genau genommen hatte der Junge nicht einmal eines der fabelhaften Geschöpfe zu Gesicht bekommen, die den Cerashmon dem Volksglauben nach bewohnten. So war er, einem äußerst vagen Gefühl folgend, aber im Grunde völlig orientierungslos, immer tiefer in das Herz des Waldes eingedrungen.

Inzwischen trennten ihn so viele Meilen gleichförmigen Unterholzes vom Waldrand, dass er sich ernsthaft fragte, ob er jemals wieder den Weg zurück finden würde, sobald er seine tote Gefährtin erst einmal zu ihrem Volk gebracht hatte. Darüber hinaus fragte er sich, wie er Auril und die anderen wiederfinden sollte, denn dass er rechtzeitig zu ihnen zurückkehrte, war bereits ausgeschlossen, und sie hatten aus irgendeinem Grund keine weiteren Absprachen getroffen. Aber er schob diese Gedanken beiseite. Damit würde er sich befassen, wenn es nötig wurde.

Sein Blick fiel auf seine Tasche, die an dem niedrigen Ast eines Baumes hing und neben seiner Wegzehrung und einigen nützlichen Reiseutensilien auch die kleine, mit Schnitzereien verzierte Holzschatulle enthielt, die ihm Janosthin geschenkt hatte und in der Moosbeeres winziger, lebloser Leib lag. Tarean hob den Arm, nahm die Tasche vom Ast und schlang sie sich über die Schulter. Beinahe gegen seinen Willen fuhr seine Hand ins Innere und holte die Schatulle hervor. Sie erinnerte an ein Kästchen, in dem man Pfeifen oder Schreibzeug aufbewahrte. Und vielleicht hatte sie früher wirklich diesem Zweck gedient. Nun ruhte, eingeschlagen in ein Stück weiches Tuch, Moosbeere darin.

Für einen Moment war er versucht, die Schatulle aufzuklappen und einen Blick auf das Irrlicht zu werfen. Doch allein bei dem Gedanken spürte er, wie sich ein Kloß in seinem Hals bildete, und so zog er die Hand wieder vom Schloss zurück und begnügte sich damit, in einem Aufwallen plötzlicher Zärtlichkeit über die glatte Holzoberfläche zu streichen. Er musste das Kästchen nicht öffnen. Er wusste, was ihn im Inneren erwartete, denn er hatte oft genug hineingeschaut: eine zeitlos junge Frau, deren zarter Körper von schmetterlingsartigen Flügeln halb zugedeckt war und auf deren wunderschönem, von langem, blondem Haar eingerahmten Gesicht ein Ausdruck des Friedens lag, der einen glauben lassen mochte, sie schliefe nur.

Tatsächlich hatte der Tod Moosbeere auch während ihrer dreiwöchigen Reise nichts anhaben können. Sie wirkte noch immer so unberührt von Verfall und Verwesung wie am ersten Tag. Hätte ihr Körper, der früher zu allen Zeiten wie ein winziger Stern gestrahlt hatte – oder zumindest von einer sanft goldenen Lichtaura umgeben gewesen war –, nicht jeden Glanz verloren, wäre Tarean verführt gewesen anzunehmen, er müsse das Irrlicht nur einmal anstupsen, um es ins Leben zurückzurufen.

Natürlich war dem nicht so. Er hatte es in seiner Verzweiflung mehr als einmal versucht. Ach Moosbeere …

Tarean seufzte und schob die Schatulle in seine Tasche zurück. Dann schnallte er sich das Schwert seines Mentors Wilfert sowie Esdurial, die Kristalldrachenklinge seines Vaters Anreon, auf den Rücken, damit sie ihn bei der Wanderung durch das Unterholz des Waldes nicht behinderten. Er warf sich den dunkelgrünen Kapuzenmantel über, den er in Altengrund gekauft hatte, um endlich den vor einigen Wochen am Bruch verlorenen Reisemantel zu ersetzen. Zu guter Letzt ergriff er den Drachenstab, den er zugleich als Wanderstab nutzte, und zog los.

Gleichwohl es in den Tiefen des Cerashmon weder Weg noch Steg gab, sah man von gelegentlichen Wildwechseln ab, war der Pfad, den Tarean wählte, kein völlig zufälliger. Er hätte nicht zu sagen vermocht, woher er das Wissen nahm, doch eine Ahnung lenkte seine Schritte in eine ganz bestimmte Richtung. Inwieweit er dieser Ahnung trauen durfte, würde sich in naher Zukunft zeigen. Sein Vorrat an Proviant hatte bereits bedenklich abgenommen, und die Ausbeute an Nahrung, die Tarean dem Cerashmon hatte abringen können, war äußerst spärlich. Wenn nicht bald etwas geschah, war er gezwungen, umzukehren. Aber noch ist es nicht so weit!

Tarean wandte sich nach links und erklomm die sanfte Anhöhe, an deren Abhang er genächtigt hatte. Die fächerförmigen Blätter kniehoher Farne strichen um seine Beine, und Laub und totes Geäst knisterte unter seinen Stiefelsohlen. Er war sich ziemlich sicher, dass ihn seine Wanderung mehr oder weniger genau nach Nordwesten führte, wenngleich es unter dem dichten Blätterdach, das sich hoch über seinem Kopf erstreckte, schwer war, den Stand der Sonne und somit die Himmelsrichtungen zu bestimmen.