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© 2021 Rebecca Baumann

Bild Buchcover und Bilder Bildungseinrichtung mit freundlicher Genehmigung von Alfred Schulz (Geschäftsführer DRK Landesschule BW gGmbH)

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN 9 783754 394878

Inhalt

  1. Einleitung
  2. Der Raum als Variable in der Notfallsanitäterausbildung
  3. Qualitative Bildanalyse der Klassenräume der Bildungseinrichtung Ravensburg
  4. Umgestaltungsmöglichkeiten für die Lernumgebung der Bildungseinrichtung Ravensburg der DRK Landesschule BW
  5. Fazit
  6. Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Ein mögliches Raumkonzept für die Umsetzung von SOL im LF in der NotSan-Ausbildung. Hauptraum (HR), Gruppenraum (GR), Simulationsraum (SR), Lehrerzimmer (LZ). Quelle: eigene Darstellung

Abbildung 2: Veranschaulichung der Raumbezeichnungen aus der Bildanalyse in Gebäude 1 und 2. KR = Klassenraum, DR = Durchgangsraum, ZR = Zusatzraum. Quelle: In Anlehnung an Hendl, 11.03.2020, o.S

Abbildung 3: Verteilung der Räumlichkeiten nach dem Clusterkonzept aus Kapitel 2.3 bei sechs Klassen. Hauptraum (HR), Differenzierungsbereich (DB): DB 1 für Stillarbeit, DB 2 und 3 für kooperative Lernformen, Gruppenraum (GR), Simulationsraum (SR), Ruhebereich (RB). Quelle: In Anlehnung an Hendl, 11.03.2020 und Hendl, 06.05.2019

Abbildung 4: Verteilung der Räumlichkeiten nach dem Clusterkonzept aus Kapitel 2.3. bei fünf Klassen. Räume, die baulich verändert werden müssten sind rot umrandet.

Abbildung 5: Verteilung der Räumlichkeiten nach dem Clusterkonzept aus Kapitel 2.3 bei vier Klassen. Räume, die baulich verändert werden müssten sind rot umrandet.

Abbildung 6: Klassenraum 1 Perspektive 1. Quelle eigene Darstellung

Abbildung 7 : Klassenraum 1 Perspektive 2. Quelle eigene Darstellung

Abbildung 8: Klassenraum 2 Perspektive 1. Quelle eigene Darstellung

Abbildung 9: Klassenraum 2 Perspektive 2. Quelle eigene Darstellung

Abbildung 10: Klassenraum 3 Perspektive 1. Quelle eigene Darstellung

Abbildung 11: Klassenraum 3 Perspektive 2. Quelle eigene Darstellung

Abbildung 12: Klassenraum 4 Perspektive 1. Quelle eigene Darstellung

Abbildung 13: Klassenraum 4 Perspektive 2. Quelle eigene Darstellung

Abbildung 14: Klassenraum 5 Perspektive 1. Quelle eigene Darstellung

Abbildung 15: Klassenraum 5 Perspektive 2. Quelle eigene Darstellung

Abbildung 16: Klassenraum 6 Perspektive 1. Quelle eigene Darstellung

Abbildung 17: Klassenraum 6 Perspektive 2. Quelle eigene Darstellung

Abbildung 18: Zusatzraum 1 Perspektive 1. Quelle eigene Darstellung

Abbildung 19: Zusatzraum 1 Perspektive 2. Quelle eigene Darstellung

Abbildung 20: Zusatzraum 2 Perspektive 1. Quelle eigene Darstellung

Abbildung 21: Zusatzraum 2 Perspektive 2. Quelle eigene Darstellung

Abbildung 22: Zusatzraum 3 Perspektive 1. Quelle eigene Darstellung

Abbildung 23: Zusatzraum 3 Perspektive 2. Quelle eigene Darstellung

Abbildung 24: Zusatzraum 4 Perspektive 1. Quelle eigene Darstellung

Abbildung 25: Zusatzraum 4 Perspektive 2. Quelle eigene Darstellung

Abbildung 26: Durchgangsraum 1 Perspektive 1. Quelle eigene Darstellung

Abbildung 27: Durchgangsraum 1 Perspektive 2. Quelle eigene Darstellung

Abbildung 28: Durchgangsraum 2 Perspektive 1. Quelle eigene Darstellung

Abbildung 29: Durchgangsraum 2 Perspektive 2. Quelle eigene Darstellung

Abbildung 30: Durchgangsraum 3 Perspektive 1. Quelle eigene Darstellung

Abbildung 31: Durchgangsraum 3 Perspektive 2. Quelle eigene Darstellung

Abbildung 32: Bauplan der Schulräume in Gebäude 1. Quelle: Hendl, 11.03.2020, o.S.

Abbildung 33: Bauplan der Schulräume im zweiten Stock in Gebäude 2. Quelle: Hendl, 06.05.2019, o.S.

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Wirkung der einzelnen Farbnuancen. Bei Mischfarben entscheidet das Verhältnis über die Wirkung

Tabelle 2: Schritt eins der Bildanalyse - vor-ikonografische Beschreibung Klassenraum 1

Tabelle 3: Ikonografische Analyse des Klassenraum 1.

Abkürzungsverzeichnis

BW Baden-Württemberg
DQR Deutscher Qualifikationsrahmen
DRK Deutsches Rotes Kreuz
KMK Kultusministerkonferenz
LF Lernfeld
NotSan Notfallsanitäter
NotSanG Notfallsanitätergesetz
SOL Selbstorganisiertes Lernen

1 Einleitung

Schulen sind Gebäude, die dem Lernen einen Ort geben sollen. Im Laufe eines Lebens verbringen Schüler*innen viele Stunden in diesen Gebäuden. Dabei steht der Erwerb neuer Fähigkeiten im Mittelpunkt, der durch die Veränderung des Verhaltens der Lernenden sichtbar wird (vgl. Kiesel & Koch, 2012, S. 11). Gelernt wurde also, wenn die Person nun etwas kann, was sie vorher nicht konnte. Dieser Lernprozess bedient sich vieler Kanäle wie z.B. zuhören, lesen, diskutieren oder gar etwas anderen erklären. Die Entscheidung, wie das Lernen abläuft trifft der Lernende selbst. Somit handelt es sich um eine höchst individuelle Entscheidung, die dem Prinzip, dass in der Schule alle dasselbe lernen sollen, widerspricht (vgl. Watschinger & Weyland, 2017, S. 63ff.).

Trotz, dass die Pädagogen wissen, dass Lernen ein hoch individueller Prozess ist und „Wissen nicht übertragbar ist, sondern in den Gehirnen eines jeden Lernenden neu geschaffen werden muss“ (Ohder et al., 2014, S. 39) ist die führende Unterrichtsvariante in den Schulen das lehrergelenkte Unterrichtsgespräch (vgl. Hirsch, 2017, S. 3). Die Verfasserin hat selbst die Erfahrung gemacht, dass bei vermehrten Gruppenarbeiten oder Selbstlernphasen seitens der Schüler*innen eine starke Abneigung gegenüber diesen Unterrichtsformen auftritt. Dies bestärkt die Lehrenden, die den lehrerzentrierten Unterricht bevorzugen in ihrer Position. Diese Diskrepanz zwischen pädagogischem Verständnis, eigenem Anspruch und der Motivation und Akzeptanz der Lernenden erlebt die Verfasserin bei ihrer Arbeit als Lehrkraft fast täglich.

Viele Varianten der Unterrichtsgestaltung wurden von ihr in den letzten Jahren mit ihren Kolleg*innen im Rahmen der Schul- und Unterrichtsentwicklung ausgearbeitet, durchgeführt und reflektiert. Dabei machte sie die Erfahrung, dass manche Gestaltungsideen sich besser in der Praxis umsetzen und verwirklichen ließen als andere. Über alle Lernformen hinweg kollidierte die pädagogische Unterrichtsplanung immer wieder mit der vorhandenen Lernumgebung. Umso mehr die Individualität der einzelnen Schüler*innen in der Planung und Durchführung des Unterrichts berücksichtigt wurde, umso schneller wurden die räumlichen Grenzen der Lernumgebung sichtbar. Absprachen im Kollegium über die Aufteilung und Nutzung der Räume halfen hierbei nur begrenzt weiter. Denn nicht nur die Anzahl der Räume, sondern auch die Ausstattung erschwerten die Umsetzung schülerzentrierten und selbstorganisierten Unterrichts. Versuche, die räumlichen Frontalstrukturen aufzubrechen und den Raum umzugestalten endeten meistens damit, dass alle Tische wieder frontal ausgerichtet in Reihe oder in U-Form standen. Zunehmend entwickelte die Verfasserin Verständnis für die Abneigung der Schüler*innen bezüglich schülerzentrierter Lernformen, die das Label selbstorganisiert, selbstgesteuert oder selbstbestimmt tragen. Wie soll in einem für frontal und lehrerzentrierten Unterricht ausgelegten Raum die Motivation und Begeisterung für schülerzentrierten Unterricht entstehen?

In der pädagogischen Fachliteratur existieren zahlreiche Quellen zu den verschiedensten Bestandteilen von Unterricht: didaktische Struktur, methodisches Vorgehen, Aktivierung der Lernenden, Teamentwicklung und vieles mehr. Hingegen ist die Lernumgebung in der pädagogischen Literatur zunächst selten bis gar nicht zu finden, obwohl die Gestaltung und Struktur der Schulräume als wesentliches Qualitätskriterium bei Schulen betrachtet wird (vgl. Nitsche et al., 2013, S. 153). Erst in jüngster Zeit findet eine intensivierte Auseinandersetzung mit der Variable Raum als Lernraum und Pädagoge statt.

Bei der Betrachtung der geschichtlichen Entwicklung des Klassenraums fällt auf, dass immer wieder Umstrukturierungsbewegungen auftauchen, die den Klassenraum dezentralisieren und entmilitarisieren. Rudolf Steiner, Maria Montessori und Célestin Freinet sind für ihre neu gedachten Schul- und Unterrichtskonzepte bekannt. Dennoch sind diese offenen und schülerzentrierten Raumkonzepte bis heute in der Unterzahl und es dominiert weitläufig in vielen Klassenräumen die frontale Ausrichtung (vgl. Trapp, 2011, S. 10ff.). Auch die Optik der Schulgebäude erhält von Lernenden und Lehrenden Negativbewertungen (vgl. Schönig & Schmidtlein-Mauderer, 2013, S. 70). Kastenförmige Bauten mit langen Fluren und identisch gebauten wie auch ausgestatteten Räumen erwecken weder bei Lernenden noch bei Lehrenden das Bedürfnis der individuellen Entfaltung. Schüler*innen bezeichnen Klassenzimmer sogar als Räume, in denen sie sich nicht gerne aufhalten (vgl. Watschinger & Weyland, 2017, S. 142).

„Schulen, die als reine Belehrungsanstalten konzipiert sind, werden die darin Tätigen auffordern bzw. dazu verleiten, bei der frontalen Vermittlung bzw. beim passiven Konsumieren zu verbleiben. Schulen, die als vielfältige Lernlandschaften gestaltet sind, werden entsprechende Haltungen und neue, vielfältige Spielweisen im Sinne einer erweiterten Lernkultur hervorbringen“ (Watschinger & Weyland, 2017, S. 167).

Da vielerorts das Gebäude mit seiner Grundstruktur bereits vorhanden ist, besteht die Frage, ob in einer bestehenden Schule aus einem geschlossenen ein offenes Schulkonzept entstehen kann. Im Rahmen dieser Arbeit werden die Lernräume der Landesschule Baden-Württemberg (BW) des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in der Bildungseinrichtung Ravensburg betrachtet. Diese Schule wurden ausgewählt, da die Verfasserin dort als Lehrkraft arbeitet und somit direkten Zugriff auf die Räume hat. Ebenso stellt die Analyse dieser Räume ein persönliches Interesse der Verfasserin dar. Zusätzlich beinhaltet das pädagogische Leitbild der Berufsschule (siehe Anhang D) die Forderung nach schülerzentriertem Unterricht. Bei der Betrachtung der Räume spielt allerdings nicht nur die Öffnung des Raumkonzeptes eine Rolle. Auch die speziellen Anforderungen, die durch das selbstorganisierte Lernen (SOL) im Lernfeld (LF) in der Ausbildung zum Notfallsanitäter*in (NotSan) entstehen, müssen bei der Bewertung der Räume berücksichtig werden. Das Ziel dieser empirischen Arbeit ist es mittels qualitativer Bildanalyse die vorhandenen räumlichen Strukturen hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Nutzer*innen zu analysieren. Hierbei steht das SOL im LF im Fokus, da die Kultusministerkonferenz (KMK) die Förderung der Selbstorganisationskompetenz in der beruflichen Bildung fordert (vgl. KMK 14.12.2018, S. 14).

Die Bildanalyse wurde gewählt, da die Wirkung eines Raumes größtenteils optisch wahrgenommen wird und sich somit eine statische Situation herstellen lässt, welche wissenschaftlich besser reproduzierbar ist. Die fehlende Perspektive der Lernenden wie auch die Perspektive des Lehrerkollegiums wird hierbei bewusst in Kauf genommen. Für die Bildanalyse wird das Verfahren der Ikonografie und Ikonologie von Erwin Panofsky in angepasster Variante angewendet, um eine bestmögliche Motivanalyse nach festgelegten Kriterien zu erstellen. Qualitativ-deduktiv werden Verbesserungsvorschläge erarbeitet, um die Anforderungen der Lernfeldpädagogik in den gegebenen Räumen umzusetzen. Aus der Zielsetzung kann folgende Forschungsfrage für diese Arbeit abgeleitet werden:

Nach welchen Kriterien und mit Hilfe welcher Gestaltungselemente könnten die Klassenräume an der Bildungseinrichtung Ravensburg der DRK Landesschule BW zu Lernräumen umgestaltet werden, um das selbständige Lernen zu fördern und zu unterstützen?

Um die Forschungsfrage beantworten zu können wird in der nachfolgenden Arbeit in einer vorgeschalteten Literaturarbeit der aktuelle Wissensstand dargelegt. Die Lernumgebung wird hinsichtlich ihrer Bestandteile und deren Wirkung auf das Lernen beleuchtet. Anschließend erfolgt die kurze Zusammenfassung der schulischen Ausbildung zum NotSan und das damit verbundene Lernfeldkonzept inkl. SOL. Die Beleuchtung unterschiedlicher offener Raumkonzepte dient der Ermittlung der optimalen Raumstruktur für die NotSan-Ausbildung. Die besonderen Anforderungen, die Notfallsanitäterschüler*innen und die Lehrenden an die Lernumgebung stellen sind Grundlage für ein fundiertes Verbesserungskonzept. Nach der Literaturarbeit erfolgt die qualitative Bildanalyse der Klassenräume der Bildungseinrichtung Ravensburg. Die Raum- und Bildauswahl, wie auch die Struktur der Bildanalyse werden dargelegt und begründet, um eine hohe Transparenz des Vorgehens gewährleisten zu können. Bei der genauen Darstellung des Vorgehens der einzelnen Schritte der Bildanalyse werden die Ergebnisse des jeweiligen Schrittes zusammenfassend dargestellt. Aufgrund des Umfangs ist die gesamte Bildanalyse in diesem Band nicht im Anhang abgebildet und kann auf Anfrage bei der Verfasserin eingesehen werden. Es befindet sich der Codeplan der Bildanalyse als Auszug des Klassenraum 1 im vorliegenden Band. Das Umgestaltungskonzept für die analysierten Räume vereint die Ergebnisse der Bildanalyse mit der Literaturarbeit. Hierbei handelt es sich um den pädagogischen Blickwinkel auf die Raumgestaltung. Eine Überprüfung bezüglich Umsetzbarkeit muss durch die jeweiligen Schulleitung und Fachgewerke zwingend erfolgen. Abschließend werden die Beantwortung der Forschungsfrage und die zentralen Ergebnisse dieser Arbeit zusammengefasst und ein Ausblick für zukünftige Forschungsarbeiten gegeben.

2 Der Raum als Variable in der Notfallsanitäterausbildung

Die berufliche Bildung stellt in jedem Fachbereich sehr individuelle Anforderungen an die Lernumgebung. So benötigen Schreiner*innen in ihrer Ausbildung eine andere Lernumgebung als die NotSan. Um die Anforderungen klar herausarbeiten zu können wird im Folgenden der pädagogische Raum und der schulische Teil der NotSan-Ausbildung beleuchtet. Anschließend werden die speziellen Anforderungen, die sich aus den pädagogischen Vorgaben ergeben, auf die Lernumgebung übertragen und ein lernförderliches Raumkonzept speziell für die NotSan-Ausbildung aufgezeigt.

2.1. Der pädagogische Raum

„Vom Gründer der Reggio-Pädagogik, Loris Malaguzzi, stammt der Satz: 'Der erste Lehrer sind die Schüler, der zweite die Lehrer und der dritte die Räume!'„(Stadler-Altmann, 2016, S. 114). Lernenden und Lehrenden wird in der Wissenschaft viel Aufmerksamkeit geschenkt. Den Räumen hingegen fast gar keine. Und dass, obwohl der massive Einfluss des Raumes auf die Leistungsfähigkeit, das Wohlbefinden wie auch die Gesundheit aller Beteiligten bekannt ist (vgl. Stadler-Altmann, 2016, S. 29). „Räume können [nämlich] elementare Gefühle in uns auslösen“ (Opp & Brosch, 2010, S. 10).