Impressum:
© 2021 Maria Roth
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 9783754399583
Katzen sind…
...lieb und verschmust und bei vielen Menschen beliebt.
Katzen sind…
...sehr individuell und durchaus in der Lage, ihre Menschen zu erziehen.
Katzen sind…
...kleine Rebellen, die tun, was sie wollen.
Katzen sind…
… Einzelgänger mit geselligen Neigungen.
Katzen sind…
...geliebte Gefährten oder Tiere, die man nicht mag.
Katzen sind…
...mal schmusig, mal Kratzbürsten...
Katzen sind…
...Tiere, deren seelische Befindlichkeiten ganz schnell wechseln können…
Katzen sind…
…manchmal einfach verschwunden und der Mensch kann sie nicht mehr finden…
...und hier beginnt unsere Geschichte…
Der kleine Tiger, der von der lieben Marie mit seinen beiden Schwestern von einer Futterstelle für heimatlose Katzen gerettet wurde, führt ein glückliches Leben. Marie, die seinen Namen Tiger, den er von seiner Mutter bekommen hat, natürlich nicht kennt, nennt ihn Luis. Luis lebt also glücklich und zufrieden mit ein paar anderen Katzen bei Marie. Am liebsten mag Luis die blinde Lilly. Sie wurde ebenfalls von der lieben Marie gerettet.
Eines Tages gerät Tigers Welt völlig aus den Fugen. Am Abend kommt Tiger von einem Streifzug durch die Nachbarschaft nach Hause. Vor Maries Haus steht so ein furchtbar lautes, stinkendes Ding, das einen Höllenlärm macht. Tiger rennt panisch davon. Nur weg von diesem riesigen, stinkenden Ding! Er rennt und rennt, bis er völlig erschöpft ist. Erst jetzt wird ihm klar, dass er den Heimweg nicht mehr finden kann. Verzweifelt sucht Tiger sein Zuhause und kann es nicht finden. Zum Glück findet Tiger einen geschützten Unterschlupf in Rudolfs Werkstatt. Rudolf und seine Frau Emma verlieben sich in Tiger und möchten ihm ein Zuhause schenken, doch Tiger vermisst Marie und Lilly. Verzweifelt sucht er sein zu Hause...
„Tiger, sofort kommst du zu mir!“
Die aufgeregte Stimme unserer Mutter unterbrach unser ausgelassenes Spiel an diesem warmen Nachmittag. Widerwillig lief ich, gefolgt von meinen beiden Schwestern, zu unserer Mutter.
„Wie oft habe ich euch schon gesagt, dass ihr nicht an die Straße rennen dürft. Das ist sehr gefährlich. Tiger, du solltest auf deine Schwestern aufpassen,“ sagte unsere Mutter und ihrer Stimme klang nicht ärgerlich, sondern war voller Angst.
„Mama, es tut mir leid,“ sagte ich schuldbewusst. „Wir waren so schön am Spielen und haben die stinkenden Dinger vergessen von denen du immer sagst, dass sie sehr gefährlich sind.“
„Werden wir nicht mehr machen,“ sagte meine Schwester Lela, die viel kleiner als meine zweite Schwester Aischa war.
Lela war das Sorgenkind unserer Mutter.
Während Aischa und ich gierig unsere Milch getrunken hatten, wollte Lela nie so viel trinken. Inzwischen tranken wir keine Muttermilch mehr. Unsere Mutter war in großer Sorge, weil Lela nur wenig essen wollte.
Wir folgten unserer Mutter zu einer Höhle, die in einem kleinen Wald hinter dem Einkaufsmarkt war. Hier war unser Zuhause. Wenn es Nacht wurde und alle Menschen verschwunden waren, gingen wir zu dem Müllcontainer. Geschickt kletterte unsere Mutter in den Müllcontainer und fischte Fleisch-und Wurstreste aus dem Müll. Die erbeuteten Happen teilte sie mit uns. Wir durften nicht in den Müllcontainer, weil unsere Mutter befürchtete, dass wir nicht schnell genug raus klettern konnte, wenn Gefahr drohte.
Unsere Mutter hatte uns beigebracht uns sofort zu verstecken, wenn Menschen in der Nähe waren. Doch nicht nur die Menschen waren eine Gefahr für uns, sondern auch die anderen Katzen, die hier mit uns zusammenlebten. Sie verstanden keinen Spaß, wenn es ums Futter ging.
Katzenkinder wie wir, wurden sofort verjagt. Manchmal hatten wir Glück und die Menschen, welche in dem Einkaufsmarkt arbeiteten, stellten die Tüten mit den Fleisch-und Wurstresten neben den Abfallcontainer. In diesem Fall waren wir klein und wendig wie wir waren im Vorteil und erhaschten den ein oder anderen leckeren Bissen.
Meine Schwestern und ich waren mit unserem Leben zufrieden auch wenn manchmal unsere Bäuche knurrten. Wir kannten kein anderes Dasein. Unsere Mutter hatte uns gelehrt, Mäuse zu jagen, was uns inzwischen recht gut gelang.
Konnten wir eine Maus fangen, waren wir sehr stolz und unser Hunger wurde durch die Beute geringer.
Eine weitere Nahrungsquelle war ein Futterhaus, das hinter dem Einkaufsmarkt in einer verborgenen Ecke stand. Zweimal in der Woche kam eine Frau und stellte leckeres Futter in das Haus. Wir hatten schnell gelernt, das Futterhaus an den Tagen, an denen die Frau kam, im Auge zu behalten. Einen Tag konnten wir uns besonders gut merken. An diesem Tag waren keine Menschen auf dem Parkplatz unterwegs, die ihre Wagen zu den stinkenden Dingern schoben. Der Einkaufsmarkt war geschlossen und im Müllcontainer gab es keine Reste für uns.
Wir versteckten uns mit unserer Mutter in dem kleinen Wald und warteten geduldig bis die Frau kam. Sobald sie weg war, sprinteten wir zum Futterhaus und stillten unseren Hunger. Das Nassfutter, welches die Frau in das Futterhaus stellte, war besonders begehrt. Während die anderen Katzen den Tag verschliefen, konnten wir uns daran satt essen. Bis zur nächsten Fütterung gab es nur noch Trockenfutter für uns, das wir uns mit den anderen Katzen teilen mussten.
So lebten wir ganz gut in der Nähe der Menschen, waren aber für die Menschen unsichtbar wie Geister. Manche von uns hatten keine Angst davor, die Nähe der Menschen zu suchen. Diese Katzen waren eindeutig im Vorteil, denn sie bekamen von den Menschen, die in dem Einkaufsmarkt arbeiteten, den ein oder anderen Happen zugeworfen. Lela, Aischa und ich kannten die Gefahren, die von Menschen ausging, nur aus den Erzählungen unserer Mutter.
Diese hatte uns untersagt, uns den Menschen zu zeigen. Halbherzig hielten wir uns daran, denn wir waren sehr neugierig und nicht selten quälte uns der Hunger. Manchmal, wenn uns unsere Mutter unbeaufsichtigt ließ, suchten wir die Nähe der Menschen, die ganz entzückt von uns Katzenkindern waren. Wir bekamen leckeres Futter und verstanden die Warnungen unserer Mutter immer weniger.
Eines Tages machten wir Bekanntschaft mit einem großen schwarz-weißen Kater.
Es war der Tag, an dem es auf dem Parkplatz ruhig war. Wir warteten auf die Frau, die uns Futter brachte. Unsere Mutter war an diesem Tag alleine unterwegs. Das kam in den letzten Tagen oft vor. Wir seien jetzt alt genug und mussten lernen, alleine zurechtzukommen, sagte sie uns. Die Aussage unserer Mutter machte uns unsicher und wir vermissten sie. Wir liefen uns im Spiel hinterher, als der große Kater auf dem Parkplatz auftauchte und unser Futterhaus in Augenschein nahm.
„Da ist noch nichts drin,“ sagte Aischa, die die Mutigste von uns dreien war.
„Nicht schlimm,“ sagte der Kater. „Ich war nur neugierig und wollte wissen, was es mit diesem Haus auf sich hat. Es riecht ganz gut da drin. Nach Katzenfutter würde ich sagen.“
„Ja, wir warten auf die Frau, die uns neues Futter in unser Futterhaus stellt,“ sagte ich.
„Eine Frau stellt euch Futter da rein. Das finde ich aber merkwürdig,“ sagte der Kater und sah uns verwundert an.
„Was findest du daran merkwürdig,“ fragte ich und war ebenfalls verwundert.
„Warum stellt euch jemand in so ein altes Häuschen Futter? Ich habe meinen Futterplatz zu Hause in der Küche. Dort gibt es eine schöne Unterlage und natürlich habe ich wunderschöne Schüsseln. Auf Futter warten muss ich nie,“ sagte der schwarz-weiße Kater. „Meine Menschen nennen mich Pan und wie sind eure Namen?“ Meine Schwestern und ich verstanden nicht was uns dieser fremde Kater erzählte. Er war wohlgenährt, hatte ein wunderschönes seidiges Fell und unterschied sich somit von den Katzen, die wir kannten. Die Katzen in unserem Umfeld waren dünn und ungepflegt. Manche hatten Verletzungen und eine musste mit drei Beine zurechtkommen.
„Ich bin Tiger und das sind meine
Schwestern Lela und Aischa. Ich verstehe nicht, was du uns erzählst. Was ist eine Küche und wieso lebst du bei Menschen,“ fragte ich verwundert. „Wir leben dort in dem kleinen Wald in einer Höhle.“„O, jetzt verstehe ich. Ihr seid Streuner,“ sagte Pan und blickte uns mitleidig an.
„Keine Ahnung,“ sagte ich. „Wir wurden hier geboren. Wo lebst du“, fragte ich neugierig.
„Ich lebe mit meinen Menschen in einem großen Haus,“ sagte Pan. „Ihr seid arme Streuner. Wenn erst der Winter kommt wird es für euch sehr ungemütlich. Im Winter gehe ich kaum vor die Tür, weil es da furchtbar kalt ist.“
Meine Schwestern und ich sahen uns verständnislos an. Dieses schöne Leben, das es für Katzen geben konnte, war uns unbekannt. Manchmal, wenn wir auf der Suche nach Mäusen umherstreiften, sahen wir in die Häuser der Menschen und was wir sahen, ließ uns erahnen, dass es in einem Haus angenehm war. Unsere Mutter kannte dieses Leben. Vor einigen Jahren hatte sie in so einem Haus gelebt und sie träumte noch heute von dieser schönen Zeit. Sie war eine ganz junge Katze und trug ihre ersten Kinder in ihrem Bauch, als die Menschen sie zu dem Wald fuhren und alleine zurückließen. Von diesem Tag an musste unsere Mutter um das Leben ihrer Kinder, die sie zweimal im Jahr zur Welt brachte und ihr eigenes Leben hart kämpfen. Sie wurde immer ganz traurig, wenn sie uns von dieser schönen Zeit erzählte.
„Ich hätte auch gerne so ein schönes Leben,“ sagte Lela traurig. „Wie hast du das geschafft, Pan?“
„Naja, ich musste eigentlich nichts tun. Ich lebte schon mit meiner Mutter und meinen Geschwistern in einem Haus. Eines Tages kamen meine Menschen und haben mich in ein neues Haus gebracht. Am Anfang war ich voller Angst und habe meine Familie schrecklich vermisst, doch das war nur kurze Zeit so. Heute liebe ich meine Menschen über alles. Sie würden alles für mich tun. Macht’s gut. Ich muss nach Hause. Meine Menschen haben heute frei und da ist Kuscheln angesagt,“ sagte Pan und verschwand.
Wir blieben ratlos zurück.
„Ich hätte auch gerne ein Zuhause,“ sagte die kleine Lela.
„Ich auch,“ sagte ich und Aischa nickte zustimmend.
„Wir gehen zu Mama und fragen sie, ob wir ein Zuhause bekommen,“ schlug ich meinen Schwestern vor.
„Das ist eine gute Idee,“ sagte Aischa.
Wir machten uns auf den Weg zu der Höhle. Als wir dort ankamen, stellten wir fest, dass unsere Mutter immer noch nicht zurück war. Wo war sie nur? So langsam machten wir uns Sorgen. Sonst hatte sie mit uns zusammen auf die Frau gewartet.
Heute waren wir alleine auf dem Parkplatz.
Das Nassfutter war weg, denn außer uns hatten zwei weitere Katzen gewartet. Wir mussten warten, bis die erwachsenen Katzen ihren Hunger gestillt hatten. Von den Resten wurden wir nicht satt und so mussten wir uns mit Trockenfutter begnügen. Jetzt waren unsere Bäuche gut gefüllt und wir wurden schläfrig. Erschöpft kuschelten wir uns in einer Ecke zusammen und schliefen ein.
Ich erwachte und erblickte unsere Mutter.
Schlaftrunken tapste ich zu ihr. Als es mir gelang, endlich den Schlaf abzuschütteln, fragte ich sie: „Wo warst du. Wir haben am Futterhaus auf dich gewartet. Da waren noch zwei andere Katzen und wir konnten uns am Nassfutter nicht satt essen.“
„Ach, kleiner Tiger, ihr müsst jetzt langsam lernen, alleine zurechtzukommen. Ich kann nicht ewig für euch sorgen,“ sagte unsere Mutter.
„Aber du bist doch unsere Mama,“ sagte ich traurig.
„Ja, kleiner Tiger, ich bin eure Mama und das werde ich auch immer sein, aber ihr müsst lernen alleine zurechtzukommen,“ sagte unsere Mutter.
„Mama, wir haben vorhin auf dem Parkplatz einen Kater kennengelernt, der ein Zuhause hat. Wir wollen auch ein Zuhause,“ sagte ich und blickte meine Mutter erwartungsvoll an.
„Ja, wir wollen auch ein Zuhause,“ sagte Lela, die ebenfalls erwacht war und auch Aischa war zur Stelle.
„Das ist nicht so einfach,“ sagte unsere Mutter und wir hörten die Traurigkeit in ihrer Stimme. „Wir sind Streuner und die meisten Menschen wollen keine Streuner.“
„Aber warum denn nicht,“ empörte ich mich. „Nur, weil wir Streuner sind bedeutet das doch nicht, dass wir schlechte Katzen sind. Pan hat vorhin auch so komische Andeutungen gemacht.“ Tränen kullerten aus meinen Augen.
„Sei nicht traurig kleiner Tiger,“ sagte unsere Mutter sanft. „Vielleicht findet ihr ja eure Menschen und könnt in einem schönen Zuhause leben. Ihr seid noch Katzenkinder und das ganze Leben liegt vor euch. Ich wünsche euch, dass ihr ein schönes Zuhause findet.“
„Vielleicht finden wir alle zusammen ein schönes Zuhause,“ sagte Lela.
„Ihr findet vielleicht ein Zuhause, aber ich werde den Rest meines Lebens hier verbringen,“ sagte unsere Mutter.
„Aber, du hast uns doch erzählt, dass du früher ein Zuhause hattest,“ sagte Aischa.
„Ja, meine Kleine, ich hatte ein Zuhause, aber das war nicht schön. Meine Menschen wollten mich nicht mehr und ich will auch keine Menschen mehr,“ sagte unsere Mutter bitter.
„Aber Pan hat ein schönes Zuhause,“ sagte ich trotzig.
„Ja, Tiger, viele Katzen haben großes Glück und können in einem schönen Haus leben.“
In den nächsten Tagen hielten wir Ausschau nach Pan, doch der Kater ließ sich nicht blicken. Wir hätten ihn gerne gefragt, wie wir es schaffen konnten in ein Zuhause zu kommen. So nervten wir andere Katzen, die mit uns in der Höhle lebten, mit unseren Fragen. Wie konnten wir in ein Zuhause kommen. Die anderen Katzen hatten keine Ratschläge für uns.
Einige von ihnen hatten schon bei Menschen gelebt und waren von ihnen ausgesetzt worden. Eine Katze war aus ihrem Zuhause weggelaufen, weil die Menschen so böse zu ihr waren. Wir kamen zu dem Schluss, dass es keine gute Idee war auf ein Zuhause zu hoffen, obwohl Pan, den wir ein paar Tage später trafen, seine Menschen in den allerhöchsten Tönen lobte. Er war felsenfest davon überzeugt, dass ihn seine Menschen niemals aussetzen würden. Pan hatte, seit er ein Katzenkind war, bei diesen Menschen gelebt. Sie waren für Pan die allerbesten Menschen auf dieser Welt und wir waren neidisch, weil wir keine Menschen hatten.
Wir wurden immer selbstständiger und unsere Mutter ließ uns gewähren. In einer kalten Nacht machten wir eine schlimme Entdeckung. Unsere Mutter saß in einer Kiste fest und wir wussten nicht, wie wir ihr helfen konnten. Meine Schwestern und ich hatten die Frau beobachtet, die immer zum Füttern kam und gesehen, wie sie mehrere dieser Boxen aufgestellt hatte. Neugierig, wie wir nun einmal waren, hatten wir uns die Boxen angeschaut und das leckere Futter gesehen, das in jeder Box stand.
Lela, Aischa und ich hatten uns nicht getraut, in eine Box zu klettern, doch unsere Mutter war getrieben vom Hunger, rein gekrochen und saß nun fest.
„Mama, was können wir tun,“ fragte ich verzweifelt.
„Ihr könnt‘ nichts für mich tun,“ sagte unsere Mutter traurig. „Verschwindet und haltet euch von den Menschen fern!“
Stunden später war die Box mit unserer Mutter verschwunden. Meine Schwestern und ich erkannten, dass wir nun ganz alleine waren und uns durchschlagen mussten. Trotz der vielen Warnungen unserer Mutter waren wir immer wieder in die Nähe der Menschen gegangen, die in dem Einkaufsmarkt arbeiteten. Schlechte Erfahrungen hatten wir mit ihnen bisher nicht gemacht. Im Gegenteil! Die Menschen stellten uns Schüssel mit Futter hin und wir stürzten uns gierig auf das Futter, sobald die Menschen nicht mehr in der Nähe waren. Die Warnungen unserer Mutter hallten immer in unseren Köpfen und so hielten wir einen großen Abstand zu den Menschen.
Tage später war unsere Mutter wieder da.
Voller Freude begrüßten wir sie und wollten natürlich wissen, wo sie gewesen war.
„Die Menschen haben meinen Bauch aufgeschnitten und dafür gesorgt, dass ich keine Katzenkinder mehr bekomme,“ sagte unsere Mutter traurig.
„Aber warum tun die Menschen uns das an,“ schrie ich voller Empörung, denn mir wurde klar, dass wir nicht am Leben wären, hätten die Menschen vor unserer Geburt unsere Mutter eingefangen.
„Ach weißt du, kleiner Tiger, wir sind einfach zu viele Katzen und sieh‘ dich nur um, wie wir leben müssen. Eigentlich bin ich froh, dass ich keine Kinder mehr bekommen kann, die im Elend leben müssen,“ antwortete unsere Mutter betrübt.
„Aber, wenn wir es schaffen in ein Zuhause zu kommen geht es uns doch so gut wie Pan,“ sagte ich.
„Ja, Tiger, vielleicht schafft ihr es eines Tages in ein Zuhause. Die letzten Tage war ich bei der Frau, die uns immer Futter bringt und habe dort in einem Käfig gesessen. Mein Bauch tat weh, aber die Frau hat mir so viel Futter gegeben, dass ich mich so richtig satt essen konnte. Das war schon schön,“ sagte unsere Mutter leise.
„Wir wollen mit dir zusammen in ein Zuhause, Mama“ sagte ich und Lela und Aischa nickten zustimmend.
„Das wird nicht funktionieren, kleiner Tiger.
Ich bin schon zu lange ein Streuner und mag keine Menschen. Außerdem geben die Menschen selten einer Katze wie mir eine Chance. Katzenkinder können das schaffen. Manchmal kommen sie in ein Zuhause,“ sagte unsere Mutter traurig.
In den nächsten Wochen wurden wir immer erwachsener. Lela und ich vergaßen unsere Scheu vor den Menschen, die uns mit Futter versorgten. Die Warnungen unserer Mutter verhallten ungehört. Aischa war da anders. Sie floh panisch vor den Menschen, sobald sie in ihre Nähe kamen.
Alle drei suchten wir die Nähe von Pan, der uns hin und wieder besuchte und wir lauschten seinen Geschichten, die von seinem tollen Zuhause und seinen geliebten Menschen erzählten. Während Aischa Pans Geschichten nur wenig Glauben schenkte und die schlimmen Geschichten, die ihr unsere Mutter und die anderen Streuner über die Menschen erzählten verinnerlicht hatte, waren wir fasziniert von Pan und wünschten uns sehnlich ein Zuhause.
Wir gingen den anderen Katzen mit unseren vielen Fragen gehörig auf die Nerven. Eines Tages hatte Pauline eine schon ältere Katze, die noch nie in einem Zuhause gelebt hatte, die Nase voll.
„Mann, ihr seid echt Nervensägen,“ schimpfte sie als wir wieder einmal wissen wollten, wie wir in ein Zuhause kommen konnten.
„Aber wir hätten doch so gerne ein schönes Zuhause wie Pan,“ sagte ich und fürchtete mich vor Pauline, die sehr wütend war.
„Woher wollt ihr Nervensägen wissen, dass es euch gut geht, wenn ihr in ein Zuhause kommt? Hier leben einige Katzen, die ein Zuhause hatten und weggelaufen sind, weil ihre Menschen so böse zu ihnen waren,“ schimpfte Pauline.
„Aber Pan ist sehr glücklich in seinem Zuhause,“ sagte ich trotzig und Lela, die sich nicht traute der älteren Katze zu widersprechen, nickte eifrig und versteckte sich vorsichtshalber hinter mir.
„Euch ist nicht zu helfen. Wenn ihr unbedingt in ein Zuhause wollt, dann müsst ihr nur in einen der Käfige klettern, die die Frau jeden Abend aufstellt,“ antwortete Pauline ärgerlich.
Ich sah die ältere Katze verständnislos an.
„Unsere Mutter war in so einem Käfig, aber nach ein paar Tagen kam sie hierher zurück. Nachdem man ihr den Bauch aufgeschnitten hatte und sie jetzt keine Kinder mehr bekommen kann,“ sagte ich mutig, denn Pauline war schon sehr genervt.
„Ja, Dummchen, deine Mutter ist schon zu alt. Die will niemand mehr, aber Katzenkinder haben viel bessere Chancen in ein Zuhause zu kommen,“ erklärte uns Pauline.
„Kommen wir in so ein schönes Zuhause wie Pan,“ fragte ich neugierig.
Pauline lachte schallend.
„Du bist ein Dummchen. Wer kann schon sagen, ob ihr in ein schönes Zuhause kommt? Niemand! Wenn das Glück mit euch ist, wird‘s gut, wenn nicht, habt ihr Pech gehabt,“ sagte Pauline böse.
Wir machten uns aus dem Staub, denn wir wollten Pauline nicht noch mehr verärgern.
„Unsere Mutter und viele der anderen Katzen haben uns so oft gesagt, dass wir uns von den Menschen fernhalten sollen,“ sagte Aischa vorwurfsvoll. „Ihr wollt einfach nicht hören!“
„Pan hat ein schönes Zuhause,“ sagte ich.
„So ein Zuhause will ich auch haben!“
„Ich auch,“ sagte Lela. „Wer nichts wagt, gewinnt auch nichts. Das hat unsere Mutter auch schon oft gesagt.“
„Genau, Lela, wenn wir nicht versuchen in ein Zuhause zu kommen, werden wir immer hier leben müssen. Naja, so toll ist es hier nicht, oder Aischa,“ sagte ich und sah meine Schwester an. „Wir haben oft genug nichts zu essen und müssen immer Angst vor den Menschen und den stinkenden Dingern haben!“
„Ihr kennt doch die Geschichte von Moritz.
Der war in einem Zuhause und die Menschen waren sehr böse zu ihm. Sie haben ihn sogar in der Wohnung eingesperrt. Moritz musste lange Zeit bei diesen schlimmen Menschen leben, bis es ihm gelang zu fliehen. Jetzt ist er sehr froh, dass er hier leben kann. Hört endlich auf zu jammern,“ sagte Aischa und wir spürten, dass sie sehr ärgerlich war.
„Lela und ich schwiegen, denn wir wollten unsere Schwester, die eine halbe Stunde älter war als wir und sich gerne als Chefin aufführte, nicht noch mehr verärgern.
„Was haltet ihr davon, wenn wir zum Teich gehen. Da gibt es immer viele Mäuse,“ sagte ich und hoffte, dass Aischa auf meinen Vorschlag einging und nicht mehr böse auf uns war.
„Das ist eine gute Idee,“ sagte Lela und zum Glück nickte Aischa zustimmend.
Wir liefen zu dem Teich der zu einem Wochenendhaus gehörte. Hier fanden wir nicht nur viele Mäuse, sondern im Winter, wenn es sehr kalt war, einen warmen Unterschlupf. Auf dem großzügigen Gelände lebten ein paar Schafe, die für die Besitzer des Grundstückes das Mähen übernahmen. Das Ehepaar, dem das Grundstück gehörte, hatte für die Schafe einen Stall gebaut, der im Winter mit einer dicken Schicht Stroh eingestreut war. Die Schafe blieben auch im Winter lieber draußen. Sie hatten ein dickes Fell und froren nicht. So hatten wir und viele andere Katzen den Stall, der für die Schafe immer offen war, als Winterquartier entdeckt. Das Ehepaar hatte sehr schnell bemerkt, dass Streuner in ihrem Stall Zuflucht suchten und stellten jeden Tag, wenn sie nach ihren Schafen sahen, einen großen Teller Katzenfutter in den Stall.
Als wir heute zu dem Grundstück kamen, waren die Menschen gerade am Arbeiten und wir trauten uns nicht in den Stall. Die Frau sah uns und sagte zu ihrem Mann: „Schau nur die süßen Katzenkinder sind wieder da.“
„Ja, sie sind wirklich süß, aber auch sehr scheu,“ sagte der Mann.
Die Frau füllte einen Teller mit Katzenfutter und stellte das Futter an die Stelle, wo sie uns gesehen hatte. Wir warteten bis die Frau sich entfernt hatte, dann stürzten wir uns hungrig auf das Futter. Heute war uns das Glück hold. An dem Futter, das uns die Frau hingestellt hatte, konnten wir uns satt essen. Nach kurzer Zeit verließen die Menschen das Grundstück und wir schlenderten zum Teich, wo wir unseren Durst stillten. Wir saßen gerne an dem Teich. Hier gab es Fische, die wir gespannt beobachteten und viele Steine, unter denen sich Tiere verstecken konnten. Die vielen Mäuse, die hier lebten, hatten Verstecke rund um den Teich. Heute waren unsere Bäuche gut gefüllt und wir legten uns zum Schlafen in die Sonne. Es war früh am Morgen und recht kühl. Die Sonne wärmte unser Fell und das liebten wir.
„Es wäre doch so schön, wenn wir bei lieben Menschen immer genug zu essen hätten,“ seufzte Lela.
„Ja, das wäre sehr schön,“ sagte ich.
„Ja, das wäre schön, aber wir haben keine Menschen,“ sagte Aischa. „Wir sind Streuner und damit basta. Findet euch endlich damit ab“
Lela und ich schwiegen. Ich wusste, was Lela dachte und Lela wusste, was ich dachte. Wir wollten unser Schicksal selbst in die Hand nehmen und in einem Zuhause leben. Davon würden wir uns nicht abbringen lassen.
Nach einem ausgiebigen Schläfchen machten wir uns auf den Rückweg. Wir hatten den ganzen Tag verschlafen und die Sonne stand nun schon tief. Bald würde der Einkaufsmarkt schließen. Dann mussten wir zur Stelle sein, um nach Futter in dem Müllcontainer zu angeln.
Inzwischen hatten wir gelernt, dass wir schnell sein mussten, damit uns die älteren Katzen unsere Happen nicht streitig machten und wir hatten gelernt, den Menschen zu vertrauen, die in dem Einkaufsmarkt arbeiteten. So bekamen wir und ein paar andere Katzen, die die Nähe der Menschen suchten, die besten Happen. Es kam immer darauf an, welche Menschen in dem Einkaufsmarkt arbeiteten. Es gab einen Mann und zwei Frauen, die uns, wenn sie am Nachmittag arbeiteten, Schüsseln mit Katzenfutter hinstellten. Diesen Menschen vertrauten wir und ließen es sogar zu, dass sie uns streichelten.
„Uns geht es doch hier richtig gut,“ sagte Aischa wieder einmal, als wir mit gut gefüllten Bäuchen in unserer Höhle lagen.
„Aber in einem Zuhause, bei Menschen, die uns lieben, wäre es viel schöner,“ sagte ich und Lela nickte eifrig.