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Marc Dreßler ist Professor für BWL und Entrepreneurship an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen. Er lehrt und forscht am Weincampus / DLR Rheinpfalz in Neustadt. Prof. Dreßler hat den dualen Studiengang Weinbau und Oenologie verantwortet und leitet den von ihm maßgeblich konzipierten englischsprachigen berufsbegleitenden Master „MBA Wine, Sustainability & Sales“. Der Professur gingen internationale Lehr- und Forschungsaktivitäten (z.B. European Business School, University of Tampa oder WU Wien) und eine berufliche Karriere als Managementberater und Unternehmer voraus.
Strategisches Management am Beispiel der Weinbranche
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.dnb.de> abrufbar.
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
1. Auflage 2021
© UVK Verlag München 2021
– ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG
Dischingerweg 5, D-72070 Tübingen
Internet: www.narr.de
eMail: info@narr.de
Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart
Cover-Illustration: © iStockphoto Digoarpi
UTB-Nr. 5697
ISBN 978-3-8252-5697-5 (Print)
ISBN 978-3-8385-5697-0 (ePDF)
ISBN 978-3-8463-5697-5 (ePub)
Dieses Buch zu nachhaltigem Unternehmertum adressiert Praktiker und Studierende.
Spaß beim Lesen und Impulse zum strategisch basierten Unternehmertum und Nachhaltigkeitsmanagement sind zentrale Anliegen des Autors in der Überzeugung, dass eine strategische und nachhaltige Perspektive die Erfolgsgrundlage für unternehmerischen Erfolg auch kleinerer Betriebe ist.
Die Lebensdauer von Produkten, Geschäftsmodellen und Unternehmen verkürzt sich zunehmend. Vorausschauendes Handeln und betriebliche Agilität sind Grundvoraussetzungen professionellen Managements. Besonders für kleine Betriebe erfordert langfristiger Markterfolg Kompetenzsteigerung in der Unternehmensführung und die Einstellung, strategisches Management nicht als Last, sondern als Bereicherung zu verstehen. Um den Anspruch eines motivierenden Buchs zu erfüllen, werden ausgewählte, erprobte Managementinstrumente ausgeführt und mit Beispielen veranschaulicht. Illustrierende Praxisbeispiele und Online-Links sind zudem didaktischer Bestandteil.
Die mit dem Buch verbundene digitale Infrastruktur enthält Begleitmaterialien, die die Themen weiter erörtern. Geben Sie mir eine Rückmeldung, ob der gewünschte Effekt bei Ihnen eingetreten ist – das würde mich freuen.
Bei der Aufbereitung der betriebswirtschaftlichen Sachverhalte wird vornehmlich auf die Weinbranche zurückgegriffen. Die Beispiele sollen innerhalb dieser Industrie aber auch darüber hinaus motivieren und Impulse für nachhaltige Strategien geben.
Neben einem herzlichen Dankeschön an alle Wegbereiter und -begleiter möchte ich ganz besonders meiner Frau Bianca danken. Ebenso ein nachdrückliches Dankeschön an Anika Kost für die permanent großartige Unterstützung.
Das Buch wurde durch die Lehre und begleitende Beratungspraxis motiviert und inspiriert. Studierende, Unternehmensgründer und Unternehmer kleiner Betriebe sollen ein umfassendes, aktuelles und praxisbasiertes Basiswissen zur nachhaltigen Führung von Betrieben erhalten. In jedem Kapitel werden zuerst die Erkenntnisse der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre dargelegt. Definitionen werden auch visuell hervorgehoben. Hierauf aufbauend werden die Inhalte anhand von Praxisfällen veranschaulicht und im Kontext von nachhaltigem Unternehmertum vertieft. Die Kernaussagen werden anhand von Fragen für die unternehmerische Praxis betont. Begleitend zum Text können Filmbeiträge und eine Online-Webseite genutzt werden, die dem didaktischen Konzept des Buchs folgt. Die verarbeitete Literatur wird im Literaturverzeichnis aufgeführt, wobei eine Beschränkung auf die Kernliteratur aus Sicht des Autors erfolgte.
Die illustrativen Beispiele dienen der Anregung, eigene praktische Lösungswege unter eventuellen Rückgriff auf unternehmerisch beschrittene Lösungsansätze zu überlegen.
Unterstützende Filme, auch um einen Medienwechsel sicherzustellen, sind als Link oder QR-Scan leicht zugängig.
Weiterführende Literatur kann dem Literaturverzeichnis entnommen werden.
Zur Prüfungsvorbereitung sind sowohl die Beispiele als auch eine eigenständige Erarbeitung der Inhalte über die begleitende Webseite dienlich.
Die unternehmerischen Fragen in den Kapiteln sichern eine eine intensive Auseinandersetzung mit den Buchinhalten sowie die Vorbereitung auf Prüfungen.
Der an Praktiker gerichtete interaktive Fragebogen begleitend zum Buch (www.nachhaltigesunternehmertum.de) kann von Studierenden anhand der ihnen bekannten Betriebe oder anhand einer Fallstudie zur Simulation und zur Entwicklung eigener Geschäftsmodellideen genutzt werden.
Die aufbereiteten Praxisbeispiele dienen der Veranschaulichung und der Inspiration.
Praxisbeispiele fördern die Reflexion des eigenen nachhaltigen Unternehmertums: welche Implikationen sind für meine Industrie / meinen Betrieb ableitbar?
Im Kontext der dargelegten Sachverhalte verdeutlichen relevante Fragen zur betrieblichen Praxis die Kerninformationen und -aussagen.
Ein web-basierter Fragebogen zur eigenen Positionsbestimmung oder als Ideengeber ist für Unternehmer in Verbindung mit dem Buch zugängig (www.nachhaltigesunternehmertum.de).
Videos und Webadressen der interaktiven Plattform für eine weiterführende Auseinandersetzung für Unternehmenslenker sind Bestandteil als begleitende Infrastruktur.
Der exemplarische Fragenkatalog kann als Anregung für Klausurfragen dienen.
Die Fallbeispiele sind als Basis für eine interaktive Lehre konzipiert.
Filmzugänge, die den Sachverhalt unterhaltsam veranschaulichen, schaffen Abwechslung in der Lehre und motivieren Interaktion.
Die Verwendung aller Begriffe ist genderneutral und geschlechtsunspezifisch intendiert. Aus Gründen der Lesbarkeit wird das generische Maskulinum verwendet. Ausdrücklich wird aber darauf hingewiesen, dass Unternehmertum erst durch Diversität Entfaltung erfährt. Die lange Zeit einer von Männern dominierten Weinwirtschaft ist passé und die Weinbranche wird durch die nun verstärkt wirkenden Winzerinnen und Unternehmerinnen nachdrücklich belebt, wie beispielsweise die Kooperation Vinissima, aber auch unzählige beeindruckende von Frauen geführte Betriebe untermauern. Dies gilt ebenso für alle Gender- und Diversitätsaspekte.
Anglizismen durchdringen unseren Sprachgebrauch. Ein Verzicht auf englische Begriffe ist im Rahmen eines betriebswirtschaftlichen Buches, das aktuelle Inhalte vermitteln möchte, eine Herausforderung. Die zu Allgemeingut gewordenen Anglizismen werden in Klammern angeführt und im Falle mangelnder oder unpräziser deutscher Begrifflichkeit wird der etablierte „Management“-begriff verwendet.
Die der Veranschaulichung dienenden Praxisbeispiele stammen aus unterschiedlichen Quellen. Teilweise werden in der Literatur beschriebene „Klassiker“ aufgeführt, andere Fallbeispiele wurden aufgrund von augenscheinlicher Passgenauigkeit gewählt oder wegen tiefergehender Kenntnis des aufgeführten Betriebs verarbeitet. Bewusst wurden aktuelle mediale Quellen oder die Webseiten der Fallbeispiele genutzt, um die Inhalte praxisnah und unterhaltsam zu illustrieren. Der Autor nimmt mit der Auswahl der Praxisbeispiele keine wertende Stellung ein. Allen Praxispartnern, Verlagen und Bildrechteinhabern ein herzliches Dankeschön für die Abdruckgenehmigung und ihre motivierenden Begleitworte bei den Rückmeldungen.
Vorwort
Hinweise zum Buch
Inhalt
1Relevanz nachhaltigen Unternehmertums
1.1Management für Unternehmer und Kleinbetriebe am Beispiel Wein?
1.2Zukunftsausrichtung in fordernden Zeiten
1.3Nachhaltigkeit als gesellschaftlicher Impetus
2Die deutsche Weinbranche
2.1Wein ‒ Historie und Produkt
2.2Nachfrage – Weineinkauf und Weinkonsum
2.3Angebot ‒ Betriebliche Wertschöpfung der Weinwirtschaft
2.3.1Weinanbau
2.3.2Weinproduktion
2.3.3Weinvermarktung
2.4Synopse zur Nachhaltigkeit im Weinbau
3Grundlagen zur Unternehmensführung
3.1Führung
3.1.1Führung aus institutioneller Sicht
3.1.2Führung aus funktionaler Sicht
3.1.3Führungsstil und -konzepte
3.1.4Managementfähigkeiten und Kompetenzen
3.2Organisation
3.2.1Aufbauorganisation
3.2.2Ablauforganisation
3.2.3Unternehmensgröße als betriebliche Determinante
3.3Unternehmertum
3.3.1Merkmale unternehmerischen Handelns
3.3.2Unternehmerische Rollen
3.3.3Unternehmerische Entscheidungsfindung
3.3.4Familienunternehmen im Kontext von Unternehmertum
3.3.5Nachhaltiges Management und Unternehmertum
4Strategie als Anker unternehmerischer Entscheidungen
4.1Begriff und Bestandteile einer Strategie
4.2Strategisches Management als originäre Führungsaufgabe
4.3Bezugsgruppen strategischen Managements
4.4Planungsbasis und Prognosen
4.4.1Quantitativ basierte Prognosen
4.4.2Qualitative Prognosen und Szenarienentwicklung
5Strategische Planung und Analysen
5.1Anlässe für unternehmerische Bestandsaufnahmen
5.2Analyse der externen Umwelt
5.3Analyse der internen Umwelt
5.4Analyse der Unternehmenssituation
5.4.1Wettbewerbsvergleich und Benchmarking
5.4.2Außenwahrnehmung
5.5Strategische Aktionsfelder
6Instrumentelle Strategieentwicklung
6.1Entwicklung von strategischen Perspektiven und Zielen
6.1.1Ziele setzen
6.1.2Strategische Zielformulierung
6.1.3Zielevielfalt managen
6.2Unternehmerisches Leitbild als Orientierungsrahmen
6.3Strategische Positionierung
6.3.1Generische Wettbewerbsstrategien
6.3.2Persönlichkeit als strategieprägende Komponente
6.3.3Strategische Balance: Legitimierung oder Einzigartigkeit
6.4Nachhaltigkeit als strategischer Leitgedanke
6.4.1Nachhaltige Positionierungs-Cluster
6.4.2Strategische Steuerung und Erfolgseinfluss von Nachhaltigkeit
6.5Innovation als strategische Gestaltungskomponente
6.5.1Innovationsausrichtung und -typen
6.5.2Nachhaltigkeit als Triebfeder für Innovation
6.6Strategische Entwicklungspfade und Wachstumsambitionen
6.6.1Ambition als Erfolgsfaktor
6.6.2Lebenszyklus und Perspektiven
6.6.3Produkt-Markt-Matrix zur Bestimmung von Wachstumsoptionen
6.6.4Strategieanalogie der roten und blauen Ozeane
6.6.5Effizienz und Prozessoptimierung im strategischen Fokus
6.6.6Strategische Betriebsübergabe
7Nachhaltiges Geschäftsmodell
7.1Von Produktzentrierung zu kundenorientierter Nachhaltigkeit
7.2„Wer“: Kunden und Bedürfnisse
7.2.1Zielkundenorientierung
7.2.2Ganzheitliches Kundenmanagement
7.3„Was“: Wert- und Nutzenversprechen
7.3.1Kundenzentrierte Angebotsgestaltung
7.3.2Marke als Bestandteil des Wertversprechens
7.3.3Nachhaltiges Nutzen- und Leistungsversprechen
7.4„Wie“: Versprochenes liefern
7.4.1Unternehmerische Ressourcen
7.4.2Eigen- oder Fremdleistung und Partnerintegration
7.4.3Kunden aktiv einbinden
7.4.4Verfügbarkeit und Zugang gewährleisten
7.4.5Dynamische Fähigkeiten
7.5„Wert“ generieren
7.5.1Absatz und Kundenwert
7.5.2Preise als Stellhebel
7.5.3Kostentransparenz und -optimierung
8Zielerreichung und Feinsteuerung
8.1Planumsetzung und -synchronisation
8.2Controlling und Zielanpassung
8.3Digitale Transformation
8.4Veränderungsmanagement
8.5Krisen als Chance?
9Zusammenfassung und Ausblick
Praxisbeispiele
Verwendete Abkürzungen
Index
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Literatur
Unternehmertum als verantwortungsbewusste, langfristig wirkende, zielgerichtete Führung von Betrieben ist angesichts der dynamischen Veränderungen und oftmals begrenzter Aktionshorizonte kein Automatismus. Erfolgreiches Unternehmertum bedingt zunehmend eine gekonnte dispositive Steuerung des Betriebs, besonders in kleinen Unternehmen. Unternehmensführung, Management und Betriebssteuerung etablieren sich in der Praxis und Ausbildung auch in durch Kleinbetriebe charakterisierten Branchen als relevante Aktionsfelder. Trotz einer reichhaltigen und wachsenden Managementliteratur wird der Anspruch gehegt, den Bedarf für ein praxisorientiertes Buch zur Handlungsorientierung für unternehmerisches, strategisch verankertes Nachhaltigkeitsmanagement insbesondere von Kleinbetrieben zu stillen.
Die Betriebswirtschaft ist im Vergleich zu den Naturwissenschaften eine relativ junge, publikationsintensive Wissenschaftsdisziplin. Dieses Managementbuch soll Praktikern und Studierenden gleichermaßen als Quelle dienen, um strategisches, nachhaltiges Management für kleine und mittlere Betriebe praxisorientiert zu ergründen. Die primären Adressaten des Buchs sind (zukünftige) Unternehmer und Unternehmenslenker, unabhängig von der Rechtsform des Unternehmens, einer tatsächlichen unternehmerischen Stellung oder eines Angestelltenverhältnisses. Diese Personengruppen zeichnen sich in Kleinbetrieben durch fundierte Kenntnis ihrer Produkte und Services aus und werden hieraus auch motiviert. Die Managementkompetenz der Unternehmer ist teilweise weniger ausgeprägt als fachliche oder handwerkliche Fähigkeiten. Das gilt besonders für komplexere und vernetzte Managementherausforderungen wie Strategie, Nachhaltigkeit, Innovation und hiermit zu synchronisierender Organisation. Dieses praktisch und empirisch fundierte Buch mit begleitender visueller und virtueller Unterstützung motiviert und verankert zielorientierte Unternehmenssteuerung.
Strategisches Management scheint besonders für Unternehmer und kleine Unternehmen herausfordernd. Mangelnde Zeit für eine umfassende Beschäftigung mit der Zukunft oder die Unsicherheit von Planung, die so wie geplant oftmals nicht eintreffen wird, sind bekannte Argumente, mit denen ein Verzicht auf Anwendung von Managementinstrumenten in der Praxis begründet wird. Angesichts zunehmenden Wettbewerbs und steigender Anforderungen der Kunden müssen aber auch kleine Betriebe Antworten geben können, wie sie die Kunden von ihren besonderen Leistungen überzeugen, wieso das Angebot auch preislich attraktiv ist, wie nachhaltig ihre Leistungen sind und welche entscheidenden Hebel langfristigen Erfolg sicherstellen. Im Gegensatz zu großen Konzernen verfügen kleine Betriebe nicht über strategische Planungsabteilungen und ihre Risikotragfähigkeit ist begrenzt. Mit einem Rückgriff auf erprobte betriebswirtschaftliche Instrumente und praktische Beispiele wird Akteuren von kleinen und mittleren Betrieben, Unternehmensgründern und Studierenden Managementkompetenz vermittelt, so dass unternehmerische Gestaltung als bereichernd empfunden wird. Hierbei steht konkretes strategisches Handeln und das Verfolgen von Nachhaltigkeitszielen im Vordergrund.
Abb. 1: Nachhaltiges Unternehmertum – Eigene Forschungsfelder im Überblick
Die Veranschaulichung am Beispiel der Weinbranche begründet sich aus mehreren Aspekten, die vorab ohne Anspruch auf Vollständigkeit skizziert und im Verlauf des Buchs durch Beispiele und tiefergehende Auseinandersetzung mit dieser Industrie beleuchtet werden: Wein hat eine lange Historie, was dem Nachhaltigkeitsgedanken per se Rechnung trägt. Die Branche ist in Deutschland durch kleine Betriebe und Unternehmertum charakterisiert. Das Produkt ist abhängig von der Natur, wodurch eine Auseinandersetzung mit den klimatischen und ökologischen Veränderungen unabdingbar ist. Wein ist in mehreren Branchen verortet (Nahrungs- und Genussmittel, Alkohol, Konsum- aber auch Investitionsgüter, Agrarindustrie, Luxusartikel …). Ein Zusammenspiel von Tradition aber auch Moderne bestimmt die heutige Weinproduktion. Es wird eine durch lokale, regionale und auch nationale Aspekte geprägte Branche betrachtet, die global aufgestellt ist. Wein ist komplex, was sich in hoher Wertschätzung für die Produktion und das Produkt niederschlägt. Wein ist ein emotionales Produkt, es bietet unerschöpfliche Möglichkeiten der Gestaltung. Die sogenannten „grünen Berufe“ erfahren gesteigertes Interesse bei jungen Menschen. Diese Vielfalt wird begleitet mit einer Notwendigkeit professioneller Betriebsführung, was auch der Begriff „Agribusiness“ veranschaulicht.
Auch wenn die Weinbranche im Fokus steht, sind die im Buch aufgearbeiteten Managementherausforderungen für alle klein- und mittelständischen Betriebe ähnlich geartet und die Lösungsansätze relevant bzw. im jeweils benötigten Kontext adaptierbar. Die Veranschaulichung mit Beispielen aus der Weinindustrie ist beispielhaft. Präsentierte Lösungsansätze sind auf andere Branchen übertragbar. Wein hat hierbei den Vorteil, dass das Produkt viele Menschen begeistert und Weinkompetenz auch gesellschaftliche Anerkennung erfährt.
Ein Managementbuch für Unternehmer und Entscheider in kleineren Betrieben kann mit der Bedeutung dieser Wirtschaftsakteure begründet werden. Sie bilden das Rückgrat unserer Wirtschaft und der Gesellschaft, denn Großbetriebe machen weniger als 5% der deutschen Unternehmenslandschaft aus. Kleinunternehmer spielen auch im lokalen Umfeld eine bedeutende Versorgungs- und Beschäftigungsrolle.
Eine Wirtschaft, die durch Unternehmertum geprägt ist, entwickelt permanent Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen und sichert dadurch gesellschaftliche Weiterentwicklung. Wenn dies mit Vielfalt durch kleinstrukturierte Unternehmen gepaart ist, dann ist ein Risikopuffer für die Wirtschaft gegeben. Marktdominanz großer, weltumspannender Betriebe birgt gesellschaftliche und politische Gefahren, wie Monopolsituationen gezeigt haben. Entsprechend wird bei Unternehmensübernahmen und -zusammenschlüssen die etwaige marktbeherrschende Stellung geprüft und gegebenenfalls untersagt. Rechtfertigungen staatlicher Eingriffe mit dem Argument, dass Unternehmen zu erhalten sind, da ihre schiere Größe bei einer Insolvenz desaströse Auswirkungen für die Wirtschaft hätte („too big to fail“), sind dennoch im heutigen Wirtschaftsgeschehen an der Tagesordnung. Dies widerspricht der von Unternehmern oder auch bei privaten Investoren geforderten Risikostreuung. Eine Marktstruktur mit vielen und somit kleineren Einheiten wird dem betriebswirtschaftlich begründeten Anspruch einer Risikodiversifikation gerecht. Vielfalt im Angebot und bei der Anbieterlandschaft sollte gesellschaftliches Interesse sein. Sie bildet einen zentralen Stellhebel für Nachhaltigkeit, da unterschiedliche Wege ausprobiert und beschritten werden. Um die Professionalität und somit die Zukunftsaussichten der kleinen Betriebe zu erhöhen, bedarf es vor allem in fordernden Zeiten strategischen Unternehmertums.
Das Buch verarbeitet die aus Sicht des Autors grundlegende wissenschaftliche und praxisrelevante Literatur, ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Im Literaturverzeichnis werden vorrangige Quellen dargelegt, die auch als weiterführende, vertiefende Lektüre empfohlen werden. Darüber hinaus sind im Text durchgehend empirische Erkenntnisse eingearbeitet, um Praxisrelevanz und Validität zu gewährleisten.
Empirie bezeichnet einen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn, der auf methodisch geleiteter Analyse der Praxis basiert. Dieses Vorgehen ist vornehmlich theoriegeleitet, die Erkenntnisse stützen sich aber nicht auf theoretische Ableitung aus abstrakten Regeln, der Erkenntnisgewinn basiert auf Erfahrungen, validierter Evidenz und erkennbaren Fakten.
Seit 2012 wurde vom Autor in zweijährigem Rhythmus eine Online-Befragung zu Strategie und Innovation in der deutschen Weinwirtschaft durchgeführt. Die hierdurch gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen eine praxisbasierte Fundierung der betrieblichen Sachverhalte über alle das Buch abdeckenden Themen hinweg.
Neben den Einsichten und Illustrationen auf Basis der Betriebsbefragungen werden im Text zahlreiche Beispiele aus der Praxis eingeflochten. Eine praxisorientierte Veranschaulichung der dargelegten Sachverhalte liefert Impulse, um Gestaltungschancen zu erkennen und zu ergreifen.
Dem französischen Autor Viktor Hugo werden die Worte „Die Zukunft hat viele Namen: Für Schwache ist sie das Unerreichbare, für die Furchtsamen das Unbekannte, für die Mutigen die Chance“ zugeschrieben. Der Mensch kann aufgrund seiner geistigen Fähigkeiten nicht nur aus Vergangenem lernen, sondern auch antizipieren und Einfluss nehmen. Die Zukunft ist zwar ungewiss, aber die Beschäftigung mit möglichen Entwicklungen ist nicht nur die Aufgabe von Zukunftsforschern. Überlegungen zur Zukunft und den Implikationen für den eigenen Betrieb anzustellen, ist unternehmerische Basisarbeit und Voraussetzung für langfristig erfolgreiches und somit nachhaltiges Handeln. Dies gilt besonders für fordernde Zeiten, die durch schnelle Entwicklungen, massive globale Veränderungen und Zäsuren gekennzeichnet sind. Globalisierung, Klimawandel, Technologisierung, Digitalisierung, Marktkonzentration, Transparenz oder Wertewandel sind nur ausschnittsweise Phänomene einer zunehmenden Dynamik und Komplexität. Die noch nicht bewältigte Corona-Pandemie und eine Flutkatastrophe mit katastrophalen Folgen für Menschen und Betriebe unterstreichen, wie Krisen den Wandel unserer wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Umwelt bestimmen können.
Abb. 2: Beispielhafte Einflussfaktoren einer sich verändernden Umwelt
Die Geschwindigkeit des Wandels lässt sich an gekürzter Lebensdauer von Unternehmen ablesen. 1920 hatten die in einem amerikanischen Börsensegment gelisteten Unternehmen eine durchschnittliche Lebensdauer 67 Jahren, heute beträgt sie nur noch 15 Jahre (Foster & Kaplan 2011). Veränderungsfähigkeit ist, wie vom Ökonomen Schumpeter, der die zerstörerische Kraft von Innovation als Notwendigkeit für gesellschaftliche Veränderung bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts postulierte („Creative Destruction“), Triebkraft für notwendige Entwicklung. Aktuell hinterlässt die Covid-19-Pandemie destruktive Spuren (bspw. massive Umsatzeinbrüche in der Gastronomie) bei beschleunigter Veränderung (z.B. E-Business). Besonders in der Landwirtschaft und im Handwerk vollzieht sich seit Jahren ein weitreichender Strukturwandel mit einer massiv abnehmenden Anzahl von Betrieben. Dieser Wandel unterstreicht steigende Managementherausforderungen, besonders für die im Markt verbleibenden Unternehmen.
Neben belastenden, negativen Effekten wirkt Veränderungsdruck als Hebel für Weiterentwicklung. Wirtschaft und Gesellschaft profitieren vom Veränderungsdruck durch neue Angebote und neue Anbieter. Technologischer Fortschritt und auch durch Digitalisierung getriebene Veränderungen bieten Chancen für Geschäftsideen und -gründungen.
Unternehmensgründungen entspringen vornehmlich einem Wunsch nach unternehmerischer Selbstverwirklichung. Einige Geschäftsideen schaffen in betriebswirtschaftlicher Lichtgeschwindigkeit globale Entfaltung und lassen bis dato gelebte Geschäftsmodelle obsolet werden. Ein Start-up startet mit einer guten Idee. Die Idee kann sich aber nur dann langfristig durchsetzen, wenn sie unternehmerisch realisiert wird. Nur die Hälfte aller Neugründungen überlebt die ersten vier Jahre.
Laut Länderbericht des Global Entrepreneurship Monitors (GEM) sind die für Unternehmensgründungen förderlichen Rahmenbedingungen in Deutschland:
- Schutz von geistigem Eigentum (z. B. Patente)
- Wertschätzung neuer Produkte/Dienstleistungen aus Konsumentensicht
- Öffentliche Förderprogramme
- Physische Infrastruktur
- Berater und Zulieferer für Unternehmen. (Sternberg 2020)
Konzeptionelle Überlegungen zur Konkretisierung der Idee und dessen Umsetzung sind frühzeitig praxisnah zu validieren. Nachhaltigkeitsüberlegungen sollten bei neuen Geschäftsideen ein Prüfstein sein, oftmals sind diese sogar ursächlich. Etwa jede fünfte Firmengründung in Deutschland ist im Bereich Klima- und Umweltschutz angesiedelt. Besonders naturnahe Branchen locken unternehmerische Entfaltung, um zur Verbesserung des Klimas beizutragen.
Unternehmerische Ansätze, ob im Fall von etablierten Unternehmen in zunehmend wettbewerbsintensiven Märkten oder bei der Realisation einer Unternehmensgründung, bedingen vorausschauendes Handeln und agile Umsetzung. Agilität ist mehr als Flexibilität, um eine kurzfristige Nachfrage befriedigen zu können. Strategische Agilität ist gegeben, wenn trotz ungewisser Zukunft Entscheidungen getroffen und bei erkennbarem Handlungsbedarf diese in Frage gestellt und revidiert werden. Agile Unternehmen sind in der Lage umzusteuern, wenn sich ein eingeschlagener Weg als Sackgasse erweist. Strategisches Management verkümmert dann nicht in seitenfüllenden Fünf- oder Zehn-Jahresplänen, es wird zur permanenten Managementaktivität auf Basis einer Beobachtung der Umwelt, proaktiver Wahrnehmung von Chancen und unternehmerischer Steuerung von Risiken. Proaktives und antizipatives Handeln wird zur notwendigen Voraussetzung für eine nachhaltige Unternehmensentwicklung.
Unternehmertum sichert eine Perspektive für den Betrieb, wenn Chancen und Herausforderungen im Markt erkannt, betriebliche Ziele definiert und Maßnahmen zur Zielerreichung eingeleitet werden. Dies bedingt auch Risikobereitschaft. Strategisches Handeln synchronisiert dabei unter Wahrung eines längerfristigen Planungshorizonts die strategischen Ziele und Maßnahmen, die Positionierung im Wettbewerb, das Innovationsmanagement, die Nachhaltigkeitsmaßnahmen und die Organisationsentwicklung. Damit wird Adaptionsfähigkeit der Betriebe in der sich dynamisch verändernden Umwelt gewährleistet, eine notwendige Voraussetzung zur nachhaltigen Existenz. Ein externer Veränderungsdruck, wie beispielsweise die Corona-Pandemie, wirkt dabei als Katalysator. Agilität sichert besonders in Zeiten mit massiven Veränderungen langfristige Perspektive und sichert Resilienz, d.h. Überlebensfähigkeit. In kleinen Unternehmen ist dies eine unternehmerische Aufgabe, die anhand der folgend dargelegten Instrumente, Beispiele, Fragen, Einstellungen und Anregungen sichergestellt werden kann.
Als Minimaldefinition kann Nachhaltigkeit mit Langfristigkeit gleichgesetzt werden. In der Managementliteratur wurde und wird oftmals noch Nachhaltigkeit als Ziel „langfristiger Überrenditen“ für ein Unternehmen definiert. Ein derartig reduziertes Verständnis begründet lediglich vordergründige Nachhaltigkeit. Unser heutiges Leben und Wirtschaften belastet die Zukunft. Der Klimawandel ist nur ein Beispiel für die Folgen unseres Handelns. Angesichts der Zerstörung von nicht regenerierbaren Ressourcen hat sich eine erweiterte Definition von Nachhaltigkeit durchgesetzt: heutiges Agieren darf nicht zu Lasten der zukünftigen Generationen erfolgen.
Die Wurzeln des Nachhaltigkeitskonzepts werden dem deutschen Forstwirt von Carlowitz zugeschrieben. Bereits 1713 forderte er, dass nicht mehr Bäume geschlagen werden als nachwachsen. Damit wurde einer ökonomischen Profitsteigerung unter ökologischen Aspekten Einhalt geboten und ein gesellschaftlicher Nutzen durch Vermeidung von Kahlschlag anvisiert. Ende des 20. Jahrhunderts rückten der Ressourcenverbrauch und -endlichkeit in den Vordergrund. Die Angst vor der Endlichkeit des Planeten wurde auch durch die Ölkrise und Hungerkatastrophen befeuert. Ein Bericht des Club of Rome wurde 1972 mit dem Titel „Grenzen des Wachstums“ veröffentlicht, der die Herausforderungen von Populationswachstum und eine Debatte über die Limitierung ökonomisch getriebener Handlungsweise initiierte. Ein weiterer Meilenstein bildete der Brundtland-Report der Vereinigten Nationen, der Nachhaltigkeit unter dem Aspekt der Sicherung einer Perspektive für alle Menschen auf der Welt als Handlungsmaxime fordert. Soziales Engagement hat sich parallel als eigenständiges Managementparadigma unter dem Begriff Corporate Social Responsibility (CSR) etabliert. Hierbei stellt ein Unternehmen seine sozialen Aktivitäten in den Vordergrund.
Corporate Social Responsibility beschreibt ein freiwilliges, vom Unternehmen getragenes Sozialengagement. Betriebe setzen sich für soziale Aktivitäten ein, Mitarbeiter engagieren sich in gemeinnützigen Projekten, die Unternehmen fördern benachteiligte Gruppen oder finanzieren Projekte zur Steigerung der sozialen Gerechtigkeit.
1992 wurde beim Weltklimagipfel in Rio de Janeiro auf Klimapolitik fokussiert. Mit der „Friday for Future“-Bewegung zeigt sich der Wandel auch durch gesellschaftliche Aktivitäten. In wissenschaftlich unterstützter Darlegung der Handlungsnotwendigkeiten erfolgte eine Verankerung von ökologischem Handeln bei Unternehmen. Der in der Forschung zu Unternehmertum hierfür charakterisierende Begriff des „Ökopreneurs“ (Ecopreneur) wird in der Landwirtschaft anhand einer wachsenden Anzahl von Biobetrieben sichtbar. Sowohl die Ernährungsindustrie als auch damit verbunden die Landwirtschaft sind ein gewichtiger Gestaltungshebel bei der Verfolgung ökologischer Perspektiven. Das von der Bundesregierung kommunizierte Ziel einer Ausweitung der ökologischen Landwirtschaft auf mindestens 25% der Fläche bis 2030 erfordert weitere Umstellung deutscher Betriebe, da erst 10% an ökologisch bewirtschafteter Fläche überschritten wurden. Dies gilt auch für die Weinbranche, die hinsichtlich der ökologischen Flächenbewirtschaftung Aufholbedarf hat. Die EU ist mit dem richtungsweisenden „Green Deal“ und ambitionierten Zielen zur Minimierung ökologischer Auswirkungen in der landwirtschaftlichen Produktion Taktgeber. Nachhaltigkeit verbindet diese Handlungsorientierung als Dreiklang von Steigerung der ökonomischen Leistungsfähigkeit bei Sicherung von sozialer Gerechtigkeit und Wahrung der ökologischen Tragfähigkeit.
Nachhaltigkeit wird als Handeln definiert, bei dem heutige Aktivität die zukünftigen Generationen nicht belastet. Konkretisiert wird dieses Paradigma über eine permanente, parallele und synchronisierte Wahrung von ökologischen, sozialen und ökonomischen Zielen (Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit).
In Anwendung auf nachhaltige Unternehmensführung steht die ökonomische Seite für wirtschaftliche Stabilität und Leistungsfähigkeit, aber auch für Verlässlichkeit und langfristige Orientierung eines Unternehmens.
Abb. 3: Visualisierung des 3-Säulen-Modells der Nachhaltigkeit
Die soziale Dimension betrachtet, ob ein Unternehmen gute Arbeitsbedingungen, sichere Arbeitsplätze, faire Entlohnung bietet und gesellschaftliche Verantwortung übernimmt. Mit der ökologischen Perspektive wird verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen, umweltschonenden Technologien und umweltverträglichen Produkten Augenmerk geschenkt. Bei allen Wertschöpfungsaktivitäten sind die drei Säulen von Relevanz und Unternehmer sind gefordert, die sich ergebenden Implikationen ebenso wie Chancen zur Steigerung der Nachhaltigkeit zu gestalten.
Als Unterzeichner der Agenda 2030 hat sich die Bundesregierung verpflichtet, eine nachhaltige Entwicklung im eigenen Land voranzutreiben und diese durch Umbau von Strukturen sowie verändertes Denken und Verhalten umzusetzen. Hierzu wurden 17 gesellschaftliche Ziele vereinbart, die Nachhaltigkeit konkretisieren und einfordern.
Abb. 4: Die globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung (BMZ 2021)
Viele Branchen reagieren. So hat beispielsweise die BVE Bundesvereinigung der Ernährungsindustrie einen Leitfaden zum Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) veröffentlicht. Auch für die Weinbranche wurde der Kodex handlungsorientiert hinterlegt. Jedes Unternehmen ist gefordert, gegebenenfalls unter Rückgriff auf die Leitfäden, einen aktiven Beitrag zu leisten. Die steigende Relevanz von Nachhaltigkeit manifestiert sich nicht allein in politischen Zielen oder Vorgaben und Leitfäden der Industrie.
Nachhaltigkeit spielt zunehmend bei Verbraucherinnen eine Rolle und beeinflusst die Kaufentscheidung. Entsprechend nutzt der Handel Nachhaltigkeit für Sortimentsentscheidungen. Neuseeland stellt Nachhaltigkeit sogar in den Mittelpunkt der Weinwerbung des gesamten Landes. Politik, Handel und Verbraucher fordern immer mehr Nachhaltigkeit, was die Produzenten fordert, aber auch fördern kann.
Abb. 5: Einfluss von Nachhaltigkeit auf Konsum in Deutschland (in Anlehnung an Handelsblatt 2020)
Die Politik kann Nachhaltigkeit nicht eigenständig sicherstellen. Die Herausforderungen liegen in der Komplexität, limitierter Durchdringung von Handlungsimplikationen, notwendiger Verhaltensänderungen und resultierenden Einschränkungen. Die Sicherstellung von Nachhaltigkeit ist eine langfristige, permanente und sich weiter entwickelnde gesellschaftliche Aufgabe, zu der jeder Einzelne und besonders auch Unternehmen beitragen müssen. Die in diesem Buch positionierte Zentralität von Nachhaltigkeit im strategischen Management fußt auf dem Verständnis, dass viele kleine Schritte hin zu mehr Nachhaltigkeit bedeutsam sind – sowohl von Betrieben als auch von jedem privat. Dabei ist die Verinnerlichung nachhaltigen Handelns nicht abhängig von der Größe eines Unternehmens, nicht von der Industrie und auch nicht von der Lebensphase eines Betriebs. Bestandsunternehmen müssen ihr Geschäftsmodell anpassen und auch bei Unternehmensgründung sollte Nachhaltigkeit nachdrücklich die Unternehmenskonzeption bestimmen. Aber auch Unternehmensübergaben oder -auflösungen müssen Nachhaltigkeitskriterien Stand halten.
Nachhaltigkeit ist eine notwendige Managementorientierung, aber gleichzeitig eine Herausforderung in der praktischen Umsetzung, wenn dieser Anspruch als betrieblicher Leitgedanke wirken und nicht in einem Marketingeffekt verkümmern soll. Die Umsetzung von nachhaltigem Unternehmertum ist entsprechend sowohl in der strategischen Ausrichtung zu verwurzeln als auch permanent in der operativen Umsetzung zu gewährleisten – eine ständige betriebliche und persönliche Herausforderung für Unternehmer.
Wein ist ein Thema, das viele Menschen fasziniert, aufgrund seines Alkoholgehalts aber auch polarisieren kann. Wein ist seit Jahrtausenden Teil unserer Gesellschaft, regional relevant, aber gleichzeitig ein wertschöpfendes Wirtschaftsgut im internationalen Wettbewerb. Die Vielseitigkeit der Weinwelt, die einen Bogen von agrarlicher Bewirtschaftung, einer komplexen Produktion mit chemischen, physikalischen und logistischen Prozessen und spezifischen Kompetenzen der Weinmacher, über die Konsumgüter- und Ernährungsbranche bis hin zur Luxusindustrie spannt ‒ gepaart mit einer gesellschaftlichen Anerkennung von Weinkompetenz ‒ eröffnet Perspektiven, um (zukünftige) Unternehmer aus der Weinbranche aber auch aus anderen Industrien auf dem Weg zu nachhaltigem Unternehmertum zu stärken und Impulse für unternehmerische Verwirklichung zu geben.
„Wein ist nicht einfach irgendein Lebensmittel. … Wein ist ein Kulturgut, Wein ist europäische Geschichte und Wein ist Lebensgefühl. Natürlich braucht heutzutage niemand eine Flasche Wein. Das Trinkwasser ist sauber und Wirkung gibt es deutlich billiger. Man muss es wollen, Wein ist Luxus, unter Umständen Lebensgefühl, manchmal eben einfach nur Wirkung.“ Dirk Würtz, Influencer, Weinblogger, Winzer und geschäftsführender Weingutsgesellschafter (Wüst 2017)
Die Grundlagen und Spezifika der Weinindustrie, die Vielfältigkeit des Produktes und der Branche und aktuelle Einsichten in die Weinbranche werden anhand einer Produkt- und Wertschöpfungsbetrachtung vermittelt.
Antike Funde belegen eine lange Historie von Wein, denn schon im 6. Jahrtausend vor Christus wurde in Vorderasien Weinbau betrieben. Als europäische Ursprungsländer des Weines gelten Georgien sowie das heutige Armenien. In Deutschland ist Wein mit Fundstücken der Kelten an der Mosel schon 500 vor Christus nachgewiesen, durch die Römer wurden der Anbau und der Konsum in der Folge ausgedehnt. Wein war in der Römischen Kaiserzeit (bis 375 n. Chr.) das lukrativste Gut römischen Handels in Germanien. Germanen haben ebenso Wein kultiviert. Im ältesten erhaltenen germanischen Gesetzestext (Lex Salica ca. 500 n. Chr.) wurde Raub von Rebstöcken als Straftat festgeschrieben. In der Folge wurde Weinkultur maßgeblich durch Kirche und christliche Orden gefördert. Insbesondere der im Burgund initiierte Zisterzienserorden brachte über Klostergründungen Weinbaukompetenz nach Deutschland. Aber auch die weltliche Seite ‒ Karl der Große wird als ein Motivator für den Weinbau in Deutschland genannt ‒ hat den Weinbau vorangetrieben. Im Mittelalter erreichte die mengenmäßige Weinproduktion einen Höhepunkt. Wein profitierte von teilweise zugesprochener gesundheitsfördernder Wirkung, aber auch da Wasser wegen Verunreinigungen Ursache von Krankheiten sein konnte. Für Klöster war Wein ein wirtschaftliches Handelsgut, das maßgeblich zum finanziellen Erfolg beitrug. Klösterliche Erkenntnisse haben die qualitative Weinproduktion gefördert und sind heute noch erkennbar, beispielsweise am Qualitätsbegriff „Kabinett“, der auf die Lagerkammer für die besten Weine der Mönche hinweist. Die Weinkultur hat aber auch Tiefpunkte durchlebt. Neben Weltkriegen, Wirtschaftskrisen oder weinindustriespezifischen Unzulänglichkeiten (z.B. Glykol-Skandal) hat der Weinbau unter vernichtenden Krankheiten gelitten (insbesondere Reblaus). Dennoch konnte sich Wein über Jahrhunderte als kultivierte Genussform von Alkohol etablieren und vielfältige Weinevents sind als gesellige Zusammenkünfte Ausdruck auch moderner Weinfreuden.
Wein ist ein Getränk und entsteht aus alkoholischer Vergärung des Fruchtzuckers von Früchten. Im Folgenden wird von Wein aus Trauben, den Beeren der Vitis Vinifera, ausgegangen, was auch den Großteil der weltweiten Weinproduktion ausmacht. Obstweine (z.B. Kirsche) sind Produkte mit oftmals regionaler Nachfrage. Eine Ausnahme bilden die Weine aus alkoholischer Vergärung von Äpfeln, die sicherlich für die Mainregion und Frankfurt typisch (Äppelwoi oder Äppler) sind, sich aber auch als Cider oder Cidre verbreiteter Beliebtheit (z.B. französische Bretagne) erfreuen.
Von geschätzten mehr als 20.000 verschiedenen Rebsorten sind ca. 15% für die Weinproduktion zugelassen. Als Produktgattung ist die Weinbranche der Nahrungs- und Genussmittelindustrie zugehörig, in der Kategorie der alkoholischen Getränke. Aus dem Naturprodukt Traube wird über chemische und physikalische Prozesse und beeinflussende Verarbeitungsschritte ein Produkt Wein mit einem hohen emotionalen Nutzen für die Konsumenten erzeugt, was sich in einer sehr breiten Spannweite von Weinpreisen von unter zwei aber auch über 10.000 Euro für eine Flasche zeigt. Wein ist ein Erfahrungsprodukt, da erst durch den Konsum der Weingeschmack erlebt werden kann, zumal die Weinproduktion vom jeweiligen Erntejahr beeinflusst wird. Hochpreisige Weine haben sich auch als Anlageform etabliert (LivEx ist eine Börse, an der global Prestigeweine gehandelt werden). Weingüter bieten sich ebenso als Investitionsobjekt an. Damit spannt Wein einen Bogen von der Agrarindustrie, über Konsumgüter, zu Investitionsobjekten bis hin zu Luxusartikeln.
Abb. 6: Börse von Premiumweinen (Liv-Ex)
Ein als Qualitätswein deklarierter Wein wird in Deutschland amtlich auf Fehlerfreiheit geprüft. Im Anschluss an eine analytische Prüfung der Inhaltsstoffe durch ein amtlich anerkanntes Weinlabor, ob den gesetzlichen Vorgaben entsprochen wird, werden die Weine einer sensorischen PrüfungJahrgänge