Joris-Karl Huysmans
Gegen den Strich
Joris-Karl Huysmans (1848–1907), dessen ursprünglicher Name Charles-Marie-Georges Huysmans lautete, war ein französischer Schriftsteller, dessen wichtigste Romane verschiedene Phasen des ästhetischen und intellektuellen Lebens im Frankreich des späten 19. Jahrhunderts widerspiegeln.
Huysmans wurde als einziger Sohn einer französischen Mutter und eines niederländischen Vaters geboren. Im Alter von 20 Jahren begann er eine lange Karriere im französischen Innenministerium und schrieb viele seiner Romane während der Dienstzeit. Zu seinen frühen Werken, die von zeitgenössischen naturalistischen Romanciers beeinflusst sind, gehören der Roman „Marthe, histoire d'une fille“ (1876) die Novelle „Sac au dos“ (1880), die auf seinen Erfahrungen im deutsch-französischen Krieg beruht.
Der Schriftsteller und Kunstkritiker war zunächst Schüler von Émile Zola, bevor er sich von dem Naturalisten durch sein bekanntestes Werk „À rebours“ distanzierte. Huysmans gilt als Verächter des sozialen und politischen Lebens. Er interessierte sich fast ausschließlich für die Kunst und für die religiöse Frage. Letztere durchdringt seine Werke und bildet das Thema des letzten Drittels seines Lebens. Huysmans geistiger Weg verläuft über den Okkultismus und Mystizismus bis zur Konversion zum Katholizismus.
Gegen Ende seines Lebens zog sich Huysmans in ein Pariser Benediktinerkloster zurück, wo er einem Krebsleiden erlag.
„Es handelt sich eben nur darum, seinen Geist auf einen bestimmten Punkt zu richten.
Da ist nicht eine ihrer Erfindungen, möge sie für noch so feinsinnig oder noch so großartig gelten, die das Genie des Menschen nicht zu schaffen imstande wäre! Da ist kein Wald von Fontainebleau, kein Mondschein, welchen nicht eine von elektrischem Licht überflutete Dekoration hervorzuzaubern vermöchte; kein Wasserfall, welchen die Wasserleitungskunst nicht täuschend nachahmen könnte, kein Felsen, der nicht durch Papiermaché herzustellen wäre, keine Blume, die nicht durch besonderen Taffet und zart bemaltes Papier genauso wiedergegeben werden könnte!
Unzweifelhaft hat diese uralte Schwätzerin Natur die gutmütige Bewunderung der wirklichen Künstler erschöpft, und der Augenblick ist gekommen, sie verbessert zu ersetzen, soweit es sich eben durch die Kunst ermöglichen lässt.“
„Es war ein Buch voller Gift. Es war, als haftete seinen Seiten ein schwerer, sinnverwirrender Duft nach Weihrauch an“: Mit diesen Worten beschrieb Oscar Wilde Huysmans' Roman „À rebours“ in seinem Werk „Dorian Gray“. Den Duft, den der Roman verströmt, sind die Versuchungen des Künstlichen und Überreizten. Huysmans erzählt, wie Jean Floressas Des Esseintes, ein wohlhabender, kränkelnder Aristokrat, sich seine eigene Welt des Ästhetizismus schafft, um die für ihn hässliche Realität einer von Materialismus und Fortschrittsglauben geprägten Zeit zu auszublenden.
Das Buch, das 1884 in Paris erschien und damals sofort seinen Zauber entfaltete, wurde mit seinem minimalistischen Handlungsgerüst zur Bibel des Ästhetizismus, zum literarischen Auftakt des Symbolismus und der „décadence“, wie die französischen Zeitgenossen diese literarische Schule zunächst nannten. „À rebours“ bedeutet im Deutschen „Gegen den Strich“. Damit spielte der Autor auf den Gegensatz zu seinen früheren Werken an, die noch ganz dem damals vorherrschenden Naturalismus eines Zola verpflichtet waren. Doch bedeutet dies nicht, dass der Roman sich in einem historisch beliebigen Raum bewegt: Er thematisiert vielmehr die sich im Krisenbewusstsein des ausgehenden 19. Jahrhunderts zeigende Gefühlslage der Dekadenz, die von Untergangsstimmung, Weltüberdruss und Endzeitbewusstsein geprägt war.
Huysmans distanzierte sich später zwar von „À rebours“, erkannte aber an, dass der Roman für sein späteres Schaffen den heimlichen Startpunkt bildete. Er erklärte: „Aber am meisten wundere ich mich bei dieser Lektüre darüber, dass alle Romane, die ich seit ,À rebours' verfasst habe, als Keim in diesem Buch angelegt sind.“ In der Hauptfigur des Romans verkörpert sich Huysmans selbst. Doch erkannte er später die Ausweglosigkeit des dekadenten Lebensstils, beschäftigte sich in der Folge verstärkt mit religiösen Fragen und konvertierte schließlich zum Katholizismus.
Noch heute beeindruckt den Leser die literarische Eleganz dieses
Romans und hält ihn bei der Lektüre gefangen. „Gegen den Strich“
ist ein Meisterwerk der Dekadenz und ein Roman, der zu Recht
Literaturgeschichte geschrieben hat.